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Sitzungsübersicht
Sitzung
SESSION 52: Kompetenzentwicklung auf Kindergarten- und Primarstufe
Zeit:
Donnerstag, 03.07.2025:
16:15 - 17:45

Chair der Sitzung: Isabelle Duss
Ort: Seminarraum 2.B01


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Präsentationen

Die Rolle motivationaler Orientierungen von Lehrpersonen für die Entwicklung motorischer Basiskompetenzen bei Schüler:innen im Kindergarten und in der Primarschule.

Fabian Büchel, Sonja Büchel, Jacqueline Perret

PH St.Gallen, Schweiz

Einleitung:

In der Bildungsforschung gilt die Annahme, dass intrinsisch motivierte Lehrpersonen, die ihren Beruf als bedeutungsvoll wahrnehmen, mit höherem Engagement und grösserer Ausdauer arbeiten, was zu besseren Lehrergebnissen führt (vgl. Ryan & Deci, 2000; Kunter, 2011; Kunter & Holzberger, 2014). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Kompetenzbereich von Lehrpersonen über das reine Fachwissen hinaus zu erweitern. Motivationale Orientierungen, als ein Teilbereich professioneller Kompetenz, wurden bisher fachübergreifend weniger systematisch untersucht als der Wissensaspekt (vgl. Büchel, 2019; Müller et al., 2008). In den Fachbereichen Mathematik und Physik liegen erste Erkenntnisse zur professionellen Kompetenz von Lehrpersonen vor (vgl. Tatto et al., 2012; Riese et al., 2015). Die Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den Bereich Bewegung und Sport gestaltet sich jedoch als schwierig, da qualitativ hochwertiger Unterricht spezifische fachliche Kompetenzen erfordert (vgl. Praetorius & Gräsel, 2021; Richartz & Kohake, 2021). Der vorliegende Beitrag untersucht deshalb, inwiefern Aspekte motivationaler Orientierung von sportunterrichtenden Lehrpersonen im Kindergarten und in der Primarschule die Entwicklung der motorischen Basiskompetenzen der Schüler:innen beeinflussen. Unter motorischen Basiskompetenzen (MOBAK) werden jene motorischen Kompetenzen verstanden, die für eine erfolgreiche sportliche Bewegungshandlung benötigt werden (Herrmann & Gerlach, 2014). Ihre Förderung ist von zentraler Bedeutung, da sie die Teilhabe der Schüler:innen an der Bewegungs- und Sportkultur ermöglicht (Gogoll, 2012; Herrmann, 2018).

Methodik:

Im Rahmen der vom SNF geförderten Studie EMOKK («Entwicklung motorischer Basiskompetenzen in der Kindheit») wurden 964 Schüler:innen aus dem 1./2. Kindergarten sowie der 1./2. Primarstufe zu zwei Messzeitpunkten (Kohorte 2022/2023) getestet. Die Erhebung erfolgte mit den jahrgangsspezifischen MOBAK-Testinstrumente (Herrmann, 2018; Herrmann & Seelig, 2017; Herrmann et al., 2019). Parallel dazu wurden von den Lehrpersonen (N=187) Fragebögen zu Überzeugungen (Konstruktionsorientierung und Transmissionsorientierung) sowie motivationalen Orientierungen (Fachinteresse, Fachenthusiasmus und Selbstwirksamkeit) erhoben. Zur Analyse der Fragestellungen kamen bivariate Korrelationen sowie latente Mehrebenenregressionsmodelle zum Einsatz.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse der bivariaten Korrelationen verdeutlichen starke Zusammenhänge zwischen selbsteingeschätzten motivationalen Orientierungen und Überzeugungen der Lehrpersonen. Fachinteresse und Fachenthusiasmus korrelieren hoch positiv (r = .71***). Selbstwirksamkeit zeigt moderate positive Korrelationen sowohl mit Fachinteresse (r = .42***) als auch mit Fachenthusiasmus (r = .42***). Die Konstruktionsorientierung weist hingegen lediglich eine schwache Korrelation mit Selbstwirksamkeit auf (r = .15*), während die Beziehungen zu Fachinteresse und Fachenthusiasmus nicht signifikant sind. Die Mehrebenenregressionsmodelle zeigen, dass die MOBAK der Schüler:innen zu t1 ein starker Prädiktor für die MOBAK zu t2 auf Individualebene sind (β = .48, SE = .03, p < .001), womit die individuellen Ausgangswerte massgeblich die Kompetenzentwicklung bestimmen. Auf Klassenebene zeigt die selbstberichtete Konstruktionsorientierung der Lehrpersonen einen positiven Effekt auf die MOBAK der Schüler:innen (β = .19 bis .27, p < .05), während Fachinteresse einen leicht negativen Einfluss hat (β = -.12, p < .05). Selbstwirksamkeit und Enthusiasmus der Lehrpersonen zeigen keine signifikanten Effekte.

Diskussion:

Die moderaten Effekte der Konstruktionsorientierung entsprechen den theoretischen Erwartungen, während die leicht negativen Effekte des Fachinteresses überraschend erscheinen. Möglicherweise spiegeln diese Ergebnisse spezifische Eigenschaften motivationaler Orientierungen wider, die für den Bewegungs- und Sportunterricht charakteristisch sind. Die fehlenden signifikanten Effekte anderer professioneller Kompetenzen weisen darauf hin, dass weitere Faktoren, wie die Qualität des Unterrichts oder externe Umweltbedingungen, eine entscheidende Rolle spielen könnten. Es ist wahrscheinlich, dass die motivationalen Orientierungen der Lehrpersonen indirekt über spezifische Merkmale des Unterrichts die motorischen Leistungen der Schüler:innen beeinflussen. Diese vermittelnden Zusammenhänge sollten in zukünftigen Analysen mit diesem Datensatz systematisch untersucht werden, um ein umfassenderes Verständnis der Einflussmechanismen zu gewinnen.



Wer, wie, was? Heterogene Beteiligungswirklichkeiten im Alltag von Kindern in Bildungsinstitutionen

Tanja Betz

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland

Die Beteiligung von Kindern wird in pädagogischen Handlungsfeldern fachlich nahezu ausschließlich positiv gerahmt. Ihre Beteiligung an allen Fragen und Belangen, die sie betreffen, ist nicht nur rechtlich geboten. Sie trägt auch „zu einer besseren Entscheidungsfindung bei und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend & Deutscher Bundesjugendring 2023, S. 9) und stärkt die Teilhabegerechtigkeit. Entsprechend solcher und weiterer politischer und pädagogischer Begründungslinien wurden Qualitätsstandards entwickelt und Impulse zur Weiterentwicklung von Kinderbeteiligung u.a. in Kindertageseinrichtungen und Schulen formuliert (ebd.). In Bezug auf die Beteiligung von Kindern in Bildungsinstitutionen ist dabei ein Beteiligungsverständnis in der Fachdebatte verbreitet, das sich, mit Munsch & Müller (2021), mit ‚Beteiligung als Veranstaltung und Programm‘ bezeichnen lässt. Es folgt primär einer erwachsenenorientierten und pädagogischen Logik.

Im laufenden Verbundprojekt „4. Kinder- und Jugendbericht Rheinland-Pfalz. Beteiligung aller jungen Menschen in Rheinland-Pfalz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ zwischen Universität Mainz, Universität Trier und dem Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz gGmbH wurde eine alternative theoretische Perspektive auf Kinderbeteiligung entwickelt. Ausgehend von einer grundlegenden generationalen Asymmetrie in pädagogischen Handlungsfeldern im gesellschaftlichen Kontext, wird Beteiligung von Kindern als Teil der alltäglichen sozialen Praxis verstanden (Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz 2025 i. Dr.). Hiervon ausgehend wurden die heterogenen Beteiligungswirklichkeiten von Kindern orientiert am Beteiligungsmodell von Cahill & Dadvand (2018) theoretisch dimensioniert.

Im Vortrag werden die inhaltsanalytisch gewonnenen Befunde aus 16 Gruppendiskussionen mit insgesamt 74 Teilnehmenden zwischen vier und 14 Jahren dargestellt. Im Fokus stehen erstens Ergebnisse zu Prozessen der Beteiligung von Kindern, die zwischen Dabeisein und Einfluss nehmen changieren. Zweitens werden Positionierungen von Kindern aufgezeigt, die sich in Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Beteiligung im Alltag ausdifferenzieren lassen. Drittens werden diverse generationale Machtverhältnisse herausgearbeitet, innerhalb derer Erwachsene, insbesondere das pädagogische Personal, Einfluss darauf nimmt, wer, wie und in Bezug auf was (nicht) beteiligt wird.

Die Befunde und die bisweilen widersprüchlichen Beteiligungserfahrungen der Kinder werden bezugnehmend auf den Forschungsstand zur ambivalenten Beteiligung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Schulen und darauf bezogene pädagogische Herausforderungen diskutiert (de Boer & Velten 2022; Equit 2018; Müller-Kuhn, Herzig, Häbig & Zala-Mezö 2021; Neumann & Hekel 2016).



Spontane Fokussierung auf Anzahlen: Mit welchen Aufgaben können mathematische Kompetenzen von Kindergartenkindern besser vorhergesagt werden?

Isabelle Duss, Bettina Wohlfender, Noemi Gloor, Elisabeth Moser Opitz

Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaften, Zürich

Theoretischer Hintergrund
Die symbolischen mathematischen Kompetenzen im Kindergartenalter sind ein wichtiger Prädiktor für spätere mathematische Leistungen (Nguyen et al., 2016). Aktuell wird diskutiert, welche Bedeutung dem spontanen mathematischen Verhalten wie dem spontanen Fokussieren auf Anzahlen (SFON, Spontaneous Focusing on Numerosity) zukommt. Mehrere Studien ergaben, dass die SFON-Leistung junger Kinder prädiktiv für ihren späteren mathematischen Erfolge ist, selbst unter Kontrolle des Alters, und Arbeitsgedächtnisses (Batchelor et al., 2015) oder des nonverbalen IQ (Hannula & Lehtinen, 2005). Die bisher genutzten Aufgaben zur Erfassung von SFON lassen sich in handlungsbasierte (Hannula & Lehtinen, 2005) und bildbasierte (Batchelor et al., 2015) Aufgaben einteilen. In der handlungsbasierten Imitationsaufgabe verteilt der/die Testleiter:in kleine Mengen von Objekten in Boxen (z.B. Briefe in Briefkästen) und die Kinder werden aufgefordert, diese Handlung nachzuahmen. Bei einer bildbasierten Aufgabe werden die Kinder gebeten ein Bild, mit Objekten in verschiedenen Anzahlen (z.B. zwei Bäume, drei Wolken) zu beschreiben. Dabei wird beurteilt, ob die Kinder Anzahlen benennen. Diskutiert wird aktuell, ob die beiden Aufgabentypen dasselbe messen. Sowohl Batchelor et al. (2015) als auch Elliott et al. (2022) fanden keinen systematischen Zusammenhang zwischen einer bildbasierten und einer handlungsbasierten Aufgabe. Auch stellt sich die Frage, inwiefern die bildbasierte Aufgabe verbale Kompetenzen erfordert. Batchelor et al. (2024) fanden keinen Zusammenhang zwischen dem Wortschatz der Kinder und dem SFON-Ergebnis in einer bildbasierten Aufgabe. Nicht überprüft wurde allerdings, welchen Einfluss die Sprachproduktion, die bei der Bildaufgabe wesentlich ist, hat. Mit dieser Studie sollen weitere Erkenntnisse zum Zusammenhang von zwei Typen von SFON-Aufgaben, mathematischen Kompetenzen sowie Kontrollvariablen gewonnen werden.

Fragestellung
In welchem Ausmass hängen die Ergebnisse einer bildbasierten und einer handlungsbasierten SFON-Aufgabe mit den mathematischen Kompetenzen von Kindern im ersten Kindergartenjahr zusammen, wenn Alter, Geschlecht, Sprachproduktion und Merkfähigkeit kontrolliert werden?

Design und Methode
Die Stichprobe umfasst 607 Kinder (49% weiblich) im Durchschnittsalter von 5 Jahren (SD = 4 Monate, Min = 4.5 Jahre, Max = 6 Jahre) aus 87 Kindergärten. 64% der Kinder sprechen Deutsch als Erstsprache. Alle Tests wurden von geschulten Testleiter:innen in der zweiten Hälfte des ersten Kindergartenjahres durchgeführt.
Mathematische Kompetenzen. Test XX (Autor et al. in Vorbereitung) mit n = 36 Items zu den folgenden Themen: Objekte zählen, nicht-symbolische Zerlegung von Zahlen, Additionsaufgaben, symbolischer Vergleich von Grössen und Zuordnung von Zahlen zu Mengen (α = .91).
Spontane Fokussierung auf Anzahlen (SFON).
Bildbasierte Aufgabe (Autor et al., 2021): Die Kinder wurden gebeten, drei verschiedene Bilder zu beschreiben, und die Beschreibungen wurden hinsichtlich der Nennung von numerischen Aussagen bewertet (α = .79).
Handlungsbasierte Aufgabe (Hannula &Lehtinen, 2005): Kindern ahmen die Handlung der Testleiter:in nach, die über drei Runden hinweg verschiedene Anzahlen von Briefen in einen Briefkasten einsortiert (α = .63).
Sprachproduktion: Subtest zur Sprachproduktion mittels einer Bildergeschichte aus dem Set 5-10 (Petermann et al., 2010) (α = .78).
Merkfähigkeit. Adaptation der Corsi-Block-Aufgabe (Corsi, 1972; Schellig 2011).

Resultate und Diskussion
Zwischen bild- und handlungsbasierter SFON-Aufgabe besteht eine signifikant positive, jedoch schwache Korrelation (r = .25). Dies könnte darauf hindeuten, dass die beiden Aufgabentypen unterschiedliche kognitive Prozesse erfassen (Eliott et al., 2022).
Die Berechnung des Strukturgleichungsmodells unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen Sprachproduktion, Merkfähigkeit, Alter und Geschlecht zeigt, dass nur die handlungsbasierte SFON-Aufgabe in einem signifikanten Zusammenhang mit den mathematischen Kompetenzen der Kinder steht (β = 0.30, p < .001). Für die bildbasierte Aufgabe ist dies nicht der Fall (β = 0.04, p = .287). Zudem ergab sich ein signifikanter Zusammenhang der Mathematikleistung mit der Sprachproduktion (β = 0.22 p < .001), der Merkfähigkeit (β = 0.18, p < .001) und dem Alter (β = 0.19, p < .001), jedoch nicht mit dem Geschlecht (β = -0.06, p = .096).
Diese Ergebnisse müssen in zukünftigen Studien, idealerweise mit Längsschnittdaten, weiter untersucht werden.