Sitzung | ||
SESSION 32: Unterrichsqualität und Unterrichtsmerkmale in der Lehrpersonenbildung
| ||
Präsentationen | ||
Beeinflusst die FORMA-Intervention die unterrichtliche Umsetzung von Self- und Peer-Assessment? 1Pädagogische Hochschule Luzern, Schweiz; 2Pädagogische Hochschule Zürich, Schweiz Self- und Peer-Assessment sind zwei zentrale Ansätze des formativen Assessments (Black & Wiliam, 2009). Während Peer-Assessment darauf abzielt, Lernende zur gemeinsamen und kooperativen Reflexion sowie Beurteilung von Lernprozessen und -ergebnissen anzuregen (Topping, 2009), liegt der Schwerpunkt beim Self-Assessmentauf der Selbstreflexion und Beurteilung (Andrade & Valtcheva, 2009). Lehrpersonen spielen eine entscheidende Rolle bei der unterrichtlichen Umsetzung von Self- und Peer-Assessment (Harris & Brown, 2013; Ploegh, Tillema & Segers, 2009). Untersuchungen zeigten jedoch, dass Lehrpersonen in diesem Bereich deutliche Defizite aufweisen (Buholzer et al., 2020). Theoretischen Annahmen zufolge könnten diese Defizite mit ihrem Professionswissen zu Peer- und Self-Assessment zusammenhängen (Shulman, 1986). Bislang fehlen jedoch Interventionsstudien, die aufzeigen, wie eine Weiterbildung das Professionswissen gezielt erweitern kann, um Peer- und Self-Assessment auf einer fundierten Wissensbasis lernwirksam im Unterricht zu implementieren (Harris & Brown, 2013). Die SNF-Interventionsstudie «FORmatives Assessment im Mathematikunterricht» (FORMA) untersucht die Wirksamkeit einer inhaltsspezifischen Weiterbildung (vor Ort und online) für Lehrpersonen. Geprüft werden dabei: (1) das Professionswissen zu Peer- und Self-Assessment, (2) die unterrichtliche Umsetzung von Peer- und Self-Assessment sowie (3) die fachlichen, motivationalen und selbstregulatorischen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler. Die Wirksamkeit der Weiterbildung wird mithilfe eines randomisierten Prä-Post-Follow-up-Wartekontrollgruppendesigns untersucht. 96 Schulklassen sind beteiligt und in drei Gruppen aufgeteilt: 28 Klassen für die Interventionsgruppe Peer-Assessment, 29 für die Interventionsgruppe Self-Assessment und 39 für die Kontrollgruppe. Daten werden zu drei Messzeitpunkten (Pretest, Posttest, Follow-up) über einen Zeitraum von vier Monaten erhoben. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, bestehende Forschungslücken zu schliessen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie Peer- und Self-Assessment lernförderlich implementiert werden können und welche Bedeutung dabei (1) dem Professionswissen sowie (2) dem unterrichtlichen Handeln von Lehrpersonen zukommt. Zur Beantwortung der zweiten Teilfrage nach der Umsetzung von Peer- und Self-Assessment im Unterricht wurde pro teilnehmende Schulklasse eine Lektion videographiert. Während die Interventionsgruppe je nach besuchter Weiterbildung ein Peer- oder Self-Assessment in ihrer Lektion durchführte, wurde die Wartekontrollgruppe aufgefordert, ein Peer- oder Self-Assessment nach eigenem Ermessen im Unterricht einzusetzen. Die videographierten Lektionen werden anschliessend codiert und geratet. Die Beobachtung des Unterrichts durch geschulte externe Beobachtende hat sich als verlässlicher Zugang erwiesen, um das Unterrichtsgeschehen sowohl quantitativ wie auch qualitativ zu erfassen (Clausen, 2002; Pianta & Hamre, 2009). Im Zentrum des vorliegenden Beitrags sollen das Vorgehen und die Ergebnisse der niedriginferenten Basiscodierungen des Unterrichts und der Peer- und Self-Assessments stehen. Zur Erfassung wurde ein Codierinstrument ausgearbeitet, das im Referat vorgestellt und diskutiert werden soll. Zudem werden erste deskriptive Analysen zu den im Eventsampling-Verfahren erfassten Basisdimensionen (a) Unterrichtsstatus, (b) Unterrichtsinhalt und (c) Sozialform erläutert. Darauf aufbauend werden die Ergebnisse zu den Facetten (d) Anleitung, (e) Begleitung und (f) Nutzung von Peer- und Self-Assessment ausgeführt und kritisch diskutiert. Die Überprüfung der Intercoderreliabilität wurde zum Zeitpunkt der Eingabe noch nicht zu allen Facetten geprüft. In Bezug auf (a) Unterrichtsstatus und (b) Unterrichtsinhalt (mit einer Toleranzgrenze von 95%) kann bei der Bestimmung der Segmentgrenzen von einem Kappa Wert von 1.00 berichtet werden. Bis zum Zeitpunkt des Referats werden die Angaben zur Intercoderreliabilität zu den restlichen Facetten sowie die deskriptiven Analysen zu den beiden Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe vorliegen. Hinweis: Die beiden eingereichten Beiträge «Beeinflusst eine interdisziplinären Weiterbildung zu formativem Assessment das mathematische Lernen von Primarschüler:innen?» und «Beeinflusst die FORMA-Intervention die unterrichtliche Umsetzung von Self- und Peer-Assessment?» basieren auf dem gemeinsamen Forschungsprojekt «FORmatives Assessment im Mathematikunterricht» (FORMA), beleuchten jedoch unterschiedliche Perspektiven. In den Beiträgen wird wechselseitig auf den jeweils anderen Beitrag verwiesen. Effekte des fachfremden Unterrichts auf die Unterrichtsqualität und die Schüler:innenleistungen in Englisch als Fremdsprache PH Oberösterreich, Österreich Ziel und Fragestellung Fachfremder Unterricht (FFU) erweist sich nicht nur national als kurzfristige Lösung zur Bewältigung des (Fach-)Lehrer:innenmangels, sondern hat sich auch international als gängige Praxis etabliert. Verbunden mit der Tatsache, dass diese Lehrkräfte nicht zur Gänze für das Unterrichtsfach qualifiziert sind, ergibt sich die Frage, ob sich dies auch auf die Leistungen der Schüler:innen auswirkt. Der vorgeschlagene Beitrag befasst sich hierbei nicht nur mit den direkten Effekten des FFU auf die Leistungen, sondern nimmt auch potenzielle Unterschiede in der Unterrichtsqualität in den Fokus, die wiederum in indirekten Leistungseffekten münden können. Analysiert wird dabei der fachfremde Englischunterricht in der Sekundarstufe I in Österreich. Die übergeordnete Fragestellung lautet somit: Welchen Einfluss hat fachfremder Englischunterricht auf die Schüler:innenleistungen mediiert über die Unterrichtsqualität? Theoretischer Hintergrund Lehrkräfte im FFU fehlen fachspezifische Lerngelegenheiten in ihrer formalen Ausbildung, was sich schlussendlich defizitär auf ihren Kompetenzerwerb, insbesondere im Bereich des Fach- und fachdidaktisches Wissens, auswirkt (Baumert & Kunter, 2013). Die Kompetenzen der Lehrkräfte beeinflussen wiederum ihre Unterrichtsgestaltung beziehungsweise die Unterrichtsqualität, welche schlussendlich auch Auswirkungen auf die Schüler:innenleistungen haben kann. Zusätzlich spielen Aspekte, wie die Motivation und Selbstwirksamkeit der Lehrkräfte, die durch den FFU beeinflusst werden können, eine Rolle für die Unterrichtsgestaltung (Burić & Kim, 2020). In der vorliegenden Analyse wird Unterrichtsqualität über die drei Basisdimensionen – Klassenführung, Schüler:innenorientierung, Kognitive Aktivierung – verstanden, wobei eine breitere Betrachtung mit Bezug zum MAIN-Teach Framework verwendet wird (Charalambous & Praetorius, 2020). Das Framework wurde dahingehend gewählt, da auch Aspekte der Inhaltsauswahl – wie beispielsweise der Alltagsbezug – als motivationale Aspekt die Unterrichtsqualität beeinflussen. Generell schätzen fachfremde Lehrkräfte ihre Unterrichtsqualität niedriger ein und fühlen sich in ihren persönlichen Fähigkeiten und der Selbstwirksamkeitsüberzeugung eingeschränkt (Porsch, 2016). Fachfremde Lehrpersonen haben aufgrund der Wissensdefizite eine geringere Bezugnahme zu den Lerninhalten und zeigen sich weniger interessiert am fachfremden Fach (ebd.) und Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen (Fach-)Konzepten herzustellen stellt für sie eine Herausforderung dar (Du Plessis, 2015). Zusätzlich wird in der internationalen Literatur darauf verwiesen, dass fachfremde Lehrkräfte weniger in der Lage sind, auf individuelle Anforderungen einzugehen, wenn ihnen das erforderliche Wissen und vor allem das entsprechende Selbstvertrauen in ihre pädagogischen Fähigkeiten fehlt (ebd). Methode Die Daten der Analyse basieren auf den nationalen Kompetenzmessungen im Fach Englisch aus dem Jahr 2019 in Österreich. Dieser Erhebung wurde bei allen Schüler:innen der 8. Schulstufe landesweit durchgeführt und bietet durch die Kombination von Leistungsmessung und entsprechenden Kontextinformationen die geeignete Datenbasis. Anhand von Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellen wird die Unterrichtsqualität auf Basis von Schüler.Innenangaben auf Klassenebene aggregiert und mit der einzelnen Schüler:innenleistung verknüpft. Die Analyse kontrolliert dabei unterschiedliche Einflussfaktoren auf Schüler:innen- und Schulebene, wie beispielsweise soziale Herkunft oder den Schultyp, und beachtet gleichzeitig Lehrkräftecharakteristiken wie fachfremde Tätigkeit und Erfahrung. Resultate Erste Ergebnisse der direkten und indirekten Effekte des Modells zeigen, dass FFU bei Kontrolle der relevanten Kontextvariablen einen kaum signifikanten Effekt auf die Schüler:innenleistungen hat. Lediglich die Klassenführung hat als Mediator einen schwachen negativen indirekten Effekt auf die Leistungen in einer bestimmten Schulform. Zu beachten ist, dass in Österreich nur eine kleine Anzahl von Lehrpersonen Englisch fachfremd unterrichtet und der Einfluss des FFU auf die Leistungen könnte, wenn er durch die Unterrichtsqualität vermittelt wird, in anderen Fächern stärker ausgeprägt sein. Schüler*innen-Emotionen und ihre Regulation im Unterrichtsalltag: Lehrpersonen berichten 1Pädagogische Hochschule Thurgau, Schweiz; 2Schule Waidhalde Zürich, Schweiz Einleitung Emotionen und Emotionsregulation (ER) beeinflussen verschiedene Aspekte schulischer Ziele wie die Aneignung von Lernstrategien, Aufmerksamkeit, Motivation, Leistung und subjektives Wohlbefinden (z. B. Vierhaus, Lohaus & Wild, 2016). Entsprechend wurden in den vergangenen Jahren systematische Interventionen zur Unterstützung von Schüler*innen bei der Regulierung ihrer Emotionen entwickelt und implementiert (z. B. Hascher & Hagenauer, 2018). Trotz dieser Befundlage wissen wir nur wenig darüber, wie Lehrpersonen Phänomene wie die Emotionen von Schüler*innen und die damit verbundenen ER-Strategien in ihrem Alltag wahrnehmen. Hier setzt der vorliegende Beitrag an, indem er auf die nachfolgenden beiden Fragestellungen (FST) fokussiert: FST1: Welche Emotionen bzw. Arten von Schüler*innen-Emotionen, die Emotionsregulation (ER) erfordern, berichten Lehrpersonen vor dem Hintergrund ihrer alltäglichen Unterrichtspraxis? Methode Die Stichprobe bestand aus 65 Lehrpersonen des Zyklus II (Primarstufe) des Kantons Thurgau (Schweiz). Die Lehrerpersonen füllten nach einer standardisierten Instruktion einen Fragebogen aus, der unter anderem eine offene Frage enthielt, die sich auf ihre berufspraktische Erfahrung zur Regulierung der Emotionen von Schüler*innen bezog. Sie wurden gebeten, (a) die letzte Situation zu beschreiben, in der die Regulierung der Emotionen von Schüler*innen von Bedeutung war, und (b) Auskunft darüber zu geben, ob sie in dieser Situation (wenn ja, wie) reagierten. Da fünf Teilnehmer*innen darauf verzichteten, ihre Erfahrungen zu Emotionsregulation von Schüler*innen zu beschreiben, bestand die endgültige Stichprobe aus 60 Lehrpersonen (45 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 37,6 Jahren und zirka zwölf Jahren Berufserfahrung (1 bis 42 Jahre). Das Kode-System zur Auswertung der vorliegenden Texte erfolgte in zwei Phasen. In einer ersten Phase wurde der finale Korpus für die Datenauswertung definiert. Konsensuell ausgewählt wurden diejenigen Texte, die sich auf Schüler*innen-Emotionen und deren Regulation bezogen. In einer zweiten Phase bestimmten wir deduktiv Kodes und Sub-Kodes für die Analysen, im Rahmen derer wir bei Bedarf induktiv weitere Sub-Kodes einführten. Bezüglich FST1 kodierten wir Emotionen in Bezug auf die Taxonomie nach Pekrun (2021) entlang der Dimensionen Valenz (positiv, negativ), Aktivierung (aktivierend, deaktivierend) und Objektfokus (leistungsbezogen [aktuell, prospektiv, retrospektiv], sozial [selbstbezogen, fremdbezogen], epistemisch, existenziell). Mit Blick auf FST2 kodierten wir einerseits die vier Haupttypen situations-, appraisal- & aufmerksamkeits-, emotions- sowie kompetenzorientierte Regulation (vgl. z. B. Gross & Thompson, 2007; Pekrun, 2021). Andererseits unterschieden wir drei grundlegenden Typen der Emotionsregulation: self-regluation (SR; Gross & Thompson, 2007; Pekrun, 2021), external / other-regulation (OR; Pekrun, 2021) und self-other-regulation (SOR; Calkins & Dollar, 2014). Alle Texte wurden doppelt kodiert mit einer hohen Interrater-Übereinstimmung (code occurence) von > .97. Erste Resultate und Diskussion Insgesamt beschrieben 35 Lehrpersonen eine Situation, die mit den Emotionen von Schüler*innen und ihrer Regulation in Verbindung standen, während 25 Lehrpersonen andere Aspekte des affektiven Erlebens im Klassenzimmer schilderten. In Bezug auf FST1 und FST2 zeigten die Analysen, dass die Lehrpersonen hauptsächlich negative aktivierende Leistungsemotionen und soziale Emotionen thematisierten. Als Strategien zur Emotionsregulation berichteten sie überwiegend Formen der OR im Sinne von Intervention durch die Lehrperson. In den meisten Fällen bezogen sich diese Massnahmen auf die Modifikation der Situation (z. B. Unterbrechung des Unterrichts, Singen eines Liedes, Durchführung einer Bewegungsphase, Neustart einer Unterrichtseinheit), gefolgt von kompetenzorientierten Massnahmen (z. B. Gespräche über die Situation und Reflexion darüber, wie man in Zukunft mit einer ähnlichen Situation umgehen kann) sowie von appraisal- & aufmerksamkeits-orientierter Regulierung (z. B. das gezielte Suchen der Aufmerksamkeit der Kinder). Im Referat werden (a) die theoretischen und empirischen Grundlagen der Studie vorgestellt, (b) die Ergebnisse detailliert präsentiert und (c) bezogen auf Unterricht, Lehrer*innen-Bildung sowie berufliche Weiterbildung diskutiert. |