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SESSION 24: Fachbezogene Aspekte einer gendersensiblen Bildung
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Gender differences in geography performance: comparison of school grades, standardized tests result and differential item functioning (DIF) in Ticino Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), Switzerland The topic of gender differences in school performance and standardized testing is a subject of international debate (Voyer & Voyer, 2014). Globally, girls tend to outperform boys in school, while gender differences in large-scale assessments, such as PISA, vary. Girls generally excel in reading, while boys tend to perform better in mathematics (Hermann & Kopasz, 2021). However, the exploration of gender differences in geography assessments remains limited. Alm Fjellborg and Kramming (2022) indicated a higher probability of success for girls in this subject, although boys would be favoured in tasks requesting placing and naming places and locations. This would result from their greater skills in spatial thinking (Tomaszewski et al., 2015). However, Butt et al. (2014) pointed out that girls perform better in written geography exams. This specific aspect, although not much explored, could be explained by the fact that geography as a discipline fit as a “bridge” between humanities and science disciplines, with probably a strong presence of linguistic aspects (Butt et al., 2004). In addition, the way in which questions are presented could affect the performance of males and females. In the data reported by it is indicated that open-ended and constructed response items (CR items) see girls perform better, while boys perform better in multiple-choice or matching questions (MC items). From this evidence came the idea of testing these hypotheses using the data of a standardized geography test administered to the whole population of fourth-grade students at the end of compulsory school in Canton Ticino (in school year 2022-23). The aim of the study was to analyse possible gender differences in overall performance on the test (and compare them with school grades), investigate performance variations across different question formats (open-ended, multiple-choice, and drag-and-drop questions), and assess Differential Item Functioning (DIF) in the test items. Results from the geography test reveal that boys achieved higher scores across all assessed dimensions, as well as in the overall test score. The skills tested, particularly the process of “Subdividing,” align with the competence of spatial “partitioning and categorization” as outlined in the Ticino Compulsory School Curriculum. These skills may have contributed to the boys’ stronger performance, consistent with findings by Tomaszewski et al. (2015). In contrast, girls obtained higher average school grades in geography, a finding consistent with Butt et al.'s (2004) observations on geography education in general. Despite these differences, an analysis of DIF in the test items revealed no significant differences between boys and girls. The presentation will focus on a presentation of the results obtained, reflecting on possible explanations for these different performance patterns between girls and boys in geography. Geschlechtervielfalt als Lerngegenstand in Natur, Mensch, Gesellschaft - eine fachliche Klärung Pädagogische Hochschule Luzern, Schweiz In gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Diskursen wird über die Anerkennung von Geschlechtervielfalt debattiert. Basierend auf den Grundrechten der Bundesverfassung lehnt der Lehrplan 21 jegliche Form von Diskriminierung ab. Der Lehrplan 21 verweist an Stellen, an denen das Geschlecht explizit thematisiert wird, auf die geschlechtliche Dichotomie (D-EDK, 2016) und schliesst nicht-binären Geschlechter (Geschlechtervielfalt) potenziell aus. Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Beitrag der Frage nach der Geschlechtervielfalt als Lerngegenstand im Fachbereich NMG. Um sich mit der Welt und ihrer Komplexität auseinanderzusetzen, reicht eine Reduktion fachwissenschaftlicher Inhalte nicht aus und ist für das Lernen in einem komplexen Fachbereich wie NMG sogar hinderlich, denn durch die Reduktion wird fachwissenschaftlicher Inhalt verfälscht (Kattmann et al., 1997; Prediger et al., 2013). Um fachspezifische Theorien, Konzepte, Begriffe und Methoden in Bezug auf Geschlechtervielfalt im Unterricht adäquat zu behandeln, bedarf es einer didaktischen Rekonstruktion, in der fachwissenschaftliche Inhalte mit Vermittlungsabsicht untersucht (fachliche Klärung), Schüler*innenvorstellungen zum Lerngegenstand erhoben und beide miteinander in Beziehung gesetzt werden (Kattmann et al., 1997; Kattmann, 2007). In der Forschungslandschaft lassen sich in (entwicklungs-)psychologischer Perspektive nur wenige Befunde in puncto Geschlechtervielfalt finden. Aus fachwissenschaftlicher Perspektive der Gender Studies lassen sich Inhalte aus Diskussionen ableiten. So beschäftigen sich diese gegenwärtig unter anderem mit dem Konstrukt der Heteronormativität, den sozialen Normvorstellungen, der Nature-Nurture Debatte, der vorherrschenden Binarität in den (Natur-)Wissenschaften, der Intersektionalität und den sich wandelnden Kategorien. Die pädagogisch-didaktische Empirie und Forschung beschäftigt sich überwiegend mit dem binären Verständnis von Geschlecht und verweist auf die in der Schule geförderte soziale Konstruktion von Geschlecht „doing gender“ (West & Zimmermann, 1987). Jedoch findet man vermehrt Kritik gegenüber geschlechtssensiblen Ansätzen. In dieser Kritik wird darauf hingewiesen, dass der verstärkte Fokus des sensiblen Umgangs mit Differenzen im Bildungsprozess auch Ambivalenzen aufweisen kann, denn es besteht die Gefahr, Differenzen zwischen den binären Geschlechtern zu reproduzieren und diese identitär festzuschreiben (Debus, 2017). Geschlecht ist durch komplexe biologische Faktoren, Sozialisation und Selbstidentifikation des Individuums geprägt. Dies löst die Binarität auf und zeigt eine Geschlechtervielfalt auf dem Spektrum zwischen den binären Polen (Fausto‐Sterling, 2005; Voß, 2011; Voigt, 2023). Eine Reduktion von fachwissenschaftlichen Inhalten in Bezug auf den Lerngegenstand verfälscht die Komplexität von Geschlecht. Wie Geschlechtervielfalt als Lerngegenstand nicht nur aus fachwissenschaftlicher oder didaktischer, sondern aus fachdidaktischer Perspektive in den Unterricht integriert werden kann, bleibt bisher ungeklärt. Hier setzt die vorliegende Forschungsarbeit an. Um die Grundlage für die didaktische Strukturierung des Lerngegenstands Geschlechtervielfalt zu legen, wurden mittels eines Conceptual Literature Reviews (Hulland, 2020) folgende Forschungsfragen untersucht: Welche fachlichen Inhalte zu Geschlechtervielfalt sind aus didaktischer Sicht für den Unterricht in NMG im Zyklus 2 relevant? Welche Überzeugungen zu Geschlecht lassen sich aus entwicklungspsychologischer Forschung bei Kindern im Zyklus 2 identifizieren? Mittels einer systematischen Literaturrecherche wurden elf Artikel identifiziert und anhand der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse der fachlichen Klärung zeigen, dass sich cis-Kinder bereits ab dem Alter von drei Jahren nicht exklusiv auf den beiden Polen Mann-Frau verorten (Gülgöz et al., 2022). Folglich müssten aus didaktischer Perspektive Bildungsinhalte an diesen Vorstellungen und Realitäten von Schüler*innen anknüpfen und heteronormative Vorstellungen hinterfragt werden (Kattmann et al., 1997). Aus fachdidaktischer Perspektive wird angeregt, Schüler*innen die Möglichkeit zu bieten, ihre eigene Geschlechtsidentität zu erfahren und sie darin nicht einzuschränken (Hartmann et al., 2017; Kean, 2021). Die entwicklungspsychologischen Arbeiten zeigen, dass Coming-outs von Schüler*innen oftmals in einer Entwicklungsphase erfolgen, in der sie stark von Peers beeinflusst werden (Fish & Russell, 2022). Geschlecht wird von Heteronormativität, Machtverhältnissen, unterschiedlichen Diskriminierungsformen und weiteren Faktoren geprägt. Aus den Studien geht hervor, dass deterministisches Denken Diskriminierung und Vorurteile fördert (Fine et al., 2024). Eine kritische Auseinandersetzung mit Toleranz, Diskriminierung und Cis-Sexismus ist deshalb im Unterricht notwendig (Debus & Laumann, 2018; Kjaran & Lehtonen, 2020). Geschlechterrepräsentation in Erstlesebüchern – Vergleich zwischen Publikationen von 2012 und 2022 Universität Zürich, Schweiz Geschlechterunterschiede werden schon in früher Kindheit durch geschlechterspezifische Sozialisationsprozesse entwickelt (Henschel, 2020) und haben Konsequenzen auf die Schulleistung, berufliche Entscheidungen und das spätere Berufsleben (z.B. Kågesten et al., 2016; Olsson & Martiny, 2018). Eine relevante mediale Sozialisationsform, mit der gesellschaftliche Wertvorstellungen reproduziert werden, bilden dabei Kinderbücher (Willms, 2022). Die Autor:innen gehen in ihrem empirischen deskriptiven Beitrag deshalb der Frage nach, wie die Geschlechterrepräsentation in deutschsprachigen Erstlesebüchern mit Publikationsjahr im 2012 und im 2022 ausgestaltet ist und ob und inwiefern sich innerhalb dieser zehn Jahre ein sozialer Wandel hin zu egalitäreren Repräsentationen feststellen lässt. Dafür kodieren und quantifizieren die Autor:innen Hauptfiguren von jeweils ungefähr 70 Erstlesebüchern pro Publikationsjahr nach Gender, Eigenschaftszuschreibungen und Aktivitäten. Es werden sowohl Informationen aus dem Text als auch aus der Bebilderung berücksichtigt, was auch ermöglicht, die beiden Präsentationsformen auf das Potential egalitärerer Darstellung hin zu prüfen. Um eine möglichst repräsentative Stichprobe zu erhalten, stützen sich die Autor:innen auf Anschaffung und Kategorisierung der Bücher der etablierten öffentlichen Pestalozzi-Bibliothek Zürich. Erste Ergebnisse der Auswertung des Publikationsjahr 2022 zeigen, dass Geschlecht in Bezug auf Aussehen überwiegend auf der Bildebene konstruiert wird. Hingegen sind Geschlechter von Hauptfiguren auf der Textebene gleichmässiger vertreten. Während im Allgemeinen Eigenschaftszuschreibungen, Aktivitäten, die räumliche Mobilität oder Orte binären Geschlechtern egalitärer zugewiesen werden, bleibt eine stereotypische Geschlechterkonstruktion in wenigen bestimmten Aktivitäten oder Eigenschaften bestehen (so z.B. Aktivitäten wie herumbalgen/necken oder die Eigenschaftszuschreibung fürsorglich). Die Ergebnisse zeigen aber auch eine starke Dominanz heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit, so wird in den 70 Büchern mit Publikationsjahr 2022 nur in 3 Fällen auf eine klare Zuordnung zu einem männlichen oder weiblichen Geschlecht verzichtet. Familien werden hauptsächlich im traditionellen Kontext von Mutter und Vater dargestellt. Alternative Familienformen oder alleinerziehende Elternteile sind selten vertreten. Erwerbstätigkeiten werden öfter mit Vätern assoziiert, während Care-Arbeit eher weiblichen Figuren zugeordnet wird. Allerdings zeigt sich eine gleichmässigere Zuweisung bei der Kinderbetreuung. Aufgrund geringer Nennungen der Familienform bleibt die Aussagekraft jedoch eingeschränkt. Die noch laufenden Auswertungen der Bücher aus dem Publikationsjahr 2012 erlauben eine Einschätzung über den sozialen Wandel in Bezug auf die Geschlechterrepräsentation. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass das Potential einer vielfältigeren Geschlechterrepräsentation in Erstlesebüchern zum Beispiel durch die Nutzung geschlechtsneutraler Tierfiguren nur selten von Autor:innen und Verlagen genutzt wird. Die Studie verdeutlicht, dass Erstlesebücher selten vielfältige Geschlechtermodelle anbieten, wodurch Kindern kaum unterschiedliche Rollenbilder nahegelegt werden. Es besteht das Potenzial, Bücher als Mittel zur Förderung von Geschlechtervielfalt zu nutzen (Schulze, 2023), das jedoch ungenutzt bleibt. |