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SESSION 19: Professionalisierung mit Fokus Unterrichtsqualität und Unterrichtsmerkmale
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Ich habe dich im Auge! Über den Zusammenhang von Unterrichtsstörungen und Lehrpersonenaufmerksamkeit 1Universität Fribourg/Freiburg, Schweiz; 2Universität Zürich, Schweiz Wie Hattie (2013) gezeigt hat, ist effektive Klassenführung eines der Unterrichtsmerkmale mit deutlichem Effekt auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schüler. Dabei soll die tatsächliche Lernzeit maximiert und Unterrichtsstörungen minimiert werden. Letztere können allerdings nie vollumfänglich unterbunden werden und deren völlige Abwesenheit ist eine Fiktion (Klaffke, 2024). Dennoch mindern Störungen im Unterricht dessen Qualität und können Lernprozesse bei Schüler:innen erschweren (Klusmann, Richter & Lüdtke, 2016). Klinzing (1984) identifizierte Blickkontakt als wirksames nichtverbales Lehrerverhalten, um im Unterricht auf Störungen niederschwellig zu reagieren. Moderne Eyetracking-Technologie ermöglicht es nun, dieses Blickverhalten und den Blickkontakt im Klassenzimmer präzise zu erfassen. In der Psychologie wird diese Technologie bereits grossflächig eingesetzt, während ihre Anwendung in der Bildungsforschung noch relativ am Anfang steht. Bisherige Eye-Tracking Studien im Bereich der Bildungsforschung haben überwiegend explorativen Charakter und befassen sich vor dem Hintergrund des theoretischen Konstrukts «professional vision» mit Unterschieden im Blickverhalten von erfahrenen und unerfahrenen Lehrpersonen (Bogert, 2014; Jarodzka, 2023; Keller, 2022; Van Driel, 2023), mit der Frage nach professioneller Kompetenzentwicklung (Muhonen, 2021; Telgmann & Müller, 2023; Wyss, 2021) oder mit Zusammenhängen zwischen Lehrpersonenaufmerksamkeit und Vorgängen innerhalb des Klassenzimmers (Haataja, 2021; Muhonen, 2023). Muhonen et al. (2023) betonen die Bedeutung des Blickverhaltens, bzw. der Lehrpersonenaufmerksamkeit für das Wahrnehmen und effiziente Reagieren auf Unterrichtstörungen. Bisher gibt es jedoch wenig Studien, die sich explizit mit dem Zusammenhang zwischen der Lehrpersonenaufmerksamkeit und Unterrichtsstörungen befassen. Lee und Tan (2020) konnten zeigen, dass erfahrene Lehrpersonen strukturierter auf Hotspot-, bzw. Problemsituationen reagierten als unerfahrene Lehrpersonen. Minarikova et al. (2021) fanden, dass Lehrpersonen während des Unterrichts weniger Störungen wahrnahmen, als wenn sie sich ihren Unterricht im Nachgang nochmals ansahen. Ausgehend von dieser Forschungslücke, verbindet vorliegende Studie Eyetracking-Daten mit Daten zu Störungen im Unterricht. Konkret wird folgenden Fragestellungen nachgegangen:
Diese Fragestellungen werden mittels eines Mixed-Methods-Ansatzes untersucht, der Eye-tracking Daten mit klassischen videografischen Aufnahmen und Selbsteinschätzungen verbindet. Mittels eines Fragebogens (Paper-Pencil) wurde bei Lehrpersonen (n = 11) die subjektiv wahrgenommene Störung in der Klasse (Einzelitem zu störungsanfällig (1) bis störungsarm (5)) und bei Schüler:innen (n= 180) eine Selbsteinschätzung zum eigenen Störverhalten, mittels einer Skala zu störendem Verhalten (drei Items, Likert-Skala von «1=trifft nicht zu» bis «4=trifft zu», M=1.97, SD=.78, Cronbachs α= .83) erhoben. Mittels Eye-Tracking-Technologie wurden sämtliche Parameter zur Aufmerksamkeit von 11 Lehrpersonen mit «Tobii Pro 2» -Brillen während des Unterrichts erfasst. Damit können die gängigen Masse der quantitativen Auswertung von Eyetracking-Daten, wie z.B. Anzahl und Dauer der Visits pro Schüler:in oder der Gini-Koeffizient als relatives Mass für die Verteilung von Aufmerksamkeit, gewonnen werden. Zusätzlich wurde der Unterricht videographisch von zwei Standkameras aufgezeichnet. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Einschätzungen von Schüler:innen und Lehrpersonen bezüglich Störverhalten im Unterricht mittelstark korrelieren (rS = -0.64; p < 0.05) Dieser Befund deckt sich mit Ergebnissen von Infantino & Little (2005) und Schönbächler (2008). Ferner fanden sich signifikante Korrelationen zwischen der Verteilung der Lehrpersonenaufmerksamkeit (Gini-Koeffizient) und dem selbsteingeschätzten Störverhalten der Schüler:innen (rS = 0.325; p < 0.001). Dies weist auf einen bedeutsamen Zusammenhang von Störverhalten und Lehrpersonenaufmerksamkeit hin. Die Datenauswertung u.a. zur Beantwortung der dritten Fragestellung ist noch im Gange. Konkret werden die Unterrichtsvideos hinsichtlich Störverhalten kodiert und analysiert, ob Lehrpersonen dies in Abhängigkeit zu ihrer Unterrichtserfahrung mehr oder weniger im Blick hatten. Die Ergebnisse werden vor- und zur Diskussion gestellt, auch in Hinblick auf die Bedeutung der Erkenntnisse für die Ausbildung von Lehrpersonen und deren praktischen Implikationen. Meta-Reflexivität – Lehrer:innenprofessionalisierung – Recht Universität Konstanz In einer sich zunehmend diversifizierenden Gesellschaft steigen auch die Anforderungen an in Schule institutionalisierte Bildung sowie an die Professionalisierung von Lehrpersonen, denen die Planung und Umsetzung entsprechender Massnahmen obliegt. Diese Anforderungen finden auch Eingang bzw. ihren Ausdruck im Erlass oder in der Änderung entsprechender rechtlicher Regelungen (z. B. Ausbildungscurricula von angehenden Lehrpersonen, Bildungsgesetze etc.). Die Vielzahl der Regelungen und die kantonale Struktur der Schweiz können jedoch zur Unübersichtlichkeit und Unsicherheiten auf Seiten von Lehrpersonen führen. Trotz der damit verbundenen inhaltlichen Relevanz von Recht für Lehrer:innen sowie deren schulische Arbeit handelt es sich bei Bildungsrecht im deutschsprachigen Raum nach wie vor um einen „blinde[n] Fleck“ (Füssel, 2020) in der Lehrpersonenbildung an Hochschulen (Hugo, 2025). Wird Recht als eine weitere relevante Bezugsdisziplin für die Ausbildung von Lehrer:innen gefasst, so trägt dies zu einer fragmentarischen, paradigmenpluralen Lehrpersonenbildung bei: Die Herausforderungen, die sich mit dem Konglomerat an fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen und schulpraktischen Studienanteilen für Studierende verbinden, die zudem in sich äusserst heterogen sein können (z.B. divergierende Auffassungen von Professionalität als Zielgrössen der Lehrpersonenbildung), wurden vielfach thematisiert (so schon Terhart, 2009). Im deutschsprachigen Raum hat sich als Reaktion hierauf der Ansatz der Meta-Reflexivität (Cramer et al., 2019; Cramer, 2023) entwickelt, der u.a. darauf zielt, diese Heterogenität für die Professionalisierung von Studierenden nutzbar zu machen und dabei der „Pluralität von (Erkenntnis-)Theorien, Wissensformen, Paradigmen und (Teil-)Disziplinen“ Rechnung zu tragen (Cramer et al., 2019, S. 410). Meta-Reflexivität umfasst die „Kenntnis unterschiedlicher, auf den Lehrerberuf bezogener theoretischer Zugänge und empirischer Befunde, die Fähigkeit, diese mit Blick auf ihre jeweiligen Grundlagen und Geltungsansprüche verorten, in ein Verhältnis setzen und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen zu können sowie exemplarisch-typisierende Situationsdeutungen des komplexen Handlungsfeldes Schule vornehmen zu können“ (ebd.). Im Unterschied zur blossen Reflexion, die einer bestimmten Perspektive (z.B. der rechtlichen) verhaftet bleibt, oder der Multiperspektivität, mit der dieselbe Frage aus mehreren Perspektiven (z.B. rechtlich vs. pädagogisch) betrachtet wird, kommt es bei der Meta-Reflexivität zu einer Relationierung unterschiedlicher Perspektiven (z.B. rechtlich und pädagogisch) von einem Standpunkt ausserhalb der jeweiligen Logik. Entsprechend wird zwischen primären Perspektiven (jene innerhalb der einzelnen Perspektiven) und sekundären Perspektiven als Prinzipien einer übergreifenden Reflexion der primären Perspektiven in der Lehrpersonenbildung (z.B. Kontextgebundenheit oder Alternativität) unterschieden. Die Rolle von Recht wird in diesem Zusammenhang bislang nur randständig bearbeitet (Ausnahme: Hugo, 2023). Vor dem Hintergrund der rechtlichen Rahmung von Schule und Unterricht und der hieraus gefolgerten Bedeutung für die Lehrpersonenbildung stellt sich aus theoretischer Perspektive die Frage, inwiefern auch Recht allgemein bzw. Bildungsrecht im Besonderen ein meta-reflexiver Bezugspunkt für die Professionalisierung von Lehrpersonen ist. Damit thematisiert der vorliegende Beitrag die Frage nach Recht in der hochschulischen Lehrpersonenbildung im Rahmen professionstheoretischer Annahmen zur Meta-Reflexivität. Ausgehend von einer Konzeptklärung von Recht und Meta-Reflexivität wird (1) die Bedeutung von Recht für Lehrpersonenhandeln und -professionalisierung mit Fokus auf das Schweizer Bildungsrecht (2) in Gegenüberstellung zum Stellenwert von Recht in zentralen Professionstheorien (3) herausgearbeitet und (4) mögliche Implikationen für eine meta-reflexive Lehrpersonenbildung werden diskutiert. Ziel des Beitrags ist es somit, Recht als (meta-)reflexiven Bezugspunkt für die Professionalisierung von Lehrpersonen anschlussfähig zu machen, dies anhand der Regelungslage in der Schweiz zu exemplifizieren und so einen Beitrag zur Entwicklung von Professionstheorie zu leisten. Dabei erweist sich Recht nicht nur als relevantes primäres Paradigma; vielmehr eröffnet sich auch die Frage, ob Recht eine relevante Grösse im Sinne der heuristischen Meta-Reflexivitäts-Prinzipien (Cramer et al., 2019, S. 415) selbst sein könnte. Insgesamt zeigt der Beitrag das Potenzial, Lehrpersonen für eine rechtssichere Tätigkeit in einer sich zunehmend diversifizierenden Gesellschaft mit unübersichtlicher Regelungslage zu professionalisieren. Prévenir les situations de travail à risque : Stratégies organisationnelles pour améliorer la santé mentale dans un environnement éducatif diversifié et complexe Université Laval, Canada La santé mentale des enseignants et enseignantes constitue un enjeu majeur dans de nombreux pays, particulièrement dans un contexte éducatif caractérisé par des défis croissants d’attraction et de rétention du personnel (Eurydice, 2021; OCDE, 2023). Ces enjeux prennent d’ailleurs une dimension particulière dans un environnement marqué par une diversité croissante des besoins à la fois du personnel enseignant et des élèves, mais aussi par des tensions organisationnelles complexes (Sirois et al., 2023). Les risques psychosociaux liés au travail, bien que subtils et parfois invisibles, impactent profondément la santé mentale, révélant une organisation du travail génératrice de souffrance (Pelletier et al., 2024). Pour répondre à cette problématique, la recherche-intervention présentée dans le cadre de ce congrès a expérimenté un dispositif organisationnel novateur inspiré de l’approche clinique du travail (Lhuilier, 2006). Cette approche met en lumière l’interaction dynamique entre les facteurs organisationnels et les réponses individuelles ou collectives des acteurs, en tenant compte des spécificités du contexte éducatif. En effet, la clinique du travail conjugue les rapports entre activité et subjectivité, offrant une perspective transformatrice pour comprendre les tensions au travail et y remédier (Bonnefond et Clot, 2018). Plus concrètement, le dispositif mis en place visait à prévenir les situations de travail à risque (STR) en renforçant l’intercompréhension entre les différentes catégories professionnelles scolaires (personnel enseignant et direction) et en favorisant une co-construction de solutions adaptées. Les STR, définies comme des situations où l’organisation du travail génère des tensions nécessitant des stratégies défensives pour « tenir », servent de prisme pour analyser et transformer les pratiques (Maranda et al., 2009; Maranda et al., 2024). Par le biais de consultations et d’arpentages réalisés par des personnes enseignantes agissant à titre de référents-métier (RM), des espaces de discussion au sein des Comités SMQVOT (Santé mentale, qualité de vie et organisation du travail) ont permis de documenter et prioriser les STR. Ce processus a conduit à une meilleure compréhension collective des réalités professionnelles, facilitant l’émergence de pistes d’action pour améliorer l’organisation du travail. L’expérimentation a été menée dans 12 établissements scolaires du Québec incluant six écoles primaires, quatre écoles secondaires, un centre de formation professionnelle et une école spécialisée, de tailles et de régions diverses. Les résultats montrent des impacts significatifs sur le climat de travail, la réduction des tensions organisationnelles et le développement de dynamiques de reconnaissance. Par exemple, des mesures concrètes ont été mises en place pour alléger la surcharge de courriels ou réduire les interruptions intempestives par interphone, soulignant ainsi l’importance des solutions contextuelles. Outre ces retombées pratiques, cette intervention met en lumière les apports d’une prévention primaire fondée sur l’analyse du travail réel, se distinguant des approches individualisées ou psychologisantes. En mettant l’accent sur la co-construction et l’engagement collectif, elle renforce le pouvoir d’agir des enseignants, des enseignantes et des directions, tout en développant des outils pérennes pour transformer les STR. Cette présentation discutera des implications théoriques et méthodologiques de ces résultats, tout en identifiant des pistes pour pérenniser ces pratiques dans d’autres contextes éducatifs. Elle s’inscrit également dans une perspective plus large, interrogeant comment les évolutions sociétales et organisationnelles influencent les environnements de travail scolaire. Elle abordera plusieurs questions clés :
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