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Sitzungsübersicht
Sitzung
SESSION 15: Kompetenzentwicklung in der Lehrpersonenbildung
Zeit:
Mittwoch, 02.07.2025:
16:45 - 18:15

Chair der Sitzung: Ann Peyer
Ort: Seminarraum 2.A05


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Präsentationen

Lesson Studies im Praktikum: Einsichten und Erfahrungen von Studierenden, Praxislehrpersonen und PH-Mentor:innen

Eveline Gutzwiller-Helfenfinger1, Daniela Knüsel Schäfer1, Regina Schmid2, Lea Weniger1

1Pädagogische Hochschule Schwyz, Schweiz; 2Pädagogische Hochschule Zürich, Schweiz

Das Projekt "Partnerschule Berufspraxis" hat die Förderung der beruflichen Entwicklung von PH-Studierenden der Kindergarten- und Primarstufe während ihres Langzeitpraktikums zum Ziel. Das Projekt wird kooperativ von der Pädagogischen Hochschule Schwyz und einer Partnerschule durchgeführt. Basierend auf dem Lesson Studies-Ansatz (LS; Dudley, 2015; Soukoup-Altrichter et al., 2020) planen, implementieren und entwickeln Studierende und ihre Praxislehrpersonen - als "community of practice" (Lave & Wenger, 1991) - in einem zyklischen Prozess gemeinsam eine Lektion weiter. Beobachtungs- und Interviewdaten ausgewählter Kinder werden zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Unterrichtssequenz genutzt. Ursprünglich als Ansatz für die Lehrer:innen-Weiterbildung verwendet, werden LS seit einigen Jahren vermehrt auch in der Ausbildung von Lehrpersonen erprobt. Mit seinen Elementen der Unterrichtsplanung, der Durchführung und Beobachtung des Unterrichts, der Analyse und Diskussion der Beobachtungen und der anschließenden Überarbeitung der ursprünglichen Planung wird diesem Ansatz ein großes Potenzial für die Entwicklung der professionellen Kompetenzen von (angehenden) Lehrpersonen zugeschrieben (Weber et al., 2020). Die vorliegenden, überwiegend qualitativen Studien mit Lehramtsstudierenden zeigen positive Befunde z.B. hinsichtlich der Reflexionsfähigkeit, der Verbindung von Theorie und Praxis sowie der Planungskompetenz.

Die Forschung zur Wirksamkeit von LS ist begrenzt, insbesondere im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrpersonen (Larssen et al., 2018). Weber et al. (2020) führen dies auch auf die Tatsache zurück, dass LS bisher nur selten im Rahmen von Praktika eingesetzt wurden. Aufgrund der vielen Variationen von LS (Weber et al., 2020) ist es schwierig, die Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit für die berufliche Entwicklung von PH-Studierenden zu vergleichen (Larssen et al., 2018). Larssen et al. (2018) schlussfolgern, dass sowohl für die Implementierung als auch für die Erforschung von LS alle an Planung und Durchführung beteiligten Personen (Praxislehrpersonen, PH-Studierende, PH-Mentor:innen) sich über den Zweck einer LS im Klaren sein und diese auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler ausrichten müssen. Zudem müssen die genaue Konzeptualisierung der spezifischen LS, die theoretische Grundlage und das verwendete Forschungsdesign ausführlich dargelegt werden.

Unsere Studie greift diese Kritikpunkte auf und verwebt die Entwicklung und Durchführung eines LS-Projekts und die Begleitforschung miteinander. Wir verwenden ein qualitativ-exploratives Design, um zu untersuchen, wie das Konzept der LS im Kontext des Langzeitpraktikums von PH-Studierenden genutzt werden kann. Die Ausgangsfragestellung lautete: Wie kann das Konzept der LS im Langzeitpraktikum von Kindergarten- und Grundschullehrpersonen eingesetzt werden? Spezifischer: Welche Art von LS-Modell wird ko-konstruktiv entwickelt, umgesetzt und weiterentwickelt und wie wird dieser Prozess von den Akteur:innen-Gruppen erlebt?

Das Projekt "Partnerschule Berufspraxis" läuft seit August 2022. Die Begleitforschung umfasst zwei Implementierungsphasen (Herbst 2022 und Herbst 2023). Insgesamt nahmen dreizehn LS-Teams an der Begleitstudie teil, bestehend aus 25 PH-Studierenden und ihren Praxislehrpersonen (27) sowie elf PH-Mentor:innen. Die Datenerhebung umfasste u. a. halbstrukturierte Gruppeninterviews mit Studierenden-, Praxislehrpersonen- und Mentor:innen-Gruppen. Die Daten wurden mittels offenem Kodieren im Grounded Theory-Modus (Breuer, 2009) und qualitativer Inhaltsanalyse analysiert. Ziel war es, die verschiedenen Perspektiven in Bezug auf die Erfahrungen und Einsichten zu zentralen Konzepten der LS wie Konzentration auf das Lernen der Schüler:innen, Kooperation und Lernen auf Augenhöhe zu triangulieren.

Erste Ergebnisse zeigen, dass zwei zentrale LS-spezifische Schwerpunkte aus allen drei Perspektiven als vorteilhaft empfunden wurden: die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Planung und die Beobachtung von Fokuskindern. Die Fokussierung auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler liess jedoch bei einzelnen PH-Studierenden und PH-Mentor:innen die Sorge aufkommen, dass dem Lernen der PH-Studierenden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unsere Forschung trägt dazu bei, die Erkenntnisse über die Vorteile von LS in der Lehrpersonenausbildung zu vertiefen und bietet gleichzeitig eine vertiefte Beschreibung und ein Verständnis der Art und Weise, wie LS im Rahmen des Langzeitpraktikums der PH-Studierenden gemeinsam geplant, umgesetzt und verbessert werden.



Potenziale entdecken – Bildungsgerechtigkeit gestalten: individuelle Perspektiven von Lehrpersonen und institutionelle Aushandlungsprozesse als Forschungsgegenstand

Mirjam Maier-Röseler1, Corinna Maulbetsch2

1Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland

In diversen und komplexen Gesellschaften gewinnen Bildungschancen für alle Kinder zunehmend an Bedeutung. Ein zeitgemäßes Bildungsverständnis berücksichtigt dabei die Entfaltung individueller Potenziale einerseits und auch die Persönlichkeitsentwicklung andererseits (Maier-Röseler/Shtërbani/Weigand i.D.). Gerade die Potenzialförderung ist jedoch abhängig von der sozialen und/oder kulturellen Herkunft der Schüler*innen (Horvath 2018) und wird nicht selten durch Stigmatisierung, Etikettierung und die Konstruktion von Risikogruppen (Stamm 2021) oder durch Intersektionalität (Graalmann 2019) verhindert. Benachteiligungen können darüber hinaus entstehen, wenn die Passung zwischen Vorwissen, Fähigkeiten, Erfahrungen, aber auch Bildungsaspiration sowie schulischen Inhalten und Praktiken falsch interpretiert wird. Dies betrifft häufig Kinder aus herausfordernden Lagen (Drucks/Bremm 2021).

Daraus lässt sich die Forderung ableiten, dass Herkunftseffekte, Mechanismen der Diskriminierung und die Reproduktion sozialer Ungleichheiten in der gesamten Schullandschaft minimiert werden sollten. Als bildungswissenschaftlich relevanter Gegenstand kann in diesem Zusammenhang insbesondere das schulische Entdecken von Potenzialen selbst identifiziert werden (Horvath 2024). Dies ist sowohl Teil der individuellen, als auch der institutionellen Handlungslogiken und Praktiken von Schulen bzw. schulischen Akteuren.

Vor diesem theoretischen und empirischen Hintergrund ist das Ziel des Beitrags zu klären, wie Lehrpersonen auf das Thema „Potential“ blicken und welche impliziten persönlichen Theorien herangezogen werden, um Potenziale bei Kindern zu entdecken. Hier wird an bereits vorliegende Untersuchungen zu Begabungsverständnissen von Lehrpersonen angeknüpft (Kiso 2020). Darüber hinaus wird in den Blick genommen, inwieweit es an Schulen gemeinsame Verständnisse und Zielorientierungen gibt, die als Grundlage institutioneller Praktiken gelten können. In diesem Zusammenhang wird Schule als Raum kollegialer Reflexionsprozesse betrachtet, in dem die Ambiguität von Wirklichkeits- und Gerechtigkeitsvorstellungen im Hinblick auf Potenzial und Potenzialförderung ausgehandelt werden könnte. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob und wenn ja, wie solche Prozesse der Aushandlung stattfinden und inwieweit es dadurch möglich ist, gemeinsame Grundlagen des Erkennens von Potenzialen zu erarbeiten bzw. bestehende Mechanismen der Benachteiligung zu verändern. Hier bearbeitet der vorliegende Beitrag ein wesentliches Forschungsdesiderat indem individuelle Perspektiven mit institutionellen Prozessen verzahnt werden.

Forschungsmethodisch wird im Beitrag auf ausgewählte Daten aus einem mixed-methods-Forschungsdesign von zwei aufeinanderfolgenden, mehrjährigen Schulentwicklungsprojekten (2014-2024) in einem deutschen Bundesland mit acht Gymnasien, zurückgegriffen. Mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden wurde an allen Schulen sowohl individuelle Perspektiven der Lehrpersonen, als auch schulspezifische Aushandlungsprozesse dokumentiert. Die für den Beitrag genutzten Daten zu individuellen Perspektiven auf das Konstrukt „Potenzial“ stammen aus offenen Fragestellungen einer teilstandardisierten digitalen Fragebogenerhebung mit zwei Erhebungszeitpunkten (n = 92), die mittels strukturierender-qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Die Daten zu schulspezifischen Perspektiven liegen in Form von Prozessdokumentationen und Arbeitsergebnissen aus der Prozessbegleitung und sechs digitalen Schulinternen Lehrerfortbildungen (Beteiligungsquote zwischen 29% und 47% des jeweiligen Gesamtkollegiums) vor. Diese Daten wurden quantifizierend-deskriptiv und qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die Ergebnisse der Auswertungen deuten darauf hin, dass die subjektiven Theorien der Lehrpersonen zu Potenzial stark mit spezifischen (interpretierten) Fähigkeits- und Leistungskonzepten auf Seiten der Schüler*innen verbunden sind und mit der Vorstellung von „mehr“ oder „weniger“ Potenzial einhergehen. Darüber hinaus scheinen diese Perspektiven häufig mit konkreten Handlungsimplikationen verknüpft zu sein. Das legt die Vermutung nahe, dass persönliche Vorstellungen zu Potenzial unter Umständen zu Kategorisierungen und damit einhergehender Benachteiligung im individuellen Handeln führen können. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit einer kollegialen Reflexion und Aushandlung vorliegender Wirklichkeits- und Gerechtigkeitsvorstellungen im Hinblick auf Potenzial und Potenzialförderung. Diesbezüglich legen die weiteren Resultate offen, dass die gemeinsame Verständigung auch aufgrund einer kontinuierlichen Dynamik von Prozessen und Personen keinesfalls trivial ist. Eine offenbar große Varianz in den Wahrnehmungen der Teilnehmenden innerhalb der einzelnen Schulen erschwert eine gemeinsame Aushandlung scheinbar zusätzlich.

Am Ende des Beitrags wird die Bedeutung dieser Ergebnisse sowohl vor dem Hintergrund der Ansprüche nach einer gleichberechtigen Teilhabe an Bildungschancen und nach Anerkennungsgerechtigkeit, als auch vor dem Hintergrund möglicher Erfordernisse an die Lehrer*innenbildung diskutiert.



Der Blick von Lehrpersonen auf Mehrsprachigkeit als Ressource

Ann Peyer

PHZH, Schweiz

Dass viele Kinder und Jugendlichen mehrsprachig aufwachsen, ist eine wichtige Facette von Diversität und Heterogenität. Mehrsprachigkeit gilt in der aktuellen Sprachdidaktik als interessante Ressource für Sprachreflexion, da das Nebeneinander verschiedener Sprachen zum Beobachten und Vergleichen anregt. Dabei geht es weniger um spezifisches deklaratives Wissen über Sprache(n) und sprachliche Strukturen als um sprachbezogene Konzepte, Sprachbewusstheit, Language Awareness und den Bezug zur individuellen sprachlichen Erfahrung von Kindern und Jugendlichen (Bien-Miller/Wildemann 2020, Kleinbub et al. 2023, Neuland et al. 2022, Oomen-Welke 2017).

Damit diese Ressource sichtbar werden kann, müssen Schülerinnen und Schüler jedoch Gelegenheit haben, ihre Erfahrungen mit verschiedenen Formen von Mehrsprachigkeit in den (Sprach)unterricht einzubringen und ihre spezifischen Kompetenzen zu zeigen. Lehrpersonen schaffen dafür einen Rahmen, wenn sie Mehrsprachigkeit nicht primär als Problem, sondern vielmehr als wichtige Quelle für Sprachreflexion sehen und Interesse an entsprechenden Zugängen zeigen. Nur so können sie im Unterricht einen methodisch strukturierten Rahmen schaffen für den Austausch über verschiedene Sprache(n) und Varietäten, wie es auch die aktuellen deutschen KMK-Bildungsstandards und der Lehrplan 21 (Kompetenzbereich „Sprache(n) im Fokus“, insbesondere D.5.A1 und D.5.B1) vorsehen.

In einem qualitativ angelegten explorativen Interviewprojekt wurden Lehrpersonen der Sek1 (N=10) befragt zu ihren Annahmen über sprachbezogene Überlegungen von Schüler:innen. Thematisch fokussierten die Fragen auf Vermutungen zu Schülervorstellungen bezüglich Sprachlernen und Sprachkompetenz, Vergleiche zwischen Sprachen, Varietäten in verschiedenen Sprachen und dazu, wie Schüler:innen ein konkretes Textbeispiel im Hinblick auf die Wirkung von Formulierungen einschätzen. Außerdem konnten die befragten Lehrpersonen im Interview reagieren auf sprachbezogene Äußerungen in Gesprächen mit kleinen Gruppen von Schüler:innen, welche ihnen in kurzen Videoausschnitten präsentiert wurden. Diese Daten stammen aus einer größeren, noch nicht abgeschlossenen Interviewstudie (Peyer, Projekt „Sprache ist…“; befragt wurden 47 Jugendliche im 7.-9. Schuljahr in 11 Gruppen). Die inhaltsanalytisch ausgewerteten Daten zeigen, dass Lehrpersonen tendenziell unterschätzen, wie intensiv Jugendliche außerhalb des Unterrichtskontexts über Sprache(n) nachdenken und wie bereitwillig sie im Gespräch darüber Auskunft geben; deutlich wird aber auch, dass die Lehrpersonen sich durchaus bereit zeigen, im Unterricht stärker auf sprachbezogene Überlegungen von Schüler:innen einzugehen (Peyer 2024). Obwohl tendenziell erfahrene und fachdidaktisch versierte Personen befragt wurden, unterscheiden sich ihre Antworten deutlich. So brachten einige von ihnen konkrete Beobachtungen und Erfahrungen aus ihrem Schulalltag ein, andere bezeichneten die Frage nach den Überlegungen der Jugendlichen als neu und ungewohnt. Die Vermutungen der Lehrpersonen decken sich häufig nicht mit den Äußerungen der Jugendlichen.

Im Beitrag soll der Blick der Lehrpersonen auf die Language Awareness resp. auf sprachbezogene Überlegungen ein- und mehrsprachiger Jugendlicher anhand von ausgewählten Beispielen thematisiert werden. Im Fokus stehen divergierende Wahrnehmungen der Lehrpersonen und Elemente aus den Gesprächen mit Jugendlichen, welche die Lehrpersonen erstaunt oder überrascht haben. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, die im aktuellen mehrsprachigen Kontext unterrichten. Wenn Mehrsprachigkeit als Thema in der Lehrer:innenbildung nachhaltig verankert werden soll, müssen das Vorwissen (i.w.S.) und die unterschiedlichen Erfahrungen der Lehrpersonen einbezogen und exemplarisch mit Äußerungen von Schüler:innen kontrastiert werden. Zu diskutieren sind auch die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe, Expertisen und Rollen von Lehrpersonen und Schüler:innen. Eine weitere offene Frage ist, wie erfahrungsbezogene Ressourcen von Schüler:innen im Bereich Language Awareness systematisch als Teil einer umfassend verstandenen Kompetenz zur metasprachlichen Reflexion eingeordnet werden können (Peyer 2020).



 
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