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Sitzungsübersicht
Sitzung
SESSION 02: Lernen im Kontext von Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe
Zeit:
Mittwoch, 02.07.2025:
15:00 - 16:30

Chair der Sitzung: Karin Gehrer
Ort: Seminarraum 2.A11


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Präsentationen

Das kognitionspsychologische Konstrukt Aufmerksamkeit in schreibtheoretischen Modellierungen: Implikationen und Fördermöglichkeiten durch Achtsamkeit

Ingrid Busch1,2

1Pädagogische Hochschule FHNW, Schweiz; 2Universität Basel

In diesem Beitrag werden Aspekte einer literaturbasierten Qualifikationsarbeit vorgestellt, die Erkenntnisse aus einem vorangehenden Masterstudium zu Achtsamkeit am Institut für Psychologie der Universität Bangor, Wales, mit Inhalten des Masterstudiums in Fachdidaktik Deutsch an der Universität Basel verbindet. Im Mittelpunkt steht dabei das Konzept Aufmerksamkeit.

Aufmerksamkeit wird aus kognitionspsychologischer Perspektive als mehrdimensionales Konstrukt gefasst, welches aus interagierenden Teilkomponenten besteht. Deren Zusammenspiel befähigt ein Individuum darin, sich auf ein innerliches oder in der Aussenwelt wahrgenommenes Objekt oder Ereignis zu fokussieren, den Fokus darauf zu halten, ablenkende Stimuli zu unterdrücken und nach bemerkter Ablenkung sich erneut darauf auszurichten. Neurowissenschaftliche Studien am menschlichen Gehirn ergänzen diese Konzeptualisierung, indem sie den Teilfähigkeiten und ihren Interaktionen mittels Hirnstrommessungen und bildgebenden Verfahren entsprechende Areale und Konnektivitäten im menschlichen Gehirn zuweisen. Gemeinsam bilden sie das «funktionale Rückgrat» (Kastner et al., 2020, 291) für anspruchsvolle kognitive Prozesse und adaptives Verhalten als zentrale Anforderungen in einer zunehmend komplexen Welt. Konsequenterweise wird die grundlegende Rolle der Aufmerksamkeit als Fähigkeitenbündel auch im Bildungsbereich diskutiert und findet sich in verschiedenen Theorien und Modellen wieder. So auch in der Schreibdidaktik, in deren Rahmen drei breit rezipierte Modelle jüngeren Datums fokussiert werden, die Aufmerksamkeit als Ganzes oder ihre Komponenten aufgreifen und explizieren. Es sind die Modelle The not-so-simple view of writing (Berninger & Winn, 2008), Levels and components of writing (Hayes, 2012) und Writer(s)-within-community model of writing (Graham, 2018). Dabei fällt auf, dass die Frage nach der Förderung von Aufmerksamkeitsfähigkeiten in der Domäne Schreiben – wie auch in anderen sprachdidaktischen Domänen - weitestgehend ungeklärt erscheint.

Eine mögliche Herangehensweise an diese Frage bieten neurowissenschaftliche Untersuchungen aus der Achtsamkeitsforschung. Anhand bildgebender Verfahren und Hirnstrommessungen liefert diese junge, sich rasant entwickelnde Disziplin Hinweise, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen zu plastischen Veränderungen im Gehirn führen können, die sich positiv auf aufmerksamkeitsbezogene Facetten auswirken. Im Rahmen dieses Forschungszweigs wurden ebenfalls anerkannte theoretische Erklärungsmodelle entwickelt wie beispielsweise das Three-Axioms-Modell Intention-Attention-Attitude von Shapiro et al. (2006). Aufmerksamkeit spielt darin eine wichtige Rolle und weist somit eine Parallele zu den Modellierungen zum Texteschreiben auf. Für die vorliegende Arbeit ist dieser Zusammenhang deshalb interessant, weil davon theoretisch fundierte Impulse zugunsten der Aufmerksamkeitsförderung innerhalb der schreibdidaktischen Domäne ausgehen, wovon auch weitere Domänen profitieren können. Demnach ist die Zielsetzung dieser Arbeit zweigeteilt: Einerseits geht es um die theoretische Klärung der Bedeutung von Aufmerksamkeitsfähigkeiten beim Texteschreiben im schulischen Unterricht auf der Basis breit anerkannter sprachtheoretischer Modellierungen der Domäne Schreiben. Andererseits sollen mögliche Implikationen und Förderpotenziale von Aufmerksamkeit durch Achtsamkeit im schulischen Sprachunterricht wie auch in der Lehrpersonenbildung diskutiert werden.



Entwicklung des schulischen Wohlbefindens und der Kompetenzen von Sekundarstufenschüler*innen und ihre wechselseitige Beeinflussung

Karin Gehrer1, Nusser Lena1, Carmen L. A. Zurbriggen2

1Leibniz Institut für Bildungsverläufe, Deutschland (LIfBi); 2Universität Fribourg, Schweiz

Wohlbefinden und schulische Leistungen gelten als zwei zentrale Outcomes inklusiver Bildung für alle Kinder und Jugendlichen (Powell & Hadjar, 2018; Venetz, 2015). Das subjektive schulische Wohlbefinden von Schüler:innen und ihr Kompetenzerwerb sind eng miteinander verknüpft: Während schulisches Wohlbefinden als wesentlicher Indikator für ein qualitativ hochwertiges Lernumfeld gilt, kann auch die Erfahrung erfolgreicher Lernprozesse das Wohlbefinden der Schüler:innen steigern (Hascher, 2012). Insbesondere in diversen Inklusionsklassen können verschiedenste individuelle Merkmale herausfordernd auf das Lernklima einwirken.

Akademische Kompetenzen entwickeln sich während der Sekundarstufe aufgrund einer regelmäßigen Beschulung und eines systematischen Unterrichts in der Regel positiv (Gnambs & Lockl, 2023). Im Gegensatz dazu hat bisherige Forschung auf einen Rückgang des schulischen Wohlbefindens während der Adoleszenz hingewiesen (Casas & González-Carrasco, 2019). Insbesondere Schüler:innen der Sekundarstufe I sind mit Entwicklungsherausforderungen konfrontiert, die ihr Wohlbefinden beeinflussen (Branje et al., 2021). In einer Meta-Analyse wurde jedoch ein positiver, wenn auch geringer Zusammenhang zwischen Schulleistungen und Wohlbefinden festgestellt (r = 0.16; Bücker et al., 2018). In einer neueren Meta-Analyse zeigten Wong und Kolleg:innen (2024) einen stärkeren Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten (r = .33). Trotz dieser Ergebnisse, die auf einen positiven Zusammenhang zwischen Schulleistung und schulbezogenem Wohlbefinden hindeuten, gibt es auch gemischte Resultate, die einen negativen oder keinen Zusammenhang aufzeigen (Amholt et al., 2020).

In unserer Studie wird die längsschnittliche Entwicklung des subjektiven schulischen Wohlbefindens und der akademischen Kompetenzen von Sekundarschüler:innen, deren wechselseitigen Einflüsse und ihre Entwicklungsveränderungen anhand einer deutsch-nationalen Längsschnittstudie untersucht. Die Forschungsfragen lauten, wie Veränderungen im subjektiven Wohlbefinden der Schüler:innen in inklusiven Klassen sich auf ihre Kompetenzenentwicklung auswirken und vice versa.

Wir verwenden Daten aus der Längsschnittstudie INSIDE (Inklusion in und nach der Sekundarstufe; Schmitt et al., 2020). Schüler:innen aus inklusiven Klassen wurden in den Klassenstufen 6 (n = 3899), 7 (n = 1661) und 9 (n = 812) befragt und getestet. Zu jedem Messzeitpunkt umfasste die Erhebung die Schülerversion des Perceptions of Inclusion Questionnaire (PIQ; Venetz et al., 2015), der drei relevante Dimensionen des schulischen Wohlbefindens abdeckt: emotionales Wohlbefinden, soziale Integration, akademisches Selbstkonzept. Konfirmatorische Faktorenanalysen zeigen gute Fit-Werte (TLI > .95; CFI > .95; SRMR < .05) für alle drei Messzeitpunkte sowie längsschnittliche Messinvarianz; die interne Konsistenz für die drei Dimensionen reichte von ω = .83 (95% CI = [.82, .84]) bis ω = .91 (95% CI = [.90, .92]). Es wurden standardisierte und bewährte Testverfahren in den Kompetenzbereichen Lesen und Mathematik (Gehrer et al., 2013; Neumann et al., 2013) eingesetzt. Das Kompetenztestdesign beinhaltet querschnittliche Verlinkungen zwischen verschiedenen Testheftversionen für verschiedene Kompetenzniveaus sowie längsschnittliche Verlinkungen über die Wellen hinweg (Stegenwallner-Schütz et al., 2022). Zur Analyse der bidirektionalen Beziehungen zwischen schulischem Wohlbefinden und akademischen Kompetenzen sowie ihrer Entwicklungstendenzen wurden cross-lagged-panel-Modelle geschätzt (vgl. Gnambs & Lockl, 2023). Für individuelle Merkmale, die sowohl mit schulischem Wohlbefinden als auch der Schulleistung zusammenhängen, wurde kontrolliert (z. B. Geschlecht, sonderpädagogischer Förderbedarf, Migrationshintergrund, sozialer Hintergrund, kognitive Grundfähigkeiten).

Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Steigerung im schulischen Wohlbefinden positiv mit Zuwächsen der akademischen Kompetenzen verbunden ist. Insbesondere zeigten Schüler:innen, die zu Beginn der Studie über ein höheres emotionales Wohlbefinden berichteten, signifikante Verbesserungen ihrer schulischen Leistungen im Leseverständnis im Vergleich zu jenen, die über ein niedriges emotionales Wohlbefinden in der Klasse berichteten. Die Veränderungen der sozialen Integration scheinen jedoch nicht mit den akademischen Leistungen im Laufe der Sekundarschulzeit zusammenzuhängen. Darüber hinaus wurde ein positiver Zusammenhang zwischen den Veränderungen des akademischen Selbstkonzepts und der mathematischen Kompetenz festgestellt.

Diese ersten Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, ein unterstützendes schulisches Umfeld zu schaffen, das sowohl das Wohlbefinden als auch den schulischen Erfolg fördert. Die dynamische Wechselwirkung zwischen schulischem Wohlbefinden und Kompetenzen legt nahe, dass Bildungsstrategien Initiativen zum Wohlbefinden integrieren sollten, um die Gesamtentwicklung der Schüler:innen zu verbessern.



 
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