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SYMP 36: Der Kampf um Inklusion: Gesellschaftliche Perspektiven
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Der Kampf um Inklusion: Gesellschaftliche Perspektiven Verfolgt man die bildungspolitischen Initiativen und politischen Vorstösse der letzten zwei Jahre, so wird der Eindruck erweckt, als müsste der Wandel der letzten 20 Jahre rückgängig gemacht werden: Die schulische Integration scheint gescheitert, die schulische Inklusion unmöglich. Was im politisch rechten Spektrum (insbesondere seitens SVP und FDP: Bütikofer et al., 2023) gefordert wird, stellt ein Angriff auf die Menschenrechte dar, wie sie mit der UNO-Behindertenrechtskonvention vereinbart wurden. Und auch aus wissenschaftlicher Sicht liefert die Separierung von Schüler*innen keine Lösung, sprechen doch schon seit Jahrzehnten Untersuchungen davon, dass Integration der Separation mit Blick auf den Aspekt «Lernzuwachs» (für die Schweiz insbesondere die Ergebnisse aus der INT-SEP-Studie: Eckhart et al., 2011; Haeberlin et al., 1990) oder im Bereich «Verhalten» (Liesen & Luder, 2009) vorzuziehen ist. Das Symposium widmet sich dieser aktuellen Situation – dem «Kampf um Inklusion» – nicht aus pädagogischer, sondern aus soziologischer Sicht. Die Auseinandersetzung darum, ob nun Klein- oder Förderklassen in einem Kanton geführt werden sollen oder nicht, wird damit als Symptom der politisch-philosophischen Frage gelesen, wie wir zusammenleben wollen. Diese Frage ist heute – werden menschliche und nicht-menschliche Wesen berücksichtigt, wie das Latour (2007) in seiner «AsSoziologie» fordert – im Zeitalter von Klimawandel, Migration, Kriegen und libertärem Autoritarismus (Amlinger & Nachtwey, 2022) wichtiger denn je. Der «Kampf um Inklusion» reiht sich in die Orientierungslosigkeit in der globalen Situation und in die Brüchigkeit der sogenannten rationalen Moderne ein: Wer wird 2100 wo leben können und dürfen? Das Symposium setzt sich mit diesem «Kampf um Inklusion» dahingehend auseinander, dass dieser als Emergent verstanden wird. «Ein so genannter Emergent (der/das Auftauchende, Hervortretende) ist jedes Element, das den Sinn einer bestimmten Gruppensituation erhellen kann. Er ist eine Art Symptom oder Indikator dessen, was geschieht.» (Bauleo, 2013, S. 49). Der Diskurs und die realen Auseinandersetzungen um Inklusion ragen als Emergenten aus den gesellschaftlichen Verhältnissen heraus. Mit der Analyse des «Kampfes um Inklusion» wird es möglich, auf die Suche nach dem «Wesenhaften» (Adorno, 2021) zu gehen: Was steckt dahinter, das diesen Kampf in der Orientierungslosigkeit begründet? Über welche Themen muss man sprechen und einer normativen Auseinandersetzung unterziehen, anstatt dem «postmodernen Relativismus» zu verfallen? Die Frage nach dem Zusammenleben soll nicht entlang der organisierten Rechtsstaatlichkeit diskutiert werden, sondern der Fokus ist auf die gesellschaftliche Praxis in Institutionen zu legen, die das Handeln gleichsam prägen, entlasten und sich in Abläufen und Handlungen reproduzieren. Drei mögliche Interpretationen, was hinter dem Kampf um Inklusion steht, werden im Symposium zur Diskussion gestellt: Der erste Beitrag setzt sich mit der gesellschaftspolitischen Frage nach dem Umgang mit Gleichheit und Differenz, Diversität und Ungleichheit in (früh-)pädagogischen Einrichtungen auseinander. Nach dieser Diskussion empirischer Daten wird im zweiten Beitrag die Arbeitsteilung in Form der funktionalen Differenzierung und damit einhergehend Professionalisierung ins Verhältnis zu aktuellen Problemlösungen gestellt. Der dritte Beitrag befasst sich mit der Frage der Demokratie im Anschluss an Habermas, die in Bezug zur aktuellen Situation rund um die Diskussion der Inklusion gestellt wird. Auf die drei Beiträge folgt ein Kommentar, der die unterschiedlichen Beiträge zusammenführt. Damit wird die Diskussion im Symposium angeregt, über die Thesen in den Austausch zu kommen. Das Symposium regt an, die integrative Schule über empirische Studien hinaus aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive zu reflektieren. Beiträge des Symposiums Diversität, Ungleichheit und Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit Der Bereich der frühen Kindheit, verstanden als Lebensphase zwischen 0-6 Jahren, ist Gegenstand vieler Hoffnungen und Verheissungen im Hinblick auf die Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen. Dementsprechend gross sind die Erwartungen auf entsprechende Institutionen wie Kindertagesstätten (Kitas) und Kindergarten; sie sollen Kinder etwa auf die Schule vorbereiten und dabei Chancengleichheit/-gerechtigkeit garantieren (kritisch dazu: Bourdieu & Passeron, 1971). Dabei wird ihnen vermehrt ein expliziter Bildungsauftrag zugeschrieben (z.B. Neumann, 2014). Zugleich sehen sie sich mit einer beträchtlichen Heterogenität von Kindern konfrontiert, u.a. der (Herkunfts-)Sprachen (Vogt et al., 2022). Während Inklusion im zum öffentlichen Schulsystem gehörenden Kindergarten institutionell verankert ist, ist dies im privatrechtlich organisierten Kita-Bereich so nicht der Fall, trotz entsprechender Bestrebungen (u.a. Kibesuisse, 2024). Die Frage nach dem 'Kampf um Inklusion' wird in diesem Beitrag bearbeitet als gesellschaftspolitische Frage nach dem Umgang mit Gleichheit und Differenz, Diversität und Ungleichheit in (früh-)pädagogischen Einrichtungen. Dieser Umgang manifestiert sich, so die These, aktuell wesentlich an Fragen von Sprachgebrauch und der Mehrsprachigkeit von Kindern. Mehrsprachigkeit ist als konstitutives Merkmal des Schweizer Staates breit akzeptiert, jedoch selektiv auf die Landessprachen bezogen (Berthele, 2021). Sprachhierarchien bzw. unterschiedliches Prestige von (Herkunfts-)Sprachen können mit Differenzen und Ungleichheiten zwischen Kindern einhergehen (Becker & Knoll, 2022). Ob und inwiefern dies der Fall ist, hängt auch vom Umgang mit Sprachen und Mehrsprachigkeit in den Einrichtungen ab. Basierend auf diesen Überlegungen werden dem Beitrag folgende Fragestellungen zugrunde gelegt: Wie werden Fragen von Diversität, Differenz, und Ungleichheit in mehrsprachigen (Bildungs-)Einrichtungen der frühen Kindheit thematisiert und bearbeitet? Und was lässt sich daraus folgern für die übergeordneten, gesellschaftspolitischen Fragen um Inklusion und Zusammenleben? Um die Frage auf möglichst breiter empirischer Basis zu beantworten, werden Daten und Ergebnisse aus drei verschiedenen Forschungsprojekten verwendet, welche sich alle mit dem Zusammenhang von Sprache einerseits und Differenz und Ungleichheit andererseits auseinander gesetzt haben. Im diskursanalytisch (Keller, 2006) angelegten Projekt "Repräsentationen der Volksschule in der Schweiz" (2012-14) (Brosziewski et al., 2018) wurde u.a. die Debatte um die Unterrichtssprache im Kindergarten des Kantons Zürich anhand von Zeitungsartikeln untersucht (Knoll, 2016, 2018). Das zweite Projekt "bilingual daycare" fokussierte 2019 Umgangsweisen mit Mehrsprachigkeit in konzeptionell mehrsprachigen Kitas in der Deutschschweiz - namentlich solchen, in denen neben Deutsch auch Englisch mit den Kindern gesprochen wird (Becker & Knoll, 2022; Knoll et al., 2019). Drittens sollen anhand des 2025 startenden SNF-Projekts "Multilingualism makes a difference" ergänzend Differenzen im Umgang mit Sprache und Mehrsprachigkeit zwischen Kitas, die sich an zahlungskräftige Kundschaft richten, und Sprachförder-Kitas, die von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder attestiertem Sprachförderbedarf besucht werden, in den Blick kommen. Die Daten werden separat analysiert und anschliessend hinsichtlich der interessierten Fragestellung trianguliert (Flick, 2011). Im Kindergarten zeigt sich, dass die politische Forderung nach Dialekt als Unterrichtssprache mit der diskursiven Konstruktion von homogenen Sprachgemeinschaften und nationaler Identität durch Sprache einhergeht (Knoll, 2016). Davon ausgehend stellen sich Fragen von Differenzherstellung innerhalb von formal inklusiven Settings, sowie des Anschlusses an rechtspopulistische Diskurse rund um Inklusion. In den Ergebnissen zum Umgang mit Mehrsprachigkeit in Kitas lässt sich ein selektives Zelebrieren von Diversität bzgl. der Herkunftssprachen von Kindern und Familien feststellen, welches in Einklang mit gesellschaftspolitischen Erwartungen erscheint, jedoch einher geht mit einer sozialen bzw. sozialstrukturellen Homogenität in den Einrichtungen (Knoll & Kuhn, 2022). Die damit einhergehenden Praktiken haben wir mit 'distinktiver Mehrsprachigkeit', in Abgrenzung zu 'marginalisierter Mehrsprachigkeit', bezeichnet (ebd.). Diese geht mutmasslich auch mit einer sozialräumlichen Segregation in Vorschuleinrichtungen einher, welche Separationseffekten Vorschub leisten dürfte, allerdings in der Schweiz bisher noch wenig untersucht wurde. Die Bedeutung der erwähnten Erkenntnisse und Trends im Vorschulbereich werden vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für den 'Kampf um Inklusion' und die Frage ihrer Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben diskutiert. Bibliografie
Becker, A., & Knoll, A. (2022). Establishing multiple languages in early childhood. Heritage languages and language hierarchies in German-English daycare centers in Switzerland. International Journal of Bilingual Education and Bilingualism, 25(7), 2561–2572. https://doi.org/10.1080/13670050.2021.1932719 Berthele, R. (2021). The selective celebration of linguistic diversity: Evidence from the Swiss language policy discourse. Journal of Multilingual and Multicultural Development, 42(2), 125–136. https://doi.org/10.1080/01434632.2020.1715989 Bourdieu, P., & Passeron, J.-C. (1971). Die Illusion der Chancengleichheit: Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs. Klett. Brosziewski, A., Knoll, A., & Maeder, C. (2018). Kinder—Schule—Staat. Der Schweizer Schuldiskurs 2006 bis 2010. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19686-8_3 Flick, U. (2011). Triangulation: Eine Einführung (3., aktualisierte Aufl., Bd. 12/3). VS-Verlag. Keller, R. (2006). Wissenssoziologische Diskursanalyse. In Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse (3. Auflage, Bd. 1, S. 115–146). VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kibesuisse. (2024). Kinder mit besonderen Bedürfnissen. https://www.kibesuisse.ch/branche/kinder-mit-besonderen-beduerfnissen Knoll, A. (2016). Kindergarten as a Bastion. On the Discursive Construction of a Homogeneous Speech Community and National Identity. Zeitschrift Für Diskursforschung, 4(2), 137–153. Knoll, A. (2018). Sprache, Identität und Schule. Die Sprachenfrage im Kindergarten (Kapitel 4). In A. Brosziewski, A. Knoll, & C. Maeder (Hrsg.), Kinder-Schule-Staat. Formationen des Schweizer Volksschuldiskurses 2006-2010. Springer. Knoll, A., Becker, A., Willen, M., Frenz, S., Roos, L., Schneider, L., & Schweizer, A. (2019). Bilingual Daycare. Englisch-Deutsch-Mehrsprachige Betreuungs- und Bildungsangebote im Frühbereich in der Deutschschweiz. Schlussbericht zum Lehrforschungsprojekt [Schlussbericht]. Universitäres Zentrum für frühkindliche Bildung Fribourg (ZeFF). https://www.unifr.ch/zeff/de/assets/public/files/forschung/Schlussbericht%20bilingual%20daycare%20M%C3%A4rz%202020.pdf Knoll, A., & Kuhn, M. (2022). Distinktive Mehrsprachigkeit. Intersektionale Perspektiven auf institutionelle und elterliche Selektions- und Marginalisierungspraxen in der frühkindlichen Bildung. In R. Bak & C. Machold (Hrsg.), Kindheit und Kindheitsforschung intersektional denken (Bd. 26, S. 91–105). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36760-2_6 Neumann, S. (2014). Bildungskindheit als Professionalisierungsprojekt: Zum Programm einer kindheitspädagogischen Professionalisierungs(folgen)forschung. In T. Betz & P. Cloos (Hrsg.), Kindheit und Profession (S. 145–159). Beltz Juventa. Vogt, F., Stern, S., & Fillietaz, L. (2022). Frühe Sprachförderung: Internationale Forschungsbefunde und Bestandesaufnahme zur frühen Sprachförderung in der Schweiz (Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation). 189 Seiten. https://doi.org/10.18747/PHSG-COLL3/ID/1659 Eine Kritik der organischen Solidarität als entsolidarisierende Logik Die Ausweitung der möglichen Anstellungsverhältnisse im Feld der Regelschule hat im letzten Jahrhundert zu einer zunehmenden Differenzierung professioneller Rollen geführt. Während Schulpsycholog:innen ab den 1950er-Jahren als «schulbezogene Erziehungsberatung» (Bach, 1960) etabliert wurden, traten ab den 1980er-Jahren Heilpädagog:innen verstärkt in die Regelschulen ein – ausgelöst durch zunehmende Elternproteste gegen die Separation von Kindern in Kleinklassen (Bühler-Niederberger, 1991). In den 1990er-Jahren kamen in der Schweiz Rollen wie Schulsozialarbeit und Schulleitungen hinzu (Vogel, 2006). Jüngst wurden Stellen für Schulsozialpädagogik, die Leitung von Schulleitungen («Leitung Bildung») sowie Fachkräfte für Begabungs- und Begabtenförderung geschaffen. Zusätzlich werden Senior:innen, Zivildienstleistende und Praktikant:innen eingebunden, begleitet von einer engeren Zusammenarbeit mit einer Tagesstruktur außerhalb des Unterrichts. Diese Entwicklung folgt einem Paradigma der «organischen Solidarität» (Durkheim, 2019), das die Schule als arbeitsteiliges, organisches System begreift. Unterschiedliche Professionen übernehmen spezialisierte Aufgaben (Abbott, 1988), wodurch ein «großes Ganzes» entsteht. Doch diese Logik der funktionalen Differenzierung bringt auch problematische Folgen mit sich: Die Zuweisung von Aufgaben an spezifische Rollen wird durch kategoriale Diagnosen legitimiert und verstärkt die Bürokratisierung. Qualitative Studien zeigen, dass die Zusammenarbeit in Expertenteams schwierig ist (Widmer-Wolf, 2016), und die Delegation von Problemlösungen an Professionelle institutionelle Widersprüche nicht auflöst, sondern Problemlagen verwaltet werden (Labhart, 2019). Insbesondere die widersprüchlichen gesellschaftlichen Funktionen der Schule – Qualifikation und Integration versus Selektion – werden auf unterschiedliche Personen verteilt und Inter-Rollenkonflikte geschaffen. Dadurch wird eine Bearbeitung der Spannungen verhindert und Verantwortlichkeit fragmentiert (Vogel, 2006). Der Beitrag argumentiert, dass der «Kampf um Inklusion» als Emergent dieser spezifische Vergesellschaftungslogik gelesen werden kann, die über das schulische Feld hinaus wirksam ist. Diese Logik zeigt sich etwa in kurzfristigen Solidaritätsgesten wie dem «Tag der Menschen mit Behinderung», der Behinderung zum Thema macht, aber eben nur an einem Tag im Jahr, um an den anderen Tagen die bestehenden Strukturen unverändert aufrecht zu erhalten. Oder in verbreiteten Reaktionen auf psychische Erkrankungen bei Jugendlichen, die den Ausbau spezialisierter Stellen wie Psychiatrien fordern, statt mögliche Ursachen grundsätzlich zu adressieren. Der Beitrag übt eine grundlegende Kritik am Paradigma der organischen Solidarität, die durch rationale Verdinglichung und lineare Kausalitätsannahmen geprägt ist. Als Alternative wird eine ökologische Solidarität vorgeschlagen, die sich relationalen, komplex-kausalen Verflechtungen (Morin, 2010) widmet und eine neue Perspektive auf Soziabilität eröffnet. In Anlehnung an Latour (2007) wird das Soziale relational gedacht, wobei sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Akteure sowie die Relationen selbst konstituierend wirken. Der «Kampf um Inklusion» wird als Ausdruck von Vorstellungen über gesellschaftlichen Zusammenhalt analysiert. Die Orientierung an der organischen Solidarität wird als separierend und marginalisierend kritisiert. Der Beitrag plädiert für eine unbedingte Solidarität (Susemichel & Kastner, 2021), die sich von linearen, organisierten Strukturen löst und auf die Vielfalt der Erde ausgerichtet ist und sich damit an dem Konzept des organlosen Körpers zu orientieren: «Der oK [organlose Körper] ist das, was übrigbleibt, wenn man alles entfernt hat. Und was man entfernt, ist eben das Phantasma, die Gesamtheit von Signifikanzen und Subjektivierungen.» (Deleuze & Guattari, 1992, S. 208f). Bibliografie
Abbott, A. (1988). The system of professions. An essay on the division of expert labor. The University of Chicago Press. Bach, H. (1960). Schulische Erziehungsberatung. Möglichkeiten und Probleme des Gesprächs zwischen Schule und Elternhaus. Zickfeldt. Bühler-Niederberger, D. (1991). Legasthenie. Geschichte und Folgen einer Pathologisierung. Leske + Budrich. Deleuze, G., & Guattari, F. (1992). Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II. Merve. Durkheim, É. (2019). Über soziale Arbeitsteilung: Studie über die Organisation höherer Gesellschaften (8. Auflage). Suhrkamp. Labhart, D. (2019). Interdisziplinäre Teams in inklusiven Schulen. Eine ethnografische Studie zu Fallbesprechungen in multiprofessionellen Gruppen. transcript. Latour, B. (2007). Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Suhrkamp. Morin, E. (2010). Die Natur der Natur. Turia + Kant. Susemichel, L., & Kastner, J. (Hrsg.). (2021). Unbedingte Solidarität (1. Auflage). Unrast. Vogel, C. (2006). Schulsozialarbeit. Eine institutionsanalytische Untersuchung von Kommunikation und Kooperation. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Widmer-Wolf, P. (2016). Erweitertes Verständnis beruflicher Autonomie für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen in der Zusammenarbeit mit Lehrkräften in inklusiven Schulen. In A. Kreis, J. Wick, & C. Kosorok Labhart (Hrsg.), Kooperation im Kontext schulischer Heterogenität (S. 171–184). Waxmann. Inklusion als normative Kategorie gesellschaftlicher Demokratisierung Inklusion lässt sich neben dem schulischen Kontext auch als eine zentrale politische Forderung bezüglich der Lebenssituationen von Menschen mit Behinderung behandeln. Eine funktionierende Demokratie setzt die Teilhabe aller involvierten Personen an den relevanten Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozessen voraus. Inwiefern hierbei auch nicht-lebendige Gegenstände mitgedacht werden können, arbeitete Bruno Latour im «Parlament der Dinge» heraus (Latour 2001). Demokratien geraten in Krisen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger von politischen Entscheidungsprozessen rausnehmen. Jürgen Habermas verfolgt in seiner Theorie des kommunikativen Handelns und beim deliberativen Demokratiemodell, dass sich Staatsbürgerinnen und -bürger nicht nur auf ihre individuellen Privatinteressen berufen, sondern sich auch am Gemeinwohl orientieren. Diese normative Orientierung beinhaltet damit die Erwartung, nicht nur für sich, sondern auch für alle anderen Menschen denken zu können. Es gehört zu den «Bestandsvoraussetzungen eines demokratischen Gemeinwesens, dass sich die Bürger aus der Perspektive von Beteiligten in den Prozess einer fortgesetzten Realisierung des unausgeschöpften, aber schon positiven geltenden Grundrechte verwickelt sehen» (Habermas 2022: 16). Die ganz grundlegende Annahme bei Habermas besteht darin, die Inklusion aller von möglichen Entscheidungen Betroffenen als gleichberechtigt an der politischen Willens- und Meinungsbildung teilnehmen zu lassen (ebd.: 21). Jede Form von Ausschluss von Personen von Entscheidungsprozessen ist legitimationsbedürftig, gesellschaftliche Interventionen sind als «Legitimationsproblem kollektiv veranlasster Eingriffe in die grundsätzlich geschützte Autonomie von Individuen» zu verstehen (Graf/Vogel 2010: 35). Das grundsätzliche Bestreben einer sich demokratisch verstehenden Gesellschaft liegt in der Erhöhung der gesellschaftlichen Integrationskraft als normative Orientierung. Die gesellschaftliche Stärke liegt darin, die gesellschaftlichen Verhältnisse als Resultat gemeinsamer Entscheidungen zu verstehen. Mit Demokratie ist immer auch Verantwortungsübernahme verbunden, «wer nur in der Gegenwart lebt, lebt verantwortungslos» (Graf 2020: 306). Demokratie umfasst das Bestreben, Menschen als Produzenten und Reproduzenten ihres individuellen und kollektiven Lebens einzusetzen (ebd.: 313). Im vorliegenden Beitrag wird der «Kampf um Inklusion» hinsichtlich der normativen Ausgestaltung einer demokratischen Gesellschaft verstanden. Der Umgang mit Inklusion und die Frage, wer von gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen wird, lässt sich als Ausdruck der gesellschaftlichen Integrationskraft interpretieren. Bibliografie
Graf, Martin Albert (2020). Geleugnete Natur - Zur Taubheit moderner Gesellschaften. Werkstücke - Eingriffe. Gesellschaftstheorie, Sozialpädagogik, Sozialarbeit. Beiträge dreier Jahrzehnte aus dem Archiv. Band1 Vorträge - Reden. Norderstedt: BoD Verlag. S. 299–317. Graf, Martin Albert/Vogel, Christian (2010). Sozialarbeit als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse und Prozesse. Ein Beitrag zur Stärkung des Unterscheidungsvermögens. In: Benz Bartoletta, Petra/Meier Kressig, Marcel/Riedi, Anna Maria/Zwilling, Michael (Hg.). Soziale Arbeit in der Schweiz. Einblicke in Disziplin, Profession und Hochschule. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. S. 26–39. Habermas, Jürgen (2022). Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik. Berlin: Suhrkamp. Latour, Bruno (2001). Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie. Frankfurt/M: Suhrkamp. |