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SYMP 24: Schulleitende als Akteur*innen im Mehrebenensystem: Im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Kontrolle
Diskutantin: Stephanie Appius
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Schulleitende als Akteur*innen im Mehrebenensystem: Im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Kontrolle Schulführung wird als vielfältiges und komplexes Handlungsfeld im Kontext der Schule wahrgenommen. Die Einführung der geleiteten Schulen (Windlinger und Hostettler 2014) hat zu einer verstärkten Professionalisierung im Feld der Schulführung geführt. Ebenso wurde durch die «neue Steuerung» (Altrichter et al. 2011) ein Spannungsfeld im Bereich der Schulführung akzentuiert. Dieses bezieht sich auf verschiedene Ebenen des Schulsystems; namentlich die Makro-Ebene der Behörden, die Meso-Ebene der Schule sowie die Mikro-Ebene der einzelnen Führungspersonen und Lehrpersonen. Auf der einen Seite des Spannungsfeldes stehen die stärkere Einforderung von Eigenverantwortung und die Gewährung von Autonomie für die Einzelschule und auf der anderen Seite eine intensivere Kontrolle durch Schulverwaltung, Schulevaluation und Bildungsmonitoring (Wilkins et al. 2019). Dieser Spagat erfordert von Schulleitungen ein hohes Mass an Belastbarkeit und Resilienz. Zu den pädagogischen und organisatorischen Herausforderungen des Alltags gehört ebenso, dass durch die gesteigerte Schulautonomie verstärkt auch Schulentwicklungsaufgaben der Schulleitung zufallen. Obwohl sich verschiedene Studien mit der «guten Schulführung» auseinandersetzen (Tan et al. 2022), variieren die Tätigkeiten, Stile oder Formen von Schulführung aufgrund des Kontextes der Einzelschule. Der Schulleitungsmonitor (Tulowitzki et al. 2022) identifiziert Verwaltungstätigkeiten und Personalführung und-entwicklung als die beiden zeitintensivsten Aufgaben von Schulleitungen, gefolgt von Kontakt mit Eltern, schulischen Gremien und Schulbehörden. Gleichzeitig geben knapp drei Viertel der Befragten an, dass sie zu wenig Zeit haben, um ihre täglichen Aufgaben zu erfüllen (Kruse und Huber 2021). Dieses Symposium geht den Leitfragen nach, wie auf der Ebene der Bildungsbehörden und im Kontext der Einzelschule bestimmte Realitäten für Schulführung und -entwicklung geschaffen werden und inwiefern Schulleitende bestimmte Strategien verfolgen, um mit diesen umzugehen. Die drei Beiträge sind thematisch miteinander verzahnt und decken unterschiedliche Aspekte des Spannungsfeldes zwischen Autonomie und Kontrolle ab. Der erste Beitrag «Personalmanagement an Schulen: Inwiefern lassen sich kantonale Steuerungskonfigurationen unterscheiden?» beschäftigt sich mit dem schulischen Personalmanagement. Die Forschenden loten in ihrem Beitrag die Handlungsspielräume für Schulleitungen im Bereich der Personalführung aus, die aufgrund von gesetzlichen kantonalen Grundlagen für Gemeinden und Schulen entstehen. Dabei stellen sie einen Vergleich zwischen den 26 Kantonen an und zeigen (gemeinsame) Steuerungspraktiken auf. Der zweite Beitrag «Wenn Selbstwirksamkeit nicht hilft: Analysen von Commitment und Belastungserleben von Schulleitenden auf Basis des Job-Demands-Resources-Modells» befasst sich mit der Belastung von Schulleitungen und sich verändernden Herausforderungen im Alltag. Auf Basis von N=1055 Rückmeldungen werden Zusammenhänge zwischen Ausdehnung der Arbeitszeit, Arbeitsüberlastung, Commitment und Selbstwirksamkeit untersucht. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund bestehender Spannungsfelder von Schulleitungen, insbesondere zwischen Autonomie und Rechenschaft sowie als «Schnittstelleninstanz» diskutiert. Im dritten Beitrag «Transformationale Schulführung: Klarheit, Autonomie und Wohlbefinden im Schulalltag stärken» wird aufgezeigt, wie transformationale Führung von Schulleitungen zum Wohlbefinden von Lehrpersonen beitragen kann. Dabei spielen klare organisatorische Rahmenbedingungen und Verantwortungsbereiche sowie die Befriedigung des Autonomiebedürfnisses der Lehrpersonen eine zentrale Rolle. Dies hat wichtige Implikationen für die Schulpraxis und Schulentwicklungsstrategien. Die drei Beiträge bieten eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen im Bereich der Schulleitungsforschung. Ziel ist es, zentrale Themen zu identifizieren und das Bewusstsein für die vielfältigen Herausforderungen in der Schulleitungsforschung im Mehrebenensystem zu schärfen. Aus den unterschiedlichen methodischen Zugängen der Beiträge und der kritischen Auseinandersetzung sollen neue Impulse für zukünftige Forschungsprojekte gewonnen werden. Gemeinsam bieten die drei Beiträge aus verschiedenen Hochschulen einen Einblick in die jeweiligen Forschungsschwerpunkte und zeigen auf, welche Strategien helfen die Komplexität des Führungsalltags zu bewältigen. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit einer multiperspektivischen Betrachtung von Führung auf der Ebene der Schule mit den schulinternen und externen Anspruchsgruppen. Die Diskutantin wird Gemeinsamkeiten der drei Beiträge herausarbeiten und die Diskussion im Plenum zu offenen Fragen und gegebenenfalls zu gemeinsamen Thesen strukturieren und leiten. Beiträge des Symposiums Personalmanagement an Schulen: Inwiefern lassen sich kantonale Steuerungskonfigurationen unterscheiden? In der Schweiz sind die Kantone mit ihren Gemeinden zuständig für die Regelung und den Vollzug des obligatorischen Bildungsbereichs. Dies betrifft auch die Personalführung und -entwicklung. Der Handlungsspielraum der Akteur*innen auf Ebene der Einzelschule in den Kantonen ist unterschiedlich ausgestaltet (Ambühl und Hardmeier 2009; Criblez 2008, 2015). Unklar ist jedoch, wie Schulleitende ihren Handlungsspielraum im Bereich Personalmanagement in der Praxis wahrnehmen und wie dieser von den kantonalen Steuerungskonfigurationen geprägt wird, da es aktuell nur wenige Studien gibt, die das schulische Personalmanagement mit den gesetzlichen Vorgaben der Bildungsbehörden verknüpfen (Steger Vogt et al. 2014). Der Schweizerische Schulleitungsmonitor (Tulowitzki et al. 2022) zeigt, dass das Personalmanagement, nach Verwaltungsaufgaben, den zweitgrössten Anteil der Arbeitszeit der Schulleitenden in Anspruch nimmt und dass sich Schulleitende umfangreichere Qualifikationen in diesem Bereich wünschen. Die Möglichkeiten der Schulleitenden, das Personalmanagement an Schulen zu gestalten, hängt von formalen Rahmenbedingungen der Behörden des jeweiligen Schulsystems ab. Gerade in Zeiten des Lehrpersonenmangels, wo Personalengpässe und das Kompensieren von mangelnder Qualifikation von Lehrpersonen das ganze Kollegium betreffen, können Schulentwicklungsprozesse in den Hintergrund geraten, wenn das passende Personal fehlt (Sandmeier und Herzog 2024). Aufgrund der föderalistischen Tradition ist anzunehmen, dass die gesetzlichen Vorgaben sich zwischen den Kantonen unterscheiden und es keine national einheitliche Wahrnehmung des Personalmanagements an Schulen gibt (Rürup 2005; Criblez 1994). Dieser Beitrag geht der Frage nach, inwiefern sich in den rechtlichen Grundlagen der Kantone unterschiedliche Steuerungskonfigurationen – insbesondere in Bezug auf das Personalmanagement – ableiten lassen. Für die Erstellung des Datenkorpus wurden alle Gesetze, Verordnungen und Dekrete auf der Ebene der Kantone, die die Volksschule betreffen mit einer Volltextsuche auf der Plattform LexFind (SSK 2024) mit spezifischen Wortstämmen und Schlüsselbegriffen in den drei verwendeten Landessprachen (z.B. «schul», «scolair», «formazion» etc.) durchgeführt. Anschliessend wurden die Dokumente in die die Analysesoftware MAXQDA (VERBI Software 2024) übertragen. Für die 26 Kantone wurden je zwischen zwei und dreizehn Dokumente identifiziert die für die Fragestellung relevante Informationen beinhalten. Insgesamt wurden 174 Dokumente codiert. Als Analyseinstrument wird ein für dieses Projekt adaptiertes Modell des «Governance-Reglers» (Windlinger et al. 2023) eingesetzt, das die Einschätzung der verschiedenen Steuerungskonfigurationen in den Kantonen ermöglicht. Der Governance-Regler wurde ursprünglich als Analyse-Instrument entwickelt, um verschiedene «Governance-Regime» im Bereich der Hochschulen zu vergleichen (Schimank 2007). Er dient dazu, das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsmechanismen zu analysieren und wurde bereits in mehreren Studien im Bereich der Steuerung der Volksschule eingesetzt (z.B. Feldhoff et al. 2012). Die Operationalisierung erfolgte im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse und der Erarbeitung eines Kategoriensystems, das die fünf Dimensionen des Governance-Reglers mit den Subkategorien beinhaltet. Die Kategorien wurden im Team definiert und die Codierungen von zwei Forschenden unabhängig voneinander überprüft. Das Personalmanagement wurde als zentraler Aspekt der Steuerungskonfiguration vertieft analysiert. Dabei diente der Mitarbeitenden-Zyklus (Capaul et al. 2020; Jutzi und Keller-Gerber 2019) als Grundlage für die differenzierte Erfassung der unterschiedlichen Teilprozesse. Im Rahmen der Analyse wurde systematisch erfasst, welchen Akteur*innen auf strategischer oder operativer Ebene bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Daraus wird abgeleitet, welchen Handlungsspielraum die Schulleitenden in bestimmten Teilprozessen haben. Die Analyse der rechtlichen und regulativen Grundlagen zeigt deutliche Unterschiede in der Steuerung zwischen den Kantonen. Erstens variieren der rechtliche Stellenwert und die Anzahl der berücksichtigten Dokumente und zweitens lässt sich feststellen, dass sowohl in Bezug auf den rechtlichen Stellenwert der allgemeinen Steuerungsaufgaben im Bildungssystem, sowie auch im Personalmanagement im Speziellen, unterschiedliche Akteur*innen und Dienste mit bestimmten Aufgaben betraut werden. Drittens zeigen sich bei der Analyse der Teilprozesse des Personalmanagements kantonale Unterschiede, insbesondere bei der Freistellung von Lehrpersonen. Dieser Beitrag verdeutlicht die Komplexität des Mehrebenensystems Schule, in dem Schulleitende Entscheidungen treffen und Massnahmen ergreifen und trägt dazu bei, die unterschiedlichen Steuerungskonfigurationen der Kantone sichtbar zu machen und miteinander in Bezug zu setzen. Bibliografie
Ambühl, Hans; Hardmeier, Susanne (2009): Bildungspolitische Entwicklungen in der Schweiz: Zwischen kantonaler Schulautonomie und nationaler Harmonisierung. In: RdJB 57 (2), S. 290–302. DOI: 10.5771/0034-1312-2009-2-290. Capaul, Roman; Seitz, Hans; Keller, Martin (Hg.) (2020): Schulführung und Schulentwicklung. Theoretische Grundladen und Empfehlungen für die Praxis. Bern: Haupt. Criblez, Lucien (1994): Lehrerbildung in der Schweiz: Vielfalt ohne Koordination? In: Schweizerische Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. DOI: 10.5169/SEALS-786192. Criblez, Lucien (Hg.) (2008): Bildungsraum Schweiz. Historische Entwicklung und aktuelle Herausforderungen. 1. Aufl. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. Criblez, Lucien (2015): Switzerland. In: Wolfgang Hörner, Hans Döbert, Lutz R. Reuter und Botho von Kopp (Hg.): The Education Systems of Europe. Cham: Springer International Publishing, S. 797–823. Feldhoff, Tobias; Durrer, Luzia; Huber, Stephan G. (2012): Steuerung eines Schulsystems. Eine empirische Analyse, wie Akteure die Steuerungskonfigurationen des Schulsystems wahrnehmen und sich deren zukünftige Gestaltung wünschen. In: DDS – Die Deutsche Schule 104 (1), S. 71–78. Jutzi, Michelle; Keller-Gerber, Ami (2019): Die Rolle der Schulleitung im Human Resource Management. Experiencing Leadership Mobilitätsaustausch Bern-Salzburg. Dossier mit Leitfaden. Pädagogische Hochschule Bern, Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen. Rürup, Matthias (2005): Der Föderalismus als institutionelle Rahmenbedingung im deutschen Bildungswesen - Perspektiven der Bildungspolitikforschung. In: Trends in Bildung international, S. 1–19. Sandmeier, Anita; Herzog, Silvio (2024): Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel in der Schweiz. Eine empirische Perspektive. In: journal für lehrerInnenbildung jlb 01/2024 Perspektiven zum Lehrpersonenmangel im deutschen Sprachraum, S. 28–38. DOI: 10.35468/jlb-01-2024-02. Schimank, Uwe (2007): Die Governance-Perspektive: Analytisches Potenzial und anstehende konzeptionelle Fragen. In: Herbert Altrichter, Thomas Brüsemeister und Jochen Wissinger (Hg.): Educational governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Educational governance, Bd. 1), S. 231–260. Schweizerische Staatsschreiberkonferenz (SSK) (2024): Lexfind. Unter Mitarbeit von Zentrum für Rechtsinformation und Sitrox. Online verfügbar unter lexfind.ch, zuletzt geprüft am 06.12.2024. Steger Vogt, Elisabeth; Kansteiner, Katja; Pfeifer, Martina (Hg.) (2014): Gelingende Personalentwicklung in der Schule. Insbruck, Wien, Bozen: StudienVerlag (FokusBildungSchule, 5). Tulowitzki, Pierre; Pietsch, Marcus; Grigoleit, Ella; Sposato, Gloria (2022): Schulleitungsmonitor Schweiz 2021 – Befunde zu Werdegängen, Karrieremotiven, beruflicher Zufriedenheit und Führungsweisen. Fachhochschule Nordwestschweiz. Windisch. VERBI Software (2024): MAXQDA. Software für qualitative Datenanalyse. Version 24. Berlin: VERBI Software. Consult. Sozialforschung GmbH. Windlinger, Regula; Jutzi, Michelle; Stocker, Mira; Mayland, Camille; Hostettler, Ueli (2023): Governance, Schulautonomie und freie Schulwahl. Bericht zuhanden der Stiftung Zukunft.li. Wenn Selbstwirksamkeit nicht hilft: Analysen von Commitment und Belastungserleben von Schulleitenden auf Basis des Job-Demands-Resources-Modells Theoretischer Hintergrund Verschiedene Studien zeigen, dass die Rolle der Schulleitung als Schnittstelleninstanz im Mehrebenensystem Schule und im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Rechenschaft oftmals mit erhöhtem Stress und Arbeitsüberbelastung einhergeht, was zu emotionaler Erschöpfung führen kann (Marsh et al., 2023). Die schulischen Governance- und Rechenschaftsstrukturen führen zu einem «Feld undurchsichtiger Machtverhältnisse» (Hangartner & Svaton, 2022, S. 247). Es gibt deutliche Hinweise, dass die Extensivierung der Arbeitszeit von Schulleitenden zunimmt (Reid & Creed, 2023). Neben der erwähnten Komplexität könnte dies (auch) damit zusammenhängen, dass Schulleitende durch digitale Hilfsmittel (noch) erreichbarer geworden sind und somit das Risiko (weiter) steigt, beruflich «vereinnahmt» zu werden (Creagh et al., 2023). Dies kann Auswirkungen auf das Arbeitscommitment und die Kündigungsmotivation haben (Skaalvik, 2023). Im Vergleich zu den genannten Studien aus englischsprachigen Ländern und Skandinavien, ist im deutschsprachigen Raum die Schulleitungsforschung ein eher junges Feld. Aus der Schweiz existieren bis dato keine Studien, die Aspekte von Belastung, Selbstwirksamkeit und Commitment bei Schulleitungen berücksichtigen. Der vorliegende Beitrag setzt an diesem Desiderat an. Als Rahmenmodell zur Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen Extensivierung der Arbeitszeit, Arbeitsüberlastung und schulischem Commitment dient das Job-Demands-Ressources-Modell (JD-R-Modell, Bakker & Demerouti, 2007). Ihm zufolge haben Arbeitsanforderungen, z.B. die Extensivierung der Arbeitszeit, einen positiven Effekt auf die wahrgenommene Arbeitsüberlastung, wiederum diese beeinflusst das schulische Commitment negativ. Ferner haben Ressourcen einen positiven Effekt auf das schulische Commitment und moderieren negativ die Beziehung zwischen Arbeitsanforderungen und Arbeitsüberlastung (Bakker & Demerouti, 2007). Einige Studien haben das Modell bereits erfolgreich auf den Kontext von Schulleitungen und Arbeitsbelastung übertragen können (u.a. Marsh et al., 2022; Skaalvik, 2023). Insbesondere Selbstwirksamkeit scheint dabei eine wichtige personelle Ressource zu sein (Marsh et al., 2022). Fragestellung Auf Basis des zuvor skizzierten Forschungsstands wurden folgende Hypothesen formuliert: 1. Die Extensivierung der Arbeitszeit hat einen signifikant positiven Effekt auf die Arbeitsüberlastung. 2. Die Selbstwirksamkeit hat einen signifikant negativen Effekt auf die Arbeitsüberlastung. 3. Die Selbstwirksamkeit moderiert die Beziehung zwischen Extensivierung und Arbeitsüberlastung. 4. Die Arbeitsüberlastung hat einen signifikant negativen Effekt auf das Commitment. 5. Die Extensivierung hat einen signifikant negativen Effekt auf das Commitment. 6. Die Selbstwirksamkeit hat einen signifikant positiven Effekt auf das Commitment. Design und Methode Durch einen Online-Fragebogen wurden die zugrundeliegenden Daten erhoben. 4749 Schulleitungen in der gesamten Schweiz wurden per E-Mail kontaktiert, woraufhin sich 2035 Schulleitende beteiligten. Da die Beantwortung aller Fragen optional war, betrug die für diese Analyse genutzte finale Stichprobe 1055 Schulleitende. Während die Extensivierung der Arbeitszeit mit fünf Items erfasst wurde, wurde die Arbeitsüberlastung mit drei Items operationalisiert. Die Selbstwirksamkeit wurde mit jeweils drei Items erhoben. Das schulische Commitment wurde durch drei Items operationalisiert. Es wurde ein Strukturgleichungsmodell mit einer Mediation und dem Moderator Selbstwirksamkeit berechnet. Resultate und ihre Bedeutung Die Ergebnisse aus dem Strukturgleichungsmodell implizieren, dass die Extensivierung einen signifikant positiven Effekt auf die Arbeitsüberlastung hat und wiederum die Arbeitsüberlastung einen signifikant negativen Prädiktor für das Commitment darstellt. Jedoch hat die Extensivierung keinen signifikanten direkten Effekt auf das Commitment. Die Selbstwirksamkeit ist ein signifikant negativer Prädiktor für die Arbeitsüberlastung und hat einen signifikant positiven Effekt auf das Commitment. Allerdings moderiert die Selbstwirksamkeit nicht signifikant die Beziehung zwischen Arbeitsüberlastung und Commitment. 67.5% der Varianz des Faktors Überlastung werden durch die Extensivierung der Arbeitszeit und die Selbstwirksamkeit aufgeklärt, während 25.9% der Varianz des Faktors Commitment durch alle Variablen im Modell aufgeklärt werden. Entgegen den Annahmen des JD-R-Modells und früheren Studien aus dem pädagogischen Kontext konnte Selbstwirksamkeit nicht als Schutzfaktor im Hinblick auf das Belastungserleben bei Extensivierung der Arbeitszeit identifiziert werden. Schulleitungen benötigen demzufolge nicht (nur) eine Stärkung ihrer Selbstwirksamkeit, um Arbeitsüberlastung in ihrer Schnittstellenfunktionen mit Autonomie aber auch Rechtfertigungsdruck zu vermeiden, sondern (auch) klassisches Stresstraining und eine Reduktion der Arbeitszeit. Bibliografie
Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The job demands‐resources model: State of the art. Journal of managerial psychology, 22(3), 309-328. https://doi.org/10.1108/02683940710733115 Marsh, H. W., Dicke, T., Riley, P., Parker, P. D., Guo, J., Basarkod, G., & Martin, A. J. (2023). School principals' mental health and well‐being under threat: A longitudinal analysis of workplace demands, resources, burnout, and well‐being. Applied Psychology: Health and Well‐Being, 15(3), 999-1027. https://doi.org/10.1111/aphw.12423 Transformationale Schulführung: Klarheit, Autonomie und Wohlbefinden im Schulalltag stärken Theoretischer Hintergrund Transformationale Führung durch Schulleitungen spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung des Wohlbefindens von Lehrpersonen und der Sicherstellung einer nachhaltigen Bildungsqualität. Insbesondere in Zeiten von Herausforderungen wie Lehrpersonenmangel und hoher Fluktuation wird deutlich, dass Schulleitungen, die klar kommunizieren und individuell fördern, entscheidende Ressourcen sind, um die emotionale Erschöpfung von Lehrpersonen zu verringern (Klusmann et al., 2022; Viac & Fraser, 2020). Emotionale Erschöpfung, die als Folge unklarer organisatorischer Rahmenbedingungen auftreten kann, stellt nicht nur ein individuelles Gesundheitsrisiko dar (Skaalvik & Skaalvik, 2018), sondern gefährdet auch die Entwicklung der Schule als Organisation (Klusmann et al., 2022). Diese Studie verknüpft die Mechanismen der transformationalen Führung mit theoretischen Ansätzen des Job-Demands-Resource-Modells (Bakker et al., 2023) und der Self-Determination Theory (Deci et al., 2017). Untersucht wird, wie Schulleitungen durch ihr Führungsverhalten nicht nur unklare organisatorische Rahmenbedingungen abbauen, sondern auch wichtige Ressourcen wie die Befriedigung des Autonomiebedürfnisses bei Lehrpersonen stärken können. Forschungsergebnisse legen nahe, dass transformationale Führung durch klare Zielvorgaben, individuelle Unterstützung und die aktive Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen eine präventive Wirkung auf die emotionale Erschöpfung von Lehrpersonen hat (Berkovich & Eyal, 2017; Schoch et al., 2023; Van den Broeck et al., 2016). Dennoch ist bisher wenig erforscht, in welchem Ausmass diese Führungsressourcen den negativen Einfluss unklarer organisatorischer Rahmenbedingungen auf das Wohlbefinden von Lehrpersonen abschwächen können. Fragestellung Vermitteln die Wahrnehmung organisatorischer Rahmenbedingungen und die Befriedigung des Autonomiebedürfnisses den negativen Zusammenhang von transformationaler Führung und emotionaler Erschöpfung der Lehrpersonen? Design und Methode Die vorliegende Studie basiert auf einer Längsschnittuntersuchung mit drei Erhebungszeitpunkten, die über ein Schuljahr hinweg durchgeführt wurde. Die Stichprobe umfasst 1217 Lehrpersonen aus Deutschschweizer Schulen. Zur Erhebung der transformationalen Führung (t1) wurde die Subskala „Individuelle transformationale Führung“ der deutschen Dual-Level Transformational Leadership Scale (Klaic et al., 2018) verwendet. Die Wahrnehmung unklarer organisatorischer Rahmenbedingungen (t2) wurden mit drei Items der Subskala „Schulspezifische Belastungen“ des S-Tools für Schulen (Krause & Böschenstein, 2014) erhoben. Bedürfnisbefriedigung nach Autonomie (t2) wurde mit der Subskala „Autonomie“ der deutschen Version der Arbeitsbezogenen Psychologischen Bedürfnisbefriedigungsskala (Van den Broeck et al., 2010) erfasst. Emotionale Erschöpfung (t3) wurde mit der Subskala „Emotionale Erschöpfung“ der deutschsprachigen Version des Maslach Burnout Inventory (Maslach et al., 1996) erhoben. Ein längsschnittliches Strukturgleichungsmodell wurden eingesetzt, um die direkten und indirekten Effekte transformationaler Führung zu analysieren. Resultate und ihre Bedeutung Die Ergebnisse zeigen, dass transformationale Führung einen starken negativen Effekt auf die Wahrnehmung unklarer organisatorischer Rahmenbedingungen hat (β = -.37, p = .000), welche wiederum negativ mit der Befriedigung des Autonomiebedürfnisses zusammenhängen (β = -.42, p = .000). Die Befriedigung des Autonomiebedürfnisses hat einen negativen Effekt auf die emotionale Erschöpfung der Lehrperson (β = -.10, p = .021). Die Prüfung der indirekten Effekte ergab einen signifikanten totalen indirekten Effekt zwischen transformationaler Führung und emotionaler Erschöpfung β = -.06, p = .000 (95 % KI [.116, -.044]), vermittelt durch unklare organisatorische Rahmenbedingungen und die Bedürfnisbefriedigung nach Autonomie β = -.02, p = .030 (95 % KI [-.029, -.005]). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass transformational führende Schulleitungen durch klare Kommunikation und gezielte Unterstützung Unsicherheiten und Missverständnisse unter Lehrpersonen effektiv reduzieren können (Arnold, 2017; Kern & Zapf, 2021). Dies bestätigt die Annahme, dass eine Führung, die Klarheit schafft, die Arbeitsressourcen der Lehrpersonen stärkt und damit deren Gefühl von Kontrolle und Autonomie fördert (Hakanen et al., 2006). Dadurch wird die emotionale Erschöpfung der Lehrpersonen signifikant verringert. Die Befunde heben die doppelte Wirkung transformationaler Führung hervor: Einerseits die individuelle Förderung der Lehrpersonen, andererseits die aktive Gestaltung eines unterstützenden organisatorischen Umfelds. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, Schulungen für Schulleitungen stärker auf die Entwicklung transformationaler Führungsfähigkeiten auszurichten und deren Einfluss auf die Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen zu betonen. Bibliografie
Arnold, K. A. (2017). Transformational leadership and employee psychological well-being: A review and directions for future research. Journal of Occupational Health Psychology, 22(3), 381–393. https://doi.org/10.1037/ocp0000062 Bakker, A. B., Demerouti, E., & Sanz-Vergel, A. (2023). Job Demands-Resources theory: Ten years later. Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior. https://doi.org/10.1146/annurev-orgpsych-120920 Berkovich, I., & Eyal, O. (2017). The mediating role of principals’ transformational leadership behaviors in promoting teachers’ emotional wellness at work: A study in Israeli primary schools. Educational Management Administration and Leadership, 45(2), 316–335. https://doi.org/10.1177/1741143215617947 Deci, E. L., Olafsen, A. H., & Ryan, R. M. (2017). Self-Determination Theory in work organizations: The state of a science. Annu. Rev. Organ. Psychol. Organ. Behav, 4, 19–43. https://doi.org/10.1146/annurev-orgpsych Hakanen, J. J., Bakker, A. B., & Schaufeli, W. B. (2006). Burnout and work engagement among teachers. Journal of School Psychology, 43(6), 495–513. https://doi.org/10.1016/j.jsp.2005.11.001 Kern, M., & Zapf, D. (2021). Ready for change? A longitudinal examination of challenge stressors in the context of organizational change. Journal of Occupational Health Psychology, 26, 204–223. https://doi.org/10.1037/ocp0000214.supp Klaic, A., Burtscher, M. J., & Jonas, K. (2018). Person-supervisor fit, needs-supplies fit, and team fit as mediators of the relationship between dual-focused transformational leadership and well-being in scientific teams. European Journal of Work and Organizational Psychology, 27(5), 669–682. https://doi.org/10.1080/1359432X.2018.1502174 Klusmann, U., Aldrup, K., Roloff, J., Lüdtke, O., & Hamre, B. K. (2022). Does instructional quality mediate the link between teachers’ emotional exhaustion and student outcomes? A Large-scale study using teacher and student reports. Journal of Educational Psychology, 6(114), 1442–1460. https://doi.org/10.1037/edu0000703.supp Krause, A., & Böschenstein, S. (2014). Bericht S-Tool für Schulen. Maslach, C., Jackson, S. E., & Leiter, M. P. (1996). Maslach Burnout Inventory. In C. P. Zalaquett & R. J. Wood (Eds.), Evaluating stress: A book of resources (3rd ed.). Consulting Psychologists Press. Schoch, S., Keller, R., Maas, J., Rackow, P., Scholz, U., Schüler, J., & Wegner, M. (2023). Transformationale Führung und positive Emotionen bei Lehrpersonen – die Rolle der sozialen Unterstützung und der psychologischen Bedürfnisbefriedigung. In M. Keller-Schneider & A. Sandmeier (Eds.), Positive Beanspruchungsfolgen im Lehrer*innenberuf: Vol. 37 (2) (pp. 192–210). Verlag Empirische Pädagogik. Skaalvik, E. M., & Skaalvik, S. (2018). Job demands and job resources as predictors of teacher motivation and well-being. Social Psychology of Education, 21(5), 1251–1275. https://doi.org/10.1007/s11218-018-9464-8 Van den Broeck, A., Ferris, D. L., Chang, C.-H., & Rosen, C. C. (2016). A review of Self-Determination Theory’s basic psychological needs at work. Journal of Management, 42(5), 1195–1229. https://doi.org/10.1177/0149206316632058 Van den Broeck, A., Vansteenkiste, M., De Witte, H., Oenens, B., & Lens, W. (2010). Capturing autonomy, competence, and relatedness at work: Construction and initial validation of the Work-related Basic Need Satisfaction scale. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 83, 981–1002. https://doi.org/10.1348/096317909X481382 Viac, C., & Fraser, P. (2020). Teachers’ well-being: A framework for data collection and analysis. https://doi.org/10.1787/c36fc9d3-en |