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Sitzungsübersicht
Sitzung
SYMP 23: Relevanz der Lehrperson für das subjektive Wohlbefinden von Schüler:innen
Zeit:
Donnerstag, 03.07.2025:
14:15 - 16:00

Chair der Sitzung: Carmen Zurbriggen
Chair der Sitzung: Caroline Sahli Lozano
Ort: Hörsaal 8


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Präsentationen

Relevanz der Lehrperson für das subjektive Wohlbefinden von Schüler:innen

Chair(s): Carmen Zurbriggen (Universität Fribourg, Switzerland), Caroline Sahli Lozano (PH Bern)

In einer komplexen und krisenhaften Welt ist das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen generell sowie bei erschwerten Lern- und Entwicklungsbedingungen besonders gefährdet. Gleichzeitig werden entsprechende Unterstützungsmassnahmen in der Schule von ausschlaggebender Bedeutung (UNESCO, 2024). Das Wohlbefinden von Schüler:innen ist jedoch nicht nur eine wichtige Zielvorstellung einer inklusionsorientierten, diversitätssensiblen Bildung (Goldan et al., 2022; Wächter et al., 2024), sondern gilt zugleich als zentraler Faktor für positive Lernprozesse und Schulleistungen (Bücker et al., 2018; Wong et al., 2024). Trotz seiner grundlegenden Bedeutung für eine zeitgemässe Bildung gibt es innerhalb der Bildungsforschung keine einheitlich anerkannte Definition von subjektivem Wohlbefinden (Kanonire et al., 2020). Konsens herrscht dahingehend, dass es sich um ein breites, mehrdimensionales Konstrukt handelt, welches oft synonym mit Begriffen wie psychische Gesundheit und Zufriedenheit verwendet wird. Im schulischen Kontext zählen zu den zentralen Dimensionen subjektiven Wohlbefindens neben emotionalen Aspekten und dem schulischen Selbstkonzept auch soziale Aspekte (Hascher, 2010; 2012).

Eine bedeutende Rolle hinsichtlich Unterstützung des Wohlbefindens von Schüler:innen kommt den Lehrpersonen zu (Kiuru et al., 2020). So werden etwa einer positiven Lehrperson-Schüler:in-Beziehung (Saxer et al., 2024) und einem unterstützenden Verhalten der Lehrperson (Conesa et al., 2017) förderliche Funktionen zugesprochen. Insbesondere in den ersten Schuljahren ist eine vertrauensvolle, konfliktarme Beziehung mit der Lehrperson wichtig (Hamre & Pianta, 2001). Von kokonstruktiver Kooperation im Rahmen schulischer Inklusion werden ebenfalls positive Wirkungen auf das Wohlbefinden von Schüler:innen erwartet (Grosche et al., 2020). Das subjektive Wohlbefinden ist als innerer Zustand für Aussenstehende allerdings nur schwierig zu erschliessen (Eid, 2018). So zeigen denn auch Studien wiederholt Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen von Lehrpersonen und den Selbstberichten von Schüler:innen zu ihrem subjektiven Wohlbefinden (Urhahne & Zhu, 2015).

Übergeordnetes Ziel des Symposiums ist, die Relevanz der Lehrperson für das subjektive Wohlbefinden von Schüler:innen der Primarstufe im Kontext einer inklusionsorientierten, diversitätssensiblen Bildung zu beleuchten. Die drei Beiträge untersuchen den Themenkomplex aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven anhand quantitativer Forschungsmethoden.

Der erste Beitrag untersucht, wie genau Lehrpersonen das subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen der 3. Primarstufe einschätzen, und ob individuelle Merkmale sowie die Lehrperson-Schüler:in-Beziehung die (Un-)Genauigkeit zwischen Lehrperson- und Selbstberichten zu erklären vermögen. Die Sekundäranalyse mittels Correlated-Trait Correlated-Method Minus 1 Modell basiert auf einer Stichprobe von rund 1500 Schüler:innen und deren Klassenlehrpersonen. Die Ergebnisse verweisen auf eine geringe bis mässige Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzungen des subjektiven Wohlbefindens von Schüler:innen. Sowohl di individuellen Merkmale als auch die Lehrperson-Schüler:in-Beziehung haben einen Effekt auf die Spezifität bzw. Diskrepanz der Lehrpersonberichte zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen.

Der zweite Beitrag geht der Frage nach, inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem Erleben bedürfnisunterstützenden Lehrkraftverhaltens, der Befriedigung psychologischer Bedürfnisse und dem subjektiven Wohlbefinden der Schüler:innen besteht. Die Frage wird basierend auf einer Stichprobe von rund 580 Grundschüler:innen aus 37 Klassen und anhand von Mehrebenen-Mediations-Strukturgleichungsmodell untersucht. Die Ergebnisse verweisen unter anderem auf einen mediierten Effekt des Lehrkraftverhaltens, bei dem die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler den Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Lehrkraft und ihrem Wohlbefinden vermittelt.

Der dritte Beitrag befasst sich mit den Beziehungen zwischen der Einstellung von Klassenlehrperson (KLP) und schulischen Heilpädagog:innen (SHP) zu schulischer Inklusion sowie der Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen, der Kooperationszufriedenheit und der Kooperationsintensität und untersucht, inwiefern sich diese Merkmale auf die Veränderung der von den Schüler:innen wahrgenommene unterstützende Beziehung zur Lehrperson während eines Schuljahres auswirken. Die Stichprobe umfasst Teams aus KLP und SHP aus 76 inklusiven 2.-4. Primarschulklassen und über 990 Schüler:innen. Die Ergebnisse des Multilevel Latent Change Score Models verweisen darauf, dass sich die Kooperationsintensität eines Tandems sich auf uBL und somit auf das generelle schulische Wohlbefinden der Kinder auswirken kann.

Zum Abschluss des Symposiums werden die drei Beiträge von einer Diskutantin zusammengefasst und kritisch eingeordnet sowie mit dem Publikum diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Diskrepanzen zwischen Lehrperson- und Selbstberichten zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen: Individuelle Merkmale und Lehrperson-Schüler-Beziehung als erklärende Faktoren?

Carmen Zurbriggen1, Susanne Schwab2, Isabelle Kalkusch3, Alex Neuhauser3, Andrea Lanfranchi3, Peter Klaver3
1Universität Fribourg, 2Universität Wien, Österreich, 3HfH Zürich

Das subjektive Wohlbefinden aller Schüler:innen gilt als zentrales Ziel von schulischer Inklusion (Wächter et al., 2024). Gleichzeitig dient es als Anhaltspunkt für die Gestaltung adaptiven Unterrichts (Praetorius et al., 2015). Daher ist eine akkurate Einschätzung des schulbezogenen Wohlbefindens durch die Lehrperson eine wichtige Voraussetzung für einen inklusiven, adaptiven Unterricht. Die eher dünne Forschungslage zeigt jedoch, dass die Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzung zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen nur gering oder mässig ist (Urhahne & Wijnia, 2021). Faktoren, welche die Diskrepanz zwischen den Lehrpersonberichten und den Selbstberichten zu erklären vermögen, wurden bislang aber noch wenig untersucht (Karing et al., 2024). Bisherige Befunde deuten darauf hin, dass die Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzung zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen mit dem Geschlecht, sonderpädagogischem Förderbedarf und Schulleistungen zusammenhängt (Zurbriggen et al., 2023). Darüber hinaus prägt das Verhalten der Schüler:innen die Einschätzungen von Lehrpersonen (Kaiser et al., 2013). Es ist zudem davon auszugehen, dass eine positive Lehrperson-Schüler:in-Beziehung insbesondere in den ersten Jahren der Primarstufe eine bedeutende Rolle bei der Angleichung der Perspektiven von Lehrperson und Schüler:in hat (Marruci et al., 2018).

Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, die Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzung zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen zu Beginn der Primarstufe zu ermitteln und zu untersuchen, ob ausgewählte individuelle Merkmale und die Lehrperson-Schüler:in-Beziehung die Diskrepanzen (bzw. Spezifität) zwischen Lehrpersonberichten und Selbstberichten erklären können. Dabei werden das schulbezogene emotionale Wohlbefinden, die soziale Inklusion in der Klasse und das akademische Selbstkonzept als drei zentrale Aspekte des subjektiven Wohlbefindens im Kontext von Inklusion in den Blick genommen. Als erklärende Faktoren werden die Schüler:innenmerkmale Geschlecht, Intelligenz, Schulleistungen, Verhaltenskompetenzen sowie die Lehrperson-Schüler:in-Beziehungen berücksichtigt.

Zur Beantwortung der Fragestellungen werden Daten aus zwei Messzeitpunkten (T1: 1. Klasse; T2: 3. Klasse) der Schweizer Längsschnittstudie ZEPPELIN verwendet. Die Stichprobe umfasst 1582 Schüler:innen und ihre Klassenlehrpersonen (N = 125). Das subjektive Wohlbefinden von Schüler:innen wurde zu T2 mit der Schüler:inversion und der Lehrpersonversion des Perceptions of Inlcusion Questionnaire (PIQ; Venetz et al., 2015) erfasst. Der PIQ beinhaltet die drei Skalen emotionales Wohlbefinden, soziale Inklusion und akademisches Selbstkonzept mit jeweils vier Items mit einer 4-stufige Likert-Skala (S: ω = .76–.90; L: ω = .92–.96). Die Verhaltenskompetenzen und die Lehrperson-Schüler:in-Beziehung (Nähe und Konflikte) wurden sowohl zu T1 als auch zu T2 erfasst, während die weiteren individuellen Merkmale nur zu T1 erhoben worden sind. Für die nur zu T1 erfassten Merkmale wurde die Teilstichprobe der Schüler:innen (n = 997) mit derselben Klassenlehrperson zu T1 und T2 verwendet, um die Spezifität der Lehrpersonberichte vorherzusagen. Für die Analysen (mit Mplus) wurde ein Correlated-Trait Correlated-Method minus 1 (CT-C[M-1]) Modell mit erkläre nden Variablen verwendet. Um die Clusterung der Daten zu berücksichtigen, wurde das Complex-Design verwendet.

Das CT-C(M-1)-Modell weist einen guten Fit mit den Daten auf (χ2 WLSMV (228) = 611,92, p < 0,001; CFI=0,985, RMSEA=0,033, SRMR=0,046). Die Ergebnisse zeigen, dass die Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzungen zum subjektiven Wohlbefinden der Schüler:innen gering bis mässig ist. Das Geschlecht, die Intelligenz und die Schulleistungen stehen in einem signifikanten Zusammenhang mit der Spezifität der Lehrpersoneinschätzungen zum subjektiven Wohlbefinden von Schüler:innen zu T2. Die Verhaltenskompetenzen sowie die Lehrperson-Schüler:in-Beziehung zu T1 und T2 können die Spezifität in den Lehrpersonberichten zu T2 ebenfalls erklären, wobei die Effekte zu T2 stärker ausgeprägt sind als von Merkmalen erfasst zu T1. Nähe ist dabei positiv mit der Spezifität der Lehrpersoneinschätzung verknüpft, während Konflikte negative Effekte aufweisen.

Angesichts der relativ geringen Akkuratheit der Lehrpersoneinschätzungen des subjektiven Wohlbefindens von Schüler:innen ist der Einbezug der Selbstsicht als diagnostische Informationen für die inklusive, adaptive Unterrichtsgestaltung angezeigt. Die Unterstützung einer vertrauensvollen, konfliktarmen Lehrperson-Schüler:in-Beziehung könnte zu einer Annäherung der Lehrpersoneinschätzung und den Selbstberichten der Schüler:innen zum subjektive Wohlbefinden beitragen. Weitere Implikationen sowie Limitationen der Studie werden diskutiert.

Bibliografie

Kaiser, J., Retelsdorf J., Südkamp A., & Möller, J. (2013). Achievement and engagement: How student characteristics influence teacher judgments. Learning and Instruction, 28, 73-84. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2013.06.001

Karing, C., Rausch, T., & Artelt, C. (2024). Teacher judgement accuracy—measurements, causes and effects. In S. Weinert et al. (Eds.), Educational processes, decisions, and the development of competencies from early preschool age to adolescence: Findings from the BiKS Cohort Panel Studies (pp. 263-280). Springer.

Marucci, E., Oldenburg, B., & Barrera, D. (2018). Do teachers know their students? Examining teacher attunement in secondary schools. School Psychology International, 39(4), 416-432. https://doi.org/10.1177/0143034318786536

Praetorius, A.-K., Drexler, K., Rösch, L., Christophel, E., Heyne, N., Scheunpflug, A., Zeinz, H., & Dresel, M. (2015). Judging students’ self-concepts within 30s? Investigating judgement accuracy in a zero-acquaintance situation. Learning and Individual Differences, 37, 231–236. https://doi.org/10.1016/j.lindif.2014.11.015

Wächter, T., Gorges, J., Apresjan, S., & Lütje-Klose, B. (2024). How can inclusion succeed for all? Children's well-being in inclusive schools and the role of teachers' inclusion-related attitudes and self-efficacy. Teaching and Teacher Education, 139, 104411. https://doi.org/10.1016/j.tate.2023.104411

Urhahne, D., & Wijnia, L. (2021). A review on accuracy of teacher judgments. Educational Research Review, 32, 100374. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2020.100374

Venetz, M., Zurbriggen, C.L.A., Eckhart, M., Schwab, S., & Hessels, M.G.P. (2015). The Perceptions of Inclusion Questionnaire (PIQ). German Version. http://www.piqinfo.ch

Zurbriggen, C. L. A., Nusser, L., Krischler, M., & Schmitt, M. (2023). Teachers' judgment accuracy of students’ subjective well-being in school: In search of explanatory factors. Teaching and Teacher Education, 133, 1–13. https://doi.org/10.1016/j.tate.2023.104304

 

Zusammenhang des bedürfnisunterstützenden Lehrkraftverhaltens mit dem schulischen Wohlbefinden von Grundschülerinnen und -schülern

Karolina Urton1, Gesa Klemp1, Johanna Krull2, Jannis Bosch1, Ella Baer1, Jürgen Wilbert1
1Universität Münster, Deutschland, 2Universität zu Köln, Deutschland

Der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern kommt nicht erst seit der Corona-Pandemie eine hohe Bedeutung zu (Mokdad et al., 2016; Polanczyk et al., 2015; Reiß et al., 2023). Das schulische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen wird als grundlegende Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und schulische Leistungen generell und inbesondere hinsichtlich schulichser Inklusion angesehen (Goldan et al., 2022; Hascher et al., 2018; Wächter et al., 2024) und stellt ein eigenständiges Bildungsziel dar (OECD, 2018). Mit Blick auf dessen Entwicklung, ist es zentral zu betrachten, welche Faktoren einen positiven Einfluss auf das schulische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen haben können. Als bedeutsame werden sowohl personale und familiäre Merkmale (Hohm et al., 2017) als auch schulische Faktoren wie die Beziehung der Schülerinnen und Schüler zur Lehrkraft (Pastore & Luder, 2021), ein unterstützendes Verhalten der Lehrkraft (Conesa et al., 2022; Ryan & Deci, 2017) und positive Peer-Beziehungen (Schmidt et al., 2019) diskutiert.

Bisher gibt es wenige Forschungsarbeiten, die betrachten, welche Faktoren aus Sicht der Schülerinnen und Schüler als bedeutsam für das schulische Wohlbefinden angesehen werden können. Weiterhin stand bisher das Handeln der Lehrkräfte im Unterricht mit seiner Bedeutung für das schulische Wohlbefinden selten im Zentrum empirischer Forschung. Hier ergeben sich erste Hinweise hinsichtlich der Bedeutsamkeit des bedürfnisunterstützenden Verhaltens der Lehrerinnen und Lehrer für das schulische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen (Conesa et al., 2022). Das Konzept des bedürfnisunterstützenden Verhaltens basiert auf der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2017), welche besagt, dass Menschen ein Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit haben. Entsprechend dieser Annahme geht die Studie der Frage nach, inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem Erleben bedürfnisunterstützenden Lehrkraftverhaltens, der Befriedigung psychologischer Bedürfnisse und dem Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler besteht.

Es wurden Grundschülerinnen und -schüler (n = 575) aus 37 Klassen hinsichtlich a) ihrer Wahrnehmung des bedürfnisunterstützenden Lehrkraftverhaltens, b) des Ausmaßes der Erfüllung psychologischer Grundbedürfnisse und c) ihres schulischen Wohlbefindens befragt. Hierzu wurden Skalen zur Erfassung der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler konzipiert und weiterentwickelt (Cronbachs α = .66 - .85). Die Datenanalyse erfolgte mittels eines Mehrebenen-Mediations-Strukturmodell, das annimmt, dass sich das Lehrkraftverhalten, vermittelt über die Erfüllung der Bedürfnisse der Kinder, auf ihr schulisches Wohlbefinden auswirkt.

Die Ergebnisse zeigten, dass bedürfnisunterstützendes Lehrkraftverhalten in den Dimensionen Autonomie und soziale Eingebundenheit mit einer höheren Befriedigung psychologischer Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen einhergeht. Weiterhin besteht ein Zusammenhang zwischen der Bedürfnisbefriedigung und dem Wohlbefinden. Darüber hinaus wird die Annahme eines mediierten Effekts des Lehrkraftverhaltens unterstützt, bei dem die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler den Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Lehrkraft und ihrem Wohlbefinden vermittelt. Abschließend werden Ergebnisse diskutiert sowie Implikationen für die weitere Forschung sowie schulische Inklusion aufgezeigt.

Bibliografie

Conesa, P. J., Onandia-Hinchado, I., Duñabeitia, J. A., Moreno, M. Á. (2022). Basic psychological needs in the classroom: A literature review in elementary and middle school students. Learning and Motivation 79. https://doi.org/10.1016/j.lmot.2022.101819

Goldan, J., Nusser, L., & Gebel, M. (2022). School-related subjective well-being of children with and without special educational needs in inclusive classrooms. Child Indicators Research, 15, 1313–1337. https://doi.org/10.1016/j.lmot.2022.101819

Hascher, T., Morinaj, J., & Waber, J. (2018). Schulisches Wohlbefinden: Eine Einführung in Konzept und Forschungsstand. In K. Rathmann & K. Hurrelmann (Hrsg.), Leistung und Wohlbefinden in der Schule: Herausforderung Inklusion (S. 66-82). Beltz Juventa.

Hohm, E., Laucht, M., Zohsel, K., Schmidt, M. H., Esser, G., Brandeis, D., & Banaschewski, T. (2017). Resilienz und Ressourcen im Verlauf der Entwicklung: Von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Kindheit und Entwicklung, 26(4),230–239. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000236

Mokdad, A. H., Forouzanfar, M. H., Daoud, F., Mokdad, A. A., El Bcheraoui, C., Moradi-Lakeh, M. et al.(2016). Global burden of diseases, injuries, and risk factors for young people's health during 1990–2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. The Lancet, 387(10036), 2383-2401. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(16)00648-6

OECD. (2018). The future of education skills. education 2030. The future we want. OECD

Publishing. Retrieved from: https://www.oecd.org/en/about/projects/future-of-education-and-skills-2030.html

Pastore, G., & Luder, R. (2021). Teacher-Student-Relationship Quality in Inclusive Secondary Schools: Theory and Measurement of Emotional Aspects of Teaching. Frontiers in Education, 6, 643617. https://doi.org/10.3389/feduc.2021.643617

Polanczyk, G. V., Salum, G. A., Sugaya, L. S., Caye, A. & Rohde, L. A. (2015). Annual Research Review: A meta-analysis of the worldwide prevalence of mental disorders in children and adolescents. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 56, 345-365. https://doi.org/10.1111/jcpp.12381

Reiß, F., Napp, A.-K., Erhart, M., Devine, J., Dadaczynski, K., Kaman, A., & Ravens-Sieberer, U. (2023). Perspektive Prävention: Psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt, 66, 391-401

Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2017). Self-determination theory: Basic psychological needs in motivation, development, and wellness. Guilford.

Schmidt, A., Dirk, J., & Schmiedek, F. (2019). The importance of peer relatedness at school for affective well‐being in children: Between‐and within‐person associations. Social Development, 28(4), 873-892.

Wächter, T., Gorges, J., Apresjan, S., & Lütje-Klose, B. (2024). How can inclusion succeed for all? Children's well-being in inclusive schools and the role of teachers' inclusion-related attitudes and self-efficacy. Teaching and Teacher Education, 139, 104411. https://doi.org/10.1016/j.tate.2023.104411

 

Die Bedeutung der interdisziplinären Kooperation und der positiven Einstellung zur Inklusion der Lehrpersonen für das Wohlbefinden der Schüler:innen

Simon Luger1, Susanne Schnepel2, Maria Wehren-Müller1, Elisabeth Moser-Opitz1
1Universität Zürich, 2Universität Münster, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Für die erfolgreiche Umsetzung inklusiven Unterrichts, in dem sich möglichst alle Schüler:innen wohl fühlen, werden verschiedene Lehrpersonvariablen als wichtig erachtet. Dazu gehört u. a. die Einstellung zur Inklusion von Schüler:innen mit besonderem Bildungsbedarf. Auch wird angenommen, dass die Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen (Unterrichtung aller Schüler:innen im gleichen Raum) besser gelingt, wenn die Klassenlehrpersonen (KLP) und schulischen Heilpädagoginnen bzw. Heilpädagogen (SHP) zufrieden sind mit der Kooperation im Team (Gebhard et al., 2014). Zudem wird vermutet, dass die Intensität der Kooperation ausserhalb der Unterrichtszeit (Austausch, Arbeitsteilung, Kokonstruktion) wichtig ist (Grosche et al., 2020).

Studien zur Wirksamkeit entsprechender Lehrpersonvariablen untersuchen in der Regel Zusammenhänge mit der Leistung von Schüler:innen (z. B. Dubberke et al., 2008 ), kaum jedoch mit Aspekten des schulischen Wohlbefindens, wie etwa der subjektiven Beziehungsqualität zur Lehrperson. Der Beitrag untersucht im Kontext inklusiven Unterrichts die Wirkung verschiedener Lehrpersonvariablen auf die Veränderung der von den Schüler:innen wahrgenommenen unterstützenden Beziehung zur Lehrperson (uBL).

Fragestellung

Der Beitrag fokussiert den Zusammenhang zwischen der Einstellung von KLP und SHP zur Inklusion, der Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen, der Kooperationszufriedenheit und der Kooperationsintensität und inwiefern diese Variablen die Veränderung der uBL während eines Schuljahres beeinflussen:

Inwiefern mediieren die Kooperationszufriedenheit, die Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen und die Kooperationsintensität den Einfluss der Einstellung der Lehrpersonen zur Inklusion auf die Veränderung der von den Schüler:innen wahrgenommenen unterstützenden Beziehung zu den Lehrpersonen?

Angenommen wird, dass sich eine positive Einstellung sowie Kooperationszufriedenheit vorteilhaft auf die uBL auswirkt – und dass dieser Zusammenhang durch die Kooperationsintensität mediiert wird.

Methode

Die Stichprobe umfasst 76 inklusive Klassen (2. - 4. Jahrgang) mit Teams aus KLP und SHP und 992 Schüler:innen. Die uBL wurde lehrpersonspezifisch (KLP und SHP) zu zwei Messzeitpunkten in Anlehnung an Fauth et al., 2014 erhoben (4 Items, αKLP = .69, αSHP = .80). Die Einstellung zur Inklusion der Lehrpersonen wurde mit dem AIS-Fragebogen erhoben (Sharma & Jacobs, 2016, 8 Items, αKLP = .83, αSHP = .63). Die Erhebung der Kooperationszufriedenheit erfolgte mit dem FAT-Fragebogen zur Arbeit im Team (Gebhard et al., 2014, 10 Items, αKLP = .84, αSHP = .83). Die Messung der Kooperationsintensität erfolgte anhand eines Ratings von strukturierten Einzelinterviews mit KLP und SHP. Es wurde eingeschätzt, wie intensiv die gemeinsame Unterrichtsplanung und -reflexion erfolgt (1 = nur Informationsaustauch bis 3 = kokonstruktive Kooperation; Rater:innenübereinstimmung κ =.58).

Zur Analyse der Daten wurde ein «Multilevel Latent Change Score Model» berechnet. Level 1 beinhaltet die Kontrollvariablen Geschlecht, Alter und IQ. Level 2 beinhaltet Variablen im Zusammenhang mit der Einstellung zur Inklusion, der Kooperationszufriedenheit und der Kooperationsintensität. Die abhängige Variable ist auf beiden Ebenen der latente Change Score der uBL.

Ergebnisse und Bedeutung

Die Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen eines Lehrpersonentandems hängt deutlich stärker von der positiven Einstellung zur Inklusion der SHP (β = .38, p = 0.00) als von der Einstellung der KLP (β = .00, p = 0.98) ab. Die Häufigkeit gemeinsamer Lernsituationen hat einen positiven Einfluss auf die ausserunterrichtliche Kooperationsintensität (β = .23, p = 0.00). Die Kooperationsintensität wird positiv von der Kooperationszufriedenheit der KLP (β = .17, p = 0.01) und der SHP (β = .16, p = 0.03) beeinflusst. Die Kooperationsintensität eines Lehrpersonentandems wirkt sich positiv auf den Aufbau unterstützender Beziehungen zu SHP (β = .24, p = 0.01) aus, nicht jedoch zu KLP (β = .05, p = 0.47).

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine positive Einstellung zur Inklusion, die Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen und die Zufriedenheit mit der interdisziplinären Kooperation bedeutsam sind für ausserunterrichtliche Kooperationsintensität. Diese kann sich auf die von den Schüler:innen wahrgenommene unterstützende Beziehung zur Lehrperson und somit auf das generelle schulische Wohlbefinden der Kinder auswirken. In Bezug zu den SHP konnten deutlichere Wirkungen gemessen werden als bei den KLP. Im Beitrag werden mögliche Erklärungen dieses Ergebnisses diskutiert.

Bibliografie

Fauth, B., Decristan, J., Rieser, S., Klieme, E., & Büttner, G. (2014). Student ratings of teaching quality in primary school: Dimensions and prediction of student outcomes. Learning and Instruction, 29, 1–9. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2013.07.001

Gebhard, S., Happe, C., Paape, M., Riestenpatt, J., Vägler, A., Wollenweber, K. U., & Castello, A. (2014). Merkmale und Bewertung der Kooperation von Sonderpädagogen und Regelschullehrkräften in inklusiven Unterrichtssettings. Empirische Sonderpädagogik, 6(1), 17-32

Grosche, M., Fussangel, K., & Gräsel, C. (2020). Kokonstruktive Kooperation zwischen Lehrkräf-ten. Zeitschrift für Pädagogik, 66(4), 461–479. https://doi.org/10.25656/01:25803

Sharma, U., & Jacobs, D. K. (2016). Predicting in-service educators' intentions to teach in inclusive classrooms in India and Australia. Teaching and Teacher Education, 55, 13–23. https://doi.org/10.1016/j.tate.2015.12.004