Veranstaltungsprogramm

Sitzung
SYMP 09: Facetten einer vielfältigen Berufsbildung
Zeit:
Freitag, 04.07.2025:
13:30 - 15:30

Chair der Sitzung: Alexander Koch
Chair der Sitzung: Silke Fischer
Ort: Seminarraum 2.A15


Präsentationen

Facetten einer vielfältigen Berufsbildung

Chair(s): Alexander Koch (PH Luzern, Schweiz), Silke Fischer (PH Luzern, Schweiz)

In einer von Vielfalt und Wandel geprägten Arbeitswelt besteht in der schweizerischen Berufsbildung ein tragfähiges Gerüst bewährter und gesellschaftlich unterstützter bzw. weit verbreiteter Aus- und Weiterbildungselemente (Cattaneo & Wolter, 2018). Die berufliche Grundbildung, die Berufsmaturität, die höhere Berufsbildung und die berufsorientierte Weiterbildung können als Erfolgsmodelle angesehen werden. Dennoch bedarf es einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Systems insbesondere hinsichtlich transversaler Kompetenzen und lebenslangen Lernens, sowie alternativer Ausbildungsmodelle, um die Vielfalt und die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Lernenden einzufangen (Boldajipour et al., 2017; Miesera et al., 2022). Weiterhin kann über eine Annäherung von obligatorischer Schule und Berufsbildung bei Übergangsschwellen nachgedacht werden, die einen Blick auf den technologischen Fortschritt richtet.

Kreativität spielt eine zentrale Rolle, um die unterschiedlichen Lernbedürfnisse zu adressieren. Lehrpersonen müssen innovative Methoden entwickeln, um den Unterricht abwechslungsreich und inklusiv zu gestalten.

Alternative Ausbildungsangebote sind ein weiterer wichtiger Aspekt. In der Schweiz gibt es verschiedene Wege, um einen Berufsabschluss zu erlangen, wie z. B. die duale Ausbildung, schulische Vollzeitausbildungen oder berufsbegleitende Weiterbildungen. Diese Vielfalt an Ausbildungswegen ermöglicht es, auf die individuellen Lebenssituationen und Lernpräferenzen der Lernenden einzugehen.

Technikunterricht unterstützt eine Vorbildung für technische Berufsausbildungen, indem er sowohl technische Fähigkeiten als auch kreative Problemlösungen vermittelt, die für die Bewältigung vielfältiger beruflicher Herausforderungen unerlässlich sind.

In diesem Symposium möchten wir die vielfältigen Entwicklungen aufgreifen und aus drei Perspektiven beleuchten: Berufsbildungsangebote, Berufsbildungsdidaktik und Berufsbildungvoraussetzungen.

Berufsbildungsangebote in der beruflichen Grundbildung betreffen auch die Rahmenvoraussetzungen, um einen Beruf zu erlernen, in der Regel mit einem Ausbildungsvertrag und einem Lernendengehalt. Weniger bekannt sind hingegen kostenpflichtige Berufsausbildungen von privaten Anbietern, die mit niedrigen Eingangsvoraussetzungen und einer akademischen Profilierung Berufsbildung betreiben (Preite, 2023). Weitgehend unbeforscht sind Gründe weshalb Privatschulen eine schulgeldpflichtige Berufsbildung anbieten und wie diese Berufsbildung ausgestaltet ist. Luca Preite gibt hierzu einen Einblick aus seinem Habilitationsprojekt.

Ein weiterer Trend der Berufsbildungsdidaktik geht hin zu transversalen Kompetenzen oder sogenannten 21st Century Skills (ILO, 2021). Der Förderung von Kreativität wird dabei eine wesentliche Bedeutung beigemessen (Fischer et al., 2022) und Berufsbildungsanbieter versuchen diese zu fördern. Wie Kreativität in der beruflichen Bildung gefördert werden kann und wie sie in die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen einfliessen sollte, berichtet Antje Barabasch in ihrem Beitrag.

Die dritte Perspektive besteht im Blick auf fachliche Inhalte am Übergang aus der obligatorischen Schule in die Berufsbildung. In Ermangelung eines Schulfachs «Ingenieurwesen» ist die Einbindung eines Technikunterrichts abhängig von den Werthaltungen der (Physik-) Lehrperson (Bub & Rabe, 2023). Alexander Koch geht der Frage nach, welche Elemente ein Technikunterricht beinhalten sollte und berichtet Haltungen verschiedener Anspruchsgruppen zur Relevanz ingenieursorientierter Schulvorbildung und deren Inhalte.

 

Beiträge des Symposiums

 

Teaching creativity at an art and design school. Implications for VET teacher training.

Antje Barabasch, Anna Keller
EHB

Amabile (1987) entwickelte ein Modell für Kreativität, das drei Merkmale umfasst: domänenrelevantes Wissen, technische Fähigkeiten und intrinsische Aufgabenmotivation. Um ein originelles Werk zu schaffen, müsse der Einzelne über kreativitätsrelevante Fähigkeiten verfügen, etwa Urteilsvermögen, Selbstdisziplin, Beharrlichkeit und Nonkonformität. Obwohl der Eifer, fleißig zu arbeiten, ein wesentlicher Bestandteil eines hohen Maßes an Kreativität zu sein scheint (Golann 1963) und obwohl Kreativität auch als tiefes Engagement oder Eintauchen in eine jeweilige Aktivität beschreiben wird, betonen Wissenschaftler die Bedeutung intellektueller Verspieltheit und Freiheit von äußeren Zwängen (z. B. Einstein 1949). Darüber hinaus umfasst Kreativität als Kompetenz zahlreiche Fähigkeiten, wie den geschickten Umgang mit Ambiguität und Unsicherheit, die Fähigkeit zur Bildung von Vorstellungen und Assoziationen, Intuition, das Erkunden von Alternativen, die kritische Hinterfragung bestehender Strukturen und Gegebenheiten, die Bereitschaft zur Unkonventionalität im Herangehen an Aufgaben, die konstante Infragestellung des Status quo, die Fähigkeit zur Entwicklung von Zukunftsszenarien und die Suche nach neuen Perspektiven und die Anerkennung (Erpenbeck, Sauter & Werner, 2016). In der Berufsbildung ermöglicht die Kreativität, Arbeit zu schaffen, welche sowohl originell als auch anpassungsfähig in Bezug auf verschiedene Aufgaben und Situationen ist. Unsere Forschungsfragen lauten: Wie kann Kreativität in der beruflichen Bildung gefördert werden? Wie sollte diese in die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen einfliessen?

Es wurden 15 semistrukturierte Interviews mit Lehrpersonen und Lernenden an Berufsfachschulen für Gestaltungsberufe an zwei Standorten in der Deutsch-Schweiz durchgeführt. Dazu kamen sechs Unterrichtsbesuche und -beobachtungen für jeweils einen Tag. Mit Lernenden wurden darüber hinaus Fokusgruppeninterviews realisiert. Die transkribierten Daten wurden anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse mittels deduktiven Vorgehens mit Hilfe von MAXQDA kodiert und analysiert nach Kuckartz (2016).

Ausgehend von der Prämisse, dass Lehr- und Lernpraktiken sowie Arrangements an zwei Schulen für gestalterische Berufe, die sich explizit der Förderung von Kreativität verschrieben haben, Aufschluss über Techniken der Kreativitätsförderung geben können, kamen wir aufgrund der Datenerhebungen zu Schlussfolgerungen für die Ausbildung für Berufsfachschullehrpersonen. Die folgenden drei Erkenntnisse werden im Vortrag elaboriert: 1.) Lernräume und die Möglichkeit diese, sowohl einzeln als auch in Gruppen, selbstgesteuert gestalten zu können, trägt zu Lernmotivation und kreativem Arbeiten bei. Auch die Verinselung durch Abgrenzung fördert, sowohl das Gefühl des Abtauchens und sich Vertiefens als auch der absoluten Konzentration, auf die eigene Gestaltungskraft. 2.) Eine Feedback Kultur, die sich stark auf den Prozess des Entstehens und die daraus gewonnen Erkenntnisse, die Qualität der Arbeit und des Ergebnisses sowie auf den Diskurs über beides generiert, trägt zu einer positiven Einstellung gegenüber der eigenen Schaffenskraft und des eigenen Entwicklungspotentials bei. 3.) Der regelmässige Austausch zwischen Lehrpersonen über die Entwicklung der Lernenden und die Gestaltung einer kreativitätsfördernden Lernlandschaft, das Zeigen von Interesse an den Arbeiten der Lernenden sowie die Berücksichtigung eigener Entwicklungswünsche in den verschiedenen Fächern fördern die Motivation der Lernenden und befördern den Wunsch nach kreativem Arbeiten (selbst bei Lernenden, die vordergründig am Erlernen eines Handwerks interessiert sind).

In der Ausbildung von Berufsfachschullehrpersonen sollten diese Erkenntnisse im Sinne einer ko-konstruktiven Gestaltung der Lehre interaktiv getestet, weiterentwickelt und gemäss den Möglichkeiten der jeweiligen beruflichen Ausrichtung integriert werden. Die Förderung der Kreativität hängt unmittelbar mit der Erfahrung von kreativen Lehr- und Lernmethoden in der Lehrerausbildung (neben bisheriger eigener Schulerfahrungen) zusammen. Insofern ist eine Anleitung über kreativitätsfördernde Praxis an Berufsfachschulen implizit auch eine Anleitung für die entsprechende Gestaltung der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen.

Ausgehend von den Prämissen, dass jeder und jede kreativ sein kann und, dass sich Kreativität aktiv fördern lässt, zeigt die Praxis Entwicklungsmöglichkeiten für ein Neudenken des berufsschulischen Curriculums an beruflichen Schulen auf. Die Ergebnisse verdeutlichen wie das konstruktive Zusammenwirken der Lehrpersonen und deren kreatives Mindset, beispielsweise hinsichtlich einer Zusammenarbeit, des Zulassens von neuen Gestaltungsspielräumen bei Lernenden oder ihrer Experimentierfreudigkeit, zu neuen kreativitätsfördernden Lehr- und Lernformen beiträgt.

Bibliografie

Amabile, T. M. (1987). The motivation to be creative. In S. G. Isaksen (Ed.), Frontiers of creativity research: beyond the basics (pp. 223-254). Buffalo, NY: Bearly Ltd.

Einstein, A. (1949). Autobiographien. In P. Shilpp (Ed.), Alberto Einstein: philosopher-scientist. Evanston, IL: Library of Living Philosophers Inc.

Erpenbeck, J., & Sauter, W. (2021). Future learning und New Work: Das Praxisbuch für gezieltes Werte- und Kompetenzmanagement (1. Auflage). Haufe Lexware.

Golann, S. E. (1963). Psychological study of creativity. Psychological Bulletin, 60(6), 548-565.

Kuckartz, U. (2016). Qualitative Inhaltsanalyse — Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa.

 

Die schulgeldpflichtige und privatschulische organisierte berufliche Grundbildung und Berufsmaturität

Luca Preite1, Belinda Luisa von Freymann2
1PH FHNW, 2Universität Basel

In den letzten zehn Jahren verdoppelte sich die Quote an Lernenden in schulgeldpflichtigen und privatschulisch organisierten Berufsmaturitätsschulen und der informatischen beruflichen Grundbildung (Preite, 2023). Damit steigt die Privatschulquote in diesen Berufsbildungsbereichen wie in keinem anderen Bildungsbereich in der Schweiz und ist nunmehr mit Entwicklung bei privaten Gymnasien vergleichbar, bei denen Schweizweit betrachtet rund 10% aller Ausbildung gegen die Bezahlung von Schulgeld absolviert werden. Diese Thematik und Entwicklung der berufsbildenden Privatschulen ist bis anhin kaum Gegenstand der Berufsbildungs-, noch der Privatschul- oder Transitionsforschung (Häfeli et al. 2015; Nikolai, 2019). Zwar ist die Thematik dieser berufsbildenden Privatschulen ausserhalb der Schweiz bspw. in Deutschland erkannt und als Forschungslücke benannt (Büchter, 2021, S. 151; Feller, 2004; Weitz & Ludwig-Mayerhofer, 2024, S. 370). Ebenso finden sich auch in Neuseeland und Australien Studien, die den Prozess der Privatisierung und Ökonomisierung der Berufsbildung am Beispiel privater Angebote analysieren (Locke & Maton, 2019; Pasura, 2014) Allgemein betrachtet fehlen aber Studien, die sich sowohl auf Ebene der Schulen wie auch der Lernenden systematisch mit dieser Entwicklung einer kostenpflichtigen und privatschulisch organisierten Berufsbildung auseinandersetzen; insbesondere zumal die Schulen in der Schweiz kein neues Phänomen darstellen (vgl. Wettstein, 2020).

Vor dem Hintergrund dieser Forschungslücke fragt der Beitrag danach, wie und weshalb berufsbildende Privatschulen eine schulgeldpflichtige Berufsbildung im Bereich der beruflichen Grundbildung und Berufsmaturität anbieten. Hierzu rekurriert der Beitrag in empirischer Hinsicht auf qualitative Daten, die im Rahmen eines drittmittelfinanzierten Forschungsprojekt im Herbst und Winter 2023 in diesen Privatschulen erhoben wurden. Wenn der Schwerpunkt dieser Studie auf den Beweggründen und Ausbildungsmotiven von Lernenden lag, wurde in diesem Projekt im Zuge der Felderöffnung auch problemzentrierte Interviews (Witzel, 2000) mit Schul- und Abteilungsleitern von gesamthaft sechs Privatschulen geführt. Diese Interviews werden für den Beitrag in Anlehnung an die thematische Analyse nach Braun und Clark (Braun & Clarke, 2006) ausgewertet. Dabei geht es darum “patterns” bzw. Themen und Muster zu eruieren und zu analysieren hinsichtlich der einleitend genannten Fragestellung. In Erweiterung und Kontrastierung dieser narrativen Daten, nimmt der Beitrag auch öffentlich zugängliche Selbstdarstellungen dieser Privatschulen (z.B. Internetauftritte, Bildungswerbungen usw.) in den Blick und wertet diese institutionelle Dokumente als «naturally occuring data» (Silverman, 2009, S. 55) ebenso in Anlehnung an die thematische Analyse nach Braun und Clark aus. Ziel des Beitrags ist es, auf der Grundlage dieser abgesteckten empirischen Datenbasis, keinesfalls statistische, wohl aber analytische Generalisierbarkeiten (Yin, 2012, S. 18) hinsichtlich der Fragestellung abzuleiten.

Erste Ergebnisse deuten nicht nur auf Unterschiede zwischen den Berufs- und Bildungsbereichen hin, z.B. bezogen auf die Umsetzung des Bildungsangebots inklusive Durchführung der Abschlussprüfung (intern vs. extern) sowie Zulassung von Lernenden und der kantonalen Schulakkreditierung. Ebenso lassen sich Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Selbstpositionierung und Selbstdarstellung des Bildungsangebots als spezifische Bildungsnische in einem Ausbildungsmarkt auf der Sekundarstufe II erkennen. Hervorgehoben werden im Unterschied zu den öffentlichen Schulen und den betrieblichen Ausbildungen sowohl offene Zugänge (z.B. keine Aufnahmeprüfung und Mindestnotenschnitt verlangt; Zulassung auch für Lernende aus dem tiefsten Leistungszug der Sekundarstufe I für anspruchsvolle Berufslehre wie z.B. der informatischen Grundbildung möglich) und Wahlmöglichkeiten (Stichwort: Berufs- und Ausbildungsfreiheit). Auffallend sind dabei nicht zuletzt Praktiken der «Opakisierung» (Luhmann, 1996, S. 87), d.h. Unsichtbarmachung der effektiven Kosten bzw. des Tatbestands, dass diese Ausbildung nur gegen die Bezahlung von Schulgeld zu absolvieren ist; ein Schulgeld, welches rund drei- bis viermal geringer ausfällt als im Vergleich zu den Privatgymnasien und Eliteschulen der Sekundarstufe II. Vor dem Hintergrund dieser explorativen Fallanalyse diskutiert der Beitrag abschliessend die Rolle und Funktion dieser Privatschulen in einem Schweizerischen Berufsbildungssystem, das sich in seiner korporatistischen Ausrichtung (Stichwort: collective skill formation system) primär durch eine betriebliche und berufsbegleitende Ausbildung und keinesfalls durch kostenpflichtiges, privatschulisches Angebot auszeichnet.

Bibliografie

Braun, V., & Clarke, V. (2006). Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3(2), 77-101. doi:10.1191/1478088706qp063oa

Büchter, K. (2021). Vollzeitschulische Ausbildung - Historische (Dis-)Kontinuität ihrer Strukturmerkmale und Funktionen. In L. Bellmann, K. Büchter, I. Frank, E. M. Krekel, & G. Walden (Hrsg.), Schlüsselthemen der beruflichen Bildung in Deutschland: ein historischer Überblick zu wichtigen Debatten und zentralen Forschungsfeldern (S. 141-154). Leverkusen: Verlag Barbara Budrich.

Feller, G. (2004). Ausbildungen an Berufsfachschulen - Entwicklungen, Defizite und Chancen. BWP Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 33(4), 48-52.

Häfeli, K., Neuenschwander, M. P., & Schumann, S. (2015). Berufliche Passagen im Lebenslauf. Berufsbildungs- und Transitionsforschung in der Schweiz. Wiesbaden: Springer VS.

Locke, P., & Maton, K. (2019). Serving two masters: how vocational educators experience marketisation reforms. Journal of Vocational Education & Training, 71(1), 1-20. doi:10.1080/13636820.2018.1480521

Luhmann, N. (1996). Die Realität der Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Nikolai, R. (2019). Staatliche Subventionen für Privatschulen: Politiken der Privatschulfinanzierung in Australien und der Schweiz. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 41(3), 559-575.

Pasura, R. (2014). Neoliberal economic markets in vocational education and training: shifts in perceptions and practices in private vocational education and training in Melbourne, Australia. Globalisation, Societies and Education, 12(4), 564-582. doi:10.1080/14767724.2014.906300

Preite, L. (2023). Berufsbildung gegen Bezahlung. In R. J. Leemann & E. Makarova (Eds.), Das Paradox von sozialer Integration und Ausschluss im Schweizer Bildungswesen. Beiträge der Soziologie (Swiss Academies Reports 18,1) (S. 72-78).

Silverman, D. (2009). A very short, fairly interesting and reasonably cheap book about qualitative research. Los Angeles: Sage.

Weitz, J., & Ludwig-Mayerhofer, W. (2024). Duale und schulische Berufsausbildungen in Deutschland: Schritte zu einem umfassenden Verständnis von beruflicher Bildung. Berliner Journal für Soziologie, 34(3), 339-375. doi:10.1007/s11609-024-00531-6

Wettstein, E. (2020). Berufsbildung. Bern: hep verlag.

Witzel, A. (2000). The Problem-centered Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1). doi:10.17169/fqs-1.1.1132

Yin, R. K. (2012). Applications of case study research. Thousand Oaks: SAGE.

 

Überzeugungen zu Technik und deren Bildung aus beruflichen, fachlichen, pädagogischen und allgemeinen Perspektiven

Alexander Koch
PH Luzern

Hintergrund. Überzeugungen spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Schulunterricht (Ertmer et al., 2012; Baier et al., 2019). Zusammen mit subjektiven Theorien über die Nützlichkeit oder den Wert der eigenen Fachinhalte werden sie handlungsleitend für das Unterrichten (Blömeke et al., 2003; Koch, 2019). Viele Studien im Bildungskontext greifen auch Enthusiasmus und Selbstwirksamkeit als bedeutsame Variablen auf. So korrelieren beispielsweise Enthusiasmus und Selbstwirksamkeit zum eigenen Unterrichten mit der Überzeugung, dass jemand anderes in der Lage ist, fachspezifische Inhalte zu lernen. Dies wurde für Lehrpersonen in mehreren Bereichen wie Mathematik und Lesen nachgewiesen (Kunter et al., 2013; Strauß et al., 2019). Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass der Glaube an die Bedeutung eines Fachs oder eines Inhalts direkt mit der Begeisterung für den Bereich zusammenhängt und indirekt mit dem langfristigen Engagement in diesem Bereich (Buyukgoze, 2023).

Im Bereich ingenieurwissenschaftlich-technischen Lernens stehen Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen ebenfalls in positivem Zusammenhang mit Lernerfolg (Hutchison et al., 2006) und Martin et al. (2020) zeigen, dass das Selbstvertrauen in technische Themen eine starke Wirkung auf angehende Primarlehrpersonen bei der Gestaltung einer konstruktiven Lernumgebung hat.

Insgesamt sind die Überzeugungen in einem Inhaltsbereich mit der Begeisterung für das Thema verknüpft und korrelieren mit der Selbstwirksamkeit in diesem Bereich. Die Frage ist, wie diese Überzeugungen gegenüber ingenieurwissenschaftlich-technischen Inhalten aussehen und wie sie mit den Bildungserwartungen zusammenhängen.

In dieser Studie gehen wir der Frage nach, welche Überzeugungen in Bezug auf die Ingenieurwissenschaften/ Technik als Fachinhalt bestehen und wie diese Überzeugungen mit den Zielen der allgemeinen technischen Bildung zusammenhängen.

Methode. Per Fragebogen wurden 687 Personen in der Schweiz befragt (Fachpersonen Technik, Berufsfachschullehrpersonen in technikorientierten Berufen sowie Lernende, Lehrpersonen der Volksschule und Schüler:innen und Studierende in (nicht-)technischen Studiengängen). Angaben zu Zielen einer Technikbildung (9 Items) und zur Relevanz von Technik (6 Items) wurden analysiert.

Ergebnisse. Die Ziele einer Technikbildung können mittels Hauptkomponentenanalyse in Technikmündigkeit und Motivation zur Auseinandersetzung mit Technik separiert werden, die Bedeutung von Technik ist eindimensional.

Ingenieure glauben im Allgemeinen an die Relevanz und Positivität der Technik, während die Befragten in der Allgemeinbildung diese positive Einstellung nicht teilen. Was die Bildungsziele betrifft, so sind die Nicht-Ingenieure kaum der Meinung, dass es ein Bildungsziel sein sollte, Menschen zu motivieren, etwas über Technik zu lernen. Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass die technische Mündigkeit ein Bildungsziel sein sollte.

Betrachtet man die Daten aus der Perspektive der Überzeugungen, lassen sich clusteranalytisch drei Überzeugungstypen bilden: a)Technik ist immer gut, b)Technik ist gar nicht so sehr nützlich und c) eine allgemeine Durchschnittshaltung. Diese Überzeugungstypen korrelieren positiv mit den Bildungsansprüchen: Je höher die Überzeugung, desto notwendiger sind Aspekte einer Technikbildung in der Schule. Die Überzeugungstypen zeigen auch, dass eine sehr positive Überzeugung in allen Befragtengruppen vorkommt, eine kritische Haltung jedoch mehrheitlich bei Schüler:innen der obligatorischen Schule auftritt.

Diskussion. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass verschiedene Personengruppen die Potenziale des Ingenieurwesens auf unterschiedliche Weise interpretieren. Die Clusteranalyse ergab, dass verschiedene Denkweisen über Technik und ihren Wert in der Bildung von Personen unabhängig von ihrem Beruf oder ihrer Bildungsstufe geteilt werden. Dies zeigt auch, dass man Überzeugungen berücksichtigen muss, wenn man über Bildungsziele diskutiert und sie in der Schulpraxis umsetzt. In einem grösseren Rahmen bestätigen die Ergebnisse auch die Annahme, dass diejenigen, die bereits über Technik Bescheid wissen und/oder die in der Technik ausgebildet, sozialisiert und spezialisiert sind, ihren Hintergrund in Bildungszielen wiedergeben und die Bedeutung der Technik schätzen. Unvoreingenommene Schüler und Studenten scheinen kritischer zu sein.

Bibliografie

Literatur

Baier, F., et al. (2019). What makes a good teacher? The relative importance of mathematics teachers’ cognitive ability, personality, knowledge, beliefs, and motivation for instructional quality. British Journal of Educational Psychology, 89(4), 767–786. https://doi.org/10.1111/bjep.12256

Blömeke, S., Eichler, D., & Müller, C. (2003). Rekonstruktion kognitiver Strukturen von Lehrpersonen als Herausforderung für die empirische Unterrichtsforschung. Theoretische und methodologische Überlegungen zu Chancen und Grenzen von Videostudien. Unterrichtswissenschaft, 31(2), 103–121.

Buyukgoze, H. (2023). Linking beliefs in reading with lifelong learning tendencies among undergraduates: The mediating role of enthusiasm for reading. Psychology in the Schools, 60(10), 3995–4010. https://doi.org/10.1002/pits.22951

Ertmer, P. A., et al. (2012). Teacher beliefs and technology integration practices. Computers & Education, 59(2), 423–435.

Hutchison, M. A., Follman, D. K., Sumpter, M., & Bodner, G. M. (2006). Factors Influencing the Self-Efficacy Beliefs of First-Year Engineering Students. Journal of Engineering Education, 95(1), 39–47. https://doi.org/10.1002/j.2168-9830.2006.tb00876.x

Koch, A. F. (2019). Naturwissenschaftliches Lehren neu gestalten. Handlungswirksame Unterrichtsentwicklung in der obligatorischen Schule. Springer.

Kunter, M., Klusmann, U., Baumert, J., Richter, D., Voss, T., & Hachfeld, A. (2013). Professional Competence of Teachers: Effects on Instructional Quality and Student Development. Journal of Educational Psychology, 105(3), 805–820.

Martin, D. A., McMaster, N., & Carey, M. D. (2020). Course design features influencing preservice teachers’ self-efficacy beliefs in their ability to support students’ use of ICT. Journal of Digital Learning in Teacher Education, 36(4), 221–236. https://doi.org/10.1080/21532974.2020.1781000

Strauß, S., König, J., & Nold, G. (2019). Fachdidaktisches Wissen, Überzeugungen, Enthusiasmus und Selbstwirksamkeit: Prüfung der Struktur von Merkmalen professioneller Kompetenz von angehenden Englischlehrkräften [Pedagogical content knowledge, beliefs, enthusiasm, and self-efficacy: Investigating the multifaceted structure of the professional competence of future teachers of English as a foreign language]. Unterrichtswissenschaft, 47(2), 243–266. https://doi.org/10.1007/s42010-019-00039-6