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Sitzungsübersicht
Sitzung
Geschlechterstereotypkonformes und -diskonformes Verhalten im Bildungskontext
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
10:45 - 12:15

Chair der Sitzung: Anke Heyder
Chair der Sitzung: Ursula Kessels
Ort: LS01 - Raum 204

Kapazität 70 Personen

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Präsentationen

Geschlechterstereotypkonformes und -diskonformes Verhalten im Bildungskontext

Chair(s): A. Heyder (Ruhr-Universität Bochum, Deutschland), U. Kessels (Freie Universität Berlin)

Diskutant*in(nen): J. Retelsdorf (Universität Hamburg)

Stereotype beschreiben generalisierte Überzeugungen über Angehörige verschiedener sozialer Gruppen (Eagly & Chaiken, 1993). Hinsichtlich des Merkmals Geschlecht beinhalten sie u.a. die Annahmen, dass Mädchen und Frauen wärmer sind als Jungen und Männern (Cuddy, Fiske, & Glick, 2008), über geringere mathematische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten verfügen (Steffens & Jelenec, 2011) und sich in der Schule fachübergreifend mehr anstrengen (Heyder & Kessels, 2017).

Dieses Symposium vereint vier aktuelle Beiträge zu Geschlechterstereotypen im Bildungskontext. Sie adressieren die Fragen, (a) welche Faktoren dazu beitragen können, dass Personen sich eher konform oder eher diskonform zu den genannten Geschlechterstereotypen verhalten, und (b) welche Konsequenzen das entsprechende Verhalten für die Zuschreibung von anderen, positiven oder negativen, sowie geschlechtsstereotypisierten Eigenschaften hat. Dabei beziehen die Beiträge unterschiedliche methodische Zugänge, Lernende und Lehrende, sowie den schulischen und den universitären Kontext ein.

Der erste Beitrag fokussiert das Stereotyp der geringeren mathematischen Begabung von Frauen und untersucht mithilfe von inszenierten Mathematikunterrichtsvideos, wie gut Lehrkräfte Lehrerverhalten, welches das entsprechende Stereotyp verstärkt, erkennen und welche Rolle das eigene Geschlecht und eigene Geschlechterstereotype für diese Sensibilität spielen. Er zeigt, dass die Sensibilität bei gleichgeschlechtlichen Videomodellen am höchsten ist und negativ mit den selbstberichteten Geschlechterstereotypen der Lehrkräfte korreliert.

Der zweite Beitrag analysiert einen einjährigen Längsschnitt zur Vorhersage des Mathematikbezugs der Berufswünsche von Zehntklässler:innen. Er zeigt auf, dass der geringere intrinsische Wert, den Schülerinnen Mathematik zuschreiben, sowie die Interaktion mit ihrem niedriger ausgeprägten mathematischen Fähigkeitsselbstkonzept zur Erklärung des geringeren Mathematikbezug der Berufswünschen von Schülerinnen im Vergleich zu denen von Schülern beitragen.

Der dritte Beitrag prüft im Rahmen einer experimentellen Vignettenstudie, ob das Zeigen von weiblich konnotiertem (warmem, kommunalem) prosozialen Verhalten in der Schule dazu führt, dass Neuntklässler:innen die gute Noten von sich prosozial verhaltenden Gleichaltrigen stärker auf Anstrengung und weniger stark auf Begabung attribuieren. Die Ergebnisse stützen diese Annahme. Es wird diskutiert, inwiefern diese Zusammenhänge dazu beitragen, dass gerade bei Mädchen gute Leistungen häufiger als Resultat von bloßem Fleiß (und nicht von hoher Begabung) angesehen werden.

Der vierte Beitrag nimmt Promovierende in den Blick und untersucht am Beispiel der Fächer Erziehungswissenschaft und Physik, welche Konsequenzen eine geschlechterstereotypkonsistente bzw. -inkonsistente Fachwahl für die Zuschreibung von Kompetenz und Wärme hat. Während Frauen in Physik als weniger warm wahrgenommen wurden als in Erziehungswissenschaft, wurden Männer in Erziehungswissenschaft sowohl als wärmer als auch kompetenter beurteilt als ihre Kollegen in der Physik.

Diese vielfältigen Interaktionen von Zuschreibungen geschlechtstypisierter Eigenschaften, Fachinteressen und Attributionen werden abschließend von einem thematisch profilierten Diskutanten besprochen.

 

Beiträge des Symposiums

 

Sensibilität von Lehrkräften gegenüber Mathe-Geschlechterstereotyp-verstärkendem Unterrichtsverhalten: Ein Video-Experiment

A.-S. Dersch1, A. Heyder2, A. Eitel1
1Universität Gießen, 2Ruhr-Universität Bochum

Mathe-Geschlechterstereotype, dass Mädchen geringere mathematische Fähigkeiten als Jungen hätten, wirken sich nachteilig auf die Repräsentanz von Frauen in der Mathematik aus (z. B. Girelli, 2021). Lehrkräfte berichten heutzutage jedoch geringe explizite Mathe-Geschlechterstereotype (Dersch et al., 2022). Folgt daraus, dass Lehrkräfte sensibilisiert für Mathe-Geschlechterstereotype sind und diese in ihrem Berufsalltag erkennen? In früheren Studien wurden Unterrichtsvideos herangezogen, um die Sensibilität von Lehrkräften gegenüber diesen zu diagnostizieren (Kersting et al., 2012). Darauf aufbauend nutzen wir in dieser Studie inszenierte Mathematik-Unterrichtsvideos, um die Sensibilität teilnehmender Lehrkräfte für Unterrichtsverhalten, welches Mathe-Geschlechterstereotype verstärkt, zu erfassen.

Wir untersuchten (1) ab welcher Explizitheit des Stereotyp-verstärkenden Verhaltens Lehrkräfte dieses erkennen und kritisch einordnen (Sensibilität), (2) den Einfluss des Geschlechts der teilnehmenden Lehrkräfte und des Lehrkraftmodells sowie deren Interaktion darauf, (3) den Zusammenhang der Sensibilität mit expliziten Mathe-Geschlechterstereotypen.

Die teilnehmenden 280 Lehrkräfte (224 weiblich, 2 nicht-binär – weiblich sozialisiert; M Alter=37.05) wurden randomisiert einem männlichen (n=131) oder weiblichen (n=149) Lehrkraftmodell zugewiesen, von dem sie jeweils vier Unterrichtsvideos ansahen (0:11–2:10 Minuten). Die Videoskripte waren in beiden Bedingungen identisch. Die ersten beiden Videos zeigten implizites Mathe-Geschlechterstereotyp-verstärkendes Verhalten, etwa das Stellen einer Textaufgabe, die einen Mann anhand seines MINT-Berufs und eine Frau bei der Hausarbeit beschrieben. Die letzten beiden Videos zeigten explizites Mathe-Geschlechterstereotyp-verstärkendes Verhalten, etwa die Aussage des Lehrkraftmodells, dass es unfair sei, die Geschlechter in Mathe zu vergleichen. Alle Unterrichtsvideos enthielten anderes Lehrkraftverhalten als Distraktoren. Die Teilnehmenden beantworteten pro Video dieselbe offene Frage zu Lehrkraftverhalten und Lehrstrategien. Zwei unabhängige Rater kodierten anhand der Antworten die Sensibilität der Lehrkräfte gegenüber dem Stereotyp-verstärkenden Verhalten (-3 bis +4; Interrater-Reliabilität: r=.964, p<.001). Zudem erfassten wir die expliziten Mathe-Geschlechterstereotypen der Lehrkräfte (z. B. MGMQ; Dersch et al., 2022).

Die Lehrkräfte waren gegenüber implizitem Stereotyp-verstärkendem Verhalten kaum (M=0,03; SD=0,819) und gegenüber explizitem Stereotyp-verstärkendem Verhalten größtenteils sensibel (M=2,23; SD=1,32). Die Lehrkräfte waren gegenüber Stereotyp-verstärkendem Verhalten eher sensibel, wenn das Lehrkraftmodell männlich als weiblich war, F(1, 272)=23,06, p<.001. Männliche und weibliche Lehrkräfte unterschieden sich nicht, F(1,272)=0,31, p=.581. Es zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht der Lehrkraft und dem Geschlecht des Lehrkraftmodells, F(1,272)= 4.97, p=.027: Männer waren bei männlichen Lehrkraftmodellen sensibler, Frauen bei weiblichen. Lehrkräfte, die selbst weniger Mathe-Geschlechterstereotype berichteten, waren sensibler gegenüber Stereotyp-verstärkendem Verhalten (r=-.16, p=.007). Unsere Ergebnisse weisen auf die Notwendigkeit von Lehrkräftefortbildungen zur Sensibilisierung gegenüber Verhaltensweisen, die im Unterricht Mathe-Geschlechterstereotype verstärken, hin, um die Repräsentanz von Frauen in der Mathematik zu fördern.

 

Keine Freude an einem „Männerberuf“? Geschlechterunterschiede im Mathebezug von Berufswünschen werden durch den intrinsischen Wert, aber nicht das Fähigkeitsselbstkonzept vermittelt

A. K. Nishen, R. Steinmayr
Technische Universität Dortmund

Schon als Jugendliche tendieren Mädchen weniger zu Berufen, die einen stärkeren STEM-Bezug haben (Lauermann et al., 2015, 2017). Das Erwartungs-Wert-Modell (Eccles et al., 1983) erklärt diese Geschlechterunterschiede mit dem von Stereotypen beeinflussten subjektiven Wert und Erfolgserwartungen. Tatsächlich bestehen Geschlechterunterschiede in der Motivation (Heyder et al., 2021) auch bei gleichen Kompetenzen (Reilly et al., 2015). Deswegen haben wir erstmals getestet, inwiefern Geschlechterunterschiede im Mathematikbezug des Berufswunsches durch den intrinsischen Wert von Mathematik und das mathematische Fähigkeitsselbstkonzept unter Kontrolle von Matheniveau der elterlichen Berufstätigkeit, Intelligenz, Mathekompetenzen, Mathematiknote, Schulform und Zuwanderungsgeschichte vermittelt werden.

Der Datensatz umfasst N = 1092 Schüler*innen aus 57 Klassen (48.9% weiblich, 82% Erstsprache Deutsch), die zu zwei Zeitpunkten befragt wurden (9./10. Klasse). Zu beiden Zeitpunkten wurde das Fähigkeitsselbstkonzept und der intrinsische Wert in Mathematik erfasst. Zehntklässler*innen gaben ihren Berufswunsch an, der verschiedenen Berufsgruppen des O*NET zugeordnet wurde (https://www.onetonline.org). Durch die O*Net-Kodierung wird das dort hinterlegte Niveau an für einen Beruf benötigten Mathematikkompetenzen bestimmt. Mithilfe eines Strukturgleichungsmodells wurde getestet, ob der Effekt von Geschlecht auf das Mathematikniveau durch das Fähigkeitsselbstkonzept und den intrinsischen Wert zu t1 und t2 (latent modelliert) vermittelt wird. Auch der Effekt ihrer Interaktion auf das Mathematikniveau wurde getestet.

Der Modellfit war gut, χ²(284) = 653.56***, CFI = .977, RMSEA = .035. Berufswünsche von Mädchen wiesen ein geringeres Mathematikniveau auf (b = −3.94***, SE = 0.89). Mädchen zu t1 berichteten einen geringeren intrinsischen Wert (b = −0.22**, SE = 0.07) und ein geringeres Fähigkeitsselbstkonzept (b = −0.29***, SE = 0.05). Aufgrund der hohen Kollinearität der beiden Konstrukte wurden die Mediationsanalysen zunächst getrennt berechnet. Der indirekte Effekt von Geschlecht via den intrinsischen Wert zu t1 und t2 auf das Mathematikniveau war signifikant (b = −0.23*, SE = 0.10), der des Fähigkeitsselbstkonzepts nur marginal (b = −0.32+, SE = 0.19). Bei gleichzeitiger Berücksichtigung beider Konstrukte wurde der Mediationseffekt der intrinsischen Motivation nur marginal signifikant (b = −0.26+, SE = 0.15), während des Fähigkeitsselbstkonzept den Effekt nicht mehr mediierte (b = 0.10, SE = 0.28). Der Zusammenhang von intrinsischem Wert und Mathematikniveau wurde mit höherem Fähigkeitsselbstkonzept stärker (b = 1.06**, SE = 0.34).

Die Ergebnisse replizieren bestehende Forschung (Lauermann et al., 2015) und zeigen, dass der intrinsische Wert z.T. erklären kann, warum Schüler*innen zu geschlechtertypischen Berufen tendieren. Zusätzlich leisten unsere Analysen durch den Einschluss der Interaktion von intrinsischem Wert und Fähigkeitsselbstkonzept einen theoretischen Beitrag. Die signifikante Interaktion zeigte, dass Forschung zu Berufsplanung die Ausprägungen auf beiden Konstrukten gleichzeitig betrachten muss.

 

Nett, aber nicht so schlau? Attributionale Folgen von prosozialem Verhalten in der Schule

H. Streck, U. Kessels
Freie Universität Berlin

Mädchen schneiden in der Schule besser ab als Jungen (Voyer & Voyer, 2014): Ihre Leistungen werden aber eher auf Anstrengung und weniger auf Fähigkeiten attribuiert (Espinoza, Arêas da Luz Fontes & Arms-Chavez, 2014). Ein möglicher Faktor für diese Attributionen könnte das wahrgenommene Verhalten im Klassenzimmer und die Reaktionen von Lehrkräften auf diese Verhaltensweisen sein.

Vorliegende Forschung von Butler (1994) zeigt, dass Schüler/innen aus den spezifischen Reaktionen, die Lehrkräfte auf die falsche Antwort eines Mitschülers zeigen, auf die Ursache (fehlende Anstrengung, fehlende Fähigkeit) für die schlechte Leistung schließen. Kessels und Heyder (2020) zeigten ebenfalls für schlechte Schüler/innen, dass Verhalten, das bei Lehrkräften Tadeln hervorruft (Störverhalten), dazu führte, dass Peers deren schlechte Schulleistungen auf fehlende Anstrengung und weniger auf fehlende Begabung zurückführten. In der vorliegenden Studie betrachten wir spiegelbildlich mögliche Attributionen für gute Schulleistungen. Wir prüfen, ob prosoziale Verhaltensweisen (z.B. mit anderen teilen) dazu führen werden, dass a) erwartet wird, dass Lehrkräfte die betreffenden Schüler/innen loben und b) deren gute Leistungen von ihren Peers eher auf Anstrengung als auf Fähigkeit attribuiert werden. Basierend auf Weiner (2000; Weiner & Kukla, 1970) ist davon auszugehen, dass Lob in der Schule vor allem dann geäußert wird, wenn Lehrkräfte hinter guten Leistungen hohe Anstrengung vermuten. Dieses Lob führt gleichzeitig dazu, dass die gelobten Schüler/innen für weniger begabt gehalten werden (Binser & Försterling, 2004; Meyer, 1992). Entsprechend sollten gute Leistungen von (häufig) gelobten Schüler/innen von den Peers eher auf Anstrengung als auf hohe Fähigkeit attribuiert werden, selbst wenn das Lob nicht für Anstrengung, sondern für anderes wünschenswertes Verhalten (wie prosoziale Akte) erfolgt. Prosoziales Verhalten wird häufiger von Mädchen gezeigt (Gerbino et al., 2018) und mit Wärme (communion) und daher mit Femininität assoziiert (Eagly, 2009).

In Anlehnung an die Studie von Kessels und Heyder (2020) zu den attributionalen Folgen von Störverhalten bei schlechten Leistungen führten wir eine experimentelle Vignettenstudie mit N=324 Neuntklässler/innen durch. Wir prüften, ob gute Leistungen von prosozialen Targets wegen des erwarteten Lehrkraft-Lobes eher auf Anstrengung und weniger auf Fähigkeit attribuiert werden. Multilevel Modellierung zeigte erwartungskonform, dass die guten Noten prosozialer Targets stärker auf Anstrengung und weniger auf Begabung zurückgeführt wurden (im Vergleich zu guten Leistungen sich nicht prosozial verhaltender Targets). Dies war jedoch nicht durch das erwartete Lob durch Lehrkräfte mediiert. Weiter wurden prosozialen Targets sowohl mehr feminine, allerdings auch mehr maskuline Traits zugeschrieben.

Die Ergebnisse werden dahingehend diskutiert, inwiefern sozial erwünschtes Verhalten einerseits geschlechtsrollenkonform für Mädchen ist und andererseits zu geringeren Begabungsattributionen führen kann.

 

Warum leckt die Pipeline am stärksten in weiblich stereotypisierten Fächern? Zur Wahrnehmung von männlichen und weiblichen Promovierenden in der Erziehungswissenschaft vs. der Physik

A. Heyder1, O. Kortzak2
1Ruhr-Universität Bochum, 2Technische Universität Dortmund

Das Bild der „Leaky Pipeline“ beschreibt, wie mit jeder höheren Karrierestufe der Anteil von Frauen sinkt, auch in der Wissenschaft. Dabei fällt das Leck in Disziplinen mit einem hohen Frauenanteil unter den Studierenden wie der Erziehungswissenschaft größer aus als in männlich dominierten Fächern. Dieses Phänomen ist überraschend, da ein Minderheitenstatus, wie ihn beispielsweise Männer in der Erziehungswissenschaft erleben sollten, gemäß der Token-Hypothese (Kanter, 1978) als Nachteil gilt. Eine Pilotstudie mit 185 Proband:innen zeigte außerdem, dass die Überrepräsentation von Frauen im Fach Erziehungswissenschaft öffentlich bekannt ist und das Fach Erziehungswissenschaft an sich stärker mit Wärme als mit Kompetenz assoziiert wird und somit mehr dem weiblichen als dem männlichen Geschlechterstereotyp entspricht. Männer, die sich für das Fach Erziehungswissenschaft entscheiden, verhalten sich folglich diskonform zu dem entsprechenden Geschlechterstereotyp - und sind trotzdem in ihrer Karriere erfolgreicher.

In einer experimentellen Vignettenstudie mit 189 Erwachsenen (Alter M = 31 Jahre) und einem 2x2-faktoriellem-Between-Subjects-Design haben wir deshalb untersucht, wie weibliche vs. männliche Wissenschaftler:innen in den Fächern Erziehungswissenschaft vs. Physik (als gegensätzliche, männlich dominierte Domäne) wahrgenommen werden. Die Wissenschaftler:innen wurden als fortgeschrittene Promovierende beschrieben, da auf dieser Studie einer wissenschaftlichen Karriere der Frauenanteil erstmals sinkt. Als abhängige Variablen dienten verschiedene Indikatoren von Kompetenz (z.B. zugeschriebene kognitive Fähigkeiten, Instrumentalität) und Wärme (z.B. zugeschriebene sozial-kommunikative Kompetenzen, Expressivität, Sympathie). Während weibliche Promovierende in der Physik als kompetenter beurteilt wurden als weibliche Promovierende in der Erziehungswissenschaft (d > 0.40), wurde Ersteren entsprechend ihrer geschlechtsstereotypinkongruenten Fachwahl eine geringere Wärme zugeschrieben (d < -0.33) ‒übereinstimmend mit den Backlash-Effekten, die Managerinnen im Wirtschaftskontext riskieren zu erleben. Männliche Promovierende in der Erziehungswissenschaft wurden unerwarteter Weise jedoch sowohl als wärmer (d > 0.43) und als auch als kompetenter (d > 0.63) wahrgenommen als ihre männlichen Kollegen in der Physik. Diese Ergebnisse deuten am Beispiel der Erziehungswissenschaft darauf hin, dass Männer, die eine akademische Karriere in von Frauen dominierten Disziplinen verfolgen, möglicherweise im Sinne eines „glass escalator“ (Williams, 1992) eher Vorteile statt Nachteile erleben. Diese könnten zu dem Geschlechtergefälle in akademischen Karrieren insbesondere in stereotypisch weiblichen Disziplinen beitragen.



 
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