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Sitzungsübersicht
Sitzung
Stereotype und diagnostische Urteile
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
13:15 - 14:45

Chair der Sitzung: Florian Klapproth
Ort: LS01 - Raum 209a


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Präsentationen

Die Einschätzung der Rechen- und Leseleistung von Schülerinnen und Schülern: Differentielle Effekte von Geschlechtsstereotypen auf die Interpretation von Lernverlaufsdaten

F. Klapproth

Medical School Berlin, Deutschland

Abstract

Mit der vorliegenden experimentellen Studie wurde die Hypothese geprüft, dass im Rahmen von Lernverlaufsdiagnostik bei Jungen in einem Lesetest ein geringerer Lernfortschritt eingeschätzt wird als bei Mädchen, während der Lernfortschritt von Mädchen in einem Rechentest geringer eingeschätzt werden sollte als der von Jungen. N = 100 Lehramts­studierende erhielten jeweils 8 Vignetten in zufälliger Reihenfolge, welche die Leistung von Schüler*innen über 11 Wochen in Form einer Lernkurve abbildeten. Die Vpn schätzten auf einer Ratingskala ein, ob die Schüler*innen zusätzliche Förder­maßnahmen erhalten sollten. Die Ergebnisse bestätigten die Annahme. Der Geschlechtseffekt scheint auf geschlechts­spezifische Stereotype über die Fähigkeiten von Mädchen und Jungen zurückzugehen.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Lernverlaufsdiagnostik ist ein zunehmend populäres Instrument zur Erfassung von Lernfortschritten von Schüler*innen (Klauer, 2014). Allerdings fällt es Lehrkräften häufig schwer, den Lernverlauf zuverlässig zu beurteilen (Van den Bosch et al., 2017). Tatsächlich hängt die Interpretation von Lernverlaufsdaten von unterschiedlichen Faktoren ab, unter anderem von der Salienz des linearen Trends und vom Ausmaß der Variabilität der Daten (Klapproth, 2018). Wenig beforscht ist bislang, inwieweit Geschlechtsstereotype die Interpretation von Verlaufsdaten beeinflussen (vgl. Klapproth, 2022). Deren Effekt konnte bereits in anderen Kompetenzmaßen nachgewiesen werden, wobei Mädchen in der Regel im Lesen besser als Jungen beurteilt werden (McElvany et al., 2017).

Fragestellung

Mit der vorliegenden experimentellen Studie wurde unter anderem die Hypothese geprüft, dass bei gleichen Verlaufsdaten in einem Lesetest bei Jungen ein geringerer Lernfortschritt eingeschätzt wird als bei Mädchen, während der Lernfortschritt von Mädchen in einem Rechentest geringer eingeschätzt werden sollte als der von Jungen.

Methode

N = 100 Lehramtsstudierende (85.0 % weiblich; M(Alter) = 24.9 Jahre, SD = 2.0) erhielten jeweils 8 Vignetten in zufälliger Reihenfolge, welche die Leistung von Schülerinnen und Schülern über 11 Wochen in Form einer Lernkurve abbildeten. Die Vpn wurden zufällig und in gleicher Anzahl zwei Gruppen zugewiesen. Für die eine Hälfte der Vpn wurde die Anzahl korrekt gelesener Wörter (Lesebedingung), für die andere Hälfte die Anzahl korrekt gerechneter Aufgaben (Rechenbedingung) dargeboten. Die Vpn sollten auf einer 6-stufigen Ratingskala einschätzen, ob die Schüler*innen zusätzliche Fördermaßnahmen erhalten sollten. Intraindividuell variiert wurden das Schülergeschlecht, das Ausmaß der Datenvariabilität und die Steigung der Lernkurve.

Ergebnisse

Eine ANOVA mit Messwiederholung ergab einen signifikanten Haupteffekt der Steigung, F(1, 98) = 23.25, p < .001, η2 = .19, eine signifikante Bedingung x Datenvariabilität-Interaktion, F(1, 98) = 4.08, p = .046, η2 = .04, eine signifikante Bedingung x Schülergeschlecht-Interaktion, F(1, 98) = 186.59, p < .001, η2 = .66, und eine signifikante Schülergeschlecht x Datenvariabilität-Interaktion, F(1, 98) = 29.46, p < .001, η2 = .23. Alle anderen Effekte waren nicht signifikant. Das Geschlecht der Versuchspersonen hing darüber hinaus nicht mit der Beurteilung der Schüler*innen zusammen, alle |r| < .08, alle p > .48.

Diskussion

Die Ergebnisse weisen auf die Existenz eines differentiellen Geschlechtseffekts in der Lernverlaufsdiagnostik hin, da Jungen in der Lesebedingung schlechter beurteilt wurden als Mädchen, während Mädchen in der Rechenbedingung schlechter beurteilt wurden als Jungen. Dieser Effekt scheint auf geschlechtsspezifische Stereotype über die Fähigkeiten von Mädchen und Jungen zurückzugehen.

Implikation für Theorie und Praxis

Das Wissen von möglichen Geschlechtseffekten auf die Interpretation von Lernverlaufskurven sollte in Tutorials oder Trainingsprogrammen zur Lernverlaufsdiagnostik berücksichtigt werden.



Gleiche Leistung – schlechter bewertet! Wie können Leistungsbeurteilungen von Schüler:innen mit versus ohne Förderbedarf in Emotionaler und Sozialer Entwicklung verbessert werden?

M. Hoffmann1,2, S. Krämer1, F. Zimmermann1,2

1Institut für Pädagogisch-Psychologische Lehr- und Lernforschung, Christian-Albrecht-Universität zu Kiel; 2Institut für Inklusive Bildung, Christian-Albrecht-Universität zu Kiel

Abstract

Aktuelle Studien belegen, dass über die tatsächlichen Leistungen hinaus weitere Schülermerkmale in Leistungsbeurteilungen von Lehrkräften einbezogen werden. Beispielsweise werden Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Emotionaler und Sozialer Entwicklung (SPF ESE) schlechter beurteilt als Schüler:innen ohne SPF ESE – trotz gleicher Leistungen. Diese Studie untersucht die Wirksamkeit von zwei Interventionen zur Reduktion dieses Effekts. In der experimentellen Studie mit einem computersimulierten Klassenraum wurden N = 110 Versuchspersonen randomisiert einer von zwei Interventionsbedingungen oder einer Kontrollbedingung zugewiesen. In den Interventionsbedingungen wurde mithilfe eines Prompt- oder eines Refutation-Textes über den Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen aufgeklärt. Der negative Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen unter Kontrolle der tatsächlichen Leistungen wurde repliziert. Die Ergebnisse sprechen jedoch nicht dafür, dass die Interventionen diesen Effekt reduzieren.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Lehrkräfte haben durch die Beurteilung von Schülerleistungen einen weitreichenden Einfluss auf den Bildungsweg von Schüler:innen. Allerdings belegen empirische Studien systematische Verzerrungstendenzen in Leistungsbeurteilungen. Beispielsweise werden die fachlichen Leistungen von Schüler:innen mit SPF ESE schlechter beurteilt als von Schüler:innen ohne – trotz gleicher Leistungen (Krämer & Zimmermann, 2021). Mit dem Bestreben nach Bildungsgerechtigkeit stellt sich die Frage, inwiefern dem nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen entgegengewirkt werden kann. Im DiaCoM-Rahmenmodell für diagnostische Beurteilungen durch Lehrkräfte (Loibl, Leuders & Dörfler, 2020) kann das Schülermerkmal SPF ESE als Hinweisreiz für eine soziale Gruppenzugehörigkeit gesehen werden. Dieser kann mit stärkeren heuristischen statt analytischen Informationsverarbeitungsprozessen einhergehen, was sich auf diagnostische Urteile, wie Leistungsbeurteilungen, auswirken kann.

Ziel dieser Studie ist es, Interventionen, die günstig auf die Informationsverarbeitung des Hinweisreizes SPF ESE wirken sollten, auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen, den nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen zu reduzieren.

Methode

In einer experimentellen Studie unter Nutzung eines computersimulierten Klassenraums wurden Daten von N = 110 Lehramtsstudierenden erhoben. Dabei interagierten die Versuchspersonen mit virtuellen Schüler:innen in einer simulierten Mathematik-Unterrichtsstunde. Sie stellten den Schüler:innen Fragen, nahmen deren Antworten entgegen und beurteilten die experimentell manipulierte Leistung der Schüler:innen in Form von Schulnoten und der Einschätzung prozentual richtiger Antworten. Vor der Unterrichtsstunde erhielten Teilnehmende der Experimentalbedingungen eine von zwei Aufklärungsinterventionen: a) Prompt-Text, der über den nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen informiert, oder b) Refutation-Text, der zusätzlich die empirisch gestützte Fehlannahme aufgreift, dass Lehrkräfte in der Lage seien, Schülerleistungen objektiv zu beurteilen. Die Kontrollgruppe erhielt keine Aufklärung.

Ergebnisse

Multiple Regressionsanalysen stützen den nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Prozentuale Leistungsbeurteilungen (β = -.06, p = .006) und Schulnoten (β = -.06, p = .008). Eine Reduktion des Effekts durch die Interventionen konnte nicht gezeigt werden.

Diskussion

Die Studie repliziert bisherige Befunde zum nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Leitungsbeurteilungen. Darüber hinaus stellt sie einen ersten Versuch dar, diesem Effekt mithilfe von verschiedenen Aufklärungs-Interventionen entgegenzuwirken. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass reine Aufklärungsmaßnahmen dazu nicht ausreichend sind. Außerdem erscheint es notwendig, zunächst die Mechanismen zu erforschen, die dem Effekt zugrunde liegen. Basierend auf diesen Erkenntnissen sollten anschließend gezielte Maßnahmen zur Reduzierung des Effekts entwickelt werden.

Implikation für Theorie und Praxis

Zunächst sollte sich zukünftige Forschung auf Mechanismen und Interventionen in Bezug auf den nachteiligen Effekt des SPF ESE auf Leistungsbeurteilungen konzentrieren. Bis dahin gilt für die Schulpraxis die Empfehlung, dass standardisierte Tests in Lehrerurteile miteinbezogen werden sollten.



Die Macht der Widerlegung? Refutationstext als Werkzeug zur Reduzierung von Stereotypen gegenüber hochbegabten Schüler:innen

V. Clauss, S. Saß, F. Zimmermann

Institut für Pädagogisch-Psychologische Lehr- und Lernforschung (IPL), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Abstract

Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Wissen über Hochbegabung und stereotypen Vorstellungen von angehenden Lehrkräften über Hochbegabte als sozial inkompetent und ob sich letztere durch eine Minimal-Intervention spezifischer Wissensvermittlung reduzieren lassen. Trotz zahlreicher Studien, die gezeigt haben, dass Hochbegabte in Bezug auf soziale Kompetenzen ähnlich abschneiden wie Normalbegabte, hält sich unter Lehrkräften das Stereotyp, dass Hochbegabte sozial inkompetent seien. Teil dieser Studie waren zwei Stichproben von Lehramtsstudierenden: a) die erste wurde zu Stereotypen und Wissen befragt und b) Teilnehmende der zweiten wurden randomisiert einer Kontroll- oder Interventionsgruppe (Widerlegung des Stereotyps sozialer Inkompetenz per Refutationstext) zugewiesen. Mehr Wissen über Hochbegabung war mit einer geringeren Stereotypisierung von Hochbegabten verbunden. Der Refutationstext reduzierte die stereotype Wahrnehmung in der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Trotz akkumulierender Befunde über ein mindestens ähnliches Ausmaß sozialer Kompetenz von Hochbegabten und Normalbegabten (z.B. Shechtman & Silektor, 2012), hält sich unter Lehrpersonen ein Stereotyp von Hochbegabten entsprechend der Disharmonie-Hypothese (Baudson & Preckel, 2013). Zudem fehlt es vielen Lehrkräften an empirisch gestütztem Wissen über Hochbegabung (z.B., Heller, Reimann, & Senfter, 2005). Daran setzt diese Arbeit an, indem zunächst die Bedeutung evidenzbasierten Wissens über Hochbegabung für das Ausmaß der Stereotypisierung und schließlich die Wirksamkeit einer Wissensvermittlung per Refutationstext zur Reduzierung der Stereotypisierung untersucht wird.

Methode

An Teil 1 dieser Studie nahmen N = 189 Lehramtsstudierende (84% weiblich; MAlter = 23 Jahre, SD = 3,4) teil. Am zweiten, experimentellen Teil nahmen N = 191 Lehramtsstudierende (74% weiblich; MAlter = 23 Jahre, SD = 3,3) teil, die randomisiert einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugewiesen wurden.

Instrumente

Stereotype

Um Stereotype gegenüber hochbegabten Schüler:innen zu erfassen wurde eine Skala aus umformulierten Items zur Wahrnehmung sozialer Inkompetenz bei hochbegabten im Vergleich zu normalbegabten Schüler:innen (nach Heyder, Bergold & Steinmayr, 2018) genutzt. Im zweiten Teil der Arbeit wurde zusätzlich eine adaptiere Version der Skala Sozialverhalten (Petermann & Petermann, 2013) zur Beurteilung der Gruppe hochbegabter Schüler:innen genutzt.

Wissen über Hochbegabung

Gekürzte Form des Wissenstests über Hochbegabung von Heyder et al. (2018).

Refutationstext

In Anlehnung an Tippett (2010) wurde ein Refutationstext erstellt, der spezifisch a) die Fehlannahme mangelnder Sozialkompetenz bei hochbegabten Schüler:innen enthielt, b) den Widerlegungshinweis, c) die evidenzbasierte Erklärung.

Ergebnisse

Die Lehramtsstudierenden wussten wenig über Hochbegabung; im Mittel wurden 8 (SD = 3) von 22 Fragen richtig beantwortet. Weniger Wissen über Hochbegabung ging mit höherer Wahrnehmung sozialer Inkompetenz einher (β = -.31, p <.001).

Interventions- und Kontrollgruppe unterschieden sich signifikant in der Wahrnehmung sozialer Inkompetenz, t(189) = -4.43, p < .001, d = -.66) und des Sozialverhaltens, t(189) = 5.32, p < .001, d = .80) von hochbegabten Schüler:innen.

Die Ergebnisse sind robust bei Kontrolle von Kovariaten.

Diskussion

Je mehr Wissen über Hochbegabung vorlag, desto weniger wurden hochbegabte Schüler:innen gemäß der Disharmonie-Hypothese stereotypisiert, d.h. als sozial inkompetent angesehen. Ein Refutationstext reduzierte diese stereotype Wahrnehmung hochbegabter Schüler:innen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

Implikation für Theorie und Praxis

Da negative Stereotypisierung Hochbegabter mit mangelndem Wissen einherzugehen scheint und Einschränkungen in der Entwicklung hochbegabten Schüler:innen zufolge haben können, sollten angehende Lehrkräfte im Rahmen ihres Studiums stärker über Hochbegabung informiert werden. Die Wirksamkeit des Refutationstexts, die disharmonisch-stereotype Wahrnehmung von Hochbegabung zu reduzieren, sollte in Follow-Up Studien auf Nachhaltigkeit geprüft werden.



Der Stereotype Threat in der Intelligenzdiagnostik - Auswirkungen nach Geschlecht, Familiensprache und Aktivierung der Stereotype

J. Gherairi, E. Stumpf

Universität Rostock, Deutschland

Abstract

Leistungsminderungen als Folge der Aktivierung negativer Stereotype sind inzwischen bezüglich des Geschlechts mehrfach bestätigt (Stereotype Threat Theory). Erste Befunde zeigen zudem, dass bereits die Reihenfolge der Aufgabendarbietung solche Effekte evozieren können. Offen ist bislang noch, ob diese auch Ergebnisse der Intelligenzdiagnostik beeinflussen und ob Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache darin von einem negativen Stereotype Threat bezüglich ihrer schlechteren sprachlichen Leistungen betroffen sind. Mit dieser Studie wird untersucht, ob die Variation der Reihenfolge der Testteile (verbal, quantitativ) die Intelligenzleistungen von Mädchen und Jungen sowie von Kindern nichtdeutscher Muttersprache beeinflusst. Darüber hinaus wird überprüft, ob die Aktivierung des jeweiligen Stereotyps die Ergebnisse beeinflussen, indem die stereotypenbezogenen Daten (Familiensprache, Geschlecht) je zur Hälfte der Fälle vor und nach der Aufgabenbearbeitung erhoben werden.

Zusammenfassung

In einer zunehmend diversen Gesellschaft stellen sich auch für die schulpsychologische Praxis neue Herausforderungen. Bei rund fünf Millionen Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2022) gilt es, Verfahren der Leistungsdiagnostik aufmerksam zu prüfen, um allen Kindern möglichst gerecht zu werden.

Effekte der Leistungsminderung durch negative Stereotype werden in der sog. Stereotype-Threat-Theorie beschrieben und gelten in der Sozialpsychologie allgemein als gut belegt (Inzlicht & Schmader, 2012; Weber, Appel & Kronberger, 2015). Weniger bekannt sind jedoch Befunde, wonach schon die Reihenfolge der dargebotenen Aufgaben in einem Schulleistungstest einen Effekt auf die Ergebnisse einiger Schüler*innen haben kann, wenn sie mit einem negativen Leistungsstereotyp verknüpft sind. So zeigten Smeding et al. (2013), dass Mädchen, die zuvor sprachliche Aufgaben gestellt bekommen hatten, bei Matheaufgaben besser abschnitten als jene Mädchen, welche anfangs den Matheteil bearbeiteten. Ob dies auch bei einem Intelligenztest auftreten kann und inwieweit auch bei einer deutschen Stichprobe ähnliche Effekte zu finden sind, wurde bisher nicht überprüft.

Ebenfalls noch nicht untersucht wurde die Annahme, ob Kinder mit Migrationshintergrund von einem ähnlichen Reihenfolgeeffekt betroffen sind. Befunde, wonach schon bei Kindern aktivierte Stereotype bzgl. schlechterer Sprachkenntnisse zu einer Verschlechterung von nachfolgender Lernleistung führen (Sander et al., 2018), unterstützen diese Vermutung.

Bei einigen der in der schulpsychologischen Diagnostik gängigen Fähigkeitstests werden sprachliche Aufgaben laut Standardinstruktion zuerst bearbeitet. Nach den bisherigen Befunden aus der Stereotype-Threat-Theorie könnte dies vor allem bei Kindern nichtdeutscher Familiensprache einen negativen Effekt auf ihre gezeigte Leistung haben und eine systematische Unterschätzung der Fähigkeiten ebendieser Kinder bedeuten.

Im Rahmen dieser Studie wird daher überprüft, inwieweit Reihenfolgeeffekte in einem aktuellen Intelligenztest nach Geschlecht und bei Kindern nichtdeutscher Familiensprache zu finden sind.

Dazu wurde bei Kindern der 4. Klasse aus 3 Bundesländern eine Kurzform des aktualisierten KFT 4-12+R (Perleth, Stumpf & Heller, in Vorbereitung) durchgeführt, wobei die Reihenfolge der Bearbeitung von Verbalteil und quantitativen Testteil systematisch variiert wurde. Die Stichprobe wird so zusammengesetzt, dass ausreichend Kinder nichtdeutscher Familiensprache enthalten sind. Um zusätzlich den Einfluss der Salienz der stereotypisierten Gruppenzugehörigkeit zu prüfen, wurden zudem in jeweils der Hälfte der Fälle die soziodemografischen Angaben zu Geschlecht und Herkunft vor Testbeginn, in der anderen Hälfte nach der Testung abgefragt.

Es werden die Ergebnisse zu etwaigen Reihenfolgeeffekten auf Jungen und Mädchen sowie auf Kinder nichtdeutscher Familiensprache berichtet. Bislang liegen Daten von N = 170 Kindern vor, die Erhebungen werden in 2023 fortgesetzt. Die Ergebnisse bieten Anhaltspunkte für die Fairness der Testbedingungen in der Intelligenzdiagnostik.



 
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