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Sitzungsübersicht
Sitzung
Verhalten der Lehrkraft in Lehrer-Schüler-Interaktionen
Zeit:
Montag, 18.09.2023:
15:45 - 17:15

Chair der Sitzung: Mandy Klatt
Ort: OS75/S02 - Raum 166


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Präsentationen

Intervenieren statt ignorieren? Ein Expertisevergleich zur Generierung von Reaktionsalternativen bei Unterrichtsstörungen im Lehr-Lern-Setting

M. Klatt, J. Grünthaler, C. Lotz, G. Kachel, A. Deiglmayr

Universität Leipzig/ Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Deutschland

Abstract

Bei der Bewältigung von Unterrichtsstörungen bestehen Expertiseunterschiede bei Lehrpersonen. Erfahrene Lehrpersonen sollten sich daher im Vergleich zu Lehramtsstudierenden sicherer im Umgang mit Unterrichtsstörungen fühlen, sowie zahlreichere und effektivere Reaktionsalternativen generieren. Jeweils 26 Lehrpersonen und Lehramtsstudierende unterrichteten eine kurze Unterrichtslektion im Laborsetting vor einer Lerngruppe von drei Schauspielenden, die während der Lektion Unterrichtsstörungen simulierten. In einem anschließenden Interview wurden die Proband:innen nach weiteren Reaktionsalternativen zu ihrer tatsächlich gezeigten Reaktion befragt, sowie nach ihrer empfundenen Sicherheit im Umgang mit der Störung. Anzahl und Effektivität der generierten Reaktionsalternativen wurden mittels selbst entwickeltem Kodiersystem kodiert. Vorläufige Analysen zeigten, dass sich erfahrene Lehrpersonen im Vergleich zu den Lehramtsstudierenden sicherer fühlten, sowie zahlreichere und effektivere Reaktionsalternativen generierten. Anzahl und Effektivität der Reaktionsalternativen korrelierten positiv.

Zusammenfassung

Erfahrene und unerfahrene Lehrpersonen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, beim Auftreten einer Unterrichtsstörung adäquat zu reagieren (Feldon, 2007; Wolff et al., 2021). Sie müssen dabei Reaktionsalternativen generieren und bezüglich ihrer Effektivität abwägen (Dann & Haag, 2017). Bei typischen, geringfügigen Unterrichtsstörungen, wie z.B. Schwatzen oder Unaufmerksamkeit, gelten niederschwellige Reaktionen (z.B. Blickkontakt, Namensnennung) als besonders effektiv, da diese Interventionen den Unterrichtsfluss aufrechterhalten, ohne selbst zur Störung zu werden (Borich, 2011). Lehrerfahrung hat weiterhin Auswirkungen auf die subjektiv empfundene Sicherheit im Umgang mit Störungen (Barth, 2017). Inwieweit sich allerdings erfahrene Lehrpersonen von unerfahrenen in Bezug auf ihr Sicherheitsempfinden sowie im Generieren von Reaktionsalternativen empirisch nachweisbar unterscheiden, ist bislang unerforscht.

Diese Studie untersuchte daher Expertiseunterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen Lehrpersonen bezüglich ihrer empfundenen Sicherheit im Umgang mit Störungen und ihrer Fähigkeit, effektive Reaktionsalternativen zu einer geringfügigen Unterrichtsstörung zu generieren. Dabei erwarteten wir, dass sich erfahrene Lehrpersonen im Vergleich zu Lehramtsstudierenden (a) sicherer fühlen (Barth, 2017) und sowohl (b) zahlreichere (Santagata & Guarino, 2011) als auch (c) mehr effektive Reaktionsalternativen generieren (Gold & Holodynski, 2015). Außerdem erwarteten wir positive Zusammenhänge der drei Variablen.

In einem Laborsetting wurden die Proband:innen videografiert, während sie eine 15-minütige Lektion vor einer Lerngruppe von drei Schauspielenden unterrichteten und dabei auf geskriptete Unterrichtsstörungen reagierten. In einem anschließenden Interview wurden die Proband:innen u.a. nach weiteren Reaktionsalternativen zu ihrer tatsächlich erfolgten Reaktion auf eine spezifische Störung (Schwatzen) befragt, sowie dazu, wie sicher sie sich im Umgang mit dieser Störung fühlten (11-Punkt-Ratingskala). Anzahl und Effektivität der Reaktionsalternativen wurden mittels eines selbst entwickelten Kodiersystems analysiert. Im Kodiersystem galten nonverbale Reaktionsalternativen (z.B. Blickkontakt) und kurze verbale Interventionen (z.B. Namensnennung) als effektiv. Von geplanten jeweils 40 erfahrenen Lehrpersonen und Lehramtsstudierenden wurden bislang Daten von jeweils 26 erfasst. Auf der Konferenz werden die Ergebnisse der kompletten Stichprobe vorgestellt.

Die Beurteilerübereinstimmung zwischen zwei unabhängigen Kodierer:innen war gut bzw. sehr gut (κEffektivität = .69, κAnzahl = .95). Erfahrene Lehrpersonen fühlten sich im Vergleich zu Lehramtsstudierenden signifikant sicherer (d = 0.81). Zudem generierten sie zahlreichere (d = 0.81) und insbesondere mehr effektive Reaktionsalternativen (d = 0.70). Anzahl und Effektivität der generierten Reaktionsalternativen korrelierten signifikant (r = .64). Die übrigen Interkorrelationen waren jedoch gering und statistisch nicht signifikant (r ≤ .25).

Das Ergebnis, dass Lehrerfahrung zu einem sicheren Umgang sowie zu mehr und den Unterrichtsfluss aufrechterhaltenen Reaktionsalternativen führt, verdeutlicht die Notwendigkeit, bereits in der Lehramtsbildung vermehrt Trainings zu effektiven Klassenführungsstrategien einzubinden, um einen möglichst störungsarmen Unterricht zu erreichen.



Lehrerhumor auf dem Prüfstand: Ergebnisse einer experimentellen Studie im Geographieunterricht am Gymnasium

N. Glumann, S. Bieg

Pädagogische Hochschule Weingarten, Deutschland

Abstract

Eine experimentelle Studie untersucht die Wirkung verschiedener Formen von Lehrerhumor auf die Unterrichtswahrnehmung und auf das emotionale und motivationale Erleben von Lernenden am Gymnasium. Die Schüler:innen (N = 201) betrachteten nach randomisierter Zuweisung ein ca. 18-minütiges Unterrichtsvideo zum Thema „Plastik im Meer“ aus dem Fach Geographie. Die Videos unterschieden sich nur in der Humornutzung des Lehrers. Im Anschluss evaluierten die Schüler:innen den Lehrerhumor, Aspekte der Unterrichtsqualität und machten Angaben zu ihren Emotionen und ihrer Motivation. Ergebnisse einer multivariaten Varianzanalyse zeigen starke Effekte der experimentellen Manipulation. Das Unterrichtsvideo mit lerngegenstandsbezogenem Humor wurde interessanter, klarer und mit mehr aktiver Unterrichtszeit bewertet und die Lernenden berichteten mehr Freude sowie weniger negative Emotionen und waren motivierter als in den anderen Humorvideos und der Kontrollbedingung.

Zusammenfassung

Theorie

Die Basisdimensionen von Unterrichtsqualität zielen darauf ab, Barrieren zwischen Lernenden und dem Lernen zu beseitigen und das Verstehen zu fördern (Kunter et al., 2013). Dafür benötigt es eine Unterrichtsatmosphäre, die das Interesse am Lernstoff und die Motivation der Lernenden fördert und die zur Verfügung stehende Zeit optimal nutzt (Praetorius et al., 2018). Die Nutzung von Lehrerhumor im Unterricht gilt als vielversprechend, diese Lernprozesse bei Schüler:innen zu begünstigen (z.B. Banas et al., 2011). Jedoch ist es notwendig, zwischen verschiedenen Humorformen von Lehrkräften zu differenzieren z.B. Humor ohne Unterrichtsbezug, lerngegenstandsbezogener, selbstabwertender und aggressiver Humor (Bieg & Dresel, 2016). Insbesondere dem lerngegenstandsbezogenen Humor, welcher dafür genutzt wird einen Unterrichtsinhalt humorvoll zu vermitteln, wird viel Potential zugeschrieben (Wanzer et al., 2010). Bisherige experimentelle Studien zeigen, dass lerngegenstandsbezogener Humor den Wissenserwerb unterstützt (Bieg & Dresel, 2021; Kaplan & Pascoe, 1977), jedoch wurden nicht alle Humorformen und weitere relevante Lernprozesse berücksichtigt. Bislang fehlt es an Evidenz, ob und wie die einzelnen Humorformen auf Lernprozessmerkmale kausal wirken.

Fragestellung

Ziel dieser Studie ist, die Wirkung verschiedener Humorformen auf die Wahrnehmung von Unterrichtsqualität und auf emotionale und motivationale Lernprozesse experimentell zu untersuchen. Es wird überprüft, ob Schüler:innen, die einem Unterricht mit lerngegenstandsbezogenem Humor folgen, die Unterrichtsqualität (Klarheit, Interessantheit, aktive Unterrichtszeit) positiver wahrnehmen und mehr Freude und intrinsische Motivation, weniger Ärger und Langeweile empfinden als Schüler:innen, die einem Unterricht mit anderen Humorformen oder keinem Humor folgen. Wir untersuchen zudem, ob in der Bedingung mit aggressivem Humor die Lernenden vermehrt Angst berichten.

Methode

Insgesamt wurden 201 Schüler:innen (47% weiblich) im Alter von durchschnittlich 15.19 Jahren randomisiert einem von fünf ca. 18-minütigen Unterrichtsvideos zum Thema „Plastik im Meer“ zugewiesen, wobei in den Videos nur die Form des Lehrerhumors variiert wurde. Anschließend beantworteten sie einen Fragebogen zur wahrgenommenen Unterrichtsqualität, zum Lehrerhumor (HUMLAS; Bieg & Dresel, 2016), ihrem emotionalen Erleben (AEQ; Pekrun et al., 2005) und ihrer intrinsischen Motivation (Frey et al., 2009). Alle (Sub)Skalen zeigten eine befriedigende bis sehr gute interne Konsistenz (Cronbach‘s α = .72 bis α = .93).

Ergebnisse

Eine multivariate Varianzanalyse bestätigt die erfolgreiche Manipulation der Humornutzung (multivariates F(16, 608) = 66.13; p < .001). Weitere MANOVAs zeigen, dass im Video mit lerngegenstandsbezogenem Humor im Vergleich zu den anderen Versionen der Unterricht klarer, interessanter und mehr aktive Unterrichtszeit erlebt wird sowie mehr Freude und intrinsische Motivation, weniger Ärger und Langeweile berichtet werden. Im Video mit aggressivem Humor wird von den Schüler:innen häufiger Angst berichtet als in der Version mit lerngegenstandsbezogenem Humor.

Diskussion

Humor, der sich auf den Lerngegenstand bezieht, scheint ein wirksames Instrument für Lehrkräfte zu sein, um Aspekte der Unterrichtsqualität sowie die emotionalen und motivationalen Lernprozesse von Schüler:innen zu verbessern. Die Ergebnisse sollten Lehrkräfte ermutigen, lerngegenstandsbezogenen Humor in ihren Unterrichtsplanungen zu berücksichtigen. Zu überlegen wäre, ob der Einsatz von Humor im Unterricht erlernbar und somit trainierbar ist.



Welche Art von Lehrerhumor ist für die Wahrnehmung eines qualitätvollen Unterrichts und das emotionale Wohlbefinden von Schüler:innen von Bedeutung?

S. Bieg, N. Glumann

Pädagogische Hochschule Weingarten, Deutschland

Abstract

Auf Grundlage des Prozess-Mediations-Produkt Modells wurde in dieser Studie untersucht wie verschiedene Lehrerhumorformen (lerngegenstandsbezogen, ohne Unterrichtsbezug, selbstabwertend und aggressiv) mit der Wahrnehmung von Unterrichtsqualität (Unterrichtsklima, kognitive Aktivierung, Interessantheit) und dem emotionalen Erleben von Lernenden zusammenhängen. Teilgenommen haben 364 Schüler:innen (51% weiblich) aus 18 neunten Klassen im Fach Englisch am Gymnasium im Alter zwischen 13 und 17 (Mage 14.3). Es wurden Korrelationen und Mediationsmodelle in Mplus durchgeführt. Lerngegenstandsbezogener Humor korreliert positiv mit allen Unterrichtsmerkmalen, Humor ohne Unterrichtsbezug und aggressiver Humor korrelieren damit negativ. Die Ergebnisse von Pfadanalysen zeigen, dass die Beziehungen zwischen den Humorformen und den berichteten Schüleremotionen über die wahrgenommenen Unterrichtsmerkmale mediiert werden. Um das emotionale Wohlbefinden von Schüler:innen zu unterstützen, sollte sich der Lehrerhumor auf den Lerngegenstand beziehen.

Zusammenfassung

Theorie

Die theoriegeleitete Analyse potentieller Mediatoren von Lehrerhumor auf emotionale Lernprozesse ist mit Blick auf die empirische Unterrichtsforschung und auf praktische Implikationen zentral und kann Hinweise geben, welche Merkmale der Unterrichtsqualität als Mediatoren zwischen dem Lehrerhumor und den emotionalen Lernprozessen wirken. Eine geeignete Erklärung bietet das Prozess-Mediations-Produkt Modell (Helmke, 2003), wonach die Lehrerhumorform als konkretes Unterrichtshandeln den Prozess darstellt, der die Qualitätskriterien des Unterrichts unterstützt (Mediation) und als Produkt positive Lernprozesse der Schüler*innen hervorbringt. Bisherige Mediatoranalysen zeigen, dass die Effekte der Lehrerhumorformen auf emotionale, motivationale und kognitive Lernprozesse über die Interessantheit, Klarheit und die Lehrer-Schüler-Beziehung mediiert werden (Bieg & Dresel, 2018). Theoretisch ist anzunehmen, dass lerngegenstandsbezogener Humor mit einem guten Unterrichtsklima einhergeht und durch die Inkongruenz der Inhalte von Schüler*innen als kognitiv aktivierend und interessant wahrgenommen wird und so positive Emotionen fördert und negative mindert (Wanzer et al., 2010). Erste Erkenntnisse zum lerngegenstandsbezogenen und selbstabwertenden Humor im Schulunterricht (Bieg & Dresel, 2018) weisen in diese Richtung.

Fragestellung

Wir vermuten, dass das emotionale Erleben der Lernenden durch die Nutzung von lerngegenstandsbezogenem Humor, Humor ohne Unterrichtsbezug und selbstabwertendem Humor positiv unterstützt wird, da diese Humorformen sozial verträglich und erheiternd sind (Martin et al., 2003), der Unterricht dadurch weniger formal erlebt wird (Neuliep, 1991) und eine Lernatmosphäre begünstigt, in der sich die Lernenden wohl fühlen. Wir nehmen zudem an, dass die Effekte dieser Humorformen auf das emotionale Erleben von Schüler:innen über das Unterrichtsklima, die kognitive Aktivierung und die Interessantheit des Unterrichts mediiert werden.

Methode

Die Daten wurden im Rahmen einer Längsschnittstudie am Gymnasium in neunten Klassen im Fach Englisch mit einem online-Fragebogen erhoben. Zum ersten Messzeitpunkt nahmen 364 Schüler:innen (51% weiblich) aus 18 Klassen im Alter von durchschnittlich 14.3 Jahren teil, 94% wurden in Deutschland geboren. Berechnet wurden bivariate Korrelationen zwischen den wahrgenommenen Lehrerhumorformen (HUMLAS, Bieg & Dresel, 2016), den Schüleremotionen Freude, Ärger und Langeweile (Pekrun et al., 2005) sowie dem schülerperzipierten Unterrichtsklima (Helmke, 2017), der kognitiven Aktivierung (Baumert et al., 1997) und Interessantheit (Ditton, 2001). Latente Pfadanalysen in Mplus mit Modellierung von indirekten Effekten prüften Mediatoreffekte.

Ergebnisse

Lerngegenstandsbezogener sowie selbstabwertender Humor korrelieren positiv (negativ) mit den Unterrichtsmerkmalen und mit Freude (Ärger und Langeweile) während Humor ohne Unterrichtsbezug und aggressiver Humor die entgegengesetzten Zusammenhänge zeigen. Latente Pfadanalysen bestätigen, dass die Zusammenhänge zwischen lerngegenstandbezogenem Humor und erlebten Schüleremotionen über die Unterrichtsmerkmale mediiert werden. Die Fit Indizes der Modelle sind zufriedenstellend (alle mindestens CFI >.91, SRMR <.06, RMSEA <.06).

Diskussion

Vor allem Lehrerhumor, der sich auf den Unterrichtsinhalt bezieht, scheint dafür geeignet zu sein, die wahrgenommene Unterrichtsqualität und das emotionale Wohlbefinden von Lernenden positiv zu unterstützen. Die bisherige Befundlage wird auf die Unterrichtsmerkmale kognitive Aktivierung und Unterrichtsklima ausgedehnt. Jedoch sind die Ergebnisse aufgrund der querschnittlichen Untersuchung derzeit in ihrer Aussage limitiert.

Implikationen

Lehrpersonen sollten bei ihrer Unterrichtsplanung auch eine humorvolle Vermittlung von Inhalten in Betracht ziehen.



 
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