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Sitzungsübersicht
Sitzung
Kollaboratives Lernen
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
13:15 - 14:45

Chair der Sitzung: Laura Spang
Ort: LS01 - Raum 106a


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Präsentationen

Ein Herz und eine Seele? Die Bedeutung einer homogenen Problemwahrnehmung in Lerngruppen für Regulationserfolg

L. Spang, M. Greisel, I. Kollar

Universität Augsburg, Deutschland

Abstract

Kollaboratives Lernen ist eine vielversprechendes Lernformat, bei dem Lernende jedoch mit verschiedensten Problemen konfrontiert werden können. Da Gruppenmitgliedern mit einer einheitlichen Sicht auf auftretende Probleme die Koordination von Regulationsbemühungen voraussichtlich leichter fällt, nehmen wir an, dass eine homogene Problemwahrnehmung und die akkurate Einschätzung darüber, ob in der Gruppe heterogene Problemwahrnehmungen vorliegen, Regulationserfolg vorhersagen. Hierzu arbeiteten N=310 Studierende in Kleingruppen und beurteilten anschließend das Auftreten von 33 Regulationsproblemen, die Homogenität der Problemwahrnehmung in ihrer Gruppe und den Regulationserfolg der Gruppe und beantworteten einen Wissenstest. Mehrebenenanalysen wiesen darauf hin, dass eine homogene Problemwahrnehmung, nicht jedoch die akkurate Einschätzung der Problemwahrnehmungen in der Gruppe, Regulationserfolg vorhersagt. Interventionen könnten daher sicherstellen, dass Lernende Probleme gleichermaßen wahrnehmen, z.B. durch stärkeres Kommunizieren und Diskutieren derselben.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Kollaboratives Lernen ist eine herausfordernde Lernmethode (Weinberger et al., 2012), bei der die Gruppenmitglieder auftretende Probleme (z.B. Verständnis- oder Motivationsprobleme) kontinuierlich regulieren müssen (Järvenoja et al., 2013). Ausgangspunkt eines Problemregulationsprozess ist die Problemidentifikation. Wenn verschiedene Gruppenmitglieder ein Problem unterschiedlich diagnostizieren, könnte dies die Koordination erschweren, während eine homogene Problemwahrnehmung möglicherweise eine Abstimmung der Regulationsbemühungen erleichtert und sich somit vermutlich günstiger auf unterschiedliche Indikatoren des Regulationserfolgs (z.B. Zufriedenheit, Wissenserwerb) auswirkt. Dementsprechend erscheint es gerade bei Gruppen mit einer heterogenen Problemwahrnehmung wichtig, dass die Gruppenmitglieder sich ihrer unterschiedlichen Problemwahrnehmungen bewusst werden, um diese zu homogenisieren (Borge et al., 2018).

Fragestellung

Empirische Befunde signalisieren einen Zusammenhang von homogener Problemwahrnehmung mit Zufriedenheit (Autoren, 2020). Ungeklärt ist jedoch (1) der Effekt einer homogenen Problemwahrnehmung auf weitere Regulationskomponenten (z.B. Regulationserfolg, Wissenserwerb) und (2) wie das Bewusstsein darüber, dass innerhalb der Gruppe eine heterogene Problemwahrnehmung vorliegt, Regulationserfolg beeinflusst.

Methode

Zur Untersuchung dieser Fragen beschäftigten sich N=310 Erstsemesterstudierende aus dem Lehramt in einem problembasierten Lernszenario für 50 Minuten in Kleingruppen mit entwicklungspsychologischen Inhalten.

Im Anschluss beurteilten sie das Auftreten von 33 Problemen (3 Items/Problem; z. B. Unfaire Arbeitsverteilung: „Einzelne/mehrere Gruppenmitglieder waren mit der Aufteilung der Arbeit unzufrieden.“ α=.78 im Durchschnitt). Zur Messung der Homogenität der individuellen Problemwahrnehmung wurde bei jedem Problem für jedes Gruppenmitglied separat berechnet, wie stark dessen Problemeinschätzung von der durchschnittlichen Problemeinschätzung der restlichen Gruppenmitglieder abwich.

Zur Bestimmung der Akkuratheit der Einschätzung von Problemwahrnehmungen in der Gruppe beurteilten die Lernenden die Homogenität der Problemwahrnehmung innerhalb ihrer Gruppe (5 Items; z.B. „Ich glaube, dass meine Problemsicht sich von der Problemsicht der anderen unterscheidet“; α=.70, Menold, 2006). Anschließend subtrahierten wir diese Homogenitätswahrnehmung von der oben beschriebenen Homogenität der individuellen Problemwahrnehmung (beides vorher z-standardisiert), um ein Maß für die Akkuratheit der Homogenitätswahrnehmung zu erhalten.

Regulationserfolg wurde durch den wahrgenommenen Erfolg bei der Lösung von Regulationsproblemen (4 Items, α=.93), die Zufriedenheit mit dem Gruppenlernprozessen (5 Items, α=.92), den selbst eingeschätzten Wissenserwerb (9 Items, α=.94) sowie den objektiven Wissenserwerb (36 Richtig-falsch-Items) erfasst.

In zwei Pfadmodellen wurde analysiert, ob (1) die Homogenität der individuellen Problemwahrnehmung und (2) die Akkuratheit der Einschätzung von Problemwahrnehmungen in der Gruppe die unterschiedlichen Indikatoren von Regulationserfolg vorhersagt. Für das zweite Pfadmodell wurden nur Proband:innen mit einer geringen Homogenität der individuellen Problemwahrnehmung betrachtet (Mediansplit).

Ergebnisse

Die Homogenität der individuellen Problemwahrnehmung sagte die Zufriedenheit, ß=.55, p<.001, erfolgreiche Problemlösung, ß=.48, p<.001, und subjektiven Wissenserwerb, ß=.31 p<.001, signifikant vorher, jedoch nicht den objektiven Wissenserwerb, ß=.04, p>.05. Die Akkuratheit der Einschätzung von Problemwahrnehmungen in der Gruppe war kein signifikanter Prädiktor für Regulationserfolg, alle p’s>.05).

Diskussion und Implikationen

Da eine homogene Problemwahrnehmung mit subjektiven Regulationserfolgs zusammenhing, sollte sie gefördert werden, um die Motivation für die Fortsetzung des Gruppenlernens nicht zu gefährden. Kommunizieren Studierende ihre Probleme, erhöht das mutmaßlich die Akkuratheit der Problemwahrnehmung in der Gruppe. Aber da die Akkuratheit allein nicht mit Regulationserfolg zusammenhing, scheint es notwendig, mit Interventionen auch die Homogenisierung dieser Problemsichten zu unterstützen.



Erfassung des kollaborativen diagnostischen Problemlöseprozesses unter Auszubildenden zum*r Kfz-Mechatroniker*in

D. Rexhäuser1, A. Radkowitsch2, C. Richters3, I. Glogger-Frey4, S. Abele1

1Technische Universität Dresden, Deutschland; 2IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel; 3Ludwig-Maximilians-Universität München; 4Universität Erfurt

Abstract

Kollaboratives diagnostisches Problemlösen erfordert diagnostische und kollaborative Aktivitäten (Radkowitsch et al., 2020). Unklar ist, (1) inwiefern diese untereinander und (2) mit der Genauigkeit der Diagnose (Diagnoseakkuratheit) zusammenhängen. 64 Dyaden auszubildender Kfz-Mechatroniker*innen lösten simulationsbasiert Kfz-Problemlösefälle, währenddessen sie in unterschiedlichen Rollen über einen Text-Chat kommunizierten. Chatinhalte wurden aufgezeichnet und theoriebasiert codiert. Die Codierung erzielte gute Interrater-Reliabilitäten (κ=.77-.89). (1) Theoretisch angenommene Aktivitäten konnten bestätigt werden. Zwischen den verschiedenen diagnostischen Aktivitäten fokussierten die Teilnehmende unterschiedliche kollaborative Aktivitäten. (2) Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Aktivitätshäufigkeiten und Diagnoseakkuratheit. Signifikant positive Zusammenhänge zwischen der Diagnoseakkuratheit und dem Austausch besonders relevanter Evidenzen (ρ=.355; p=<.006) konnten gefunden werden. Die Ergebnisse zeigen, dass das eingesetzte Messverfahren verlässlich Differenzierungen aufdeckt und der gewählte Modellansatz zur Prozessbeschreibung geeignet ist.

Zusammenfassung

Kollaboratives diagnostisches Problemlösen gewinnt in technischen Berufen (z. B. KFZ-Mechatronik) aufgrund steigender Komplexitäten und zunehmender Wissenszentralisierung zunehmend an Bedeutung, spielt gleichzeitig in Lehrplänen der beruflichen Bildung aber keine wesentliche Rolle, was u.a. auf fehlende theoretische Konzeptionen und empirisch geprüfte Messverfahren zurückzuführen sein dürfte (Kultusministerkonferenz, 2013).

Kollaboratives diagnostisches Problemlösen erfordert zwei Klassen von Aktivitäten: Diagnostische (Generieren von Hypothesen, Generieren von Evidenzen, Interpretation von Evidenzen) und kollaborative (Teilen von Informationen, Elizitieren von Informationen, Koordination der Kollaboration, Verhandlung, Aufrechterhaltung der Kommunikation) (Meier et al., 2022; Radkowitsch et al., 2020). Unklar ist, (1) inwiefern diese untereinander und (2) mit der Genauigkeit der Diagnose (Diagnoseakkuratheit) zusammenhängen, was jedoch insbesondere für die Förderung kollaborativer diagnostischer Problemlöseprozesse relevant ist.

Insgesamt lösten 128 auszubildende Kfz-Mechatroniker*innen (Nweiblich = 7; Alter: M = 20.72 Jahre; SD = 3.01) in Dyaden (N = 64) zwei Kfz-Problemlösefälle in einer validierten Computersimulation (Gschwendtner et al., 2009), indem sie über einen Text-Chat kommunizierten. Jede Dyade bestand aus zwei Rollen (Werkstattmitarbeiter; Servicehotline) mit jeweils unterschiedlichen Funktionen und Informationen, was eine Zusammenarbeit zwischen den Auszubildenden für eine erfolgreiche Diagnose erforderlich machte. Chatinhalte wurden aufgezeichnet und anschließend anhand eines theoriebasierten Codierungsschemas ausgewertet. Bei der Codierung diagnostischer (κ = .89) und kollaborativer Aktivitäten (κ = .77) wurden gute Interrater-Reliabilitäten erzielt. Die Diagnoseakkuratheit wurde mittels Abfrage des Diagnoseergebnisses und mithilfe von Simulationslogdaten dreistufig bewertet.

(1) In den Protokollen konnten die theoretisch angenommenen Aktivitäten gefunden werden. Die häufigsten diagnostischen Aktivitäten waren das „Generieren von Evidenzen“ sowie „Sonstiges“ (z.B. Small Talk). „Interpretation von Evidenzen“ und „Generieren von Hypothesen“ wurde seltener gefunden. „Teilen von Informationen“, „Koordination der Kollaboration“ und „Aufrechterhaltung der Kommunikation“ waren die häufigsten kollaborativen Aktivitäten während „Elizitieren von Informationen“ sowie „Verhandeln“ selten vorkamen. Die Teilnehmenden fokussierten zwischen den verschiedenen diagnostischen Aktivitäten unterschiedliche kollaborative Aktivitäten. Beispielsweise verhandelten die Teilnehmenden insbesondere beim Generieren von Hypothesen und Interpretieren von Evidenzen. (2) Es zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit der Aktivitäten und der Diagnoseakkuratheit. Es konnten jedoch signifikant positive Zusammenhänge zwischen der Diagnoseakkuratheit und dem Austausch als besonders relevant identifizierter Evidenzen (ρ = .355; p = <.006) gefunden werden.

Die Ergebnisse legen nahe, dass das eingesetzte Messverfahren verlässlich Differenzierungen im Prozess aufdeckt und sich der gewählte Modellansatz zur Beschreibung des Prozesses in der Kfz-Störungsdiagnose eignet. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass das Messverfahren zur Evaluation des Effektes einschlägiger Förderansätze geeignet ist. Gleichzeitig zeigt insbesondere der Befund, dass der Austausch diagnoserelevanter Evidenzen für die Diagnoseakkuratheit besonders wichtig ist, Möglichkeiten für zukünftige Förderansätze auf.

Keywords: Kollaboratives Problemlösen, Kfz-Störungsdiagnose, Diagnostischer Prozess, Berufliche Bildung, Simulationsbasierte Messung



Erklärungsverläufe und -inhalte aus Sicht Erklärender - eine qualitative Studie

M. E. Schaffer, H. M. Buhl

Universität Paderborn, Deutschland

Abstract

Erklärungen sind im Alltag wie auch im pädagogischen Kontext allgegenwärtig. Erklärungen sind charakterisiert durch Intention, Interaktion und sich entwickelndes Verständnis. Dabei unterliegen Erklärungen und ihr Erfolg mannigfaltigen Einflüssen und verlaufen auf individuelle Art und Weise.

Insbesondere die Perspektive der erklärenden Person auf die Erklärungen soll an dieser Stelle beleuchtet werden. Untersucht werden soll, welche Erklärinhalte zu Beginn Erwähnung finden, wie im Verlauf der Erklärung weitere Inhalte zwischen den Akteuren ausgehandelt werden und durch welche Impulse die Erklärung an ihr Ende gelangt.

Hierzu wurden Erklärungen in einem dyadischen Setting untersucht. Mit der erklärenden Person wurden leitfadengestützte Interviews und Video-Recalls durchgeführt. Die inhaltlich semantisch transkribierten Interviews und Video-Recalls wurden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Die Erklärung als kognitiver und konstruktiver Prozess (Chi, 2000; Hale & Barsalou, 1995; Horn et al., 2019) entwickelt sich auf Basis vorhandenen Wissens (Lombrozo, 2006), das in Form mentaler Repräsentationen strukturiert ist (Chi, 2000; Keil, 2006). Die Erklärenden müssen ihr Wissen über den Erklärgegenstand strukturieren, um möglichst vollständig und akkurat erklären zu können (Duit et al., 2001; Leinhardt, 2001). Außerdem berücksichtigen Erklärende das Gegenüber und schätzen ab, was das Gegenüber weiß, verstanden hat und wissen möchte (Brennan & Hanna, 2009; Chi et al., 2004).

Fragestellung

• Was sind die Gründe für die Erklärinhalte zu Beginn einer Erklärung?

• Wie werden im Erklärungsverlauf Erklärinhalte zwischen den Akteuren ausgehandelt?

• Was sind Gründe für ein Erklärungsende?

Methode

In einem dyadischen Setting erklärt eine Person (Explainer) einer anderen Person (Explainee) ein strategisches Gemeinschaftsspiel. Die Explainees kennen das Spiel zuvor nicht. Vor und nach der Erklärung werden leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Außerdem wird im Anschluss an das Interview die Methode des Video-Recalls eingesetzt, um nähere Informationen zu den Erklärphasen zu erlangen. Es wurden 13 Erhebungen mit 11 Studentinnen und 15 Studenten zwischen 19 und 38 Jahren durchgeführt.

Die Interviewleitfäden erfassen kognitive und motivationale Aspekte. Im Video-Recall werden außerdem Gründe für Erklärinhalte erfragt. Die Interviews wurden inhaltlich semantisch transkribiert und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen (Kuckartz & Rädiker, 2022).

Ergebnisse

Anfängliche Erklärinhalte wurden vornehmlich durch die Erklärintention der Explainer begründet. Im weiteren Verlauf der Erklärung werden die Explainees und deren (Wissens-)Bedürfnisse, in Form von Äußerungen oder Nachfragen, stärker von den Explainern berücksichtigt. Explainer reagieren nicht nur auf die Äußerungen des Explainees, sondern erschließen sich situational, welches Wissen dem Gegenüber fehlt. Das Erklärungsende begründen Explainer durch den Eindruck, das Spiel vollständig erklärt zu haben, oder dass die Erklärung den Bedürfnissen der Explainees entsprochen habe.

Diskussion

Die Explainer orientieren sich in ihrer Erklärung am eigenen Verständnis des Erklärgegenstandes und den vermuteten Wissensbedarfen des Explainees. Offen ist, inwiefern die Qualität von Erklärungen durch stärkere Einbeziehung der Explainees und deren Bedürfnisse erhöht werden kann.

Implikation für Theorie und Praxis

Durch den zunehmenden Einfluss von KI-Systemen, wird es für Anwender relevant den Output dieser Systeme verstehen und richtig einordnen zu können. Es sollte ein Anliegen sein, Explainable AI zu befähigen, auf Anwender zugeschnittene Erklärungen zu generieren. Voraussetzung für diese Art von Befähigung sind Kenntnisse über Erklärprozesse, die noch immer unzureichend erforscht sind. Als konzeptuelle Grundlage werden dazu Erklärprozesse als Ko-Konstruktion von Explainer und Explainee beschrieben.



 
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