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Sitzungsübersicht
Sitzung
Peer-Feedback
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
10:45 - 12:15

Chair der Sitzung: Martin Greisel
Ort: OS75/S02 - Raum 167


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Präsentationen

„Wer will schon Kritik hören?“ Wie die epistemische Perspektive über die Wahrnehmung von Peer-Feedback entscheidet

M. Greisel, J. Hornstein, A. Weidenbacher, I. Kollar

Universität Augsburg, Deutschland

Abstract

Damit Peer-Feedback lernförderlich sein kann, sollte gerade potenziell enthaltene Kritik ernstgenommen werden. Aber ob ein kritisches Feedback als angemessen eingeschätzt wird, darüber dürften epistemische Überzeugungen entscheiden. Wir untersuchten daher in einer Längsschnittstudie im Rahmen einer Lehrveranstaltung, wie Absolutismus, Multiplismus und Evaluativismus von 254 Lehramtsstudierenden den Zusammenhang zwischen der Bewertung der Qualität der Aufgabenbearbeitung durch die Peers und der wahrgenommenen Angemessenheit des Peer-Feedbacks moderieren. Absolutismus und Evaluativismus begünstigten eine Präferenz für kritisches Feedback, wohingegen Multiplismus den Zusammenhang nicht moderierte. Der Befund zu Absolutismus wirft die Frage nach Mechanismen der Identifikation mit dem eigenen oder fremden Standpunkt auf, wohingegen der positive Evaluativismus-Effekt möglicherweise darauf zurückgeht, dass Lernende die Qualität ihrer eigenen Lösung durch die zusätzliche Information in kritischen Feedbacks besser einschätzen können.

Zusammenfassung

Problemstellung

Peer-Feedback ist prinzipiell lernförderlich (Double et al., 2020), wird von den Empfänger:innen allerdings nicht immer adäquat verarbeitet (Jurkowski, 2018).

Theoretischer Hintergrund

Epistemische Überzeugungen (Kuhn, 1991) sollten darüber entscheiden, wie Lerner:innen gerade mit kritischem Feedback umgehen (Barzilai & Eshet-Alkalai, 2015). Es ist anzunehmen, dass je absolutistischer („objektive Wahrheit existiert“) die Perspektive ist, kritisches Feedback desto eher abgelehnt wird, weil der eigene Standpunkt als wahr eingeschätzt wird (Kuhn & Weinstock, 2002). Je multiplistischer („gleichberechtigte Meinungen“) bzw. evaluativistischer („Wahrheit wird durch Interpretation von Daten angenähert“) die Perspektive, desto irrelevanter sollte das Kritikausmaß sein: Multiplismus nivelliert Widersprüche zu gleichberechtigten Meinungen, wohingegen Evaluativismus auf inhaltliche Qualität und Argumente fokussiert, um zu entscheiden, was wahr ist.

Fragestellung

Wir untersuchen daher die Interaktion von Kritik und epistemischer Perspektive bei der Bewertung von Peer-Feedback.

Methode

Stichprobe

Teilnehmende waren N=254 Lehramtsstudierende (77,95% weiblich, MSemester=4,61) einer vertiefenden Psychologie-Lehrveranstaltung zu Kognitions- und Instruktionstheorien.

Vorgehen

In Woche 1 schätzten sie ihre epistemische Perspektive ein und analysierten dann schriftlich eine Unterrichtsstunde (464 Wörter) mit mehreren enthaltenen Problemen mithilfe des ICAP-Modells (Chi & Wylie, 2014) und der Cognitive Load Theory (Sweller, 2005). In Woche 2 bewerteten sie zwei fremde Fallanalysen und formulierten dazu je ein Feedback. In Woche 3 bewerteten sie die Angemessenheit der erhaltenen Feedbacks und überarbeiteten ihre Fallanalyse.

Messinstrumente

  • Epistemische Perspektive: 7 Fragen mit je 3 Likert-Items (Barzilai & Weinstock, 2015) zu Absolutismus (α=.69), Multiplismus (α=.60), und Evaluativismus (α=.69) adaptiert an den Kontext „problematische Unterrichtssituationen“. Beispielfrage: „Kann es Sicherheit bei der Lösung einer problematischen Unterrichtssituation geben?“
  • Analysequalität: 5 Likert-Items (α=.89). Itemstamm „Es ist meinem:r Kommilitonen:in insgesamt gelungen, unter Nutzung des ICAP-Modells und der Cognitive Load-Theorie…“. Beispielitem: „...unterrichtliche Probleme korrekt zu erklären.“
  • Wahrgenommene Angemessenheit des Feedbacks: Ein Generalfaktor (α=.93) aus Fairness, Nützlichkeit und Akzeptanz mit je 3 Likert-Items (Strijbos et al., 2021).

Ergebnisse

Alle folgenden Befunde stammen aus Mehrebenen-Regressionen, die unter Kontrolle der Qualität der Fallanalysen, die die Versuchsteilnehmenden gelesen haben, um darauf Feedback geben zu können, berechnet wurden. Die Analysequalität hing ohne Berücksichtigung der epistemischen Perspektive nicht mit der Angemessenheit zusammen, β=.14, p=.10. Je absolutistischer die Perspektive jedoch war, desto angemessener wurde das Feedback eingeschätzt, je schlechter(!) die eigene Analysequalität von den Feedback-Geber:innen bewertet wurde, β=−.23, p=.01. Genauso je evaluativistischer die Perspektive war, desto angemessener wurde das Feedback eingeschätzt, je kritischer es war, β=−.21, p=.01. Multiplismus interagierte nicht mit der Analysequalität, β=.00, p=.99.

Diskussion

Das Ergebnis zu Absolutismus widerspricht früheren Überlegungen (Kuhn & Weinstock, 2002), dass der eigene Standpunkt im Konfliktfall bevorzugt wird. Welcher Standpunkt wann bevorzugt wird, ergibt sich daher als neue Forschungsfrage. Aus evaluativistischer Perspektive ist Kritik möglicherweise deswegen unerwartet nützlicher, weil widersprechende Information anders als bloße Zustimmung zusätzliche Daten zur Interpretation bereitstellt. Gegensätzliche Meinungen lediglich multiplistisch akzeptieren zu können, scheint im Peer-Feedback-Kontext hingegen keine Rolle zu spielen, da schon ohne Berücksichtigung epistemischer Überzeugungen eher kritisches Feedback nicht negativer beurteilt wurde als eher lobendes und eine multiplistische Perspektive dann keinen Vorteil bietet.



Wie kann man die Motivation von Studierenden in der Produktion von Peer-Feedback fördern? Ergebnisse eines Feldexperiments

M. V. Keller, M. Daumiller, M. Dresel

Universität Augsburg, Deutschland

Abstract

Peer-Feedback ist erfolgsversprechend für die Förderung effektiver Lehr-Lernprozesse. Es ist jedoch kaum verstanden, was Studierende motiviert und wie sie motiviert werden können, qualitativ hochwertiges Peer-Feedback zu geben. Daher wurde in dieser Studie eine niedrigschwellige Intervention als Förderung für motivational günstiges Peer-Feedback entwickelt und in einem Feldexperiment mit 355 Studierenden eines Hochschulkurses getestet. Varianzanalytische Ergebnisse zeigen, dass die Intervention signifikante, aber schwache positive Effekte auf Lernziele beim Feedback geben, auf den instrumentellen Wert der Feedbackproduktion und die Länge des gegebenen Feedbacks hatte. Außerdem zeigte die Intervention einen positiven Effekt auf die Kosten der Aufgabe. Geschlussfolgert werden kann, dass sich die Motivation von Studierenden zur Produktion von qualitätsvollem Peer-Feedback fördern lässt und sich der genutzte Ansatz dazu grundsätzlich eignet.

Zusammenfassung

Feedback kann effektive Lehr-Lernprozesse fördern (Hattie & Timperley, 2007). Peer-Feedback als Form davon bietet Chancen für effiziente Rückmeldungen und durch die Feedbackproduktion auch zusätzliche Lerngelegenheiten für Studierende (Double et al., 2020). Peer-Feedback birgt gleichzeitig Herausforderungen, da Studierende nicht zwingend die nötigen Fertigkeiten oder Motivation für die Feedbackproduktion aufbringen (z.B. Strijbos et al., 2010). Es ist dabei noch wenig untersucht, wie motivationale Aspekte Feedbackprozesse beeinflussen (Fong & Schallert, 2023).

Achievement Goal Theory (Urdan & Kaplan, 2020) und Control-Value Theory (Wigfield & Eccles, 2000) bilden die theoretischen Rahmenkonzepte für die Motivationsförderung in dieser Studie. Als zusätzlicher, objektiver Faktor für Motivation in der Feedbackproduktion wurde die Feedbacklänge herangezogen. Motivationsförderung in Peer-Feedback-Prozessen sollte die funktionalen Variablen aus beiden Theorien fördern, d.h. günstige Lern- und Aufgabenziele (streben nach Kompetenzentwicklung bzw. guter Aufgabenbearbeitung) und hohe Wertzuschreibungen and die Aufgabe.

In dieser Studie wird folglich untersucht, ob eine niedrigschwellige Intervention die Motivation von Studierenden in Form von (1) Lern- und Aufgabenzielen, (2) Wert- und Kostenaspekten und (3) Verhalten (Feedbacklänge) positiv beeinflussen kann.

Hierzu führten wir ein präregistriertes, einfaktorielles Feldexperiment in einem Übungskurs durch, in dem Studierende regelmäßig Aufgabenblätter bearbeiten mussten. Für unsere Studie produzierten alle Studierenden dabei Feedback für eine Person und überarbeiteten ihre Ausarbeitung anschließend.

Die Experimentalgruppe erhielt schriftliche Hinweise für qualitätsvolles Feedback, eine kurze Elaborationsaufgabe dazu sowie eine Eingabehilfe zur Feedbackproduktion. Die Kontrollgruppe erhielt lediglich technische Hinweise zur Eingabe des Feedbacks. Wir erfassten Lern- und Aufgabenziele (Daumiller et al., 2019) und die Wertkomponenten der Aufgabe (Eccles & Wigfield, 2002) unmittelbar nach der Intervention sowie die Textlänge der Feedbacks.

Wir analysierten Daten von 355 Studierenden (290 weiblich, MAlter=20,20; SDAlter=2,55). Eine multivariate Varianzanalyse zeigte niedrige, aber signifikante Effekte der Intervention (F(5,349)=6,534, p≤.001) auf Lernziele, instrumentellen Wert und Kosten der Aufgabe sowie auf die Länge des Feedbacks, jedoch nicht auf Aufgabenziele und andere Wertaspekte.

Insgesamt zeigten die Studierenden in der Experimentalgruppe folglich höhere Motivation in Form von Lernzielen, teilweise höherer Wertzuschreibung und längerem Feedback. Jedoch erlebten diese durch das Peer-Feedback auch höhere zeitliche und anstrengungsbezogene Kosten als die Kontrollgruppe.

Die Intervention war geeignet, die Motivation für die Feedbackproduktion in einem authentischen Kontext zu fördern. Die fehlenden Effekte auf die Aufgabenziele könnten in den hohen Ausgangsniveaus in der Motivation begründet sein. Die Effekte auf die Kosten der Aufgabe vermutlich auf den Umfang der Intervention zurückzuführen, aber nicht zwingend als ungünstig zu bewerten. Zukünftige Studien sollten den Wirkungen des Peer-Feedback bei Feedback-Rezipient*innen nachgehen, insbesondere aufgrund der Reziprozität des Peer-Feedbacks.



Peer Feedback zur Unterstützung des evidenzorientierten Denkens von Lehramtsstudierenden: Effekte von Feedbackgabe und Feedbackintegrationsprompts

J. Hornstein, M. Greisel, I. Kollar

Universität Augsburg, Deutschland

Abstract

Lehramtsstudierende haben häufig Schwierigkeiten, bei der Analyse von authentischen Unterrichtsproblemen evidenzorientiert zu denken. Als Unterstützungsmaßnahme kann hierfür Peer Feedback herangezogen werden, welches – um effektiv zu sein – didaktisch sinnvoll strukturiert werden sollte. Die vorliegende Studie untersucht daher die Effekte von spezifischen Prompts zur Feedbackgabe und Feedbackrezeption auf die Feedbackqualität, das Revisionsausmaß und die Kompetenz zum evidenzorientierten Denken. N=254 Lehramtsstudierende bearbeiteten authentische Unterrichtsfälle und gaben und erhielten von jeweils zwei Mitstudierenden Feedback. Die Feedbackgabeprompts hatten einen signifikant positiven Einfluss auf die Feedbackqualität. Sowohl für das Revisionsausmaß als auch für die Kompetenz zum evidenzorientierten Denken zeigten sich allerdings ungünstige Effekte einer Kombination der beiden Maßnahmen. Dies deutet daraufhin, dass unterschiedliche Arten von Prompts in ihrer Struktur bestmöglich aneinander angepasst werden sollten.

Zusammenfassung

Das Lösen authentischer Unterrichtsprobleme unter Einbezug bildungswissenschaftlicher Evidenz stellt eine Kernkompetenz von Lehramtsstudierenden dar, welche sie im Studium erwerben sollen. Studierende haben jedoch häufig Schwierigkeiten, evidenzorientiert zu denken (Kiemer & Kollar, 2021). Für die Förderung evidenzorientierten Denkens vielversprechend scheint das Bearbeiten von authentischen Unterrichtsfällen, welches durch Peer Feedback unterstützt werden kann (Panadero & Alqassab, 2019). Jedoch fällt es Studierenden meist schwer, qualitativ hochwertiges Feedback zu geben (Alemdag & Yildirim, 2022) und mehrere Feedbacks miteinander zu integrieren (Jurkowski, 2018). Unsere Studie untersucht daher, welche Effekte Feedbackgabeprompts, Feedbackintegrationsprompts und deren Kombination auf die Feedbackqualität, Revisionsqualität und die Kompetenz zum evidenzorientierten Denken haben.

N=254 Lehramtsstudierende (77,95% weiblich, MAlter=22.56, SD=4.30, MSemester=4.61, SD=1.20) sollten zunächst einen authentischen Unterrichtsproblemfall mit Hilfe zweier bildungswissenschaftlicher Theorien analysieren. In der Feedbackgabephase wurde variiert, ob die Studierenden für die Formulierung ihres Feedbacks Prompts nach Hattie und Timperley (2007, Feed Up, Feed Back, Feed Forward) erhielten oder nicht. In der anschließenden Integrationsphase wurden einer Hälfte der Studierenden Prompts präsentiert, die sie in der Integration der beiden Feedbacks anleiteten, während die andere Hälfte keine Unterstützung erhielt. Als abhängige Variablen wurde die subjektive Qualität des erhaltenen Feedbacks von den Studierenden abgefragt (Brooks et al., 2019: Peer 1: ω=.71, Peer 2: ω=.82; Strijbos et al., 2021: Peer 1: ω=.80, Peer 2: ω=.82) sowie die objektive Feedbackqualität kodiert (Gwet’s AC1=.65-1.00). Zur Messung des Revisionsausmaßes wurde bestimmt, zu welchem Anteil sich Erstausarbeitung und Revision auf Wortebene unterscheiden. Zur Erfassung der Kompetenz zum evidenzorientierten Denken wurden die Studierenden gebeten, beispielhafte Fallanalysen nach ihrer formalen Qualität zu ordnen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Feedbackgabeprompts einen signifikant positiven Effekt auf die objektive, b=.52, p<.001, und die subjektive Feedbackqualität, b=.35, p<.001, ausübten. Für das Revisionsausmaß ließ sich ein negativer Interaktionseffekt feststellen, b=−.20, p=.04: Die Feedbackgabeprompts waren nur effektiv, wenn keine Integrationsprompts dargeboten wurden und umgekehrt. Ein analoger Befund ergab sich für die Kompetenz zum evidenzorientierten Denken, b=−.24, p=.01.

Der positive Effekt der Feedbackgabeprompts bestätigt bisherige Befunde (Hattie & Timperley, 2007). Die negativen Interaktionseffekte der Prompts bezüglich des Revisionsausmaßes und der Kompetenz zum evidenzorientierten Denken können durch eine Ablenkungsthese (Tabak, 2004) erklärt werden. Es scheint, als wäre die Struktur beider Prompts zu unterschiedlich, sodass durch die Feedbackgabeprompts auf der einen und die Feedbackintegrationsprompts auf der anderen Seite unterschiedliche kognitive Prozesse ausgelöst worden sein könnten, die wenig kompatibel zueinander sind. Ziel sollte deshalb sein, mögliche Unterstützungsmaßnahmen aufeinander abzustimmen, sodass ein „synergistic scaffolding“ (Tabak, 2004) möglich wird. Weitere Analysen bezüglich der Integrationsprompts sollen auf der Konferenz vorgestellt werden.



 
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