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Sitzungsübersicht
Sitzung
(Diagnostische) Kompetenz von Lehrenden
Zeit:
Mittwoch, 20.09.2023:
12:45 - 14:15

Chair der Sitzung: Anika Radkowitsch
Ort: LS01 - Raum 209a


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Präsentationen

Diagnosekompetenzen und ihre Entwicklung – ein theoretisches Modell und seine (wissenschafts-)praktischen Implikationen

A. Radkowitsch1, D. Sommerhoff1, F. Fischer2, S. Ufer2

1Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Deutschland; 2Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland

Abstract

Kompetenzen zur Lösung diagnostischer Probleme sind in vielen Disziplinen relevant. Unklar ist jedoch, wie sich Diagnosekompetenzen entwickeln. Um diese Lücke zu adressieren, integrieren wir verschiedene Forschungsperspektiven und schlagen ein theoretisches Modell vor, das Wirkmechanismen für die Entwicklung von Diagnosekompetenzen beschreibt und diskutieren darauf aufbauend Implikationen für deren Förderung und Erforschung. Das theoretische Modell nimmt an, dass die Bearbeitung von diagnostischen Problemen zu einer Ausdifferenzierung und Generalisierung einer mentalen „Falldatenbank“ und somit zu einer Umstrukturierung von Wissen führt. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass 1) gelöste Probleme in der Falldatenbank mittels Indizierung gespeichert werden und 2) bei der Problembearbeitung Fälle aus der Falldatenbank mittels Mustererkennung einbezogen werden. Das Modell bietet Ansätze für eine differenzierte Förderung von Diagnosekompetenzen.

Zusammenfassung

Kompetenzen zur Lösung diagnostischer Probleme sind in vielen Disziplinen wie beispielsweise der Medizin oder im Lehramt relevant. Entsprechend ist der Erwerb von Diagnosekompetenzen ein wichtiges Ziel der Hochschulbildung (Heitzmann et al., 2019). Um Diagnosekompetenzen effektiv und passend zu den Voraussetzungen der Lernenden zu fördern, ist es notwendig, zu Grunde liegende Entwicklungsmechanismen zu beschreiben. Bisherige Förderansätze fokussieren dabei insbesondere zwei Mechanismen: eine Veränderung der kognitiven Voraussetzungen (z.B. durch die Vermittlung von relevantem Wissen, z.B. Rieu et al., 2022) und eine Veränderung des Verhaltens in Diagnosesituationen (z.B. durch das Anbieten von Übungsgelegenheiten in Simulationen, z.B., Chernikova et al., 2020). Beide Ansätze wurden jedoch bisher nicht in ein kohärentes Modell integriert. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, basierend auf Forschung zur Kompetenzentwicklung im Bereich des (diagnostischen) Problemlösens beide Ansätze in ein theoretisches Modell zu integrieren und Konsequenzen für die Erforschung und Förderung von Diagnosekompetenzen abzuleiten.

Bisherige Forschung zeigt, dass Personen mit hohen diagnostischen Kompetenzen nicht nur quantitativ über mehr Wissen, sondern vielmehr über eine qualitativ bessere Wissensstruktur verfügen (Schmidt & Rikers, 2007). Diese ermöglicht einen effizienteren Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und die Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Informationen (Gegenfurtner et al., 2011). Dadurch kann eine kohärente Problemrepräsentation aufgebaut werden, die effizientes Verhalten in diagnostischen Situationen begünstigt.

Unklar ist jedoch bisher, durch welche Mechanismen sich die Wissensstruktur mit wachsender Kompetenz verändert. Basierend auf einem systematischen Literaturreview haben Boshuizen und Kollegen (2020) kürzlich insbesondere die Bearbeitung von authentischen Problemen als wichtigen Faktor für die Entwicklung einer solchen effizienten Wissensstruktur identifiziert. Genauere Wirkmechanismen wurden jedoch nicht beschrieben. Basierend auf der Theorie des Fallbasierten Lernens (Kolodner, 1992) nehmen wir an, dass 1) gelöste Probleme in einer Falldatenbank mittels Indizierung (d.h. abstrakten Beschreibung von relevanten Merkmalen) gespeichert werden und dass 2) bei der Problembearbeitung die Falldatenbank mittels Mustererkennung (d.h. der Abgleich zwischen den relevanten Merkmalen des aktuellen Problems im Vergleich zu schon gelösten Problemen) einbezogen werden. Das Lösen von neuen Problemen führt dabei zu einer Differenzierung und Generalisierung der mentalen Falldatenbank und somit einer Umstrukturierung von Wissen hin zu prototypischen abstrahierten Diagnoseproblemen.

Bezüglich der Förderung von Diagnosekompetenzen impliziert das Modell, dass das Lösen diagnostischer Probleme für die Kompetenzentwicklung hilfreich ist, Anfänger*innen dabei aber insbesondere von Wissensunterstützung profitieren könnten, während fortgeschrittene Lernende insbesondere von der Kontrastierung von Problemmerkmalen profitieren könnten. Das Modell zeigt Bedarf für die Erforschung besonders günstiger Sequenzen von Diagnoseproblemen (z.B. von typischen zu atypischen Problemen) und von Unterschieden in den Entwicklungsmechanismen zwischen Domänen auf.



Effekte zweier unterschiedlich stark strukturierter Ansätze Formativen Assessments

L. Aust1, L. Eichholz2, P. Heß2, J.-C. Linker2, B. Weiß2, J. Schiffer3, J. Lenhart3, M. Nührenbörger3, C. Selter2, E. Souvignier1

1Institut für Psychologie in Bildung und Erziehung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; 2Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts, Technische Universität Dortmund; 3Institut für grundlegende und inklusive mathematische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Abstract

Formatives Assessment soll die Passung zwischen individuellem Lernpotenzial von Schüler:innen und unterrichtlichen Förderangeboten unterstützen. Insbesondere in heterogenen Gruppen stellt sich die Frage, ob der Ansatz eher zu differenziellen Effekten führt als zu vergleichbaren Entwicklungen aller Kinder. Die vorliegende Studie prüft in 41 zweiten Klassen (n=921 Schüler:innen) die Effekte zweier unterschiedlich stark strukturierter Ansätze formativen Assessments auf mathematische Kompetenzen, schulisches Selbstkonzept und kognitive Motivation. Die Lehrkräfte nahmen an sechs Fortbildungsnachmittagen zu diagnosebasierter Förderung teil, wobei Gruppe 1 mit schriftlichen Standortbestimmungen arbeitete, während Gruppe 2 weniger stark strukturierte Diagnosegespräche durchführte. Die Mathematikleistungen fielen in der strukturierteren Variante (Standortbestimmungen) etwas höher aus, während die kognitive Motivation stärker von den Diagnosegesprächen profitierte. In beiden Gruppen zeigten sich keine differenziellen Effekte hinsichtlich aller drei Kriteriumsvariablen.


Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Inklusive schulische Settings zeichnen sich durch eine verstärkte Heterogenität der Schülerschaft aus. Formatives Assessment (FA) ist ein evidenzbasierter, lernförderlicher Ansatz, um dieser Unterschiedlichkeit anhand von Diagnostik, Feedback und individueller Förderung zu begegnen (Black und Wiliam, 1998; Klute et al., 2017). Bei der Wirksamkeitsüberprüfung von FA-Maßnahmen kommt der Untersuchung differenzieller Effekte eine hohe Bedeutung zu, um so die Wirksamkeit für Schüler:innen unterschiedlicher Leistungsniveaus sicher zu stellen (Fuchs und Fuchs, 2019). Die vorliegende Studie prüft die differenzielle Wirksamkeit zweier Ansätze von FA, welche sich im Hinblick auf das Ausmaß an Formalisierung des Assessments unterscheiden (Shavelson et al., 2008): Die Ansätze planned-for-interaction (PI) sowie curriculum-embedded assessment (CE) werden vergleichend evaluiert.

Fragestellung

Bewirken zwei unterschiedlich stark strukturierte FA-Ansätze differenzielle Effekte auf die mathematischen Fähigkeiten, das schulische Selbstkonzept oder die kognitive Motivation von Grundschüler:innen in Abhängigkeit vom Leistungsniveau der Kinder?

Methode

Die Studie wurde in einem Zweigruppen-Prä-Post-Design mit N = 921 Schüler:innen aus 41 Klassen des zweiten Schulbesuchsjahres in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Lehrkräfte besuchten über das Schuljahr hinweg sechs Fortbildungsveranstaltungen zu diagnosebasierter differenzierter Förderung. Zwischen den Fortbildungen erprobten sie konkrete Praxisaufgaben in ihren Klassen. Während Lehrkräfte in der Gruppe CE vorbereitete, schriftliche Diagnoseaufgaben (s.g. Standortbestimmungen) zur systematischen Erfassung des Lernstandes aller Schüler:innen einsetzten, lernten Lehrkräfte der Gruppe PI anhand von reichhaltigen Aufgaben Diagnosegespräche zu führen. Allgemeine und differenzielle Effekte der beiden Ansätze wurden auf der Ebene der Schüler:innen untersucht. Dazu wurden die Mathematikkompetenz (Basis-Math 1+ bzw. 2+, Moser-Opitz et al., i.V.; Moser-Opitz et al., 2020)), das schulische Selbstkonzept (gekürzte Version der entsprechenden Skala des FEESS 1-2, Rauer und Schuck, 2004) und die kognitive Motivation (NFC-KIDS, Preckel und Strobel, 2017) erfasst.

Ergebnisse

Die Ergebnisse einer hierarchischen Regression deuten einen leichten, nicht-signifikanten Vorteil der Gruppe CE im Hinblick auf die Leistungsentwicklung, einen Vorteil von PI bezüglich der kognitiven Motivation und vergleichbare Effekte der beiden Konzepte auf das schulische Selbstkonzept an. Es zeigte sich keine Interaktion zwischen Gruppenzugehörigkeit und Leistungsniveau der Schüler:innen für alle drei Kriteriumsvariablen (Mathe: βInt = -0.04, pInt = .556; Selbstkonzept: βInt = -0.01, pInt = .862, kognitive Motivation: βInt = -0.09, pInt = .279).

Diskussion und Implikation

Die Effekte von CE und PI auf die verschiedenen Kriterien erweisen sich als robust über verschiedene Leistungsniveaus der Schüler:innen hinweg. Das bereitgestellte diagnostische Material beider Gruppen ermöglicht den Lehrkräften offensichtlich eine Differenzierung für Kinder aller Leistungsniveaus, wodurch sich die Interventionen insbesondere für den Einsatz in inklusiven Settings qualifizieren.



Schwarze Kacheln und nichts dahinter? Rolle studentischer Webcamnutzung bei Einschätzungen von Studierendenmerkmalen durch Lehrende

N. Naujoks-Schober1, S. Bedenlier1, M. Händel2, A. Ziegler1

1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; 2Hochschule Ansbach

Abstract

Diese Studie untersuchte die von Lehrenden wahrgenommene soziale Präsenz und von ihnen eingeschätzte studentische Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit studentischer Webcamnutzung in der Online-Lehre. In einer Onlinebefragung mit N = 126 Lehrenden zeigte sich, dass die Anzahl der Studierenden, die ihre Kamera nutzen, über die Online-Lehrerfahrung sowie die positive Einstellung zu Online-Lehre hinaus ein signifikanter Prädiktor der von Lehrenden wahrgenommenen sozialen Präsenz ist. Darüber hinaus schrieben Lehrende Studierenden mit eingeschalteter Webcam signifikant höhere Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Motivation zu. Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich Implikationen für die Gestaltung synchroner digitaler Lehrformate sowie Hinweise auf Verzerrungen der Wahrnehmung studentischer Eigenschaften durch Lehrende in diesen Lehrformaten ableiten.

Zusammenfassung

Die Einstellung von Lehrenden zu Lehrformaten sowie ihre Wahrnehmung studentischen Verhaltens sind wichtige Einflussfaktoren für gelingende (digitale) Hochschullehre (Göbel et al., 2021). Bedingt durch die Corona-Pandemie wurden Lehrende intensiv mit digitalen Lehrformaten und insbesondere synchronen Videokonferenzen konfrontiert (Bedenlier, Händel, et al., 2021). Bisherige Studien zeigen, dass die Webcamnutzung Studierender in diesen Lehrformaten aus persönlichen (Privatheit) und strukturellen Gründen (Gruppengröße) oft gering ausfällt (Bedenlier, Wunder, et al., 2021), sich aber positiv auf die wahrgenommene soziale Präsenz auswirkt und durch die Lehrenden unterstützt werden kann (Händel et al., 2022).

Die vorliegende Studie fokussiert die Perspektive der Lehrenden und geht folgenden Fragen nach:

  1. Wie beeinflusst die studentische Webcamnutzung die wahrgenommene soziale Präsenz in Videokonferenzen?

  1. Welche Persönlichkeitseigenschaften schreiben Lehrende Studierenden auf Basis der Webcamnutzung zu?

Dazu wurde eine bundesweite Onlinebefragung von N = 126 Lehrenden (Alter M = 41.3 Jahre, 49.6 % weiblich) aus verschiedenen Fächergruppen durchgeführt. Der erste Befragungsteil erfragte Online-Lehrerfahrung, Einstellungen zu Online-Lehre, Webcamnutzung der Lehrenden, Teilnehmendenzahlen, Anzahl der Studierenden mit eingeschalteter Webcam und wahrgenommene soziale Präsenz (Díaz et al., 2010). Der zweite Befragungsteil stellte zwei fiktive Szenarien zu (a) Studierenden mit eingeschalteter und (b) Studierenden mit inaktiver Webcam vor, woraufhin die Lehrenden die Studierendengruppen jeweils hinsichtlich Persönlichkeitseigenschaften einschätzten (Gosling et al., 2003).

Eine schrittweise Regression (erster Schritt R² = .15) zeigte bezüglich Fragestellung 1 positive Beiträge auf die Wahrnehmung der sozialen Präsenz in Videokonferenzen durch das Ausmaß der Erfahrung der Lehrenden mit Online-Lehre (β = .18*), durch positive Einstellungen gegenüber dieser Lehrform (β = .30***) und in einem zweiten Schritt (R² = .24) auch durch die studentische Nutzung der Webcam (β = .29**). Gepaarte t-Tests zur Beantwortung von Fragestellung 2 wiesen auf eine signifikant (p < .01) höher wahrgenommene Extraversion (d = 1.53), Offenheit (d = 0.88), Gewissenhaftigkeit (d = 0.99) und Motivation (d = 1.72) bei Studierenden mit eingeschalteter Webcam (Szenario a) hin.

Von Seiten der Lehrenden scheint die Nutzung der Webcam ein wichtiger Faktor zur Erhöhung der wahrgenommenen sozialen Präsenz in Videokonferenzen zu sein. Dieses Ergebnis liefert Hinweise zur zentralen Rolle der Webcamnutzung für die Erfüllung der Basisdimensionen guten Unterrichts hinsichtlich sozialer Interaktionen in der synchronen Online-Lehre (Lehner & Sohm, 2021). Gleichzeitig scheinen die Lehrenden Einschätzungen ihrer Studierenden vorzunehmen, die nicht direkt aus der Sichtbarkeit via Webcam geschlussfolgert werden können. Weitere Forschung sollte diese möglichen Verzerrungen weiter aufklären und auch Zusammenhänge mit akademischen Leistungen untersuchen, um aktuelle Empfehlungen zur Webcamnutzung in der Online-Lehre zu ergänzen (Kerres, 2020).



Missverständnisse im Bildungssystem - Ein Blick hinter die Kulissen

V. Novak-Geiger

University of Klagenfurt, Österreich

Abstract

Forschungsarbeiten der letzten Jahre zeigten, dass Neuromythen (NM) im Bildungsbereich weltweit verbreitet sind. Obwohl einige behaupten, dass Neuromythen nicht relevant sind, argumentieren andere, dass sie schwerwiegende Folgen für die Qualität der Bildung haben. Mehrere Ansätze, die Mythen zu widerlegen, zeigen aber, dass mehr Wissen in Neurowissenschaften zu einer Verringerung, nicht aber zu einer Beseitigung führt. Als Gründe für die Persistenz werden ein höherer intuitiver Denkstil sowie der "confirmation bias" angeführt. Das Ziel der Mixed-Methods-Studie is ein systematischer Erklärungsversuch des Verständnisses, der Anwendung und Persistenz von Fehlvorstellungen bei Lehrkräften. Dazu werden sie zum Verständnis der beiden am weitesten verbreiteten Neuromythen, deren Anwendung im Unterricht, zum intuitiven Denkstil und „confirmation bias“ befragt. Die Erhebung findet derzeit statt.

Zusammenfassung

Neuromythen sind ein „Missverständnis, eine Fehlinterpretation oder ein falsches Zitieren von wissenschaftlich fundierten Fakten (aus der Hirnforschung), um die Anwendung der Hirnforschung im Bildungswesen und in anderen Zusammenhängen zu rechtfertigen" (OECD, 2002). Der Glaube an Neuromythen widerspricht jedoch dem Grundgedanken eines evidenzbasierten und -orientierten Bildungssystems. Besonders prekär sind jene Neuromythen, die den Lernenden die Bildungsfähigkeit absprechen. Darüber hinaus kann der Glaube an Neuromythen in der Praxis zu einem ineffektiven Einsatz von Zeit und wirtschaftlichen Ressourcen führen. Die Forschung zu Neuromythen und ihrer Verbreitung im Bildungswesen hat nicht an Relevanz verloren. Insgesamt bestehen im internationalen Vergleich nur wenige Unterschiede in der Prävalenz von Neuromythen, da einige Vorstellungen (z.B. Lerntypenmythos) weltweit geglaubt werden (Grospietsch & Mayer, 2019; Krammer et al., 2019; Macdonald et al., 2017; Zhang et al., 2019). Es wurden Versuche unternommen, Neuromythen im Bildungsbereich zu zerstreuen (z. B. Rousseau, 2021), aber es fehlt ein systematischer Versuch, das Verständnis, die Anwendung sowie die Persistenz zu erklären. Einerseits zeigen Umfragen einen höheren intuitiven Denkstil (van Elk, 2019) im Zusammenhang mit dem Glauben an Neuromythen, andererseits wird der "confirmation bias" als Grund für die Persistenz bestimmter NM angeführt.

Hier wird ein Erklärungsversuch für das Auftreten, das Verständnis und die Persistenz bestimmter Fehlvorstellungen entwickelt. Zu diesem Zweck werden Lehrkräfte in einem sequenziellen Mixed-Methods-Ansatz (QUANT -> qual) befragt. Die Stichprobe besteht aus Lehrer*innen der Primar- und Sekundarstufe (n = 150) und Student*innen (n = 150). Das Erhebungsinstrument ist ein Fragebogen, der mit Fragen zu Lernstilen und Lerntypen (Newton & Miah, 2017; Papadatou-Pastou et al., 2021), Fragen zur Erhebung kognitiver Voreingenommenheit (Greene, 2020) und Items zum intuitiven Denken (Epstein et al., 1996) als Online-Umfrage erstellt wurde. Untersucht wird der Einfluss der unabhängigen Variablen abgeschlossene Ausbildung, Dauer der Berufstätigkeit, Unterrichtsfach, intuitives Denken und kognitive Voreingenommenheit auf die Zustimmung zu "Lernstilen/Lerntypen" und "Bestimmungsfaktoren der Hemisphären Dominanz". Im Rahmen des Fragebogens werden Missverständnisse ausgeräumt und erklärt. Folglich wird in den letzten Frageblöcken auch nach einer Veränderung der Zustimmung zu einer unbestätigten Theorie gefragt. Hier ist eine explorative Faktorenanalyse zur Untersuchung von Itemladungen geplant. Mit Hilfe einer Regressionsanalyse soll geprüft werden, ob höhere Punktzahlen auf der Intuitionsskala mit der Zustimmung zu beiden Neuromythen (van Elk, 2019) einhergehen, sowie ob die unabhängigen Variablen mit der Verwendung der beiden Fehlvorstellungen im Unterricht verbunden sind. Nach der Analyse der quantitativen Daten werden qualitative Leitfadeninterviews mit einer Teilstichprobe durchgeführt. Die Datenerhebung findet im Sommersemester 2023 statt, daher können die Ergebnisse hier nicht dargestellt werden. Anschließend sollen Materialien für die Fortbildung von Lehre*innen erstellt werden um das Wissen zu neurowissenschaftlichen Themen zu aktualisieren. In der geplanten Präsentation werden die Ergebnisse der Studie vorgestellt.



 
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