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Sitzungsübersicht
Sitzung
Heterogenität und Inklusion
Zeit:
Dienstag, 19.09.2023:
10:45 - 12:15

Chair der Sitzung: Anne Hartmann
Ort: OS75/S02 - Raum 210


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Präsentationen

Soziale Beziehungen von Schüler:innen im inklusiven Kontext vor und nach dem pandemiebedingten Distanzunterricht

A. Hartmann1, J. Lenkeit1, A. Ehlert1, M. Knigge2, N. Spörer1

1Universität Potsdam, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin

Abstract

Soziale Teilhabe aller Schüler:innen ist besonders im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ein zentrales Thema aktueller Inklusionsdebatten. Ziel des Beitrags ist es zu untersuchen, inwieweit sich im inklusiven Kontext Schüler:innen-Lehrer:innen- sowie Peer-Beziehungen über die Zeit des pandemiebedingten Distanzunterrichtes entwickelt haben und mit welchen Schüler:innenmerkmalen diese Entwicklungen assoziiert sind. Die Datenauswertung von 516 Grundschüler:innen zeigte keine signifikanten Veränderungen der Schüler:innen-Lehrer:innen- sowie Peer-Beziehungen im Verlauf des Distanzunterrichtes. Es ließen sich jedoch negative Assoziationen mit dem Förderbedarf sowie positive Assoziationen mit dem Fehlen von Peerkontakten und unterstützendem Lehrer:innen-Verhalten im Distanzunterricht beobachten. Die Ergebnisse unterstreichen, dass weiterhin die Förderung der sozialen Teilhabe von Schüler:innen mit besonderen Förderbedarfen im inklusiven Unterricht nötig ist. Die Ergebnisse deuten auch an, dass ein unterstützendes Lehrer:innen-Verhalten schulische Beziehungen stärken kann.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund:

Die soziale Teilhabe ist ein wichtiges Element inklusiver Bildung mit dem Ziel, dass sich alle Schüler:innen als integrierte und geschätzte Mitglieder der Klassengemeinschaft wahrnehmen (Farrell, 2000). Studien zeigten jedoch, dass sich Schüler:innen mit Förderbedarfen weniger in soziale Klassenprozesse integriert fühlen (z.B. Koster et al., 2009). Zudem nahmen infolge der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen fehlenden Kontakten zu Peers und Lehrer:innen psychische Auffälligkeiten zu, insbesondere bei sozial benachteiligten Schüler:innen (Ravens-Sieberer et al., 2021). Das Ausbleiben dieser Kontakte ist besonders kritisch, da positive Schüler:innen-Lehrer:innen- und Peer-Beziehungen als relevante Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit gelten (Pastore & Luder, 2021; Schmidt et al., 2019). Wie sich Schüler:innen-Beziehungen über die Zeit des pandemiebedingten Distanzunterrichtes entwickelt haben und mit welchen Schüler:innenmerkmalen Entwicklungen assoziiert sind, wurde bislang im inklusiven Kontext ungenügend untersucht.

Fragestellungen:

  1. Wie entwickelten sich Schüler:innen-Beziehungen über die Zeit des Distanzunterrichtes?
  2. Lassen sich differenzielle Entwicklungen in Abhängigkeit des Förderbedarfs und sozialen Hintergrundes der Schüler:innen identifizieren?
  3. Werden Entwicklungen durch Peer-Kontakte und unterstützendes Lehrkraft-Verhalten im Distanzunterricht moderiert?

Methode:

Daten stammen aus einer Längsschnittstudie zur inklusiven Bildung (t1: Juni 2019) und einer Anschluss-Studie infolge der COVID-19-Pandemie (t2: November 2021). Informationen liegen von 516 Schüler:innen vor, die zu t1 die zweite und zu t2 die fünfte Jahrgangsstufe besuchten. Aufgrund systematischer Schulschließungen ist ein Kontrollgruppenvergleich nicht möglich.

Soziale Beziehungen wurden zu beiden Messzeitpunkten über Adaptionen der FEESS-Skalen (Rauer & Schuck, 2003) „Soziale Integration“ und „Gefühl des Angenommenseins durch die Lehrkraft“ operationalisiert (jeweils Cronbachs α = .80). Darüber hinaus wurden Schüler:innen zu t2 zu ihren Peer-Kontakten (α = .71) und zum unterstützenden Lehrer:innen-Verhalten im Distanzunterricht befragt (α = .74; angelehnt an Huber et al., 2020; Sturzbecher et al., 2021). Alle Skalen wurden auf einer vierstufigen Likertskala beantwortet (0–3). Weiter lagen Schüler:inneninformationen zum sozialen Hintergrund und Förderbedarf im Unterricht vor (1–4: keine bis kontinuierliche zusätzliche Förderung). Unter Berücksichtigung der Mehrebenenstruktur wurden mithilfe von Growth-Curve-Modelle Veränderungen der Schüler:innen-Beziehungen geprüft.

Ergebnisse:

Analysen zeigen, dass sich die soziale Integration und das Gefühl des Angenommenseins über die Zeit hinweg nicht signifikant veränderte. Der soziale Hintergrund war nicht signifikant mit diesen Schüler:inneneinschätzungen assoziiert. Die soziale Integration und das Gefühl des Angenommenseins fielen jedoch zu t2 geringer aus (p < .05), je mehr zusätzliche Förderung Schüler:innen im Unterricht benötigten. Weiter zeigte sich: Je stärker Schüler:innen der Kontakt zu ihren Peers im Distanzunterricht fehlte und je höher die Lehrer:innen-Unterstützung im Distanzunterricht ausfiel, desto höher die soziale Integration und das Gefühl des Angenommenseins nach dem Distanzunterricht (p < .05).

Diskussion und Implikation für Theorie und Praxis:

Die Ergebnisse unterstreichen die weiterhin bestehende soziale Benachteiligung von Schüler:innen mit Förderbedarfen. Somit sollte verstärkt die Förderung der sozialen Teilhabe von Schüler:innen mit besonderen Förderbedarfen im inklusiven Unterricht fokussiert werden. Die Ergebnisse deuten an, dass ein unterstützendes Lehrer:innen-Verhalten Schüler:innenbeziehungen stärken kann.



Inklusive Beschulung von Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung: Ein systematisches Review

S. Krämer, J. Becherer, F. Zimmermann

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland

Abstract

Im vorliegenden Beitrag wird ein systematisches Review zu Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung von Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) in der Emotionalen und Sozialen Entwicklung (ESE) vorgestellt. Kognitive (z.B. standardisierte Testleistungen) und psychosoziale Outcomes (z.B. akademisches Selbstkonzept) von Schüler:innen mit und ohne SPF ESE wurden anhand von k = 19 geeigneten Primärstudien berücksichtigt. Schüler:innen mit SPF ESE scheinen leicht von inklusiver Beschulung hinsichtlich kognitiver Outcomes zu profitieren; bezüglich psychosozialer Outcomes zeigten sich überwiegend neutrale bis positive Effekte zugunsten inklusiver Beschulung. Für die Mitschüler:innen ohne SPF ESE zeigten sich nur vereinzelt Unterschiede zwischen den Beschulungsarten. Der mögliche Selektionseffekt, dass Schüler:innen mit SPF ESE mit leichten bis mittelschweren Symptomen im Vergleich zu denjenigen mit schwereren Symptomen eher inklusiv beschult werden, wird diskutiert.

Zusammenfassung

Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen besagt, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund ihrer Behinderungen vom allgemeinem Schulsystem ausgeschlossen werden dürfen. Dies hat in vielen Ländern dazu beigetragen, dass Schüler:innen mit und ohne sonderpädagogische Förderbedarfe (SPF) zunehmend gemeinsam unterrichtet werden – was die Frage nach den Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung aufwirft. Frühere Meta-Analysen zeigten überwiegend positive bis neutrale Effekte für Schüler:innen mit SPF sowie für deren Mitschüler:innen (Carlberg & Kavale, 1980; Szumski et al., 2017) – in Bezug auf kognitive (z.B. schulische Leistungen) sowie psychosoziale Outcomes (z.B. soziale Integration). In bisherigen Studien wurden Schüler:innen mit verschiedenen Arten von SPF überwiegend gemeinsam untersucht. Es kann jedoch vermutet werden, dass sich die Auswirkungen inklusiver Beschulung je nach Art des SPFs unterscheiden. So zeigten Schüler:innen mit SPF Lernen in inklusiven Settings bessere kognitive Leistungen als in Förderschulklassen (Krämer et al., 2021), während einige Studien darauf hindeuten, dass Schüler:innen mit SPF in der Emotionalen und Sozialen Entwicklung (ESE) in inklusiven Settings schlechtere Leistungen erbringen (Zweers et al., 2020). Diese Unterschiede könnten darauf zurückzuführen sein, dass Schüler:innen mit SPF ESE Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation und in sozialen Interaktionen haben (Abrams, 2005) und dadurch umfassendere Unterstützung benötigen als etwa Schüler:innen mit SPF Lernen. Weiter kann vermutet werden, dass sich die inklusive Beschulung von Schüler:innen mit SPF ESE negativ auf kognitive und psychosoziale Outcomes der Mitschüler:innen auswirkt (Kuhl et al., 2022), da sich Verhaltensauffälligkeiten (z.B. in Form von häufigen Regelverstößen und Unterrichtsstörungen) auf die gesamte Klasse auswirken können.

In diesem systematischen Review untersuchen wir daher die Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung auf die kognitiven und psychosozialen Outcomes von Schüler:innen mit SPF ESE sowie deren Mitschüler:innen ohne SPF ESE. Zur Literaturrecherche haben wir einschlägige Datenbanken (z.B. PsyInfo) verwendet sowie eine rückwärts-/vorwärtsgerichtete Suche in bisherigen Artikeln durchgeführt (k = 34.860 Studien). Es wurden solche Studien eingeschlossen, die Schüler:innen mit/ohne SPF ESE in inklusiven mit Schüler:innen mit/ohne SPF ESE in separierenden Settings (Förder- bzw. Regelschulen) verglichen (k = 19 eingeschlossene Studien). Hinsichtlich kognitiver Outcomes scheinen Schüler:innen mit SPF ESE von inklusiver gegenüber separierender Beschulung zu profitieren. Bezüglich psychosozialer Outcomes zeigten sich überwiegend neutrale bis positive Effekte zugunsten der inklusiven Beschulung. Für die Mitschüler:innen ohne SPF ESE zeigten sich hinsichtlich kognitiver sowie psychosozialer Outcomes nur vereinzelt Unterschiede zwischen den Beschulungsarten. Es wird unter anderem der Selektionseffekt diskutiert, dass Schüler:innen mit SPF ESE mit schwereren Symptomen eher in Förderschulen unterrichtet werden, während Schüler:innen mit SPF ESE mit leichten bis mittelschweren Symptomen eher inklusiv unterrichtet werden.



Lernen autistische Menschen Kategorien anders? Eine Metaanalyse

L. Wimmer, T. M. Steininger, J. Wittwer

Universität Freiburg, Deutschland

Abstract

Kategorisieren ist eine zentrale Voraussetzung menschlichen Handelns. In einer Metaanalyse untersuchten wir, ob sich autistische Personen im Kategorienlernen von nicht-autistischen Personen unterscheiden. Hierzu verglichen wir n=1.220 autistische und n=1.445 nicht-autistische Personen aus k=50 Studien miteinander. Basierend auf 112 Effektgrößen ergab sich eine signifikant niedrigere Kategorisierungsfähigkeit für autistische Personen, g=–0,55, p<,0001. Während die meisten Moderatorvariablen – nämlich Alter, Publikationsjahr, Bias-Risiko, IQ der autistischen Gruppe, Prozentsatz männlicher Teilnehmer, Art der Kontrollgruppe, der Kategorie, der Aufgabe und des abhängigen Maßes – die Heterogenität der Effektstärken nicht signifikant erklären konnten, war dies für Studiensprache der Fall. Obwohl Ausreißeranalysen die Robustheit der Ergebnisse bestätigen, deutet Eggers Test auf Publikationsbias in Form einer Überrepräsentation nachteiliger Befunde für autistische Gruppen hin.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund: Wie wir Objekte, Ereignisse und Relationen zwischen diesen in Kategorien einteilen, beeinflusst unsere Sicht auf die Welt in entscheidendem Ausmaß. Damit gilt Kategorisieren als zentrale menschliche Kompetenz, die für erfolgreiches Handeln in vielerlei Situationen unerlässlich ist. Von mehreren Theorien des Autismus (z.B. Enhanced Discrimination, Enhanced Perceptual Functioning, Predictive Coding) wird postuliert, dass autistische Menschen Kategorien anders als neurotypische Menschen bilden.

Fragestellung: Um einen systematischen Forschungsüberblick zu erhalten, führten wir erstmalig eine Metaanalyse durch. Unter Einschluss von Studien, die Gruppen von autistischen und nicht-autistischen Personen verglichen, untersuchten wir, ob und inwieweit sich autistische Personen im Kategorienlernen von nicht-autistischen Personen unterscheiden. Darüber hinaus untersuchten wir Moderatorvariablen, die die Variabilität zwischen den Studien erklären können.

Methode: Um alle relevanten Studien zu erfassen, führten wir eine Literaturrecherche in ERIC, PsycInfo, MEDLINE und Web of Science durch, und zwar jeweils mit folgendem Suchterm: (autis* OR asd OR pdd OR asperg*) AND (category* OR concept* OR prototype OR schema OR script). Darüber hinaus führten wir eine manuelle Suche durch und prüften die Literaturverzeichnisse narrativer Reviews (Mercado et al., 2020; Patry & Horn, 2019; Vanpaemel & Bayer, 2021) sowie die der zehn neuesten inkludierten Titel.

Ergebnisse: Eine Mehrebenen-Metaanalyse mit k = 50 Studien, die n = 1.220 autistische und n = 1.445 nicht-autistische Personen basierend auf 112 Effektgrößen in Bezug auf die standardisierte mittlere Differenz verglichen, ergab eine niedrigere Kategorisierungsfähigkeit für autistische im Vergleich zu nicht-autistischen Personen, g = –0,55, 95% KI = [–0,73, –0,38], p < ,0001. Laut Moderatoranalysen [unter Einbezug von Alter, Veröffentlichungsjahr, Bias-Risiko, Art der Kontrollgruppe (gematcht vs. nicht gemacht bzgl. IQ), IQ der autistischen Gruppe, Prozentsatz der männlichen autistischen Teilnehmer, Art der Kategorie (isoliert vs. relational), Art der Aufgabe (Informationsintegration vs. Prototypenverzerrung vs. regelbasiert), und Art des abhängigen Maßes (Akkuratheit vs. Geschwindigkeit)] wurde die signifikante Heterogenität, Q(111) = 617,88, p < .0001, nur durch die Studiensprache signifikant erklärt (Hebräisch: g = −1,28; Englisch: g = −0,46). Obwohl Hat-Werte und die Cook-Entfernungsstatistik die Robustheit der Ergebnisse bestätigten, deuteten Eggers Test und ein Trichterdiagramm auf das Vorhandensein von Publikationsbias hin, und zwar im Sinne einer Überrepräsentation nachteiliger Befunde für autistische Gruppen.

Diskussion und Implikation für Theorie und Praxis: Die identifizierten Schwierigkeiten beim Kategorienlernen könnten bereits bekannte Lernauffälligkeiten autistischer Menschen, beispielsweise beim Wortschatz- und Konzeptaufbau, mit erklären. Zudem zeigen die aktuellen Ergebnisse einen gezielten Förderbedarf bei autistischen Menschen für das Erlernen von Kategorien an.



LONDI – Eine Online-Plattform zur individuellen Diagnostik und Förderung von Lernstörungen

J. Zarić1, A. Fischbach1, K. Thomas1, G. Schulte-Körne2, M. Hasselhorn1

1DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation; 2Klinikum der Universität München – Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

Abstract

Die LONDI Online-Plattform unterstützt sowohl Eltern und Lehrkräfte als auch Fachkräfte der Schulpsychologie und Lerntherapie im Umgang mit Grundschulkindern, die Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen haben. Die kostenfrei nutzbare Online-Plattform enthält folgende drei Komponenten: (1) ein Informationsportal mit evidenzbasiertem Wissen über Lernstörungen und praktischen Handlungsempfehlungen, (2) ein App-basiertes Screeningverfahren zur Einschätzung des Förderbedarfs bei Kindern ab Ende Klasse 1, und (3) das LONDI-Hilfssystem zur Planung einer individuellen Diagnostik und Förderung bei Kindern mit festgestellten Förderbedarf. In derzeit durchgeführten Implementations- und Evaluationsstudien werden Gelingensbedingungen und Optimierungsmöglichkeiten identifiziert, um die LONDI Online-Plattform zukünftig flächendeckend nutzen zu können.

Zusammenfassung

Ausgangspunkt

Jedes dritte Grundschulkind in Deutschland zeigt deutliche Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen. Bei etwa der Hälfte dieser Kinder liegt eine Lernstörung vor (Fischbach et al., 2013). Diese ist oft von psychischen Belastungen etwa in Form von Ängsten begleitet (Visser, Büttner, & Hasselhorn, 2019) und auch ein erhöhtes Risiko langfristiger schwerwiegender Folgen für den Bildungs- und Berufserfolg ist gegeben (Esser, Wyschkon, & Schmidt, 2002). Eine frühzeitige Diagnostik und eine wirksame Förderung sind daher wünschenswert, deren Planung und Umsetzung derzeit eine herausfordernde Hürde für das professionelle Umfeld betroffener Kinder darstellen.

Konzept

Die LONDI Online-Plattform hat zum Ziel, die Expertise im Umgang mit Lernschwierigkeiten zu erweitern, um betroffene Kinder bestmöglich evidenzbasiert zu unterstützen. Adressiert werden Eltern, Lehrkräfte und Fachkräfte aus Lerntherapie und Schulpsychologie. Die als „open educational ressource“ aufgesetzte Online-Plattform besteht aus drei Komponenten: Da ist zum einen ein Informationsportal mit wissenschaftlich abgesichertem Wissen zum Erkennen von und für den evidenzbasierten Umgang mit Lernstörungen. Die Informationen sind zielgruppen- und störungsspezifisch aufbereitet und enthalten praktische Handlungsempfehlungen wie beispielsweise ein Coaching für Eltern und Fördermöglichkeiten für Lehrkräfte.

Zweitens wird ein eigens entwickeltes App-basiertes Screeningverfahren zur Verfügung gestellt. Es ermöglicht eine ökonomische Einschätzung des Förderbedarfs eines Grundschulkindes ab Ende von Klasse 1 in den Basiskompetenzen des Lesens, Rechtschreibens und Rechnens.

Die dritte Komponente ist das LONDI-Hilfssystem, dass sich an das Screening anschließt. Es dient der Planung einer individuellen Diagnostik und Förderung für Kinder mit festgestelltem Förderbedarf. Grundlage dafür stellt eine Datenbank mit Diagnostik- und Förderverfahren dar, die festgesetzte wissenschaftliche Qualitätsstandards (u. a. psychometrische Gütekriterien, Evidenz) erfüllen. Außerdem wurde pragmatisch ein theoretisch fundiertes generisches Kompetenzstufenmodell entwickelt, das es erlaubt, individuelle Kompetenzprofile zu bestimmen und die dazu am besten passenden Förderverfahren zu identifizieren. Dadurch kann der Einsatz von individuell geeigneten Testverfahren geplant werden, die einen hohen Informationsgehalt für das Kompetenzprofil eines Kindes mit per Screening festgestelltem Förderbedarf haben. Auf der Basis individueller diagnostischer Testergebnisse kann das LONDI-Hilfssystem zum Ergebnisprofil des Kindes passende Förderverfahren ermitteln, die dazu geeignet sind, jene Kompetenzstufen zu fördern, auf denen Förderbedarf besteht.

Ausblick

Die Nutzung von LONDI wird derzeit im Rahmen von Studien mit den genannten Zielgruppen erprobt. Dabei sollen Optimierungsmöglichkeiten und Gelingensbedingungen für ihre wirksame Implementierung etwa für die wirksame Nutzung in Grundschulen identifiziert werden. Langfristig ist geplant, LONDI flächendeckend nutzbar zu machen.



Lernpfad-Mentoring: Evaluation eines 1:1-Mentorings für begabte Schüler/-innen in ihrer Talentdomäne

B. Matthes1, K. Emmerdinger1, A. Ziegler2, H. Stöger1

1Universität Regensburg; 2Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Abstract

Obwohl Mentoring ein wirksames Mittel zur Talentförderung darstellt, müssen Mentoring-Programme forschungsbasierte Empfehlungen berücksichtigen, um effektiv zu sein. Wir evaluieren die Wirksamkeit des auf Basis dieser Empfehlungen entwickelten Lernpfad-Mentorings. Bei diesem dreijährigen 1:1-Mentoring begleiten Lehrkräfte Sekundarschüler/-innen, die in einer bestimmten Talentdomäne (Schulfach) besonders motiviert und leistungsstark sind, in wöchentlichen Treffen.

Zur Evaluation standen Längsschnittdaten von vier Messzeitpunkten aus vier Schuljahren zur Verfügung. Erste Analysen zeigen eine bessere Entwicklung von Mentees (N = 76) im Vergleich zu Nicht-Mentees (N = 1465) hinsichtlich all dieser Outcomes (z. B. Aktivitäten und Berufswahlabsichten) bei Kontrolle für den jeweiligen Ausgangswert.

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund

Obwohl Mentoring ein wirksames Mittel zur Talentförderung darstellt, müssen Mentoring-Programme forschungsbasierte Empfehlungen berücksichtigen, um effektiv zu sein (Stoeger et al., 2021). Dazu gehört die Auswahl von passenden Mentees, umfassende Förderdiagnostik, Arbeit mit Zielen, ausreichende Programmlaufzeit, Professionalisierung der Mentoren/-innen sowie Austauschmöglichkeiten und Begleitung (siehe z. B. Christensen et al., 2020; DuBois et al., 2002). Wir evaluieren die Wirksamkeit eines dreijährigen 1:1-Mentorings, das auf Basis dieser Empfehlungen entwickelt wurde. Bei diesem Mentoring begleiten Lehrkräfte Sekundarschüler/-innen, die in einer bestimmten Talentdomäne besonders motiviert und leistungsstark sind. Damit richtet sich das Programm an eine Zielgruppe, für die kaum schulbasierte Mentorings vorliegen. Die Mentoring-Paare nutzen die Ergebnisse einer vorausgehenden Förderdiagnostik, um Ziele zu setzen und einen Lernpfad zu planen, der es der/dem Mentee ermöglicht, diese Ziele zu erreichen – und der während des Mentorings wiederholt reflektiert und angepasst wird. Am Programm nahmen 111 Mentoring-Dyaden aus 27 Sekundarschulen teil.

Fragestellung

Untersucht wurde, ob Mentees am Ende des Mentoring-Zeitraums im Vergleich zu Nicht-Mentees bessere Werte für verschiedene Erfolgskriterien aufweisen (z. B. Umfang an Aktivitäten sowie Studien- und Berufswahlabsichten im jeweiligen Fach) – unter Berücksichtigung des jeweiligen Ausgangswertes zu Mentoring-Beginn und unter Kontrolle für Schulleistung sowie Selbstkonzept, Interesse und Qualität der Lernumwelt im jeweiligen Fach.

Methode

Zur Evaluation standen Längsschnittdaten von vier Messzeitpunkten zur Verfügung: Schuljahresbeginn 19/20 sowie Schuljahresende 19/20, 20/21 und 21/22 (76 Mentees und 1465 Nicht-Mentees; zu Beginn 12,8 Jahre, SD = 1,2, Klassenstufen 5 bis 10). Erfasst wurden beispielsweise der Umfang der Aktivitäten im jeweiligen Fach (α = .86), die Beschäftigung damit in der Freizeit (α = .88) sowie Studien- und Berufswahlabsichten (α = .87).

Ergebnisse

Erste Analysen zeigen eine bessere Entwicklung der Mentees im Vergleich zu Nicht-Mentees für alle Outcomes (unter Kontrolle für den Ausgangswert des jeweiligen Outcomes sowie die restlichen Kontrollvariablen).

Diskussion

Die meisten Effekte liegen im oberen Bereich dessen, was mit Mentoring-Programmen üblicherweise erreicht wird (d = .34 bis .68; Allen et al., 2004; DuBois et al., 2002). Als Nächstes soll untersucht werden, welche Faktoren Mentoring-Erfolg und Mentoring-Abbruch vorhersagen (unter Berücksichtigung der Daten von Mentee-Eltern und Mentoren/-innen).

Implikationen für Theorie und Praxis

Die Befunde deuten darauf hin, dass ein solches Mentoring im schulischen Kontext erfolgreich umgesetzt werden kann. Neben den primär beabsichtigten Effekten hinsichtlich Aktivitäten und Beschäftigung in der Freizeit zeigen sich auch positive Nebeneffekte im Hinblick auf Berufswahlintention im jeweiligen Fach.

Literatur

Allen, T. D., Eby, L. T., Poteet, M. L., Lentz, E., & Lima, L. (2004). Career benefits associated with mentoring for protégeé: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 89(1), 127–136. https://doi.org/10.1037/0021-9010.89.1.127

DuBois, D. L., Holloway, B. E., Valentine, J. C., & Cooper, H. (2002). Effectiveness of mentoring programs for youth: A meta-analytic review. American Journal of Community Psychology, 30(2), 157–197. https://doi.org/10.1023/A:1014628810714

Stoeger, H., Balestrini, D. P., & Ziegler, A. (2021). Key issues in professionalizing mentoring practices. Annals of the New York Academy of Sciences, 1483(1), 5–18. https://doi.org/10.1111/nyas.14537



 
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