Ecomodern masculinity und ecological entitlement: Widerstände gegen eine (pro-)feministische, sozial-ökologische Transformation
Johannes Korak
Universität Wien, Österreich
Sozial-ökologische Transformationskonflikte sind Schauplätze umkämpfter Geschlechterverhältnisse und Männlichkeiten. Die Geringschätzung der „environmental reproduction“ (Barca 2020: 31) im Besonderen, der sozialen Reproduktionsarbeit im Allgemeinen und die Figur des weißen, SUV-fahrenden Mannes im Globalen Norden weisen die Bedeutung von Geschlecht in der Analyse von sozial-ökologischen Transformationskonflikten aus. Obwohl der umweltverschmutzende Autofahrer mit unterschiedlichen Männlichkeiten assoziiert wird (vgl. Behrensen 2020: 5ff.; Daggett 2018: 28ff.; Brand, Wissen 2017: 140) fehlen empirische Arbeiten, die sich aus der Perspektive der Kritischen Männlichkeitsforschung (vgl. Connell 2012: 71) mit dieser Figur auseinandersetzen.
Für meine Masterarbeit habe ich neun Interviews mit Männern geführt, in deren Alltag – ob in der Erwerbsarbeit oder Freizeit – das Auto im Mittelpunkt steht. Ich sprach mit den Interviewpartnern über die Bedeutung des Autos für ihren Lebensentwurf, die globale Erwärmung, die Mobilitätswende oder über den politökologischen Konflikt um die Lobau-Autobahn in Wien (2021). Die Interviewten zweifelten nicht an der Existenz des Klimawandels und priesen die Elektromobilität als Lösung. Zugleich sprachen sie sich weder für die Aufwertung von Reproduktionsarbeit aus, noch stellten sie sich gegen den Bau der Lobau-Autobahn. Diese Haltungen weisen für mich auf die Hegemonie der ecomodern masculinity (Hultman 2021: 12) hin, die von der Figur Elon Musk symbolisiert wird und die Fortsetzung eines männlichen ecological entitlement ermöglicht. Dieser Mechanismus, den ich in Anlehnung an Manne (2021: 19, 110) konzipiere, stellt die männliche Inanspruchnahme von ökologischen Systemen für männliche Praxen und somit die Absicherung einer hegemonialen männlichen Position in Geschlechterverhältnissen sicher.
In meiner Posterpräsentation werde ich zuerst empirisches Material vorstellen, das die Hegemonie der ecomodern masculinity darlegt. Im Anschluss gehe ich auf den Mechanismus ecological entitlement ein, der nicht nur Widerständen gegen eine sozial-ökologische und (pro-)feministische Transformation zugrunde liegt. Vielmehr kann dieser Begriff erklären, warum trotz der Anerkennung des Klimawandels Akteure ökologisch zerstörende Praktiken ausüben.
Petromaskuline Neogemeinschaften in der Klimakrise (Poster)
Julian Niederhauser
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
Das Poster präsentiert empirische Einblicke und darauf gestützte vorläufige Ergebnisse eines laufenden Promotionsprojekts zu anti-ökologischen Einstellungen. Anhand des Fallbeispiels eines subkulturellen Kollektivs beleuchtet es die sozialen und subjektiven Möglichkeitsbedingungen ausdrücklich transformationsfeindlicher Äußerungen wie etwa das Ästhetisieren spritfressender Pick-Up-Trucks, verbale Aggressionen gegenüber ökologisch Aufgeschlossenen oder karnivore Selbstinszenierung.
Die ethnografische und interviewbasierte Analyse erfolgt aus einer sozial-ökologisch erweiterten relational-soziologischen Perspektive (Eversberg et al. 2022). Diskurse, Riten und Styles der Subkultur werden dabei in Bezug zu den sozial spezifischen Alltagswelten und mentalen Dispositionen der Gruppenangehörigen gesetzt. Betrachtet werden die häufig provokativ überspitzten transformationsfeindlichen Äußerungen somit als symbolische Kampfhandlungen (Bourdieu 1989) im Kontext eines sozial-ökologischen Transformationskonflikts (Eversberg 2023).
Eine vorläufige Auswertung des empirischen Materials legt nahe, die untersuchte subkulturelle Gruppe als petromaskuline Neogemeinschaft zu begreifen: Petromaskulin (Daggett 2018) ist sie insofern, als das Verbrennen fossiler Kraftstoffen zu hypermaskulinistischen Riten stilisiert wird. Demonstrativ wird sozial-ökologischen Transformationsanforderungen mit Unnachhaltigkeit begegnet und damit auf eine wahrgenommene Bedrohung der eigenen relativ privilegierten sozialen Stellung aus mehreren Richtungen des sozialen Raums reagiert. Verteidigt werden neben klimaschädlichen Alltagspraxen etwa auch die Wertigkeit technischer und beruflicher Fähigkeiten sowie moralische Vorstellungen von Leistungsgerechtigkeit und Kameradschaftlichkeit. Als Neogemeinschaft (Reckwitz 2017) lässt sich dieser Zusammenschluss charakterisieren, weil er den Gruppenangehörigen eine egalitäre Zufluchtsstätte inmitten der Wettbewerbsgesellschaft bietet. Anstelle in der Konkurrenzsituation auf individuelle Besonderung (zB mittels exklusiver Wissensressourcen, öko-distinktiver Lebensstile, aktivistischer Selbstinszenierung) zu setzen, wie es Transformationsoffenen (Klimaaktivist:innen, Grünwählende, E-Auto-Fahrende) zugeschrieben wird, ziehen sich die Gruppenangehörigen in ein affektiv aufgeladenes einzigartiges Kollektiv aus „Einfachen“, „Bodenständigen“, „Bekloppten“ zurück.
Sozial-ökologischer Transformationskonflikt oder nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit? Ein Streitgespräch
Hauke Dannemann1, Dennis Eversberg2
1Wirtschaftsuniversität Wien; 2Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
Infrastrukturprojekte um die Energiewende sehen sich zunehmend Widerständen ausgesetzt, die sich in der Zivilgesellschaft mitunter unter Befeuerung und Unterstützung durch nationalistisch-autoritäre Kräfte organisieren. Harsche Vorwürfe von Fortschrittsfeindlichkeit und ‚öko-diktatorischer‘ Gesinnung werden auch in der breiteren Öffentlichkeit schnell laut, wenn transformative Forderungen nach einem ökologischen Umbau der Landwirtschaft oder einer Mobilitätswende gestellt werden. Auch jüngere Aktionen des zivilen Ungehorsams der Klimabewegung haben – mitunter gewalttätige – Reaktionen hervorgerufen, die von einem Beklagen von Hysterie bis zur Delegitimierung durch die Behauptung einer Nähe zu terroristischen Praktiken reichen. Neben solchen intentionalen und expliziten Widerständen und Gegenbewegungen zu sozial-ökologischen Transformationsanliegen manifestieren sich unterschwelligere Widerstände auf der Ebene der Persistenz nicht-nachhaltiger Gewohnheiten, Ansprüche und Selbstverständlichkeiten aber auch bei solchen Akteuren, die sich als Unterstützer:innen einer Transformation verstehen.
Wie lassen sich solche Widerstände soziologisch deuten? Zur Beantwortung dieser Frage liegen konkurrierende soziologische Deutungsangebote vor. Strittig ist aktuell etwa, ob es sich dabei um Anzeichen eines zusehends eskalierenden sozial-ökologischen Transformationskonflikts handelt, in dem sich pro- und anti-transformative Kräfte zunehmend konfrontativ gegenüberstehen, oder ob der Fokus auf offene Gegnerschaften nicht eher tiefer liegende Persistenzen und eine übergreifende Bündniskonstellation der nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit verschleiert. In einem Streitgespräch gehen Hauke Dannemann (IGN, WU Wien) und Dennis Eversberg (Nachwuchsgruppe flumen, FSU Jena) der Tragfähigkeit dieser soziologischen Analyseperspektiven auf den Grund, indem ihre Gegensätze, aber auch ihre analytischen Synergien in den Blick genommen werden.
Abstract zur Postersession: Teilhabe-/Auschlussdynamiken in sozial-ökologischen Transformationsräumen
Ann-Katrin Kastberg
Institut für Sozialforschung (Frankfurt/Main), Deutschland
In dem Promotionsprojekt untersuche ich die politischen Auswirkungen von Teilhabe- und Ausschlusserfahrungen im Zuge der sozial-ökologischen Transformation in der Lausitz. Damit möchte einen qualitativ-empirischen Beitrag zur Debatte über den Zusammenhang von erstarkendem Rechtspopulismus und Klimafragen einbringen (vgl. Sommer et al. 2022).
Während die Lausitz aufgrund des beschlossenen Kohleausstiegs bis 2038 klimapolitische Maßnahmen umsetzen muss, erstarkt dort mit der AfD zeitgleich eine rechtsautoritäre Partei, die die Klimakrise weitestgehend leugnet. Diese parallel verlaufenden Entwicklungen deuten beispielhaft auf Konflikte im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation hin (vgl. Gürtler et al. 2021). Die Abkehr von der Braunkohle, die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine identitätsstiftende Bedeutung für die Menschen in der Region hat, erfordert einen umfassenden Strukturwandel. Die hohen Wahlergebnisse für den „autoritären Nationalradikalismus“ (Heitmeyer) der AfD in der Lausitz werden als Ausdruck eines Unmuts mit diesem Strukturwandel interpretiert (vgl. Gürtler et al. 2021; vgl. Lorenz/Träger 2020). Mehr noch als es in der Forschung bislang geschieht, möchte ich auf die Rolle von Teilhabe-/Ausschlussdynamiken hinweisen: die Erfahrung verwehrter Teilhabe, die teils ganz unmittelbar auf materiellem Ausschluss beruhen, teils auch auf die Herausforderung „symbolischer Machtpositionen“ (Lessenich) ist meiner These nach von zentraler Bedeutung für regressiven politischen Wandel. Dabei spielen auch Erfahrungen der Wendezeit gegenwärtig wieder eine relevante Rolle. Kurz: Wo aufgrund gesellschaftlicher Transformationen Erfahrungen von Ohnmacht, Abgehängt-Sein und Bedeutungsverlust gemacht werden, findet sich ein Nährboden für gruppenfeindliche Affekte, Einstellungen und Weltbilder (vgl. Heumann/Nachtwey 2021) – und dies umso mehr, wo der ohnehin bedrohliche Wandel der Klimakrise mit Gefühlen von politisch verursachter Destabilisierung und des Kontrollverlusts einhergehen. Um diese Hypothesen zu prüfen, erhebe ich narrative Interviews, die ich mittels tiefenhermeneutischer Interpretation auswerte.
Den theoretischen Rahmen der Arbeit stellen Ansätze der Kritischen Theorie, die die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Faktoren und psychischen Dynamiken des Individuums in der Genese antidemokratischer Einstellungen fokussieren.
Freiheit von ‚der‘ Gesellschaft. Prepping und Öko-Individualismus als Formen eines widersprüchlichen Rückzugs
Anna Rosa Ostern
Institit für Sozialforschung (Frankfurt/M), Deutschland
Das Promotionsvorhaben untersucht Rückzugsbewegungen in (spät-)modernen Gesellschaften: Hierfür werden zwei Gruppen – Prepping und Öko-Individualismus – als zwei Formen eines widersprüchlichen Rückzugs untersucht. Neben zentralen Unterschieden dieser zwei Gruppen – Prepper:innen versuchen eine Autarkie vom Staat und seinen Institutionen und Infrastrukturen herzustellen und Öko-Individualist:innen versuchen Autarkie in Hinsicht auf Energie- und Nahrungsmittelversorgung von kapitalistisch geprägten Produktionssystemen zu erlangen – zeigen sich relevante Gemeinsamkeiten. So der Modus der Selbstversorgung, das Vorherrschen von Zukunftsangst sowie den Rückzug ins Individuelle hin. Diese und weitere Gemeinsamkeiten werden mit einem besonderen Fokus auf die zugrundeliegenden psychischen Motive und Dynamiken untersucht (qual. Interviewstudie).
Als Moment der Zuspitzung gegenwärtiger Gesellschaft werden der Klimawandel und die sozial-ökologischen Transformationsbestrebungen und -Anforderungen an das Subjekt angenommen: Während Prepping eher auf ein allgemeines Krisengefühl reagiert, durch ein apokalyptischen Denken bestimmt und beispielsweise durch die Praxis des Anhäufens von Vorräten als eine eher anti-transformative Praxis einzuschätzen ist, zeichnet sich bei dem Phänomen Öko-Individualismus ein ambivalentes Widerspiel zwischen regressiven und emanzipatorischen Inhalten ab. Einerseits werden nachhaltige Lebensformen, so beispielsweise eine ressourcenschonende Energieproduktion, aktiv gelebt. Andererseits finden diese im Modus des Rückzugs, das heißt ohne Rückbindung an eine nachhaltige Verankerung dieser Praxen in kollektive Prozesse statt. Beide verbindet, dass sich in je individualisierter Weise mit kollektiv relevanten Fragen, so die Verhandlung möglicher Krisen oder der Frage sozial-ökologischer Transformation, auseinandergesetzt wird.
Der Beitrag befasst sich mit der im Call angesprochenen Frage nach Praxen anti-transformativer Bottom-Up-Widerstände – wobei diese sich im Projekt im Spannungsfeld von wahrgenommener lebenspraktischer Eigenverantwortung und Rückzug aus den Arenen kollektiver Aushandlung befinden. Bei diesen Praktiken handelt es sich nicht um Pauschalablehnungen nachhaltiger Politiken und Lebensweisen, jedoch zeigt sich, so die These des Forschungsvorhabens, ein höchst individualisierter Bearbeitungsmodus eines kollektiven Konflikts.
Automobile Emotionen als Transformationshindernis
Melissa Büttner
FSU Jena, Deutschland
Der Automobilismus erlebt aktuell im Zuge der politisch anvisierten Elektrifizierung der deutschen Automobilflotte ein grünes Wiedererwachen. Das Autofahren, insbesondere mit dem aus sozialer und ökologischer Perspektive vielfach kritisierten SUV, scheint laut Automobilindustrie und diversen politischen Gruppierungen nun auch als „nachhaltige“ Lebenspraxis möglich zu sein. Dies ermöglicht auf individueller Ebene eine neue Bewertung und emotionale Bezugnahme zur eigenen Automobilität. Das Poster „Automobile Emotionen als Transformationshindernis“ stellt erste Ergebnisse einer qualitativen Studie zu Emotionen, die E-Autofahrende gegenüber ihrem Auto und der anvisierten Transformation im Mobilitätssektor haben, vor. Dabei wird hervorgehoben, wie das zentrale emotionale Narrativ, die Liebe zum Automobil, in den letzten Jahren in die Krise geraten ist – die automobile Lebensweise immer mehr zur Zielscheibe ökologischer Kritik wurde – und nun durch die Elektrifizierung neu konfiguriert wird. Die empirische Analyse von emotionalen Narrativen von E-Autofahrenden zeigt, wie Konflikte um die sozial-ökologische Transformation auf emotionaler Ebene verhandelt werden, welche Herausforderung damit an automobile Subjekte gestellt werden und welche neuen und alten emotionalen Narrative zum Auto als sich alltagsweltliche Widerstandspotenziale verstehen lassen.
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