Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
P 163/103/110: Abhängigkeiten im Kontext einer Mediatisierung von Macht
Zeit:
Samstag, 30.09.2023:
10:00 - 11:30

Chair der Sitzung: Kathrin Friedrich, Institut für Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft
Ort: Raum 5

Raum 0.001

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Präsentationen

Out of the box: Künstlerische Remediationen gegen die kolonialen Kontinuitäten der Ausstellungsdisplays ethnographischer Museen

Sophie Lembcke

Universität Bayreuth, Deutschland

Mein Promotionsprojekt untersucht die Kontinuitäten der epistemologischen Gewalt von Ausstellungsdisplays aus der Gründungszeit der ethnographischen Museen im Deutschen Reich um 1900. Dabei wird deutlich, dass die Bedeutung der musealisierten Dinge abhängig ist von medialen Praktiken. Basierend auf meinem Verständnis von Ausstellungsdisplays als kooperative Grenzobjekte befasst sich meine Arbeit darauf aufbauend mit rezenten kuratorischen Rekonfigurationen der Displays sowie künstlerischen Remediationen der Dinge.

Im Vortrag werde ich anhand ausgewählter historischer Ausstellungsdisplays ihre epistemologische Gewalt bei der musealen Wissensproduktion und -vermittlung explizieren. Ich fokussiere dabei auf (1) die Objektifizierung der Dinge als Kunstwerk oder Artefakt, (2) die Hierarchisierung von Kulturen anhand einer Anordnung der musealisierten Objekte entlang einer unilinearen Fortschrittserzählung und (3) die Exotisierung und Konsumtion der "Anderen" in Dioramen. In medialen Assemblagen konstruieren diese Displays kulturelle Stereotype und schreiben koloniale Repräsentationen fort.

Nachfolgend betrachte ich exemplarische kuratorische und künstlerische Ansätze, welche die Mediatisierung direkt adressieren. Die kuratorischen Ansätze fokussieren auf den Aspekt der Kollaboration diverser Akteure im Ausstellungsraum, während die künstlerischen Performances den tanzenden Körper als Verbindung zu multiplen Archiven für die Remediation verwenden. Der Vortrag stellt die Ergebnisse der Analyse von historischen Ausstellungsdisplays vor und erläutert eines der rezenten künstlerischen Fallbeispiele.

S.L. ist wiss. Mitarbeiterin im Exzellenzclusters Africa Multiple der Universität Bayreuth und war wiss. Mitarbeiterin in dem Forschungsverbund Übersetzen und Rahmen der HFBK Hamburg. Sie schreibt derzeit ihre Dissertation in der BIGSAS und gab zuletzt den Sammelband Archive Dekolonialisieren heraus. Sie ist Teil der kollektiven künstlerischen Leitung des Berliner Ringtheaters.



Verschwinden und (Wieder-) Auftauchen. Mikroästhetik im Archivmilieu

Lilli Hallmann

Bauhaus-Universität Weimar, Deutschland

Im Zentrum der Untersuchung stehen Dokumente, die vom verwaltungstechnischen Alltag der thüringischen NS-Ärzteschaft zeugen und zunächst „harmlos“ wirken. Im Sinne der ANT jedoch wird das Archivgut als ein mobiles Netzwerk erkennbar, in dem sich auch die vermeintlich „unschuldigen“ bürokratischen Praktiken als in die NS(Medizin)-Verbrechen verstrickt zeigen. Folgt man mittels mikroästhetischer Perspektive den archivarischen Spuren, gibt sich zwischen Briefen und Tabellen die ästhetische Figur des Verschwindens und Auftauchens zu erkennen.

Ob Existenzweisen als anwesend oder verschwunden gelten, hängt davon ab, welchen Akteur:innen überhaupt Handlungsmacht zugesprochen wird. Kommen Spuren innerhalb einer anthropozentrischen Sicht lediglich als etwas Übriggebliebenes in den Blick, deutet die Präsenz von Spuren (im Archiv) im Rahmen einer medienanthropologischen Denkweise auf eine Allgegenwärtigkeit vielfältiger Existenzweisen menschlicher und nicht-menschlicher Akteur:innen hin.

In diesem Setting äußert sich Abhängigkeit nicht als negative, einschränkende Form des Miteinanders. Vielmehr zeigt sie sich hier als ein notwendiger Modus des Existierens, der mannigfaltige Verschränkungen organischer und nicht-organischer Entitäten und ein fortwährendes Erweitern von Netzwerken ermöglicht.

Dass Abhängigkeit ein existenzweisenförderndes Phänomen darstellt, möchte ich an einem konkreten Pfad exemplifizieren, der seinen Ausgangspunkt in einer archivierten Korrespondenz unter NS-Ärztefunktionären nimmt und letztlich zu einem „Lost-place“ in Thüringen führt, an dem mittlerweile Fledermäuse ein zu Hause gefunden haben.

Latour, Bruno: Die Logistik der immutable mobiles, in: Döring, Jörg und Thielmann, Tristan (Hg.): Mediengeographie. Theorie – Analyse – Diskussion, Bielefeld 2009, S. 111–144.

Lilli Hallmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Archiv- u. Literaturforschung an der Bauhaus-Universität Weimar (BUW) sowie am Graduiertenkolleg Medienanthropologie (BUW).



Psychotherapie in virto, nicht in vivo: Mikropolitiken der Virtual Reality Exposure Therapy (VRET)

Jakob Cyrkel

Universität Paderborn, Deutschland

In populären wie medizinischen Diskursen (Müller 2022) wird Psychotherapien eine zunehmende Abhängigkeit von digitalen Medien attestiert, z.B. in Onlineberatung, Plattform-Therapie, Sprach- und Videotelefonie oder VR-Therapie (Machulska et al. 2021). Diese spezifische Konstellation produziert jedoch mehrdimensionale Abhängigkeiten, denen ich am Beispiel der Virtual Reality Exposure Therapy (VRET) nachgehen möchte: VRET-Anwendungen nehme ich als mediale Praktiken aus einer mikropolitischen Perspektive in den Blick, wobei ein Ziel meiner Ausführungen ist, die politischen Implikationen und Machteffekte dieser Form der medial vermittelten Therapie sichtbar zu machen (Seier 2019, 25). Das im Dispositiv (Foucault 1978, 120) der VRET (re-)produzierte Bildwissen steht aber nicht für sich, sondern ist von übergeordneten Diskursen abhängig, die die VRET im Spannungsfeld von notwendiger psychologischer Versorgung und optionaler „Selfcare“ – verstanden als neoliberale Selbstoptimierung – situieren. Häufig ist im Zusammenhang mit der VRET nämlich von einer „kostengünstigen“, „flexiblen“, „individuellen“ oder „sicheren“ Alternative zur herkömmlichen Psychotherapien die Rede, wobei nicht nur der Aspekt autonomisierender Selbstsorge adressiert wird, sondern auch der einer neoliberalen Aufrechterhaltung der Arbeitskraft eines latent überforderten Subjekts (Seier 2019, 15-16).

  • Machulska, A. et al.: Der Einsatz von Virtueller Realität in der Psychotherapeutischen Praxis, in: Psychotherapie Forum 25/2021, S. 169-176.
  • Seier, A.: Mikropolitik der Medien, Berlin 2019.
  • Foucault, M.: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin 1978.
  • Müller, M.: VR Therapie Überblick, URL: https://www.vtplus.eu/vr-therapie/ (18.11.2022, abgerufen am 31.03.2023).