Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
AGS 189: Das Planetarische hervorbringen
Zeit:
Samstag, 30.09.2023:
10:00 - 11:30

Ort: Raum 7

Raum 1.004

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Präsentationen

Das Planetarische hervorbringen

Chair(s): Andreas Weich (Braunschweig Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut), Nicola Przybylka (Ruhr-Universität Bochum, Deutschland)

Das Planetarische geht von vielfältigen Abhängigkeiten zwischen Menschen, Pflanzen, Tieren, Technologien, Ressourcen u.a.m. aus, die in ihrer Gesamtheit und ihren Wechselwirkungen zu denken sind. Auch das Verhältnis von Medien, Bildung und dem Planetarischen ist von vielerlei Abhängigkeiten gekennzeichnet. So sind Medien zum einen durch ihre Materialitäten Teil des Planetarischen selbst, insofern sie von den Ressourcen des Planeten abhängen und an seiner Gestalt beteiligt sind. Zum anderen sind Medien notwendige Voraussetzung, um das Planetarische als Wissensgegenstand hervorzubringen. Dabei prägen sie durch ihre je eigenen „Repräsentations-, Registrierungs- und Aufzeichnungsregimes“ (Call) die (Nicht-)Wahrnehmung des Planetarischen.

Mit Blick auf Bildung stellt das Symposium die Frage, wie welche Medien das Planetarische darstellen, adressieren und vermitteln (können). Dabei rückt die Idee gegenseitiger Abhängigkeiten von Mensch, Medien und dem Planetarischen in den Blick und verlangt eine Revision unseres Verhältnisses zu uns selbst, zur Welt sowie zu Anderen und zum Anderen. Damit sind bildungstheoretische und -praktische Fragen adressiert. Gleichzeitig kann an medienkulturwissenschaftliche Positionen angeschlossen werden, die Souveränitätsfiguren traditionell infrage stellen.

Als Alternative zur Bildung für nachhaltige Entwicklung wird die Denkfigur des Planetarischen in erziehungswissenschaftlichen und medienpädagogischen Diskursen bereits diskutiert. Das Aufgreifen des Themas auf der Jahrestagung der GfM soll die Sichtbarkeit der Medienwissenschaft als relevante und fruchtbare Bezugsdisziplin für diese Diskurse verdeutlichen. Das Symposium der AG Medienkultur und Bildung ist daher als Diskussionsformat mit kurzen Inputs aus den Medien- und Erziehungswissenschaften sowie der Kunstvermittlung geplant, in denen die Referent*innen darlegen, wie Medien aus ihrer Sicht das Planetarische vermitteln und/oder als planetarischer Faktor reflektiert werden können.

 

Beiträge des Symposiums

 

Wie man sich den Planeten vorstellen kann – zur Verflechtung von Natur, Kultur und Gesellschaft

Juliane Engel
Goethe-Universität Frankfurt

Becoming planetary als Praxis zu verstehen, bedeutet u. a. ästhetisch-mediale Repräsentationen der Welt oder des Planeten als Basis für politische Denkfiguren zu untersuchen: Schon 1997 schreibt Spivak (2016, S. 338): „The globe is on our computers […] No one lives there“. Sie legt dar, warum computerbasierte Berechnungsmethoden, die die Erde oder den Planeten als eine in sich geschlossene Einheit (re)präsentieren, inhärent problematisch sind. Jennifer Gabrys greift diese Argumentationslinie auf, indem sie das ‚being planetary‘ als Praxis computerbasierter/rechnerischer Repräsentationen identifiziert. Gabrys argumentiert: „rather than bringing the Earth into view as a total object, as is often discussed through the figure of Earthrise, the planetary remains that which cannot be fixed or settled. The planetary resists representation” (Gabrys, 2018, para. 7). Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive lässt sich dies mit der Idee einer neuen Form der Subjektivierung verbinden, die das Planetarische programmatisch begreift als “the difference, distance, and duration with, within, and against which it might be possible to think differently about being human and becoming collective” (ebd.) sowie “to re-imagine the subject as planetary” (ebd.). Diese Position ist zudem an Forderungen nach einer Veränderung der Alltagspraxis/alltäglicher Praktiken, etwa der Wissenschaftspraxis, anschlussfähig, indem sie das Zusammenspiel von Kategorisierungen wie Natur, Kultur und Gesellschaft befragt.

Literatur

- Gabrys, J. (2018). Becoming Planetary. e-flux. https://www.e-flux.com/architecture/accumulation/217051/becoming-planetary/

- Spivak, Gayatri C. (1999). Imperatives to Re-Imagine the Planet. Passagen Verlag.

 

Game Modding als Strategie zur Einübung eines Planetarischen 'Blicks'

Stefan Werning
Utrecht University

Der Kurzvortrag untersucht die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums Spiel um ‚planetarische' Wissens- und Handlungskategorien zu vermitteln; dabei soll anhand von Modifikationen (‚mods') der Spiele Civilization VI (Werning 2021) und Stellaris gezeigt werden, wie insbesondere das Co-Design kommerzieller Spiele die kognitive sowie affektive Auseinandersetzung mit ‚dem Planetarischen' befördern kann.

Der Begriff soll zunächst im Hinblick auf Timothy Morton's (2013) Konzept der Klimakrise als „hyperobject" kurz konkretisiert werden; demzufolge bieten Spiele einen potentiell besonders geeigneten medialen Rahmen, etwa für den konstanten Wechsel zwischen Mikro- und Makroperspektiven sowie für den Umgang mit inhärent ‚unvollständigen' Abbildern wie denen des Planeten als ‚hyperobject'.

Benjamin Abraham (2022) verweist dagegen auf die Grenzen des ‚bloßen' Spielens und fordert statt dessen einen "process of co-creating meaning" (46), ohne zu explizieren wie dieser praktisch umsetzbar wäre. Als eine Möglichkeit hierzu soll abschließend das 'modding' von Brettspielen wie Planet (2018) oder Terraforming Mars (2018) aufgrund der direkten Manipulierbarkeit der Regeln und Spielkomponenten als Technik nicht nur zur Formulierung sondern auch zur wiederholten Einübung eines ‚planetarischen Blicks' in der Klimabildung für verschiedene Altersgruppen skizziert werden.

Literatur

Abraham, B. (2022). Digital Games After Climate Change. Palgrave Macmillan.

Morton, T. (2013). Hyperobjects. University of Minnesota Press.

Werning, S. (2021). Ecomodding. Understanding and Communicating the Climate Crisis by Co-Creating Commercial Video Games. Communication +1, 8(1). https://scholarworks.umass.edu/cpo/vol8/iss1/7/

 

Critical Zones vermitteln – Erfahrungen aus einer Ausstellung

Hanna Jurisch
ZKM Karlsruhe

Im Januar 2018 eröffnet der französische Philosoph und Soziologe Bruno Latour einer Gruppe von Studierenden, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen, „Alles muss aufs Neue kartographiert werden“. Eine Aufgabe, der er sich mit der sogenannten Critical Zones Study Group in den darauffolgenden 1,5 Jahren experimentell, imaginär und in spielerischer Praxis widmete. Aus den Sitzungen der Study Group konzipierte Latour gemeinsam mit Peter Weibel (CEO ZKM) eine Ausstellung, die als sogenannte Gedankenausstellung am 22. Mai 2020 am ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe eröffnete. Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik präsentierte wissenschaftliche wie künstlerische Sichtweisen auf die kritische Lage der Erde und erkundete mit Besucher:innen neue Modi des Zusammenlebens zwischen allen Lebensformen. Anhand beispielhafter Gedankenexperimente der Study Group sowie von Eindrücken des Vermittlungsprogramms der Ausstellung werden Methoden vorgestellt, die das komplexe Konstrukt in dem wir leben vor Augen führen sollen.

Bruno Latour (2018), Das Terrestrische Manifest, Suhrkamp Verlag.

Kurzvita

Hanna Jurisch ist Kuratorin und Kunstvermittlerin am ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Sie studierte Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten Heidelberg und León (Spanien) sowie Kunsttheorie, Medienphilosophie und Szenografie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG). Sie war Teil der von Bruno Latour initiierten und geleiteten Critical Zone Study Group zur Vorbereitung der Ausstellung Critical Zones im ZKM.