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Sitzungsübersicht
Sitzung
P 151: Luft, Wind und Atmosphäre als elementare Medien
Zeit:
Donnerstag, 28.09.2023:
9:00 - 10:30

Ort: Raum 5

Raum 0.001

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Präsentationen

Luft, Wind und Atmosphäre als elementare Medien

Chair(s): Birgit Schneider (Universität Potsdam, Deutschland), Maximilian Gregor Hepach (Universität Potsdam, Deutschland)

Elementare Medien, so die Grundthese dieses Panels, vermitteln bestimmte Zugänge zur Welt und sind darin ähnlich unhintergehbar wie, nach Kant, die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit. Reflektiert man auf die Gegebenheitsweisen unserer Erfahrung und blickt dabei nicht auf was in der Erfahrung vorliegt, sondern wie wir etwas erfahren, kommt man unweigerlich zu dem Schluss: kein Medium ist nie. Jede Erfahrung ist elementar vermittelt. Darin sind elementare Medien Beispiele von Abhängigkeit par excellence.

Diese Überlegung schließt an verschiedene Autor:innen an, die dazu auffordern, Umwelten als Medien zu denken. In John Durham Peters Arbeit The Marvelous Clouds (2015) und Nicole Starosielskis Artikel »The Elements of Media Studies« (2019) wird diese Forderung am programmatischsten ausbuchstabiert. Auf diese antwortend plädiert Melody Jue in Wild Blue Media (2020) für eine Milieu-spezifische Analyse: Man müsse nicht nur darauf achten, wie bestimmte elementare Medien (Luft, Wasser) Erfahrung vermitteln, sondern auch, wie sich diese Vermittlung in Sprache einschreibt. Taucht man, Jue folgend, medienwissenschaftliche Begriffe wie ›interface‹, ›inscription‹ oder ›database‹ unter Wasser, treten unsere »terrestrischen Vorurteile« an die Oberfläche.

Damit ist bereits eine zentrale Schwierigkeit der Beschäftigung mit elementaren Medien angezeigt: Man schaut in der Regel durch sie hindurch. Elementare Medien bleiben meist unscheinbar.

In diesem Panel stellen sich drei Vortragende diesem Problem am Beispiel eines elementaren Mediums: der Luft. Sie laden dazu ein, anhand ihrer Impulsvorträge gemeinsam zu diskutieren, welche theoretischen Stränge sich eröffnen, wenn sich die Medienwissenschaften mit diesen Phänomenen in Zeiten befassen, wo die Atmosphäre ein höchst politischer und umkämpfter Raum geworden ist.

 

Beiträge des Symposiums

 

Wind und Medien

Birgit Schneider
Universität Potsdam

In einer Welt, in der Atmosphären in ganz vielfältiger und existentieller Hinsicht prekär geworden sind, sei es aufgrund von toxischen Verschmutzungen, Strahlungen oder zunehmenden Extremwettern durch die globale Erwärmung, gilt es diese als Medium in einem umfassenden Sinne denkbar zu machen. Der Beitrag setzt am Phänomen des Windes, also Luft in Bewegung, an. Im Zentrum des Vortrags stehen einerseits Beispiele aus der Visualisierungsgeschichte, die versuchen, den Wind trotz seiner Unsichtbarkeit sichtbar zu machen. Andererseits entwickelt der Beitrag die Thematik der Winde – ihre Sichtbarmachung sowie die Frage des Windes als Akteur – anhand von Arbeiten aus der bildenden Kunst. Wind steht hierbei im Rahmen der erweiterten Fragestellung, die bei der Ausformulierung einer medialen Atmosphärologie auftritt. Ein atmosphärischer Ansatz ermöglicht es, ästhetische Fragen von Atmosphären und Medien mit meteorologischen Fragestellungen zu verbinden. Im Zeitalter des anthropogenen Klimawandels können diese dazu beitragen, Ansätze zu einer elementaren Umweltästhetik zu formulieren, die den inzwischen fast sinnentleerten Begriff des ‚Umweltbewusstseins‘ phänomenologisch weiterentwickeln. Folglich könnte der Ansatz auf andere atmosphärische Wahrnehmungen wie Hitze, Feuchtigkeit oder Dürre übertragen werden, die im Prozess der globalen Erwärmung in bislang unerfahrener Intensität spürbar werden.

 

Vom Wetterballon, Vorlaufen zum Tode und heldischen Umwelten. Die Atmosphären und elementaren Medien des “in der Luft liegens” von Krieg, Dekadenz und Ereignis

Felix Hüttemann
Universität Paderborn

In meinem Beitrag wird ein kritischer Blick auf die Relationalität elementarer Medien (Peters) in Umweltphilosophien des frühen 20. Jahrhunderts geworfen, die die Beschreibungen von Atmosphären als Lebensbedingung einer eigenwilligen und problematischen Dialektik, des Toxischen, des Tödlichen aber auch des Vitalen und des Heldischen, unterziehen.

Diese Beschreibungen von Atmosphären, so die These, werden als diskursive Überlebsel (Freud) eines langen 19. Jahrhunderts auf die Luft- und Klima-Diskurse im Zusammenhang mit den Umgebungen des Ersten Weltkriegs übertragen. Ausgehend von einer „Philosophy of Elemental Media“ (Peters) soll die Medialität der Luft und der Erde in Bezug auf eine grundsätzliche Abhängigkeit von Umgebenen vom Umgebenden, vom „Umhaften der Welt“ (Heidegger) in Form dieser Atmosphäre(n) problematisiert werden, um daraus nach den Konsequenzen für die Auseinandersetzung mit diesen Ausprägungen von Umweltphilosophie zu fragen.

Die im Beitrag aufzuzeigende Klimatheorie der „kalten Geister“ (Machiavelli) wird zum einen in Form von „Wetterbeobachtungen zur Selbstbeobachtung“ (Horn), zum anderen werden hier die Auseinandersetzungen mit den elementaren Medien von Erde und Himmel verknüpft mit einer (post-)religiösen Todesfaszination und wird verklärt zu problematischen (heldischen) Umwelten, die kontemporär von verschiedenen Seiten (von Klima-Aktivist:innen bis zur Neuen Rechten) eine eigenartige Renaissance erfahren. Fragen des Vortrages werden sein: Inwieweit hängt etwa das „Vorlaufen zum Tode“, aus den Umgebungen des Ersten Weltkriegs kommend, vom Wetter ab? Ist die Atmosphäre des „gefährlichen Augenblicks“, wie ihn die philosophisch-ideologischen Männlichkeiten (u.a. Ernst Jünger und Martin Heidegger) elaborieren, eine (Schön-)Wetter-Philosophie?

 

Luftreiniger und Luftwebstühle: Zur Phänomenologie von ›psycho-machines‹

Maximilian Gregor Hepach
Universität Potsdam

Luft ist, phänomenologisch gesprochen, ungegenständlich. Die Luft kann zwar in verschiedenen Intensitätsgraden erfahren werden–als stickige Raumluft oder gar als gesundheitliche Bedrohung im Zuge einer Pandemie und bei besonders erhöhter städtischer Luftverschmutzung–, aber sie tritt uns nie als Gegenstand gegenüber. Diese Ungegenständlichkeit der Luft geht mit der Tatsache ihrer Unausweichlichkeit einher: Wir können zwar für ›bessere Luft‹ sorgen, aber keine Luft ist niemals, zumindest für obligate Aerobier wie uns Menschen.

Die Kernthese dieses Vortrags lautet, dass der Begriff ›Medium‹ einzulösen verspricht, was dem Begriff ›Gegenstand‹ versagt bleibt: die Erklärung der Erscheinungsweise der Luft.

Im Zuge der Pandemie wurde die Luft zu einem ›matter of concern‹, und die Frage ihrer Erscheinungs- und Darstellungsweise damit zu einem handfesten Problem. Schon vor der Pandemie stellte die Erscheinungsweise, oder Sichtbarmachung, der Luft einen ganzen Industriezweig, nämlich die Hersteller von Luftreinigern, vor eine Herausforderung: Um gereinigte Luft vermarktbar zu machen, muss diese erst im Bewusstsein der potentiellen Käufer:innen zum Problem, also wahrnehmbar, gemacht werden. In verschiedenen Werbematerialien wird deutlich, wie die Erscheinungsweise der Luft auf unterschiedliche Weise durchdekliniert wird.

Die Luft wird, kurz gesagt, erfahrbar, indem man sie durch die ›Augen‹ des Luftreinigers sieht. Luftreiniger fungieren hier als phänomenologische Instrumente, welche ausloten, wie Luft biochemisch und affektiv ge- und entsättigt werden kann; wie wir mit der Luft verflochten sind. Der Luftreiniger spielt zugleich die Rolle eines Gegenstandes und eines Leibes, durch den die Luft als Medium erschlossen und in gewisser Weise für uns erfahrbar wird.

Um die psychophysische Funktionsweise von Luftreinigern zu deuten, bediene ich mich phänomenologischer Ansätze: Günter Figals Phänomenologie des Raumes und Thomas Fuchs’ Phänomenologie der Beeinflussungsmaschinen. Während Figal mit seiner Theorie der Unscheinbarkeit die Erscheinungsweise der Luft als Medium erhellt, verdeutlicht Fuchs mit seiner Analyse schizophrener Wahnvorstellungen die Funktionsweise des Luftreinigers als Gegenstand.