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Sitzungsübersicht
Sitzung
AGS 111: Smarte Wertschöpfung im Web3
Zeit:
Freitag, 29.09.2023:
14:00 - 15:30

Ort: Raum 7

Raum 1.004

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Präsentationen

Smarte Wertschöpfung im Web3

Chair(s): Mirjam Schaub (HAW Hamburg, Deutschland)

Das Symposium der AG Medienphilosophie ist den medienökonomischen Abhängigkeiten im Web3 gewidmet. In der Regel wird das Web3 verstanden als Verbundbegriff, der distribuierte Infrastrukturen, Blockchains und miteinander verlinkte Daten umfasst. Zudem gilt das Web3 als Ergebnis einer technischen Evolution des Internets, das durch erhöhte Immersion, smarte Funktionen und ein semantisches Web neue Nutzungsarten, Interfaces und Narrative hervorbringt. Dezentrale Infrastrukturen, Operationen der Verifikation, smarte Verträge und Kryptowährungen schaffen aber nicht nur neue Assets und Märkte und damit neue Abhängigkeiten, sondern verändern auch die Ökonomie selbst. Flankiert wird diese Beobachtung durch ein polarisierendes Narrativ von Dystopien und Utopien, die unser Bild vom Web3 mitprägen und zeigen, dass gesellschaftliche Entwürfe auch von Medientechnologien abhängig sind. Regierungen verabschieden Regulierungen im Angesicht von Betrugsmaschen und hohem Energie- und Ressourcenverbrauch und Nutzer:innen finden neue Kulturtechniken des Kollaborierens, wodurch der “Space” selbst wiederum weiterentwickelt wird. Der starke ökonomische Drive des Web3 monetarisiert Aufmerksamkeit: Engagement wird explizit. Das gilt für Belohnungssysteme genauso wie für die Reproduktion kultureller Stereotype, Rassismen, Antisemitismen und für die Verfestigung existierender postkolonialer Hierarchien. Es gilt aber auch für Arbeit, die sich gegen diese Abhängigkeiten stellt und kritisch reflektiert. Eine solche smarte Wertschöpfung, so wäre das Angebot an die Diskussion, betrifft nicht nur ökonomische, sondern auch ethisch-moralische Werte, die mit NFTs, Kryptowährungen und DAOs verbunden und voneinander abhängig sind. Die AG Medienphilosophie lädt alle GfM- und insbesondere die AG Mitglieder ein, über die medientechnischen Abhängigkeiten und die medienwissenschaftliche Theoriebildung unter Marktbedingungen des Web3 nachzudenken.

 

Beiträge des Symposiums

 

To the Sun! Wertschöpfungen durch DAOs

Johannes Bennke
Hebrew University Jerusalem

Angesichts einer Reihe geopolitischer, ökologischer, finanzieller und sozialer Krisen werden neue Formen der Kommunikation, des Regierens und des Erzählens benötigt. In den jüngsten Debatten um Web3 werden Decentralised Autonomous Organisations (DAOs) als eine mögliche gesellschaftspolitische Grassrootlösung ins Spiel gebracht, die in der Regel mit utopischem Potential aufgeladen ist. DAOs sind eine internetbasierte Möglichkeit für Menschen zu kommunizieren, zu kollaborieren und Entscheidungen zu treffen. Wo auch immer die Teilnehmer:innen sind, die Regeln der Zusammenarbeit werden teilweise automatisiert und an Codes delegiert. Potenziell führt dies nicht nur zu neuen Wegen lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Interaktion, sondern es eröffnet auch Möglichkeiten für neue Formen translokaler Entscheidungsprozesse über Nationalstaaten, Kulturen und Sprachen hinweg. In meinem Beitrag gehe ich auf das Netz gegenseitiger Abhängigkeiten ein zwischen Medientechnologie, Ökonomie und Werten, die beim Übergang zu dieser neuen Wirtschaftsordnung eine Rolle spielen. Durch die Analyse von Kunstwerken, die von Vermögenswerten, Märkten, Token, Kollaborationen und der Ökonomie des Web3 im Allgemeinen handeln, möchte ich die Mechanismen der Produktion von Werten im Web3, ihre Auswirkungen auf den Kunstmarkt und die Rolle von DAOs aufzeigen. Was gibt uns die Kryptokunst in Bezug auf das wirtschaftliche Ökosystem des Web3 zu denken? Welche Art von (im)materiellen Werten sind im Spiel und lassen sich alle Werte in Assets ummünzen? Ich schlage einen medienphilosophischen Ansatz vor, der die Abhängigkeit von einer Medientechnologie in den Blick nimmt, die für die medienwissenschaftliche Theoriebildung und ihre Methoden herausfordernd ist.

Dr. Johannes Bennke ist Postdoc Fellow der Minerva Stiftung der Max-Planck-Gesellschaft an der Hebrew University of Jerusalem. Forschungen zur Medien- und Bildphilosophie, Ästhetik und digitalen Medienökonomie des Web3. Zuletzt erschienen: Obliteration. Für eine partikulare Medienphilosophie nach Emmanuel Levinas, transcript 2023, Media of Verification (communication + 1, 10/2023), Levinas und die Künste (Mithrsg., transcript 2023).

 

To the Moon! Die Figur der Crypto Bros und der Kunstmarkt im Web3

Laura Niebling
Uni Regensburg

Eine der schillerndsten und zugleich kontroversesten Figuren der aktuellen Netzkulturen sind die sog. “Crypto Bros”. Das Urban Dictionary definiert sie u. a. als “A person with a weak grasp on cryptocurrency/blockchain applications, yet has formed very strong opinions on the ‘best’ ones. Often observed parading their involvement in crypto and arguing with other crypto bros”. Crypto Bros haben eine starke Medienpräsenz in den sozialen Netzwerken und zunehmend auch in Filmen und Serien, die die aktuellen Web3-Entwicklungen reflektieren. Sie nutzen diese Plattformen, um ihre Meinungen und Ideen einer kryptobasierten Welt zu kommunizieren - und greifen dabei zunehmend auch in alltagskulturelle Prozesse und realweltliche Märkte ein. Besonders deutlich wird dies am Kunstmarkt, der sich zunehmend in Richtung des Web3 öffnet und auf dem sie teilweise mit großen Summen aktiv werden. Sie nehmen dabei Teil an neuen (und medientheoretisch oftmals zugleich sehr alten) Aushandlungen der Frage der Wertigkeit von Kunst im Zeitalter ihrer digitalen Reproduzierbarkeit. Als Figuren vereinen sie Konzepte von Netz-Entrepreneuren - mit allerdings oft eingeschränktem technischem Verständnis - und erheblich wertkonservativen gesellschaftlichen Rollenmodellen. Der Vortrag möchte diese Figuren in ihrem wachsenden Einfluss deshalb eingehender betrachten. Es wird versucht, ihre Repräsentationsstrategien und Diskurspositionen an einem Beispiel zu kontextualisieren und sie anschließend in der Diskussion medienphilosophisch weiter zu rahmen.

Dr. Laura Niebling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Habilitandin am Lehrstuhl für Medienwissenschaft der Universität Regensburg. Sie forscht und lehrt dort zur Geschichte und Theorie der digitalen Medizin, zu populären Kulturen in Film und Netzmedien und zu Materialitätsfragen. Außerdem arbeitet sie zu Methodenfragen in der Medienwissenschaft. Zuletzt erschienen u. a. m. Freis/Kussel (Hg.): Computer und Medizin (Curare 45/1, 2022); & m. Diecke/Lameris (Hg.): #Materiality (NECSUS 2, 2022).

 

Back to Earth. Welche Werte schöpfen NFTs, DAOs und Kryptowährungen?

Mirjam Schaub1, Markus Rautzenberg2, Jens Schröter3, Johannes Bennke4, Laura Niebling5
1HAW Hamburg, 2Folkwang Uni Essen, 3Uni Bonn, 4Hebrew University Jerusalem, 5Uni Regensburg

Das Web3 ist abhängig von distribuierten Netzwerken, miteinander verbundenen Daten und die Blockchaintechnologie. Andererseits formiert es neue Märkte und damit Werte. Dieser Verbund aus Infrastrukturen, Protokollen und verifizierbaren Daten eröffnet eine breite Palette an Instrumenten, die nicht nur den digitalen Kapitalismus verändern, sondern, so die Hoffnung, auch die ökologischen und sozialen Krisen zu adressieren erlauben. Dann nämlich ginge es um eine andere ökonomische Ordnung, in der nicht Akkumulation und profitorientierte Investments die Geschicke leiten, sondern geteilte Verantwortung, investiertes Engagement, Sorge und neue Formen gesellschaftlicher Organisation.

Die AG Medienphilosophie lädt ein, über die Abhängigkeiten von Werten durch neue Anlageobjekte zu diskutieren und danach zu fragen, wie diese neuen Medienobjekte einerseits von Werten abhängig sind, andererseits diese aber auch mitprägen oder verändern.