Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
P 171: Süchtigmachendes Design, Subjektivierungsprogramme der Resilienz und feministische Infrastrukturkritik. Ein Panel zu medialen Strategien im Plattformkapitalismus
Zeit:
Samstag, 30.09.2023:
10:00 - 11:30

Ort: Raum 8

Raum 1.001

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Süchtigmachendes Design, Subjektivierungsprogramme der Resilienz und feministische Infrastrukturkritik. Ein Panel zu medialen Strategien im Plattformkapitalismus

Chair(s): Kathrin Peters (Universität der Künste Berlin), Elena Meilicke (Universität der Künste Berlin), Martin Beck (Universität der Künste Berlin, Deutschland)

Abhängigkeit, Resilienz und die Kritik an Infrastrukturen sind zentrale Themen unserer Gegenwart. Exemplarisch zeigt dies die Verflochtenheit unseres Lebens mit digitalen Plattformen. Auf den Plattformen hält uns, wie Geert Lovink in Stuck on the Platform (2022) schreibt, der soziale Konformismus, aber auch die gezielt hervorgebrachte neuronale Abhängigkeit. Ökonomisch treibt die Plattformen, wie Shoshana Zuboff gezeigt hat, das Interesse an der Extraktion, Vorhersage und Hervorbringung menschlichen Verhaltens an. So erodieren sie individuelle Souveränität und erzeugen neue Formen von Knechtschaft und Verdinglichung, die Yanis Varoufakis als ‚Techno-Feudalismus‘ bezeichnet. Als hegemoniale Infrastrukturen der Gegenwart funktionieren die technofeudalen Plattformen nicht durch die Reglementierung des Aufenthaltsorts von Körpern, sondern durch die Kontrolle, Stimulation und Extraktion von Affekten, individuellen Erfahrungen und psychischen Dispositionen.

Das Panel interessiert sich für mediale Strategien von Interaktionsdesign, aktueller Medienkultur und postdigitaler Kunst, die innerhalb gegenwärtiger Machtkonstellationen diesseits und jenseits der Plattformen operieren. Themen sind: – Strategien des Designs, die uns in der Verschränkung von Neurochemie und affektorientierter Interfacegestaltung süchtig machen, um digitalen Produkten einen Überlebensvorteil zu verschaffen; – mediale Subjektivierungsprogramme der Resilienz, die mit poetischen und affektiven Strategien Modelle individueller Widerstandskraft und Unabhängigkeit entwerfen; – feministische Infrastrukturkritik in postdigitaler Kunst, die sich morbider und nekropolitischer Strategien des Zugrabetragens hegemonialer Machtstrukturen und netzutopischer Freiheitsversprechen bedient.

  • Zuboff, Shoshana, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt/M 2018.
  • Varoufakis, Yanis, Techno-Feudalism. What Killed Capitalism, London 2023
  • Lovink, Geert, Stuck on the Platform, Amsterdam 2022

Moderation: Kathrin Peters

 

Beiträge des Symposiums

 

Hooked – Techniken des Süchtigmachens im Interaktionsdesign

Martin Beck
Universität der Künste Berlin

In seinem Designmethoden-Bestseller 'Hooked – How To Build Habit-Forming Products' (2014, dt.: Wie sie Produkte erschaffen, die süchtig machen) geht der Autor und Investor Nir Eyal davon aus, dass die Fähigkeit, Gewohnheiten der Nutzer*innen zu prägen, zum entscheidenden Überlebensvorteil digitaler Produkte geworden ist. Anstelle von teurem Marketing oder Push-Benachrichtigungen bringen interne Trigger wie ein diffuses Unwohlsein die Nutzer*innen von selbst zurück zum Produkt. Eyals neurowissenschaftlich informiertes Buch gibt eine detaillierte Anleitung, wie Designer*innen über das Hakenmodell von Trigger, Handlungserleichterung, variabler Belohnung und Investment bei Nutzer*innen Routinen einer affektiven Produktbindung erzeugen können. In meinem Vortrag möchte ich dies aus medien- und designtheoretischer Perspektive analysieren. Dabei geht es um den Unterschied zwischen dem Trigger-Paradigma des Behavioral Designs (Nir Eyal) und dem Affordance-Paradigma des klassischen Interface-Designs (Don Norman); darum, wie die Verschränkung von Neurochemie und affektorientierter Interfacegestaltung als Teil eines pharmapornografischen Regimes (Paul Preciado) des digitalen Designs begriffen werden kann; und, inwiefern die Ausnutzung des menschlichen Dopaminsystems eine der Ursachen einer ‚Techno-Sadness‘ oder ‚Sadness-By-Design‘ (Geert Lovink), eines spezifischen Unbehagens in der postdigitalen Zivilisation geworden ist.

• Eyal, Nir, Hooked. Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen, München 2014.

• Norman, Don, The Design of Everyday Things, New York 1988.

• Preciado, Paul B., Testo Junkie, Berlin 2016.

• Lovink, Geert, Sad by design. On platform nihilism, London 2019.

 

Resilienz-Montagen. Verhandlungen von (Un-)Abhängigkeit und (Un-)Verwundbarkeit in aktueller Medienkultur

Elena Meilicke
Universität der Künste Berlin

Verstanden als psychische Widerstandskraft und das individuelle Vermögen, außerordentliche Belastungen unbeschadet zu bewältigen, hat „Resilienz“ (von lat. resilire = zurückspringen, abprallen) sich in den vergangenen Jahren zu einem biopolitischen und gouvernementalen Schlüsselbegriff unserer Gegenwart entwickelt: Resilienz gilt als positive und erstrebenswerte, auch trainierbare Eigenschaft, an der jedermann (und jede Frau) arbeiten sollte. Resilienz lässt sich als Subjektivierungsprogramm verstehen, das zur Einübung eines resilienten Selbst anhält, mit spezifischen Rationalitäten des Denkens, Handelns und Fühlens einhergeht und dabei insbesondere auf die Gestaltung von Verhältnissen der Unabhängigkeit und Unverwundbarkeit hinarbeitet.

Von der Prämisse ausgehend, dass die Anrufungen eines resilienten Selbst keineswegs nur diskursiv und argumentativ, sondern vielmehr auch über ein affektives Einschwingen mittels eindrücklicher Bilder und Geschichten geschehen, will mein Vortrag anhand ausgewählter Beispiele aus der aktuellen Medienkultur (u.a. Werbeclips und Fernsehserien) die poetische, affektive und (medien-)ästhetische Dimension von Resilienz-Narrativen genauer in den Blick nehmen und ihre spezifischen Aushandlungen von (Un-)Abhängigkeit und (Un-)Verwundbarkeit einer Analyse unterziehen.

• Bracke, Sarah, „Bouncing Back. Vulnerability and Resistance in Times of Resilience“, in: Vulnerability in Resistance, hg. von Judith Butler, Zeynep Gambetti und Leticia Sabsay, Durham 2016, S. 52-75.

• Bröckling, Ulrich, Resilienz, in: ders., Gute Hirten führen sanft. Über Menschenregierungskünste, Frankfurt/Main 2017, S. 113-139.

• James, Robin, Resilience & Melancholy. Pop Music, Feminism, Neoliberalism, Winchester 2015.

• Neocleous, Mark, Resisting Resilience, in: radical philosophy. philosophical journal of the indepent left, März/April 2013, online unter: https://www.radicalphilosophy.com/commentary/resisting-resilience.

 

Kurzbiografien

Kurzbiografien Kurzbiografien
Kurzbiografien

Elena Meilicke ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin und arbeitet als wiss. Mitarbeiterin im Bereich Medientheorie an der Universität der Künste Berlin. Sie hat zu Paranoia als Medienpathologie promoviert, weitere Arbeitsschwerpunkte sind Medien und Gender, zeitgenössische Film- und Serienästhetik, filmische Autosoziobiografien sowie Geschichte, Theorie und Praxis der Filmkritik. Derzeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt zur Wissens-, Kultur- und Mediengeschichte der Resilienz.

Martin Beck ist Philosoph, Kunst- und Designtheoretiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der UdK Berlin. Er forscht zu postdigitalen Subjektivierungsformen in Interaktionsdesign, Onlinekultur, Gegenwartskunst und Selbsttransformation mit besonderem Fokus auf Queertheorie. Promotion an der FU Berlin zu Bildlogik und anschaulichem Denken. Beteiligt an zahlreichen Ausstellungen, zuletzt ‚fühle meinen körper sich von meinem körper entfernen‘ im Heidelberger Kunstverein.