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Sitzungsübersicht
Sitzung
P 193/161/145: Datenabhängigkeit der Forschung
Zeit:
Mittwoch, 27.09.2023:
15:00 - 16:30

Chair der Sitzung: Yannik Peters, Institut für Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft
Ort: Raum 6

Raum 0.002

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Präsentationen

Datenabhängigkeit. Hören und Wissen in der Datengesellschaft.

Max Alt

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland

Abstract

Man stelle sich eine Welt ohne Daten vor. Wie würde man sich informieren? Was bekämen wir empfohlen? Wie würde regiert? Was könnte die Wissenschaft noch wissen?

Spätmoderne Gesellschaften und Subjekte sind abhängig von Daten über sich selbst. Sie leben in einer datenzentrierten Wissensordnung, die Diskurse, Technologien und Praktiken, in denen sie wirkt, massiv prägt. Doch das metrische Wir ist nicht nur abhängig von Daten, sondern auch von den Medien der Datafizierung. Anhand eines Falls, der Datafizierung des Musikhörens, möchte der Beitrag eine wissens- und medienarchäologische Perspektive schärfen, welche die Möglichkeitsbedingungen und das Wirken einer datenzentrierten Wissensordnung offenzulegen vermag. Hierbei soll die Funktion des Rundfunks sowie von Musikstreamingdiensten als technische Medien der Datafizierung besprochen werden. Denn was in einer datenzentrierten Wissensordnung über das Musikhören, gar überhaupt gewusst werden kann, ist – so eine These des Beitrags – nur in Abhängigkeit von den involvierten technischen Medien der Datafizierung zu erfassen.

Bibliografie

Cheney-Lippold, J. (2017), We Are Data: Algorithms and the Making of Our Digital Selves, NYU Press.

Mau, S. (2017), Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen, Suhrkamp.

Reichert, R. (2018), Governing by Data. Zur historischen Medienkulturanalyse der Datengesellschaft, Transcript.

Tkaczyk, V. (2020), Testing Hearing. The Making of Modern Aurality, OU Press.

Bio:

Max Alt studierte Musik- und Kulturwissenschaft in Berlin und Kopenhagen. Seit 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn in der Abt. für Musikwissenschaft/Sound Studies, wo er zur Datafizierung und Bewirtschaftung des Musikhörens promoviert. 2021 war er Stipendiat der Udo Keller Stiftung am Institute for Philosophy and the New Humanities an der New School for Social Research, New York. Zudem betreut er das Forschungsprojekt Sound Design in digitalen Umwelten an der Universität Bonn (2021-2024).



Abhängigkeiten in der Plattformforschung: Zum Einfluss von Datenstrategien auf analytische Perspektiven am Beispiel von Twitters Source-Metrik.

Lena Teigeler

Universität Siegen, Deutschland

Social-Media-Forschung ist abhängig von den „analytischen Affordanzen“ (Gerlitz/ Weltevrede 2020, S. 351) der Plattformen: Welche Daten über APIs abgefragt werden können, prägt Fragestellungen und Herangehensweisen. Dies wird insbesondere offenbar, wenn Plattformen den Zugang zu Daten verändern. So entfernte Twitter im Januar 2023 Informationen über die Nutzung externer Apps aus den über die Academic API zugänglich gemachten Daten; diese sog. Source-Metrik konnte zuvor Aufschluss über Twitters App-Ökosystem und damit über Popularisierungspraktiken oder Automatisierungstechniken geben (Gerlitz/ Weltevrede 2020). Bereits vor ihrer Entfernung agierte Twitter in Bezug auf Source-Daten als Hüter des eigenen Archivs (Ben-David 2020, S. 251), indem sie nachträglich bereinigt und verschleiert wurden. Am Beispiel der Source-Metrik zeigt dieser Beitrag auf, dass ein erschwerter Zugang zwar bestimmte Vorgehensweisen beeinträchtigt, dadurch aber auch eine kritische Perspektive auf die verfügbaren Metriken eröffnet wird, da die Bedingungen ihrer Entstehung sichtbar werden.

Ben-David, A. (2020): „Counter-archiving Facebook“, European Journal of Communication, 35(3), S. 249-264, https://doi.org/10.1177/0267323120922069.

Gerlitz, C./ Weltevrede, E. (2020): „What happens to ANT, and its emphasis on the sociomaterial grounding of the social, in digital sociology?“, in: Anders Blok, Ingacio Farías, Celia Roberts (Hg.): The Routledge Companion to Actor-Network Theory, S. 345-356.

Kurzbio: Lena Teigeler ist seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin im SFB „Transformationen des Populären“ an der Universität Siegen. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit Twitters Regulierung von Automatisierung seit 2006. Sie interessiert sich für Digital Methods, Quantifizierung und Plattform Governance.



Unzuverlässige Plattformen - Fallbeispiel Pornhub

Leonie Zilch

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Film-, Theater-, Medien-, Kulturwissenschaft, Deutschland

Im Zuge der „Major Policy Updates to Safeguard Platform” hat Pornhub am 14. Dezember 2020 ca. zwei Drittel (8,8 mio.) aller damals verfügbaren Videos gelöscht. Es handelte sich dabei um Videos, die von nicht-verifizierten Nutzer:innen hochgeladen wurden. Neben raubkopierten Videos betraf diese Löschung vor allem Amateur-Videos. Drei Monate zuvor habe ich meine Dissertation verteidigt. Ein Kapitel widmete sich pornografischen Archiven und Pornhub war einer meiner Untersuchungsgegenstände. Fast alle Videos, über die ich nachgedacht hatte, waren nun nicht mehr verfügbar. Auf den ersten Blick schienen meine Thesen mit einem Schlag widerlegt. Bei der weiteren Recherche bin ich auf das Video, mit dem ich mich am intensivsten auseinandergesetzt hatte, in der Wayback Machine gestoßen.

Ich möchte den Vortrag zum Anlass nehmen, um über die Abhängigkeitsverhältnisse von Forschenden und kommerziellen Plattformen bzw. der Speicherung von flüchtigen Untersuchungsgegenständen, wie es Online-Pornografie ist, nachzudenken. Pornhub ist ein besonders spannender Fall, da die Plattform z.B. exzessiv Statistiken über das Nutzungsverhalten der Besucher:innen veröffentlicht – Daten, die ein Geschenk für die Forschung aber mit Vorsicht zu genießen sind. Ebenso setzt sich Pornhub unter „Pornhub Cares“ für gesellschaftliche Anliegen ein, u.a. vergab die Plattform Stipendien an Studierende. Die Seite schreibt sich demnach explizit in gesellschaftliche Diskurse ein, zugleich wird Pornhub von dem IT-Giganten MindGeek betrieben, einem vollkommen undurchsichtigen Unternehmen, das fast eine Monopolstellung auf dem Pornografiemarkt innehat. Statistiken über MindGeek findet man kaum, auch die Abhängigkeitsverhältnisse, in die etwa Darsteller:innen des Modelprogramms mit Pornhub verstrickt sind, bleiben undurchsichtig. Diese komplexen Abhängigkeitsverhältnisse aufzuzeigen, ist Anliegen des Vortrags.