Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
P 185: Re-turning to the scene of subjugation
Zeit:
Freitag, 29.09.2023:
9:00 - 10:30

Ort: Raum 9

Raum 1.002

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Re-turning to the scene of subjugation

Chair(s): Alisa Kronberger (Ruhr Uni Bochum)

In ihrem letzten Buch Between Gaia and Ground hat Elizabeth Povinelli neomaterialistische Ansätze dafür kritisiert, mit der Ontologie des Entanglements statt mit der Kolonialität der Macht zu beginnen. Wir wollen der Frage nachgehen, was es im Rahmen dieser Ontologie der Kolonialität bedeutet, auf die koloniale Szene der Unterwerfung zurückzukommen, die unsere – weiße und Schwarze – Gegenwart bestimmt und im Sichern der Weißheit bedeutet, Schwarze Leben zu polizieren und zu töten. Das afterlife of slavery, auf das u.a. Hortense Spillers, Saidiya Hartman und Christina Sharpe in ihren Texten insistieren, handelt immer auch von dem, was möglich ist, wenn alle Möglichkeiten des Lebens unter den Bedingungen seiner Auslöschung ausgeschlossen wurden. Die Bindung an die Szene der kolonialen Unterwerfung Schwarzer und rassialisierter Menschen wird als eine Beziehungsweise offengehalten, die nicht von antischwarzer Gewalt determiniert ist. Welchen nicht-weißen und Schwarzen Praktiken der waywardness (Hartrman) gilt es zu folgen? Unsere Welten hängen ab von der Szene der Unterwerfung, aber sie gehen nicht darin auf. Uns interessiert mit Blick auf das Konzept der Diffraktion (Haraway) bzw. der Refraktion (Ferreira da Silva), welcher Entzug sich in dieser Szene der Unterwerfung ereignet, welche Fluchten sie konstituiert, wie sich Welten von hier aus re-konfigurieren lassen. Inwieweit braucht es folglich die Darstellung der Szene, um Widerstand erzählbar werden zu lassen? Was aber heißt Widerstand und braucht es für das, was sich nicht in die Szene der Unterwerfung integrieren lässt, einen anderen Begriff der Emanzipation, insbesondere vor dem Hintergrund der mit den Konzepten der Diffraktion und Refraktion aufgerufenen Auflösung der Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Mensch und Maschine, mind und matter?

 

Beiträge des Symposiums

 

Sand und Holz: Poethiken des Digitalen

Katrin Köppert
HGB Leipzig

Rassismus ist kein durch maschinelles Lernen erzeugtes Problem. Vielmehr lässt sich maschinelles Lernen als durch rassialisierte Differenzdiskurse erzeugte Technologie begreifen. Dies evoziert die Frage nach einem Differenzbegriff, der im System der algorithmischen Kultur einen Unterschied macht. Sand und Holz sind für die Suche nach einem solchen, für Schwarze, Indigene und andere Menschen of Color mehr als nur symbolischen Begriff poethische Devices. Denise Ferreira da Silva führt mit dem poethical tool ein Werkzeug ein, das dafür entworfen ist, zu zerlegen, was die Bedingung der Möglichkeit für den Diskurs und die Position der kolonialen Herrschaft ist (2017, 2022: 27). Die Funktionsweise dieser Werkzeuge ist, die Kolonialität in der Postmoderne freizulegen, wofür jedoch der verwundete Körper in der Szene der Unterwerfung immer wieder auch aufgerufen wird. Ihn nicht auszublenden, sondern in der Gegenwart herauszustellen, bedeutet auch, sich diesen Körpern als entropischen und sich nicht in den hegemonialen Diskurs kolonialer Verhältnisse einfügenden Relationen zu widmen. An die Stelle des Körpers treten im Rahmen dieses Beitrags, bedingt durch die jeweils zu betrachtenden lokalen Bedingungen, Sand und Holz. Beide sind in der Geschichte des maschinellen Lernens unmittelbar mit der kolonialen Szene der Unterwerfung verbunden und doch, wie zu sehen sein wird, können sie Technopoethiken der Dekolonisierung darstellen. Sand und Holz werden als Technologien verhandelt, deren Poethiken eine relationale Ontologie der Differenz begründen.

Bibliografie

Denise Ferreira da Silva. Blacklight, in: Otobong Nkanga: Luster and Lucre, Frankfurt/Main 2017, 245-525.

Denise Ferreira da Silva. Unpayble Debt, London 2022.

 

A past that has yet to be done

Fiona Schrading
Kunstakademie Düsseldorf

Die Gegenwart ausgehend von einer colonial duration (Al-Saji 2018) zu denken, ermöglicht ein Adressieren und Intervenieren in die gewaltvolle Formation eines linear-progressiven Fortschritts, die gegenwärtige Unterdrückungsverhältnisse zu überwinden und als Vergangene hinter sich zu lassen verspricht und mit dem Versprechen, ‚to move on‘, eine gleichzeitige Kolonialisierung des Vergangenen fortführt. Der move beyond hält im Abschneiden des Vergangenen an einer ‚gemeinsamen Zukunft‘ als Horizont fest, die auch mit dem hegemonialen weißen Anspruch eines ‚von vorne Beginnens‘ verbunden ist. Dieser Vortrag fragt danach, wie sich Praktiken der Diffraktion und Rekonfiguration denken lassen, die das Vergangene als zugleich nicht abgeschlossen und nicht wiederherstellbar (wieder)öffnen. Das Vergangene als veränderbar zu verstehen, bedeutet gerade nicht, es als eine Fülle von (zu verwirklichender) Möglichkeiten aufzufassen, vielmehr sind koloniale Vergangenheiten fragmentiert, durchlöchert, von Rissen und Unterdrückungsverhältnissen durchzogen. Die Spuren zeitlicher Rekonfiguration des Vergangenen bleiben nicht-löschbar. In Auseinandersetzung mit dem afterlife of slavery und andauernden „non-event of black death“ entwickeln Christina Sharpe und Saidiya Hartman Praktiken eines widerständigen Bleibens mit dem (nicht-vergangenen) Vergangenen, um das Andauern mit und in der anti-blackness zu beschreiben, das mit einer „past that is not past“ verschränkt bleibt, aber zugleich auch, um widerständige Weisen Schwarzen Lebens, Denkens und Sorgens als „wake work“ aufzuzeigen (Sharpe 2016, Hartman 2016).

Bibliografie

Al-Saji, Alia: SPEP Co-Director's Address: Hesitation as Philosophical Method—Travel Bans, Colonial Durations, and the Affective Weight of the Past, in: The Journal of Speculative Philosophy 32(3), 2018: 331-359.

Hartman, Saidiya: The Dead Book Revisited, in: History of the Present: A Journal of Critical History 6 (2) 2016: 208–215.

Sharpe, Christina: In the Wake. On Blackness and Being. Durham/London 2016.

 

Das Teilen der Divergenz - Uncommons und Undercommons

Stephan Trinkaus
Uni Wien

Jede Formulierung des Gemeinsamen, der gemeinsamen Güter, der Commons, muss sich mit dem auseinandersetzen, was Isabelle Stengers als das „Inbetrachtziehen der eigenen Art und Weise des Divergierens von einer allgemeinen Regel“ bezeichnet hat. Das Konzept der Uncommons in der lateinamerikanischen dekolonialen Theorie und Kulturanthropologie und das der Undercommons in den Black Studies entwickeln Modelle, die von den Regeln des homogenen, andro- und anthropozentrischen Allgemeinen der westlichen Moderne divergieren. Hier wird die Divergenz, das was auseinanderstrebt, nichtübereinstimmt, anders ist, sich entzieht, zum Gemeinsamen. Dieses divergente Gemeinsame kann gewaltförmig sein, es kann vernichtend und auslöschend wirken, aber es findet statt: zwischen den Rändern eines Gefüges und der Mitte seiner Relationen. Was könnte es bedeuten, einer nicht ausschließenden und nicht einschließenden Verbindung stattzugeben, der Gleichzeitigkeit von Untrennbarkeit und Veränderung, Bewohnbarkeit und Flucht? Uncommons und Undercommons – versuchen diese Medialität des NichtGemeinsamen, des Auseinanderdriftens und Fliehens als weltschaffende Praxis, als Ökologie der Praktiken zu artikulieren und zu bewohnen: Nicht jenseits der Gewalt, aber vielleicht anders als die Auslöschung des Divergierens in der Aneignung und Unterwerfung durch die universalen und kolonialen Fortschrittsnarrative der europäischen Moderne.

Bibliografie

Mario Blaser/Marisol de la Cadena (ed.): A World of Many Worlds, Durham/London 2018.

Fred Moten/Stefano Harney: Die Undercommons, Wien 2016.