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Sitzungsübersicht
Sitzung
AGS 153: Abhängigkeitsverhältnisse computeranimierter Welten
Zeit:
Donnerstag, 28.09.2023:
11:00 - 12:30

Ort: Raum 6

Raum 0.002

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Präsentationen

Abhängigkeitsverhältnisse computeranimierter Welten

Chair(s): Erwin Feyersinger (Eberhard Karls Universität Tübingen)

Die Frage der ästhetischen Abhängigkeitsverhältnisse begleitet die Animation, insbesondere aber die Computeranimation, schon seit ihrer Entstehung. Selbsterklärte Ziele der Informatiker*innen und Künstler*innen waren bereits in den 1970er Jahren, Computergrafiken ununterscheidbar vom gefilmten Bild werden zu lassen. Da der Fotorealismus vorerst noch unerreichbar zu sein schien, stellten sich Filmschaffende in ein weiteres Abhängigkeitsverhältnis: der Nachahmung ästhetischer Prinzipien der Zeichentrickanimation (vgl. z.B. Hagener 2014).

Die Abhängigkeitsverhältnisse computeranimierter Welten sind heute umso relevanter, da zwar kaum noch technische Limitationen existieren, ästhetisch jedoch nach wie vor Aspekte prädigitale Formen remediatisiert werden (vgl. Bolter/Grusin 1999).

Das AG-Symposium widmet sich daher den diversen Abhängigkeitsverhältnissen computeranimierter Medientexte. Theresa Krampe diskutiert vorkinematografische Animationsformen, die im Indie Game-Kontext remediatisiert werden. Jannik Müller bespricht die Abhängigkeiten der Materialästhetik von Computeranimationsfilmen und konzentriert sich besonders auf die ästhetischen Phänomene, die mit diesen Abhängigkeiten brechen. Abschließend blickt Andrea Polywka auf die Vor- und Abspannsequenzen in Disney-Filmen und untersucht hierarchische und hegemoniale Abhängigkeitsverhältnisse.

In den Vorträgen und der anschließenden Diskussion wird multiperspektivisch ergründet, wie das Thema Abhängigkeit im Kontext aktueller animationsästhetischer Forschung verhandelt wird und welche Bedeutung es für die Animation Studies hat.

Bibliographie:

Bolter, Jay David und Richard Grusin. 1999. Remediation. Understanding New Media. Cambridge, MA: MIT Press.

Hagener, Malte. 2014. Das Leben der Dinge. Pixar und die digitalen Transformationen des Films. In: Johannes Wende (Hg.): John Lasseter. Film-Konzepte 33.2. München: edition text+kritik, 43–57.

 

Beiträge des Symposiums

 

Von Stereoskop bis Daumenkino: Zur Remediatisierung früher Animationstechnologie in What Remains of Edith Finch

Theresa Krampe
Eberhard Karls Universität Tübingen

Obwohl der Fortschritt von Animationstechnologien im Computerspiel i.d.R. einer immer perfekteren Illusion verpflichtet scheint, verschreiben sich viele zeitgenössische Computerspiele gerade nicht dem Paradigma der unmittelbaren Erfahrung, sondern vervielfältigen die Spuren der Mediatisierung bewusst in Retro-Ästhetiken (z.B. Juul 2019).

Dieser Beitrag untersucht Strategien zur Remediatisierung (Bolter/Grusin 1999) und Transmaterialisierung (Schröter 2013) früher Animationstechnologien am Beispiel des Computerspiels What Remains of Edith Finch (Giant Sparrow 2017). Dieses zeichnet sich durch die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Medialität aus. Einzelne Kurzgeschichten sind eingebettet in unterschiedliche Medientexte und können im Spielverlauf durch Interaktion mit dem (virtuellen) Medienobjekten rezipiert werden. Besonders interessant erscheint die Darstellung der mediumspezifischen Formen von Stereoskop und Daumenkino als Prototechnologien moderner Animation,. So werden etwa 3D- oder Bewegungswahrnehmung durch die Simulation von Verzerrungen und Unschärfen oder den Einsatz von Stop Motion-Effekten verfremdet. Mimetische Steuerungselemente lassen gar die unhandliche Interaktion mit dem physischen Objekt nachempfinden. Indem das Spiel Unterschiede zwischen mechanischen und digitalen Animationstechniken thematisiert, bietet es somit zugleich Raum für die Verhandlung von Kontinuitäten und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Medien.

Bibliographie:

Bolter, Jay David und Richard Grusin. 1999. Remediation: Understanding New Media. Cambridge, MA: MIT Press.

Juul, Jesper. 2019. Handmade Pixels: Independent Video Games and the Quest for Authenticity. Cambridge, MA: MIT Press.

Schröter, Jens. 2013. „Medienästhetik, Simulation und ,neue Medien‘“. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 5.1: Medienästhetik, 88–100.

Kurzbiografie:

Theresa Krampe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingen, wo Sie zu Überwachungsbildern in digitalen Spielen forscht. Zuvor war sie an der Universität Osnabrück tätig; ihr Promotionsprojekt zum Thema Metareferenz im Computerspiel wird im Sommer 2023 an der Universität Osnabrück verteidigt. Jüngste Veröffentlichungen beschäftigen sich mit Aufmerksamkeit und Metafiktion (DIEGESIS 2022) sowie Metareferenziellen Interfaces (Poetics Today 2022).

 

Materialästhetische (Un-)Abhängigkeiten im Computeranimationsfilm (entfällt)

Jannik Müller
Universität Osnabrück

Aktuelle Computeranimationsfilme verstehen es trotz ihrer oft cartoonhaften Figuren, so gut wie alle Materialästhetiken annähernd fotorealistisch zu simulieren. Dabei wird jedoch oft verkannt, dass mit den Computersimulationen auch jenseits des physikalisch möglichen kreativ gespielt werden kann. Beispielsweise werden Simulationen von Sand oder dem Baustoff Aerogel für die Hauttexturen phantastischer Figuren im Film Soul (2020) verwendet. Mihailova bezeichnet ebendieses gestalterische Experimentieren als „one of the medium’s defining artistic features.“ (Mihailova 2019, 53).

Damit stellt sich die Frage, wie sich das Spannungsfeld von Nachahmung und Abstraktion, zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit gestaltet. Anhand mehrerer kurzer Fallstudien wird in dem Vortrag diskutiert, wie sich computeranimierte Welten realweltlicher Materialästhetiken bedienen und wie sie diese künstlerisch nutzen.

So simuliert The Lego Movie (2014) die Plastikästhetik des titelgebenden Spielzeugs samt diverser Verschleißerscheinungen. Die Größe und Komplexität der Plastikwelt übersteigen jedoch bei Weitem die Möglichkeiten der mit Legosteinen hergestellten Brickfilme.

Spider-Man: Into the Spider-Verse (2018) dagegen remediatisiert die Materialästhetik von Comicheften, hybridisiert diese aber zugleich mit diversen anderen Formen wie digitalen Glitches und reduzierter Framerate.

Lassen sich für die Spannung von kreativer Abhängigkeit und Unabhängigkeit gestalterische Normen erkennen? Der Vortrag wird ergründen, wie Materialästhetiken computeranimierte Welten prägen und welche Abhängigkeitsverhältnisse in der gegenwärtigen Hollywoodanimation auffällig sind.

Bibliographie:

Mihailova, Mihaela. 2019. Realism and Animation. In: Nichola Dobson, Annabelle Honess Roe, Amy Ratelle, Caroline Ruddell (Hrsg.): The Animation Studies Reader. New York/London: Bloomsbury Academic, 47-57.

Kurzbiografie:

Jannik Müller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Universität Osnabrück. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am medienwissenschaftlichen Seminar der Universität Siegen. Jannik Müllers Dissertationsprojekt befasst sich mit der Hybridisierung von Realismus und Cartoonästhetik im Computeranimationsfilm. Sein aktuellster Aufsatz untersucht die unkonventionellen visuellen Effekte in David Lynchs Twin Peaks: The Return.

 

Hierarchien und Herrschaftsbereiche: Die Bedingtheit animierter Welten in Vor- und Abspannsequenzen digitaler Animationsfilmproduktionen

Andrea Polywka
Philipps-Universität Marburg

Die Kunst, animierte Welten zu schaffen, beginnt bereits mit der filmischen Vorspannsequenz: Vor allem gegenwärtige Disney-Produktionen beweisen durch das prominente Einsetzen des eigenen Logos und der individuellen Gestaltung des Schloss-Symbols einerseits einen territorialen Anspruch, und andererseits eine Verortung fiktionaler Erzählungen im realen Raum, wie den Disneyland-Parks. Die Gestaltung dieser fiktionalen Welt bedingt den Wiedererkennungseffekt und die traditionsbehafteten Strukturen, die gewisse „Seh-Hierarchien“ hervorrufen. Die gegenwärtigen Live-Action-Adaptionen, namentlich THE JUNGLE BOOK (US 2016) und weitere Beispiele, integrieren sowohl in Vor- als auch Abspannsequenzen neuste Animationstechniken und weisen unterschiedliche Formen solcher „Seh-Hierarchien“ auf. In meinem Vortrag werde ich argumentieren, dass die Einführung, aber auch die Wiederholung von erkennbaren Mustern und Orientierungspunkten das bekannte "Disney-Universum" stabilisieren, aber auch monopolisieren, indem sie historische Motive zitieren und Farbschemata entwerfen, welche die „animierten“ Welten in ihrer Form bewahren, und gleichzeitig in ein neues Licht rücken. Diese Welten stellen ihre eigene „Gemachtheit“ in den Vordergrund, so wie Malte Hagener die Ästhetik des Pixar-Vorspanns beschrieben hat, was Teil einer detaillierteren Analyse und eines Vergleichs während des Vortrags sein wird.

Bibliographie:

Hagener, Malte. 2018. Digital/digitus: Die Geste in den Pixar-Animationsfilmen. In: Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger u.a. (Hrsg.): Ästhetik des Gemachten: Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicforschung. Berlin: de Gruyter, 11–25.

Kurzbiografie:

Andrea Polywka war als Doktorandin am Graduiertenkolleg „Konfigurationen des Films“ an der Goethe-Universität Frankfurt tätig und arbeitet gegenwärtig für das Team der Cultural Research Data Academy des Konsortiums NFDI4Culture. Der Fokus ihres Forschungsprojekts liegt auf der Ästhetik hybrider Bewegungsbilder im gegenwärtigen Mainstreamkino, Diskursen zu Körperdarstellungen (Mensch-Tier-Maschine), Hybridität und involvierten (Animations-)technologien sowie dem Status des Animationsfilms innerhalb der Filmwissenschaft.