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Sitzungsübersicht
Sitzung
P 158: Abhängigkeitsverhältnisse von Computer, Wohnen und Arbeiten in DDR und BRD
Zeit:
Donnerstag, 28.09.2023:
14:00 - 15:30

Ort: Raum 6

Raum 0.002

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Präsentationen

Abhängigkeitsverhältnisse von Computer, Wohnen und Arbeiten in DDR und BRD

Chair(s): Christina Bartz (Universität Paderborn)

Medien sind abhängig von ihren Umgebungen, genauer ihren Räumen. So lässt sich je nach räumlicher Verortung das Fernsehen einerseits als häusliches Medium im Wohnzimmer beschreiben (Spigel 1992) oder gerade als öffentliches Medium in Wartezimmern, Bahnhofshallen, Bars und Kiosken (McCarthy 2001). Und auch dem Computer werden entsprechend der Umgebung, in der er auftaucht, verschiedene Attribute und Funktionsweisen zugesprochen, etwa in der Einrichtung als Personal Computer mit festem Stellplatz auf einem Schreibtisch im Büro oder als ubiquitous computing (Weiser 1991), das in seiner Allgegenwärtigkeit räumliche Grenzen gerade aufzuheben verspricht. Ausgehend von dieser Beobachtung geht das Panel den verschiedenen Realisierungen des Computers als Homecomputer nach. Dabei erweist sich insbesondere die räumliche Grenzziehung zwischen Ost- und Westdeutschland als Schwelle in der Mediengeschichte des Computers. Während mit Blick auf die BRD die Einrichtung von Computer und häuslichem Raum seit den 1970er-Jahren eng miteinander verknüpft sind, artikuliert sich die Computerisierung in der DDR insbesondere in technischen Vorläufern und in virtuellen Zukunftsentwürfen. In drei Vorträgen wird anhand von historischem Material aus Illustrierten, Einrichtungs- und Computerzeitschriften sowie Entwürfen und Produktpräsentationsfotografien ein Einblick gegeben in Diskurse, Artefakte und Praktiken des Homecomputers. Spezifische Fragen und Implikationen von Abhängigkeiten im Medien-Werden (Vogl 2001) des Computers – räumlich, geografisch, medienvergleichend – sollen dann gebündelt in einer anschließenden offenen Diskussion verfolgt werden.

McCarthy, Anna: Ambient Television: Visual Culture and Public Space. Durham [u.a.]: Duke UP 2001.

Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: Chicago UP 1992.

Weiser, Mark: The Computer for the 21st Century, in: Scientific American 265, Nr. 3 (1991), S. 78-79.

 

Beiträge des Symposiums

 

Rechenzentrum oder Handkurbel? Gestaltungen des Arbeitsplatzes am Vorabend des Homecomputing

Jana Mangold
Universität Erfurt

In der Geschichte der materiellen Kultur der DDR durchkreuzen sich vielfältige Abhängigkeiten. Allen voran die Abhängigkeit der Produktionsverhältnisse von einer staatlichen Wirtschaftsführung und des materiell-ästhetischen Alltags von politischer Lenkung. Die Produktions- und Vertriebsverhältnisse haben Auswirkungen auf die Gestaltung der Arbeitsplätze in der DDR.

Ausgehend von Entwürfen und Produktpräsentationsfotografien für multifunktionale Möbel oder Einbauten in Industrieanlagen wie in Privatwohnungen der DDR fragt der Beitrag nach den technischen Vorläufern des Homecomputing-Arbeitsplatzes. Von welchen Wohn- und Arbeitsverhältnissen, aber auch von welchen Möbeltechniken hängt die Ausgestaltung des Schreibtischs vor der Einführung des PC auf dem Gebiet der DDR ab? Liefern etwa Arbeitsplätze wie Gudrun Roths „Halleneinbauten für Verwaltungs- und Pausenfunktionen“ von 1976 Anhaltspunkte für platzsparende Mehrfachfunktionen im Wohnraum oder ist es doch der MuFuTi (der Multifunktionstisch), der schon den Essplatz zum Wohnplatz umfunktioniert hat? Zugespitzt gefragt: Geht der Raum des Computers als Teilbereich im häuslichen Raum aus den Räumen für Großrechenanlagen hervor oder doch aus der Handkurbel veränderungsfähiger Möbel?

Während dies selbstredend auch für die Entwicklungen außerhalb der realsozialistischen Wirtschaftslogik gefragt werden kann, zeigen sich in der Untersuchung der DDR-spezifischen Verhältnisse andere Semiotiken der Un-/Abhängigkeit des technisierten Arbeitsbereichs von seiner Umgebung. So gibt es zu denken, wenn „20 Prozent […] der Betriebe ihren Bedarf an Büromöbeln durch ungeeignete Wohnraum- und Küchenmöbel aus dem Bevölkerungsbedarf“ (Fuchs 1990) deckten.

Fuchs, T.: Interview, TRIBÜNE, 5.1.1990.

Halter, R. (Hg.): Vom Bauhaus bis Bitterfeld. 41 Jahre DDR-Design, Gießen 1991.

Hirdina, H.: Gestalten für die Serie. Design in der DDR, Dresden 1988.

 

Eins oder keins. Ostdeutschland als ‚virtueller Raum‘ vor und nach 1989

Alexander Wagner
Universität Wuppertal

Dieser Teil des Panels wird sich mit der Vor- und Nachwendezeit in Ostdeutschland beschäftigen und von der These ausgehen, dass die Bevölkerung auf dem Gebiet der Ex-DDR angesichts des disruptiven Endes ihres Staates vor die Aufgabe gestellt war, je kollektiv und individuell neue Entwürfe von ‚Zukunft‘ zu entwickeln. Der Computer spielt als Artefakt in Privatbesitz und damit Haushaltsgegenstand für die ostdeutschen Verhältnisse in den Jahren um 1989/90 zwar keine besonders große Rolle, gleichwohl bilden sich spezifische Abhängigkeiten heraus, die aus dem semantischen Feld um Computerisierung (DDR) und Virtualität (Nach-DDR) gespeist werden und den Osten der erweiterten BRD als Möglichkeitsraum, aber auch seine Vergangenheit als implizit weiterhin präsent konzipieren. In punktierenden Stichproben sollen erste Erkenntnisse zum Feld einer spezifisch ostdeutschen Selbstverortung gewonnen werden, das an Vorstellungen des ‚Virtuellen‘ zweifach anschlussfähig zu sein scheint. Einerseits stellt die Vorstellung umfassender Automatisierung unter dem Oberbegriff der Halbleitertechnik zu DDR-Zeiten große utopische Reservoire zur Verfügung. Virtualität wiederum eignet sich für Ostdeutschland nach der ‚Wende‘ zur Beschreibung einer Dimension des Mach- und Denkbaren, der die DDR-Erfahrung als Hintergrund dient und die DDR als ‚Schema/en‘ im doppelten Sinn (Strukturvorlage und Gespenst) gegenwärtig ist. Mit Hilfe ausgewählter Beispiele aus 1) der ideologischen Vermittlung von Computertechnik mit den Theoremen des Marxismus-Leninismus, 2) der populärwissenschaftlichen Vermittlung von Computer-Wissen an junge Menschen und 3) der phantastischen bzw. Science Fiction-Literatur mit Computerbezug, die allesamt zwischen Mitte und Ende der 1980er Jahre in der DDR erscheinen, wird der Computer als epistemologisches Modell und Akteur in der realsozialistischen Gesellschaft verortet. Anschließend wird anhand von Nach-Wende-Beispielen thesenhaft versucht, Virtualität als mögliche Matrix zur Beschreibung ostdeutscher Selbstentwürfe innerhalb eines Daseins in erweiterten Verhältnissen zu modellieren. Dafür werden vor allem ostdeutsche Zeitschriften gesichtet.

 

Die Algorithmen des Wohnens. Homecomputing und Hausarbeit

Monique Miggelbrink
Universität Paderborn

Im Anschluss an Tania Modleskis feministischen medienwissenschaftlichen Text „Die Rhythmen der Rezeption. Daytime-Fernsehen und Hausarbeit“ (AO: 1987) fragt der Vortrag nach den wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen häuslichem Raum – gefasst als häusliches Wohnen und Arbeiten – und den Medien, die sich darin befinden. Modleskis Beobachtung, dass das Medium Fernsehen die Rhythmen der Hausarbeit prägt und vice versa, möchte ich an der häuslichen Einrichtung mit dem Homecomputer in den 1990er-Jahren weiterführen. Ausgehend von Modleskis fernsehwissenschaftlicher Frage, „wie der flow dieser [Fernseh-]Programme mit der weiblichen Hausarbeit zusammenhängt“ (Modleski 2001, S. 376) zeige ich auf, dass der Computer bestehende Konzepte des häuslichen Raums bzw. der Hausarbeit verstärkt. Der von Modleski in kritischer Auseinandersetzung mit Raymond Williams beschriebene widersprüchliche flow der häuslichen Sorgearbeit wird mit dem Computer diskontinuierlicher und diskreter. Wie ich am Material zeitgenössischer Einrichtungs- und Computerzeitschriften zeigen möchte, wird die Hausarbeit an der medienhistorischen Schwelle zwischen Fernsehen und Computer verstärkt als Tasks bzw. Algorithmen gedacht, womit Praktiken des Multitaskings angesprochen sind.

Dabei gerät eine weitere Form der Abhängigkeit in den Blick, und zwar die zwischen einzelnen Medien. Der Vortrag zeigt, dass solche Abhängigkeiten von Einzelmedien in der Medienbeschreibung – wie dem Medium Fernsehen und dem Computer – Mediengrenzen auflösen und vielmehr Logiken der Medien – wie Algorithmisierung, Personalisierung und Einrichtung – hervorheben.

Modleski, Tania: Die Rhythmen der Rezeption. Daytime-Fernsehen und Hausarbeit. In: Adelmann, Ralf et al. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 376-387.