Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
6-08: Von Wissen zu Performanz von Lehrkräften: Beiträge zu den Korrelationen sowie der Entwicklung der Performanz im integrativen Kompetenzverständnis
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
15:20 - 17:00

Ort: H06

Hörsaal, 91 TN

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen
Symposium

Von Wissen zu Performanz von Lehrkräften: Beiträge zu den Korrelationen sowie der Entwicklung der Performanz im integrativen Kompetenzverständnis

Chair(s): Matthias Baumgartner (Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG), Schweiz)

Diskutant*in(nen): Johannes König (Universität zu Köln)

In den vergangenen Jahren hat sich In der kompetenzorientierten Lehrer:innenbildungsforschung ein Zweig entwickelt, welcher sich der Erforschung der Wirkungs- und Entwicklungsannahmen bezüglich des integrativen Kompetenzstrukturmodells von Blömeke et al. (2015) widmet. Die Fragestellungen beziehen sich auf die Zusammenhänge und die Entwicklung der drei Kompetenzfacetten der a) Kompetenzaspekte (z.B. Professionswissen), b) der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsprozesse (WIE) sowie c) der Performanz. Die Befunde zu den Wirkungszusammenhängen sind jedoch inkonsistent und es bedarf weiterer Forschung (z.B. Junker et al., 2021; Blömeke et al., 2022; König et al., 2021). Des Weiteren gründet das Kompetenzstrukturmodell auf der Entwicklungsannahme, dass die Verbesserung der Performanz einer Lehrkraft (AV) durch die drei Entwicklungskomponenten a) der qualitativen Verbesserung der Kompetenzaspekte (UV1), b) der Verbesserung der WIE (UV2) sowie c) der gezielten Übung der Umsetzung von Qualitätskriterien (z.B. Qualitätskriterien einer guten Klassenführung) in der eigenen Unterrichtspraxis (UV3) erfolgt (z.B. Baumgartner, 2022; Hecker, Falkenstern & Lemmrich, 2020). Die Datenlage bezüglich der (Teil-)Erforschung der dargelegten Entwicklungsvermutung ist jedoch dünn (z.B. Blömeke et al., 2022). Insbesondere über die Faktoren effektiver Interventionen bezüglich der Verbesserung der Zielvariable der Performanz einer Lehrkraft ist noch wenig bekannt (z.B. König et al., 2022). Deshalb werden im Rahmen des (disziplinenübergreifenden) Symposiums sowohl Beiträge zur modellbezogenen Zusammenhangsannahmen als auch zur Entwicklungsvermutung lanciert. Im Spezifischen fokussieren Weyers et al. auf ein neu entwickeltes Beobachtungsinstrument zur Erfassung effektiver Klassenführung im Lese- und Rechtschreibunterricht der Primarstufe. Sie demonstrieren, dass die beobachtete Klassenführung mit dem pädagogischen Wissen, aber nicht mit dem fachdidaktischen Wissen von Primarstufenlehrkräften in Zusammenhang steht. Dabei diskutiert der Beitrag nicht nur Herausforderungen der standardisierten Unterrichtsbeobachtung, sondern regt auch den ergänzenden Einbezug von selbstberichteter Unterrichtsqualität an. Müller et al. werden im dritten Beitrag mit Blick auf angehende Lehrkräfte drei verschiedene Erfassungsformate zur Messung von situationsspezifischen Fähigkeiten in Bezug auf Klassenführung vergleichen und deren Zusammenhänge untereinander sowie mit der Klassenführungsqualität vorstellen. In den beiden letzten Beiträgen wird ein vom Schweizerischen Nationalfonds gefördertes Forschungsprojekt zum Transformationsprozess von Wissen zu Performanz bei (angehenden) Sportlehrkräften am Beispiel der Klassenführung (WiPe-Sport) vorgestellt. Anhand von inhaltlich abgestimmten Mess- und Testinstrumenten zur Erfassung des klassenführungsbezogenen Wissens, der diesbezüglichen WIE und der klassenführungsbezogenen Performanz bei angehenden Sport unterrichtenden Lehrkräften untersuchen Berthold et al. die Zusammenhangsvermutungen des Kompetenzstrukturmodells von Blömeke et al. (2015). Diesbezüglich bleiben die theoretisch erwarteten Zusammenhänge aus. Professionelles Wissen, WIE und Performanz zeigen bei den Teilnehmern der Interventionsstudie (n = 90) weder vor noch nach der Intervention signifikante Zusammenhänge. Diese Ergebnisse werden im Kontext der theoretischen Annahmen, der vorhandenen empirischen Belege und dem Studiendesign kritisch diskutiert. Im Anschluss richten Baumgartner et al. ihren Fokus dabei auf die modellbezogene Entwicklungsannahme (vgl. Blömeke et al., 2015). In einer quasi-experimentellen Interventionsstudie wurde u.a. anhand von vier Untersuchungsgruppen (UG) angehender Lehrkräfte erschlossen, welche Wirkung die jeweiligen Entwicklungskomponenten auf die klassenführungsbezogene Performanzentwicklung haben. Es wird aufgezeigt, dass einzig in der höchsten Interventionsstufe, in welcher die UG die Umsetzung der Qualitätskriterien einer guten Klassenführung in der eigenen Unterrichtspraxis üben konnten, ein signifikanter Performanzzuwachs (z(17) = 12.0, p = 0.002) mit einem grossen Effekt (r = 0.741) festgestellt werden konnte.

 

Beiträge des Symposiums

 

Zur Beobachtung effektiven Classroom Managements in der Primarstufe: Vorstellung eines Rating-Instruments und Bezüge zu Wissen und selbstberichteter Unterrichtsqualität

Jonas Weyers1, Johannes König1, Nina Glutsch2, Gino Casale3, Petra Hanke1, Chantal Knips1, Thorsten Pohl1, Tina Waschewski4, Michael Becker-Mrotzek1, Alfred Schabmann1, Birgit Träuble1
1Universität zu Köln, 2Geschäftsstelle der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz, 3Bergische Universität Wuppertal, 4Institut für Qualitätsentwicklung im Land Bremen

Theoretischer Hintergrund

Effektives Classroom Management gilt als Basisdimension der Unterrichtsqualität und bedingt maßgeblich schulisches Lernen (Hattie, 2012; Klieme, 2018; Korpershoek et al., 2016). Es umfasst die Handlungen der Lehrkraft zur Gestaltung einer störungsarmen und die Lernzeit nutzenden Lernumgebung, beispielsweise mithilfe von Regeln und Routinen (Doyle, 2006; Kounin, 1970; Ophardt & Thiel, 2013). Die standardisierte Erfassung von Classroom Management spielt in Forschungsarbeiten zur Unterrichtsqualität und Lehrkräftekompetenz eine zentrale Rolle (König et al., 2021; König & Kramer, 2016; Lenske et al., 2016). Generell ist die Messung von Unterrichtsqualität jedoch herausfordernd und verlangt eine adäquate Konzeption und Erhebungsmethode (Praetorius et al., 2012; Strong et al., 2011). Obwohl Erfassungen aus Sicht der Schüler*innen sowie als Selbstbericht der Lehrkraft möglich sind, werden Beurteilungen durch geschulte Beobachter*innen favorisiert (Praetorius et al., 2012). Allerdings liegen nur wenige Rating-Instrumente für den Primarstufenunterricht vor (z. B. Gabriel-Busse et al., 2021; Pianta & Hamre, 2009).

Der Beitrag fokussiert auf ein neu entwickeltes Rating-Instrument zur Beobachtung effektiven Classroom Managements im basalen Lese- und Rechtschreibunterricht (Projektkontext: WibaLes). Das Instrument soll Zusammenhänge zwischen Kompetenzaspekten (z. B. Wissen), Unterrichtsqualität und Lernfortschritt aufdecken. Diese Verwendung setzt passgenaue Validitätsbelege voraus, insbesondere theoriekonforme Zusammenhänge zum professionellen Wissen, aber auch zur selbsteingeschätzten Unterrichtsqualität (Bell et al., 2012; Fauth et al., 2014; Hartig et al., 2020).

Fragestellung

Zentrale Befunde zum Instrument werden anhand von drei Forschungsfragen dargestellt:

Forschungsfrage 1: Erlaubt das Rating-Instrument eine reliable Messung von Classroom Management als eine Basisdimension der Unterrichtsqualität?

Forschungsfrage 2: Zeigen sich theoriekonforme Korrelationen zum pädagogischen und fachdidaktischen Wissen?

Forschungsfrage 3: Zeigen sich Korrelationen (a) zum selbstberichteten Classroom Management und (b) zu Unterrichtsstörungen im Selbstbericht?

Methode

Acht Kategorien des Classroom Managements wurden erarbeitet, die insbesondere in der Primarstufe bedeutsam sind: (1) Unterrichtstörungen, (2) Allgegenwärtigkeit, (3) effektive Zeitnutzung, (4) klare Regeln, (5) klare Routinen, (6) Wertschätzung, (7) Strukturierung und (8) Zielklarheit. Dem beobachteten Unterricht wird für jede Kategorie ein Wert zwischen 1 (niedrige Qualität) und 4 (hohe Qualität) zugeordnet. Das Instrument wurde anhand des Unterrichts von 35 Primarschullehrkräften im Lese- und Rechtschreibunterricht erprobt (jeweils bis zu drei Messzeitpunkte). Zusätzlich wurden das pädagogische Wissen und das fachdidaktische Wissen (Schwerpunkt: Lese- und Rechtschreibunterricht) sowie das selbstberichtete Classroom Management erfasst. Die Analysen umfassten Reliabilitäts- und Faktorenanalysen (Ansatz virtueller Fälle; n = 170) sowie Rangkorrelationen zu Wissen und Selbsteinschätzungen.

Ergebnisse

Das eindimensionale Faktormodell mit acht Beobachtungskategorien zeigte verbesserungswürdige Modellpassung (CFI = .848), aber akzeptable bis gute Reliabilitäten über die Beobachtungszeitpunkte hinweg (.50 ≥ α ≥ .89). Eine theoriegeleitete Unterscheidung zwischen organisationalen (Kategorien 1-6) und instruktionalen Aspekten (Kategorien 7-8) des Classroom Managements verbesserte die Modellpassung (CFI = .949), was Annahmen zu einer mehrdimensionalen Struktur stützt (Clausen et al., 2003; Gilberts & Lignugaris-Kraft, 1997). Erwartungskonform zeigten sich signifikante Korrelationen zum pädagogischen Wissen (r = .385; p < .05), sodass die Ratings valide als Maß fächerübergreifender Performanz von Lehrkräften interpretierbar sein dürften (König & Kramer, 2016; Lenske et al., 2016). In Einklang mit vorherigen Befunden (Baumert et al., 2010; Voss et al., 2014) zeigte sich kein Zusammenhang zum fachdidaktischen Wissen (r = .103; p > .10). Die Unterrichtsbeobachtungen korrelierten signifikant mit der selbstberichteten Intensität der Unterrichtsstörungen (r = .385; p < .05), aber nicht mit dem selbstberichteten Classroom Management insgesamt (r = .265; p > .10).

Zusammenfassend zeigen sich vielversprechende Ergebnisse für den weiteren Einsatz des Instruments, wobei auch Limitationen und Weiterentwicklungspotentiale hervorzuheben sind, beispielsweise mit Blick auf (ggf. stichprobenbedingt) vorhandene Deckeneffekte. Auch das Potential der Erfassung von Classroom Management im Selbstbericht ist weiter zu prüfen (z. B. Fauth et al., 2014) – so zeigten explorative Analysen auch Zusammenhänge zwischen pädagogischem Wissen und selbstberichtetem Classroom Management (r = .421; p < .05).

 

Zusammenhänge zwischen analytischer und holistischer Erfassung situationsspezifischer Fähigkeiten in Bezug auf Klassenführung und Klassenführungsqualität von Lehramtsstudierenden

Madeleine Müller1, Bernadette Gold2, Kira Elena Weber3, Christopher Prilop4
1Universität Erfurt, 2TU Dortmund, 3Universität Hamburg, 4Aarhus University,

In den letzten Jahren stieg die Anzahl der Instrumente zur Erfassung von situationsspezifischen Fähigkeiten (SSF) erheblich an (König et al., 2022; Weyers et al., 2023). Diese unterscheiden sich jedoch hinsichtlich verwendeter Terminologie sowie ihrer Operationalisierung der SSF. So existieren Instrumente, die zwischen einer analytischen (=Betrachtung einzelner SSF-Prozesse wie Beschreibung, Interpretation, etc.) und einer holistischen (=Betrachtung von SSF als ganzheitlicher Prozess) Auslegung von SSF variieren (König et al., 2022). Meist verwenden Instrumente kurze authentische Unterrichtsvideos als Teststimulus, welche von hochstandardisierten geschlossenen Aufgaben wie Ratingitems (z.B. Seidel & Stürmer, 2014) bis hin zu weniger standardisierten offenen Aufgabenformaten (z.B. Jamil et al., 2015) begleitet werden. Dabei konnten nur geringe bis moderate Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aufgabenformaten identifiziert werden (z.B. Frommelt et al., 2019; Mischo et al., 2023), die für eine geringe konvergente Validität sprechen. Zudem ist die Evidenz für die Vorhersagevalidität nach wie vor begrenzt, da Zusammenhänge zwischen SSF und Unterrichtsqualität nur vereinzelt gefunden werden konnten ¬¬– unabhängig vom Erfassungsformat (Gold et al., 2021; König & Kramer, 2016; König et al., 2021; Krauss et al., 2020). Davon ausgehend werden in der vorgestellten Studie mittels drei verschiedener Formate zur Erfassung der SSF folgende Fragestellungen fokussiert: Wie hängen die unterschiedlichen Formate zur Messung der SSF (1) untereinander und (2) mit Unterrichtsqualität bei Lehramtsstudierenden zusammen? Inhaltlich wird das Unterrichtsqualitätsmerkmal Klassenführung fokussiert, da sich eine effektive Klassenführung wiederholt als bedeutsam für die Entwicklung der Lernenden erwies (Hattie, 2009; Praetorius et al., 2016).

Die Stichprobe bestand aus 85 Masterstudierenden des Lehramtes (70.6% weiblich, MAlter=23.51 Jahre [SD=1.89 Jahre]). Die Auswahl der drei verschiedenen videobasierten Erfassungen orientierte sich an üblichen Verfahren quantitativer Instrumente der bereits erwähnten Unterteilung in eine analytische und holistische Konzeptualisierung von SSF (König et al., 2022).

Es wurden zwei typische Formate gewählt, die den analytischen Ansatz repräsentieren (Ratingitems, adaptiert nach Gold & Holodynski, 2017, Cronbachs α=.87, Kodierung einzelner SSF-Prozesse in einer schriftlichen Analyse auf Prompts, adaptiert nach Gippert et al., 2022, .74 < Cohens ĸ < .82). Die Ratingitems deckten das wissensbasierte Interpretieren von unterrichtsrelevanten Events ab, während die schriftlichen Analysen auf die Prompts in erkannte Events, deren wissensbasierte Interpretation und Generierung begründeter Handlungsalternativen kodiert wurden. Der holistische Ansatz wurde durch die Kodierung von Expertisemerkmalen (z.B. Integration verschiedener Perspektiven, Offenheit für alternative Erklärungen) in einer globalen Einschätzung der gezeigten Unterrichtssequenz repräsentiert, adaptiert nach Wolff et al., 2015, .81 < Cohens ĸ < .84. Zur Erfassung der Klassenführungsqualität lagen Schüler*inneneinschätzungen zur wahrgenommenen Klassenführung aus Unterrichtsstunden während des Praxissemesters der Studierenden vor (Subskalen: Präsenz, α=.62; Regelklarheit, α=.55; Strukturierung, α=.62; Mitarbeit, α=.85). Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Erfassungsformaten der SSF wurden mittels Korrelationsanalysen berechnet. Zusammenhänge zwischen den SSF der Lehramtsstudierenden mit den Schüler*innenratings wurden mittels Mehrebenenregressionsmodellen geschätzt.

(1) Zwischen den Erfassungsformaten konnten nur einzelne Zusammenhänge identifiziert werden: Die Ratingitems korrelierten mit den Kodierungen der SSF-Prozesse Erkennen (r=.31, p<.01) und wissensbasierte Interpretation (r=.25, p<.01). Zudem hingen die Generierung begründeter Handlungsalternativen der schriftlichen Analyse und die Integration verschiedener Perspektiven im Globalrating geringfügig zusammen (r=.25, p<.05).

(2) Hinsichtlich der zweiten Fragestellung zeigte die wissensbasierte Interpretation erfasst mittels Ratingitems einen negativen Zusammenhang mit der von Schüler*innen wahrgenommenen Präsenz (β=-.31, p<.05). Das wissensbasierte Interpretieren aus den Kodierungen der schriftlichen Analyse korrelierte negativ mit der wahrgenommenen Regelklarheit (β=-.29, p<.05). Positive Korrelationen waren nur im holistischen Ansatz identifizierbar: Je offener die angehenden Lehrkräfte für alternative Erklärungen und Kontexteffekte waren, desto besser bewerteten die Schüler*innen die Strukturiertheit des Unterrichts (β=.27, p<.05) sowie die Regelklarheit (β=.40, p<.01).

Das unklare Zusammenhangsmuster steht im Einklang mit inkonsistenten Befunden aus bestehenden Untersuchungen zur konvergenten und prädiktiven Validität videobasierter Instrumente. Die Ergebnisse weisen darauf hin, neben der notwendigen Analyse einzelner relevanter Events auch holistische Ansätze zu fokussieren und somit die unterrichtliche Komplexität stärker einzubeziehen.

 

Von Wissen zu Performanz am Beispiel der Klassenführung im Fach Bewegung und Sport: Zu den Zusammenhangsvermutungen

Clemens Berthold, Eric Jeisy, Matthias Baumgartner
Pädagogische Hochschule St.Gallen

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Für die professionelle Kompetenz von Lehrpersonen lassen sich aus dem Kompetenzstrukturmodell nach Blömeke et al. (2015) Zusammenhangsvermutungen zwischen den drei Kompetenzfacetten 1) der Kompetenzaspekte (z.B. Professionswissen), 2) der situativen kognitiven Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsfähigkeiten (WIE) sowie 3) die Performanz aufstellen. In jüngster Zeit sind verschiedene Forschungsbemühungen festzustellen, in welchen diese Zusammenhangsvermutungen empirisch erhellt werden. In den Studien werden niedrige bis hohe positive Korrelationen zwischen Professionswissen und der WIE dargestellt (r = 0,13 – 0,56; z.B. Müller & Gold, 2022). Auch bezüglich des Zusammenhanges zwischen dem Professionswissens und der Performanz konnten positive Zusammenhänge gezeigt werden (z.B. König & Pflanzl, 2016). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der WIE und der Performanz ist die Datenlage je-doch inkonsistent (z.B. Blömeke et al., 2022; König et al., 2022). Für das Fach Bewegung und Sport liegen zurzeit keine Untersuchungen vor, welche die dargelegte Zusammenhangsvermutungen zwischen den verschiedenen Kompetenzfacetten systematisch und kompetenzbereichsbezogen erforschten. Im Rahmen des SNF-Projekts WiPe-Sport soll diese Forschungslücke am Beispiel der Klassenführung im Sportunterricht bearbeitet werden. Diesbezüglich steht die Fragestellung im Zentrum, ob und welche Zusammenhänge zwischen dem klassenführungsbezogenen Wissen, der klassenführungsbezogenen WIE und der klassenführungsbezogenen Performanz bei angehenden Lehrkräften bestehen.

Methode

Zur Messung der verschiedenen Kompetenzfacetten wurden im Rahmen der Untersuchung ein computerbasiertes Testinstrument zur Erfassung des klassenführungsbezogenen Wissens (eindimensionale 2pl - IRT Modellierung; Reliabilität: EAP = .603, WLE = .569) sowie ein videovignettenbasiertes Instrument zur Messung der diesbezüglichen WIE (eindimensionale 2pl - IRT Modellierung; EAP = 0.647, WLE = 0.639) entwickelt (Baumgartner et al., 2023). Diese Instrumente wurden von einem vorliegenden Beobachtungsinstrument zur Erfassung der klassenführungsbezogenen Performanz im Sportunterricht (9 latente Variablen mit 27 Items; Baumgartner et al., 2020) abgeleitet und sind dementsprechend inhaltlich abgestimmt. Die Daten wurden im Rahmen der projektbezogenen Interventionsstudie (Pre-Post-Control-Design mit 4x2-Faktorenstufen) erhoben, an welcher angehende Lehrkräfte partizipierten (n = 90); vgl. Beitrag 4: Baumgartner et al.). Zur Auswertung der erhobenen Daten wurden Korrelationsanalysen gerechnet.

Ergebnisse

Während sich im Rahmen der Pilotierung der Testinstrumente die erwarteten, wenn auch kleinen Zusammen-hänge zwischen Wissen und WIE zeigten (r = 0.13, p < 0.001), sind diese bei den Interventionsteilnehmenden (Hauptuntersuchung) nicht festzustellen. Es liegen bei den Ergebnissen der Teilnehmenden der Interventionen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Wissen, WIE und Performanz vor. Im Beitrag werden die-se Ergebnisse vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen, den empirischen Belegen und des Studiendesigns kritisch diskutiert. Daran anschliessend werden weitere Überlegungen zur Erfassung professioneller Kompetenzen bei (angehenden) Lehrkräften angestellt.

 

Klassenführung angehender Lehrkräfte: Welche Entwicklungskomponenten fördern die Performanz?

Matthias Baumgartner, Clemens Berthold, Eric Jeisy
Pädagogische Hochschule St.Gallen

Einleitung und Fragestellung

Die Wirksamkeit der Ausbildung von Lehrkräften lässt sich letztlich daran messen, wie effektiv angehende Lehrkräfte die für den Lehrberuf relevanten professionellen Kompetenzen erwerben können, um die Förderung der Entwicklung der Schüler:innen zu unterstützen (SKBF, 2023). Der Transfer der Ausbildungsinhalte in die eigene Praxis bzw. der Transformationsprozess von den Kompetenzaspekten (z.B. Professionswissen) zu Performanz bei angehenden Lehrkräften nimmt dementsprechend einen relevanten Stellenwert ein (Baumgartner, 2022). Blömeke et al. (2015) legen diesbezüglich ein Kompetenzstrukturmodell vor, das diesen Transformationsprozess darstellt. Das Modell basiert dabei auf der Entwicklungsvermutung, dass die Qualität der Performanze (AV) durch die drei Entwicklungskomponenten der Verbesserung der 1) der Kompetenzaspekte, 2) der situativen kognitiven Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsfähigkeiten (WIE) von Lehrkräften sowie 3) der Übung der Umsetzung der Qualitätskriterien (z. B. Qualitätskriterien der Klassenführung) in der eigenen Unterrichtspraxis erhöht werden kann (Baumgartner, 2022). Bisher liegen keine Studien vor, in welchen die Wirkung aller drei Entwicklungskomponenten hinsichtlich des Performanzzuwachses von Lehrpersonen anhand von gezielten Interventionen untersucht wurde. Im Rahmen des vom SNF geförderten Forschungsprojekts zum Transformationsprozess von Wissen zu Performanz bei (angehenden) Sportlehrkräften (WiPe-Sport) soll diese Forschungslücke am Beispiel der Klassenführung bearbeitet wer-den. Es wird dabei die Frage gestellt, welche Wirkungen drei verschiedene Interventionen, in welchen die drei Entwicklungskomponenten gezielt angesteuert werden, auf den Performanzzuwachs haben.

Methode

Die quasi-experimentelle Interventionsstudie basiert auf einem vierstufigen Hauptfaktor Untersuchungsgruppe (UG) und einem zweistufigen Hauptfaktor Messzeitpunkt (Pre-Post-Control-Design mit 4x2-Faktorenstufen). In der Studie durchlaufen die vier UG (n = 20-25), die aus Lehramtsstudierenden der Pädagogischen Hochschule St.Gallen bestehen, verschiedene Interventionsstufen. Drei UG erhalten jeweils eine zunehmend gesteigerte Dosis (UG1: Förderung klassenführungsbezogenen Wissens; UG2: Intervention 1 und Förderung klassenführungsbezogene WIE; UG3: Intervention 1 und 2 sowie videobasiertes Feedback von Dozierenden auf das eigene klassenführungsbezogene Handeln; UG4: Gruppe Standardintervention, die nur ein Praktikum absolviert). Vor und nach der Durchführung der Interventionen wurden die drei Kompetenzfacetten (Professionswissen; WIE; Performanz) durch die für die Studie entwickelten klassenführungsbezogenen Instrumente erfasst (Baumgartner et al., 2020; Baumgartner et al., 2023). Die abhängige Variable (AV) stellt die klassenführungsbezogene Performanz im Sportunterricht dar, als unabhängige Variablen (UV) gelten die Interventionsstufen. Zur Datenauswertung wurden einfaktorielle ANCOVAs mit Messwiederholung, Wilcox-Tests und die jeweiligen Effektstärken berechnet.

Ergebnisse

Die Analysen zeigen Effekte der Interventionen bei Kontrolle für die Vorkenntnisse zu t0. Es liegen signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen nach der Intervention im Bereich der WIE (F(3, 64) = 4,80, p = 0.004, partielles η² = 0.144) und der Performanz (F(3, 65) = 4,20, p = 0.008, partielles η² = 0.087) vor, nicht jedoch im Bereich des Professionswissens (F(3, 65) = 2,17, p = 0.100, partielles η² = 0.055). Post-Hoc Analysen zeigen, dass durch die Interventionsmassnahmen die einzelnen Facetten spezifisch und direkt angesteuert werden konnten, während die Gruppe der Standardintervention in keiner der drei Facetten signifikante Entwicklungen zeigt. Einzig in der UG4 konnte ein signifikanter Performanzzuwachs (z(17) = 12.0, p = 0.002) mit einem starken Effekt (r = 0.741) festgestellt werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Performanzzuwachs bei den angehenden Lehrkräften dann erfolgt, wenn in der Ausbildung die eigene Unterrichtspraxis gezielt und kompetenzbereichsbezogen reflektiert wird.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: GEBF 2024
Conference Software: ConfTool Pro 2.8.101
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany