Paper Session
Wirkungen des Unterrichts mit offenen Aufgaben auf Wertüberzeugungen, Kosten, Kompetenz- und Autonomieerleben
Stanislaw Schukajlow1, Janina Krawitz2, Alexander Westhölter1, Katharina Wiehe1, Katrin Rakoczy3
1Universität Münster; 2Universität Paderborn; 3Universität Gießen
Motivationstheorien schreiben Wertüberzeugungen und Kosten eine wichtige Rolle für Motivation und Handeln zu (Eccles & Wigfield, 2020). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation betont zudem die Bedeutung von Autonomie- und Kompetenzerleben (Ryan & Deci, 2020). Bisher wurde nur selten untersucht, ob Autonomie- und Kompetenzerleben im Unterricht die Effekte des anspruchsvollen Fachunterrichts auf Wertüberzeugungen und Kosten vermitteln können. Zudem wurden nur selten Wirkungen von Aufgabenmerkmalen auf Motivation im Unterricht analysiert (Schukajlow, Rakoczy, et al., 2023).. Als Untersuchungsgegenstand wurden für diese Studie offene (nicht wohl-definierte) Aufgaben ausgewählt. Darunter werden realitätsbezogene Aufgaben (Modellierungsaufgaben) verstanden, in denen einige lösungsrelevante Informationen fehlen und während der Bearbeitung recherchiert oder geschätzt werden müssen (Jonassen, 2000; Schukajlow, Krawitz, et al., 2023; Yeo, 2017). Bei geschlossenen Aufgaben sind alle nötigen Informationen gegeben. Die Analyse der Effekte des Unterrichts mit offenen Aufgaben auf Motivation und die Untersuchung der Wirkmechanismen dieser Effekte ist eine wichtige Aufgabe der Unterrichtsforschung.
Hypothesen
- Aufgrund der größeren Nähe offener Aufgaben zur Realität und multipler Lösungsmöglichkeiten (Niss & Blum, 2020), erwarten wir positive Effekte des Unterrichts mit offenen Aufgaben auf Wertüberzeugungen, das Autonomie- und Kompetenzerleben sowie negative Effekte auf Kosten.
- Auf der Grundlage der Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles & Wigfield, 2020) und der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2020) erwarten wir, dass Autonomie- und Kompetenzerleben den positiven Effekt des Unterrichts mit offenen Aufgaben auf Wertüberzeugungen und Kosten vermitteln.
Methode
259 Neuntklässler:innen (103 weiblich, M=14.5 Jahre) aus Realschulen und einem Gymnasium wurden innerhalb jeder Klasse randomisiert einer Experimentalgruppe (EG) oder einer Kontrollgruppe (KG) zugewiesen. In der EG wurden offene und in der KG geschlossene Aufgaben mit gleichen Unterrichtsmethoden behandelt. Der Unterricht wurde von geschulten Masterstudierenden gemäß standardisierten Instruktionsmanualen durchgeführt, wobei jeder/e Instruktionsleiter/in dieselbe Anzahl von KG- und EG-Gruppen unterrichtet hat. Ein Treatmentcheck mit Hilfe von standardisierten Beobachtungsbögen und die Analyse von Unterrichtsmaterialien bestätigten die adäquate Umsetzung. Vor und nach dem Unterricht haben Lernende an einer Befragung zu Wertüberzeugungen (attainment, intrisic und utility value (AV, IV, UV), je 3 Items) und Kosten (3 Items) teilgenommen. Während des Unterrichts (5 Schulstunden) wurden Lernende zu Autonomie- und Kompetenzerleben befragt. Für die Befragungen wurden erprobte Skalen genutzt (1=stimmt gar nicht, 5=stimmt genau). Die interne Konsistenz aller Skalen war mindestens .78. Die Überprüfung der Hypothesen erfolgte mit Hilfe von Pfadmodellen mit den unabhängigen Variablen „Unterricht mit offenen vs. geschlossenen Aufgaben“, „Wertüberzeugungen“ und „Kosten“ im Pretest, den vermittelnden Variablen „Autonomie- und Kompetenzerleben“ und den abhängigen Variablen „AV“, „IV“, „UV“ und „Kosten“ im Posttest. Die Anzahl der Probanden und die Anzahl der Freiheitsgrade waren ausreichend, um die angenommenen Hypothesen mit den aufgestellten saturierten Pfadmodellen zu testen. Aufgrund substanzieller Korrelationen wurden die Pfadmodelle einzeln für die drei Valuekomponenten und Kosten analysiert, wobei die Mediatoren – ebenfalls aufgrund der Korrelationen – einzeln in die Modelle aufgenommen wurden. Die jeweiligen Pretestvariablen wurden kontrolliert. Die Analysen wurden mit Mplus3.9 (MLR-Schätzer) durchgeführt. Fehlende Werte wurden mit FIML geschätzt und STDY-Werte berichtet.
Ergebnisse und Diskussion
Es zeigten sich positive Effekte des Unterrichts mit offenen Aufgaben auf AV (β=0.08, p<.05), UV (β=0.084, p<.05) und Kompetenzerleben (β=0.012, p<.01), positive Tendenzen bei Autonomieerleben (β=0.094, p=.07) und negative Effekte bei Kosten (β=-0.117, p <.05). Keine Effekte wurden bei IV beobachtet. Kompetenzerleben (aber nicht Autonomieerleben) vermittelte zwischen dem Unterricht mit offenen Aufgaben und AV (β=0.028, p<.05), IV (β=0.031, p<.05) und UV (β=0.02, p<.05) (aber nicht Kosten).
Die Ergebnisse zeigen, dass Aufgabenmerkmale wie Offenheit motivationale Variablen beeinflussen können. Im Einklang mit der Selbstbestimmungstheorie und Erwartungs-Wert-Theorie, erwies sich Kompetenzerleben als wichtige vermittelnde Variable. Eine fehlende vermittelnde Wirkung von Autonomieerleben könnte aus den begrenzten Autonomiegelegenheit resultieren, die sich nur auf die Lösungsvielfalt bezog. Eine praktische Implikation ist, Motivation im Unterricht durch die Aufgabenwahl zu steigern. Offene Modellierungsaufgaben bieten sich dafür an.
Paper Session
Effekte der Integration von Kunst in den Unterricht auf motivationale Schülermerkmale - Befunde aus dem Sparkling Science Projekt „Zirkus des Wissens“
Julia Lauss, Christoph Helm
Johannes Kepler Universität Linz, Österreich
Problemstellung
Um den wachsenden Bedarf an Fachkräften im MINT-Bereich auszugleichen und den sich wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden, müssen sich Unterrichtsformen anpassen. Ein neuer Ansatz, um MINT-Fächer für Schüler*innen zugänglicher zu machen, stellt die Kunstintegration in Unterrichtsfächer dar, die üblicherweise von Schüler*innen als abstrakt und schwierig wahrgenommenen werden (Merzyn, 2008). Im längsschnittlich angelegten Sparkling Science Projekt „Zirkus des Wissens“ finden an fünf Schulen im Rahmen des Regelunterrichts mehrwöchige Kunst-Workshops mit Künstler*innen statt. Ziel des Projektes ist es die Motivation und Selbstwirksamkeit der Schüler*innen für und in MINT-Fächer zu erhöhen. Der Beitrag analysiert, inwiefern dies im Projekt gelungen ist, und geht auf Chancen und Herausforderungen der Kunstintegration im Unterricht ein.
Theorie
Durch die Integration von Kunst in die MINT-Fächer fällt es Schüler*innen leichter, die Fachinhalte und Prinzipien in Alltagssituationen anzuwenden, diese Verknüpfung führt zum besseren Verständnis in beiden Bereichen (Robinson et al., 2009). Das Aufzeigen der Verbindung zwischen Lerninhalt und Alltag steigert die Relevanz der Lerninhalte für die Schüler*innen und damit auch die intrinsische Motivation (McClelland, 1987). Diese ist in Kombination mit Persönlichkeitsmerkmalen, Begabung und Wissen die Quelle von Kreativität (Holm-Hadulla & Stewart, 2018). Als treibende Kraft der Neugier, ist die Kreativität essenziell für naturwissenschaftliche Erkundungen. Der enge Zusammenhang zwischen Kreativität und (natur-)wissenschaftlicher Motivation, belegt die Bedeutsamkeit der Integration von Kunst in die MINT-Fächer (Baldwin, 1985). Darüber hinaus bietet Kunst im Unterricht den Schüler*innen auch ein erhöhtes Maß an Mitgestaltung und Mitbestimmung. Laut Ryan und Deci (2000) fördert diese Autonomie das Schülerinteresse am Thema. Zusätzlich sind die variablen Lernbedingungen und die kreativen, offenen Lösungswege der Kunst förderlich für eine positive Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung (Schwarzer und Jerusalem, 2002).
Methode
Das im dreijährigen Längsschnitt angelegte Projekt umfasst 9 Projektklassen (210 Schüler*innen) und 2 Kontrollklasse (44 Schüler*innen) aus fünf Mittelschulen und Gymnasien. Die Ausgangsmessung im März 2023 sowie die erste Wiederholungsmessung im Juni 2023 erfolgten durch eine Onlinebefragung, wobei etablierte Skalen zu den Konstrukten Fachinteresse (acatech & VDI, 2009), motivationale Regulation (Ryan & Connell, 1989) und Selbstwirksamkeitserwartungen (Glynn, 2011) in den MINT-Fächern, Beharrlichkeit (Fleckenstein et al., 2014), Präsentationsangst (selbsterstellt) sowie Schülererfahrungen im Kunst- und MINT-Bereich (selbsterstellt) eingesetzt wurden. Darüber hinaus wurden als Kontrollvariablen der sozioökonomische Hintergrund (Torsheim et al., 2015) und die Erstsprache der Schüler*innen erfasst. Die Analyse des Einflusses der Integration von Kunst im Unterricht auf die Entwicklung der motivationalen Schülermerkmale im MINT-Bereich erfolgte mittels Single Indicator Latent Change Score Modellen (Kievit et al., 2018), wobei die Kunstintervention sowohl als dummy-kodierter Prädiktor als auch als Index der von den Schüler*innen wahrgenommenen Qualität der Kunstworkshops modelliert wurde. Darüber hinaus wurde der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds und der Erstsprache auf die Veränderung in den genannten Konstrukten untersucht.
Ergebnisse
Wiedererwarten konnte im ersten Projektjahr für keine der untersuchten motivationalen Variablen eine statistisch signifikante Veränderung in der Stichprobe beobachten werden. Auch die Einflüsse der Kunstworkshops, des sozioökonomischen Hintergrunds und der Erstsprache waren nicht signifikant. Eine Erklärung für die fehlenden signifikanten Effekte der Integration von Kunst in den MINT-Unterricht liefert Meyer (2011): Auch kunstintegrierter Unterricht ist kein Selbstläufer. Womöglich müssen Schüler*innen sich erst ausreichend Methodenkompetenz aneignen, damit Kunst im Unterricht seine positive Wirkung entfalten kann. Eine andere Erklärung könnte darin liegen, dass sich die verwendeten Interessens- und Motivationsskalen auf das Unterrichtsfach allgemein bezogen und nicht spezifisch auf die Themen der Workshops. In Kombination mit der kurzen Dauer und geringen Intensität der Workshops in Relation zum restlichen Unterricht, könnte dies zu den Nullergebnisse geführt haben. Darüber hinaus spricht Kunst und Projektunterricht nicht alle Kinder gleichermaßen an. Für künftige Erhebungszyklen lassen aber Befunde aus Lehrer*innen-Interviews, die auf wahrgenommene positive Veränderungen in der Lernbereitschaft und Motivation der Schüler*innen hindeuten, signifikante Effekte der Integration von Kunst in den Unterricht erwarten.
Paper Session
Effekte von Nutzungshäufigkeit, situationsspezifischer Passung und Anwendungsqualität von Motivationsregulationsstrategien auf das Wohlbefinden von Studierenden
Sophie von der Mülbe, Raven Rinas, Markus Dresel, Kristina Stockinger
Universität Augsburg, Deutschland
Viele Studien identifizieren Motivationsregulation als wichtigen Prädiktor für Studienmotivation und Studienerfolg (Steuer et al., 2019; Kryshko et al., 2020; Schwinger et al., 2009; Wolters, 1998, 1999). Der potenzielle Einfluss von Motivationsregulation auf das emotionale Erleben und Wohlbefinden von Studierenden wurde bisher aber kaum empirisch untersucht, obwohl hierzu durchaus theoretische Vorstellungen existieren (z.B. Zimmerman & Schunk, 2008). Da Motivation und Emotion integrale Bestandteile von Lernen und Leistung sind, die eng miteinander verwoben sind und u.a. ähnliche Antezedenzien haben (Meyer & Turner, 2006; Eccles & Wigfield, 2020; Pekrun, 2023), liegt es nahe, dass Motivationsregulation nicht nur Motivation, sondern auch Emotionen und Wohlbefinden von Studierenden beeinflussen kann.
Erste Studien mit Belegen für diese Zusammenhänge (z.B. Grunschel et al., 2016, Kryshko et al., 2022) haben ausschließlich die Häufigkeit des Einsatzes von Motivationsregulationsstrategien berücksichtigt. Aktuelle Forschung zeigt jedoch, dass neben der Nutzungshäufigkeit auch die situationsspezifische Passung zwischen verwendeten Regulationsstrategien und den motivationalen Problemen, auf die diese zielen, sowie die Qualität der Strategieanwendung für die Effektivität der Motivationsregulation und nachfolgendes Lernverhalten wichtig sind (z.B. Engelschalk et al., 2017; Steuer et al., 2019). Vermutlich leistet jede Motivationsregulationskomponente einen spezifischen Beitrag zur erfolgreichen Bewältigung von motivationalen Herausforderungen, ist dafür aber nicht alleine hinreichend. Da theoretisch anzunehmen ist, dass die drei Motivationsregulationskomponenten auch für emotionales Erleben und Wohlbefinden von Studierenden wichtig sind, sollen im vorliegenden Beitrag die Zusammenhänge zwischen Nutzungshäufigkeit, situationsspezifischer Passung und Qualität des Strategieeinsatzes einerseits sowie emotionalen und kognitiven Aspekten von Wohlbefinden andererseits untersucht werden. Im Einklang mit früherer Forschung (z.B. Bäulke et al., 2018) wird zudem untersucht, ob die wahrgenommene Effektivität der Motivationsregulation diese Zusammenhänge mediiert.
Um die angenommenen Zusammenhänge zu überprüfen, wurden Daten aus zwei empirischen Studien mit Studierenden genutzt. In Anlehnung an multidimensionale Konzeptualisierungen von Wohlbefinden (Diener et al. 2003; Marsh et al. 2020) wurden affektive Komponenten in Form von positiven und negativen (Leistungs-)Emotionen (Angst, Langeweile, Hoffnung, Freude) und kognitive Komponenten in Form von Studienzufriedenheit und allgemeiner Lebenszufriedenheit gemessen. Die Hypothesen wurden mittels Strukturgleichungsmodellen in R (lavaan) getestet, wobei alle Konstrukte außer Lebenszufriedenheit latent erfasst wurden.
In Studie 1 wurden 234 MINT-Studierende einer deutschen Universität (28.8% weiblich, MAlter=21,0; SD=3,04) online zu ihrer Motivationsregulation und ihrem Wohlbefinden befragt. Studie 2 stützte sich auf eine größere, repräsentative Stichprobe mit 890 Studierenden (56.0% weiblich, MAlter=23,6; SD=4,40) mehrerer deutscher Universitäten., um die in Studie 1 beobachteten Muster mit denselben validierten Messinstrumenten zu überprüfen. Diese standortübergreifende Stichprobe ist Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge repräsentativ nach Hochschultyp, Semester, Geschlecht und Studienfach geschichtet. Das Strukturgleichungsmodell zeigte in beiden Studien eine gute Passung (Studie 1: χ2=167.3; df=126; p<.01; RMSEA=. 038; CFI=.990; TLI=.986; SRMR=.062; Studie 2: χ2=560.7; df=126; p<.001; RMSEA=.062; CFI=.961; TLI=.948; SRMR=.060). Übereinstimmend mit den Hypothesen hingen in beiden Studien Nutzungshäufigkeit, situationsspezifische Passung und Qualität des Einsatzes von Motivationsregulationsstrategien positiv mit der Effektivität der Motivationsregulation zusammen, die wiederum positiv mit Hoffnung, Freude, Studienzufriedenheit und Lebenszufriedenheit und negativ mit Angst und Langeweile zusammenhing (ps<.05). Die positiven indirekten Effekte von Nutzungshäufigkeit, situationsspezifischen Passung und Qualität auf Hoffnung, Freude, Studienzufriedenheit und Lebenszufriedenheit und die negativen indirekten Effekte auf Angst und Langeweile wurden durch die Effektivität der Motivationsregulation mediiert (ps<.05).
Insgesamt konvergieren Größe und Richtung der Effekte in beiden Stichproben. Die Ergebnisse unterstützen die Annahmen von Zimmerman und Schunk (2008) zum Zusammenhang zwischen Motivationsregulation und Wohlbefinden und unterstreichen die Bedeutung von Regulationskompetenzen in Bezug auf Nutzungshäufigkeit, situationsspezifische Passung und Qualität bei Studierenden. Die Ergebnisse erweitern das theoretische Wissen zur Bedeutung der verschiedenen Motivationsregulationskomponenten, die in engem Zusammenhang mit der Effektivität der Motivationsregulation stehen, und stimmen mit aktuellen Forschungsergebnissen zu möglichen Überschneidungen zwischen motivationaler und emotionaler Selbstregulierung überein (Stockinger et al., 2023). Sie haben Implikationen für integrative Theoriebildung und die Entwicklung wirksamer Fördermaßnahmen für Wohlbefinden von Studierenden.
Paper Session
Zur Bedeutung von Resilienz für die wahrgenommene Fehlerkultur und die Lern- und Leistungsemotionen von Schüler:innen
Mareike Nowak1, Lisa Pösse1, Ramona Obermeier2, Michaela Gläser-Zikuda1
1Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2Johannes Kepler Universität Linz
Abstract
Neben Merkmalen von Unterrichtsqualität, wie einer konstruktiven Fehlerkultur, spielen Emotionen eine bedeutsame Rolle für den Lernprozess von Schüler:innen (Hagenauer & Hascher, 2018). Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wie der Umgang mit Fehlern (Oser & Spychiger, 2005) Lern- und Leistungsemotionen beeinflusst und welche Rolle die Resilienz (Twum-Antwi et al., 2020) von Schüler:innen dabei spielt. Mixed-Effects Modelle zeigen einen moderierenden Effekt von Resilienz auf Lern- und Leistungsemotionen. Eine konstruktive Fehlerkultur im Unterricht geht insbesondere für resilientere Schüler:innen mit höherer Lernfreude sowie geringerer Langeweile und Angst einher. Daraus ergeben sich Implikationen für die stärkere Berücksichtigung der Resilienz von Lernenden und die Förderung konstruktiver Fehlerkultur im Unterricht.
Theoretischer Hintergrund
Schulen sind Bildungs- bzw. Lernort und zugleich ein Kontext mit weitreichender Bedeutung für das emotionale Erleben von Schüler:innen. Neben Merkmalen von Unterrichtsqualität, wie einer konstruktiven Fehlerkultur, spielen Emotionen eine bedeutsame Rolle für den Lernprozess von Schüler:innen (Hagenauer & Hascher, 2018). Die Berücksichtigung von Emotionen lässt sich unter anderem durch die Gestaltung guten Unterrichts sicherstellen.
Fragestellung
Bezugnehmend auf die Control-Value Theory (Pekrun et al., 2007) geht die vorliegende Studie der Frage nach, wie ein offener und konstruktiver Umgang mit Fehlern als kontextuelles Merkmal von Unterricht (Helmke, 2015) in Zusammenhang mit Lern- und Leistungsemotionen (Freude, Angst und Langeweile) steht und welche Rolle dabei die Resilienz als individuelles Merkmal (Twum-Antwi et al., 2020) von Schüler:innen spielt.
Methode
Insgesamt N = 3045 Schüler*innen (5. – 9. Klassenstufe; Alter: M = 13.04, SD = 2.98; 46.5% weiblich) aus N = 38 Sekundarschulen eines deutschen Bundeslandes wurden mit Hilfe standardisierter Skalen zu Resilienz, Lern- und Leistungsemotionen sowie wahrgenommener Fehlerkultur im Unterricht befragt. Zur Berücksichtigung hierarchischer Strukturen wurden gemischte Modelle im Programm R berechnet.
Ergebnisse
Die Analysen zeigen sowohl direkte Effekte einer konstruktiven Fehlerkultur im Unterricht auf die wahrgenommene Lernfreude (β = 0.30, SE = 0.02, p<.01), Angst (β = -0.14, SE = 0.02, p<.01) und Langeweile (β = -0.25, SE = 0.02, p<.01) der Schüler:innen, als auch einen moderierenden Effekt von Resilienz auf Lern- und Leistungsemotionen (Freude/Angst/Langeweile: β = 0.06/-0.05/-0.07, SE = 0.02/0.02/0.02, p<.01/ p<.01/ p<.01). Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern im Unterricht geht mit höherer Lernfreude sowie geringerer Langeweile und Angst einher. Insbesondere resilientere Schüler:innen profitieren von einer offenen Fehlerkultur, was die Rolle von Resilienz als Moderator dieser Zusammenhänge bestätigt und gleichzeitig die Diskussion über die Wirkungsweise von Resilienz in diesem Zusammenhang eröffnet.
Diskussion
Erst das Zusammenspiel von kontextuellen Unterrichtsmerkmalen, wie der Fehlerkultur, und Resilienz als individuellem Faktor kann zu einer erfolgreichen Bewältigung der Situation führen und auf diese Weise mitentscheidend dafür sein, ob die Fehlerkultur als herausfordernd oder – bei gering ausgeprägter Resilienz – gegebenenfalls als emotional belastend wahrgenommen wird. Implikationen für die stärkere Berücksichtigung der Resilienz von Lernenden und die Förderung einer konstruktiven Fehlerkultur im Unterricht mit Blick auf ein positives emotionales Erleben werden im Beitrag diskutiert.
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