Paper Session
Unlocking Math Potential in Low-SES Students - Instructional Scaffolds as Road Map to Improved Performance for Students with Unfavorable Prerequisites
Katharina M. Bach1, Frank Reinhold2, Sarah I. Hofer1
1Ludwig-Maximilians-Universität München; 2Pädagogische Hochschule Freiburg
Socioeconomic status (SES) accounts for up to one-third of inequality in education (Martins & Veiga, 2010); the influence is particularly strong in Germany (Baumert & Schümer, 2001; Müller & Ehmke, 2015). Coming from a family with low SES is considered a risk for educational achievement (Sirin, 2005) because SES is strongly associated with various cognitive (e.g., attention, Hoyer et al., 2023) and non-cognitive variables (e.g., self-concept, Gujare & Tiwari, 2016) related to school success. These variables need to be considered to understand and address the issue of educational achievement as a function of SES by providing students with tailored instructional support.
Therefore, we examined prototypical profiles of low-SES students to investigate their different prerequisites. Next, we investigated which instructional scaffolds help them best in the context of mathematics since the performance gap between low- and high-SES students is especially pronounced in this subject (Ditton & Maaz, 2011; Hentges et al., 2019; Lubienski, 2002).
321 German 6th-grade students (academic track school: n = 190, non-academic track school: n = 131) participated in our intervention study. They were assigned to an intervention or control condition and worked through an e-textbook with four blocks of increasingly complex content in fractions. As intervention, they received different instructional scaffolds: adaptive task difficulty, process feedback, or animations. Everyone had to complete a pre- and post-knowledge test and work on test instruments to assess individual cognitive and affective variables.
We employed latent profile analyses (LPA) to identify distinct profiles based on nine cognitive and affective indicators and determine whether there are profiles that are systematically more likely to occur in low-SES students. Three profiles were identified: inattentive unfavorable, attentive unfavorable, and favorable. Low-SES students are more likely to be associated with the two unfavorable profiles, characterized by lower scores in attention, visuo-spatial abilities, general reasoning skills, math knowledge (pretest), interest, cognitive and behavioral engagement, self-concept, and higher scores in math anxiety and excessive demand. Both profiles are similar except for the attention scores. Secondly, we fitted a linear mixed model with profile affiliation, condition, and school type as fixed effects and class as random effect. Results indicated that students in the two unfavorable profiles answered the post-test less accurately than their peers. A significant interaction effect revealed that students in the inattentive unfavorable profile benefitted significantly from the adaptive task difficulty. Moreover, the school type played a relevant role: Students at the non-academic track schools performed worse than their peers at academic track schools and benefited notably from adaptive task difficulty.
The LPA shows the complex relationships between SES and cognitive and affective variables without presenting low-SES students through a deficit-based lens (Gorski, 2011; McKay & Devlin, 2016). Instead, results build a basis for deriving support measures. Low SES may be at the root of many educational difficulties (Tomul & Savasci, 2012), but understanding the interrelationships allows for intervention: Appropriate instructional support might mitigate or even compensate for the adverse effect of specific aptitudes and characteristics (Dietrichson et al., 2017). The finding that students in the two unfavorable profiles and students from non-academic track schools benefit from adaptive task difficulty is essential for designing math instruction that meets students where they are and shifts away from the "one fits all" model (Ohanian, 1999). Furthermore, the results point to the strong influence of school types. This raises, once more, the question of whether tracking after elementary school acts as a catalyst for educational inequity.
Summarized, the study highlights the need for a technology-supported adaptive approach for low-SES students, addressing their aptitudes (e.g., Arroyo et al., 2014; Stebler & Reusser, 2017) and promoting educational participation through appropriate instructional scaffolds.
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Gestufte Lernhilfen als adaptive Scaffolds: Die Rolle des Fähigkeitsselbstkonzepts bei der Wahl und Nutzung
Julia Arnold, Andrea Lüscher, Maurer Michaela
Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik (ZNTD) - Pädagogische Hochschule FHNW, Schweiz
Theoretischer Hintergrund: Beim forschenden Lernen handelt sich um einen selbstregulierten, offenen Lernansatz. Dies kann für unerfahrene Lernende kognitiv überwältigend sein (Kirschner, Sweller, & Clark, 2006). Daher sollten die Lernenden unterstützt werden (Furtak, 2006; Hmelo-Silver et al., 2007). Eine Meta-Analyse zeigt, dass Lernunterstützung eine wichtige Rolle beim forschenden Lernen spielt (Lazonder & Harmsen, 2016). Wie diese Unterstützung optimal aussehen sollte, ist Gegenstand aktueller Forschung (Rönnebeck et al., 2016). Eine Möglichkeit der individuellen Unterstützung sind gestufte Lernhilfen (Hänze, Schmidt-Weigand, & Stäudel, 2010). Sie bestehen aus mehreren Teilen und unterstützen die Lernenden auf unterschiedlichen Ebenen. In einer Studie zeigte sich, dass sie den Kompetenzerwerb beim Forschenden Lernen fördern und den Cognitive Load reduzieren können (Arnold, Kremer & Mayer, 2017). Jedoch hat sich auch gezeigt, dass sich der objektive Bedarf nicht mit der Hilfenwahl und -Nutzung deckt (Arnold, 2015). Dies kann darin begründet liegen, dass sich der objektive Bedarf nicht mit der subjektiven Einschätzung der Lernenden deckt.
Forschungsfrage: Daher wird in diesem Beitrag die Rolle des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) bei der Wahl und Nutzung von gestuften Lernhilfen untersucht. Das FSK ist die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeit (Stiensmeier-Pelster & Schöne, 2008). Es liegt anderen motivationalen Faktoren (z.B. Zielorientierungen und Kausalattributionen; Köller & Schiefele, 1998) zugrunde. Entsprechend beeinflusst das FSK das Hilfen-Nutzungs-Verhalten im selbstregulierten Lernen (Stiensmeier-Pelster & Schwinger, 2007).
Methode: Die gestuften Lernhilfen lagen in einem digitalen Lerntool zur Förderung der Experimentierkompetenzen vor. Den Lernenden standen unterstützend Hinweise, Beispiellösungen (instrumentelle Hilfen) und Lösungen (exekutive Hilfen) zur Verfügung. Vor und nach der Bearbeitung der Lernaufgaben bearbeiteten die Lernenden zwei Kompetenztests (Arnold, Kremer & Mayer, 2017; Arnold et al., 2018). Ausserdem wurden das FSK (Schöne et al., 2012), das Geschlecht, sowie die Anzahl und Art der genutzten Lernhilfen und die jeweilige Verweildauer (Log-Daten) erfasst. Die Lernenden wurden nach Gründen der Hilfenwahl, der Verständlichkeit und der Nützlichkeit der Hilfen befragt. Die Daten beziehen sich auf N = 422 (nweiblich = 256, nmännlich = 161, ndivers = 5) Teilnehmende.
Ergebnisse: Das Fähigkeitsselbstkonzept in Bezug auf das Planen von Experimenten M = 1.85 (SD = 0.81) liegt unterhalb des Mittelwerts der Skala (M = 2.5). Männliche Probanden, berichten ein signifikant höheres FSK (M = 2.07, SD = 0.77) als weibliche (M = 1.70, SD = 0.80), t(395) = -4.618, p < .000; r = -.48. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen FSK und Kompetenz fällt auf, dass sowohl im Pretest (r = .219, p < .000) als auch im Posttest (r = .306, p < .000) im mittleren Bereich liegt. Ferner zeigt sich, dass Lernende mit höherem FSK auch einen höheren Lernzuwachs haben (r = .154, p = .002).
Bei der Analyse der Hilfennutzung fällt auf, dass Lernende mit höherem FSK weniger Hilfen in Anspruch nehmen (r = -.113, p = .023) und insgesamt weniger Zeit bei den Hilfen verweilen (r = -.137, p < .006). Schaut man sich die Verweildauer pro Hilfe an, gibt es keinen Zusammenhang mehr zum FSK. Bei der Hilfenwahl fällt auf, dass das FSK keinen Zusammenhang mit der Nutzung von Beispielen oder Hinweisen hat. Jedoch nutzen Lernende mit höherem FSK weniger Lösungen (r = -.149, p < .003). Dieser Effekt ist zwar eher klein, lässt sich aber dadurch erklären, dass Lernende mit höherem FSK eher zu instrumentellen Hilfen tendieren.
Betrachtet man die tatsächliche Passung der Hilfen zu dem angegebenen Grund der Hilfenwahl, ist ebenfalls kein Zusammenhang zum FSK zu erkennen. Während Lernende mit höherem FSK die Hilfen als verständlicher einschätzen (r = .201, p < .000, N = 359), finden sie sie in ihrer Wahl nicht passender oder nützlicher als Lernende mit geringerem FSK.
Derzeit arbeiten wir an einem Strukturgleichunsgmodell zur Darstellung der Rolle des FSK.
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Unterstützungsmöglichkeiten beim Lösen Bayesianischer Aufgaben und deren Auswirkung auf die kognitive Belastung
Julia Sirock1, Tina Seufert2, Markus Vogel1
1Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland; 2Universität Ulm, Deutschland
Bayesianische Problemstellungen und deren Lösungen zeigen diverse Herausforderungen: Relevante numerische Informationen müssen gefunden, klassifiziert, in mathematische Formeln transformiert und mentale Darstellungen ausgebildet werden.
Eine Erleichterung durch die Angabe numerischer Informationen im Häufigkeitsformat ist gut belegt (Brase, 2021). Viele Studien bestätigen eine Unterstützung durch gegebene Visualisierungen. Besonders effektive Abbildungen stellen die Einflussgröße der genesteten Struktur dar, beispielsweise die Vierfeldertafel oder das Einheitsquadrat (Eichler et al., 2020). Die Vierfeldertafel zeigt durch Strukturierung der Daten eine elegante, unterstützende Möglichkeit (Binder et al., 2015). Das Einheitsquadrat bietet zusätzliche bildhafte Komponenten durch zu den Zahlen proportionale Flächen und hilft der Visualisierung bei der Transformation von Bedingungen in mathematische Formeln (Vogel et al., 2019). Dynamisches Verschieben von Flächenverhältnissen fördert intuitives Denken und kognitive Barrieren, welche das Lösen Bayesianischer Probleme erschweren, werden abgebaut (Böcherer-Linder et al., 2018; Eichler & Vogel, 2013).
Visualisierungen bieten eine Unterstützungsmöglichkeit, für die neben mentaler Verknüpfung der Aufbau kohärenter mentaler Repräsentation erforderlich ist (Kohärenzbildung, Seufert, 2003). Diese ist vielschichtig mit verschiedenen Ansätzen hierzu (vgl. Seufert & Brünken, 2006). Studien zeigen positive Effekte durch das Finden zusammenhängender Elemente (Schnaubert & Bodemer, 2017), beispielsweise unterstützend durch Farbgebung einzelner Elemente oder explizites Erklären der Beziehungen zwischen Repräsentationen (Vogt et al., 2020; Seufert, 2003). Die Kombination von Hervorhebung und Hilfe auf tieferer Ebene ist besonders hilfreich für den Lernerfolg und die Verringerung kognitiver Belastung (Seufert & Brünken, 2006).
Der vorliegende Beitrag untersucht die Unterstützung beim Lösen Bayesianischer Aufgaben anhand drei unterschiedlicher Visualisierungen Formel (von Bayes), Vierfeldertafel und Einheitsquadrat, sowie die notwendigen kognitiven Prozesse. Ziel der Studie ist die Untersuchung der Auswirkungen unterstützender Ansätze für die Performanz und die erlebte passive und aktive kognitive Belastung (Klepsch & Seufert, 2021).
Durch oben genannte Eigenschaften der Visualisierungen ergibt sich für die Performanz die Vermutung für folgende Reihenfolge der verwendeten Visualisierungen: Formel < Vierfeldertafel < Einheitsquadrat (Hypothese 1).
Die räumliche Struktur der Vierfeldertafel und eine daraus resultierende bessere Übereinstimmung der äußeren und inneren Darstellung impliziert eine geringere passive kognitive Belastung im Vergleich zur Formel. Durch die bildliche Komponente im Einheitsquadrat ist eine weitere Verringerung der kognitiven Belastung anzunehmen: Einheitsquadrat < Vierfeldertafel < Formel (Hypothese 2).
Demnach ergibt sich für die aktive kognitive Belastung das entgegengesetzte Muster: Formel < Vierfeldertafel < Einheitsquadrat (Hypothese 3).
Es wurden insgesamt N = 30 Studierende der Psychologie befragt. Das Durchschnittsalter beträgt M = 22.17 (SD = 1.53, 83,3% weiblich). Die Befragungen erfolgten über die online-Plattform „Zoom“. Nach kurzer Einführung wurde das Vorwissen in Form einer bayesianischen Aufgabe ohne Hilfsmittel erfasst. Darauffolgend wurden die Teilnehmenden mittels standardisierter Prompts angeleitet, eigenständig eine Vierfeldertafel und ein Einheitsquadrat zu erstellen. Ein Erklärvideo rundete den instruktiven Teil ab. Sechs Bayesianische Textaufgaben mit jeweils einer der drei Visualisierungen und Abfrage über die aktive und passive Belastung folgten.
Erste Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede bezüglich der drei Visualisierungen (𝑀Formel=.733, 𝑆𝐷Formel=.365; 𝑀Vierfeldertafel=.917, 𝑆𝐷Vierfeldertafel=.201; 𝑀Einheitsquadrat=.967, 𝑆𝐷Einheitsquadrat=.086). Eine ANOVA zeigte signifikante Unterschiede (𝐹(2,58)=7.756, 𝑝<.001, 𝜂𝑝2= .221). Kontrastanalysen zeigten deutlich einen signifikanten Unterschied sowohl zwischen Einheitsquadrat und Formel (𝐹(1,29)=11.866, 𝑝<.002, 𝜂𝑝2=.290) als auch Vierfeldertafel und Formel (𝐹(1,29)=5.858, 𝑝=.022, 𝜂𝑝2=.168).
Konträr zu zuvor getroffenen Annahmen war die passive kognitive Belastung beim Einheitsquadrat (𝑀=2,70, 𝑆𝐷=0,906) etwas höher als bei der Vierfeldertafel (𝑀=2.58, 𝑆𝐷=.891). Eine ANOVA zeigte signifikante Unterschiede (𝐹(2,58)=30,491, 𝑝<.001, 𝜂𝑝2=0,513). In den Kontrastanalysen zeigten sich signifikante Effekte für den linearen Trend (𝐹(1,29)=38.872, 𝑝<.001, 𝜂𝑝2=.573) und eine Bonferroni-korrigierte post-hoc Analyse ergab eine höhere passive Belastung bei der Formel von Bayes als bei der Vierfeldertafel (p<.001; MDiff=1.167, 95% - 𝐶𝐼[. 726, 1.607]) und beim Einheitsquadrat (p<.001; MDiff=1.050, 95% - 𝐶𝐼[. 622, 1.478]).
Die aktive kognitive Belastung war durchgängig sehr hoch, wies jedoch keine signifikanten Unterschiede bezüglich der drei Visualisierungen auf.
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Förderung des kollaborativen Problemlösens mit Lösungsbeispielen: Wie stark sollte die Selbsterklärung angeleitet sein?
Dave Rexhäuser1, Anika Radkowitsch2, Constanze Richters3, Inga Glogger-Frey4, Stephan Abele1
1Technische Universität Dresden; 2IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel; 3Ludwig-Maximilians-Universität München; 4Universität Erfurt
Kollaboratives Problemlösen ist in Bildung und Beruf bedeutsam (z.B. Zehner et al., 2017). Im Bereich der Kfz-Mechatronik erhöhen die zunehmende technische Komplexität und eine häufig dezentrale Informationsverteilung die Anforderungen und die Relevanz kollaborativer diagnostischer Problemlösung. Kollaboratives diagnostisches Problemlösen beschreibt die gemeinsame Anstrengung von mindestens zwei Personen, den aktuellen Zustand eines Systems (z. B. eines Kraftfahrzeugs) zu analysieren und die Ursache einer vorliegenden Störung zu identifizieren (Radkowitsch et al., 2022). Die Verbindung kollaborativer, d.h. interaktiver, und diagnostischer (inhaltlicher) Aktivitäten stellt dabei für Diagnostiker/innen eine doppelte kognitive Belastung dar (Kirschner et al., 2018). Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Kfz-Mechatroniker/innen am Ende ihrer Ausbildung u.a. Schwierigkeiten haben für die Kollaboration relevante Inhalte zu identifizieren (Radkowitsch et al., eingereicht). Lösungsbeispiele können helfen Lern- und Problemlöseprozesse zu strukturieren und kognitive Belastung zu reduzieren (Renkl, 2014). Als weitgehend gesichert gilt, dass Selbsterklärungsaufgaben die Wirksamkeit von Lösungsbeispielen erhöht (Renkl & Eitel, 2019). Unklar ist, ob positive Effekte von Lösungsbeispielen bei kombinierter Förderung diagnostischer und kollaborativer Aktivitäten auftreten und wie stark Selbstklärungsaufgaben angeleitet sein müssen, um Lösungsbeispiele effektiv zu unterstützen. Im Beitrag untersuchen wir in einer Interventionsstudie die Auswirkungen des Einsatzes von Lösungsbeispielen mit unterschiedlich stark angeleiteten Selbstklärungsaufgaben auf den Austausch relevanter Inhalte, auf die Verteilung diagnostischer und kollaborativer Aktivitäten, auf den Diagnoseerfolg (diagnostische Genauigkeit) und auf die kognitive Belastung.
Wir untersuchten 77 Dyaden von Auszubildenden der Kfz-Mechatronik in einem Prä-Post-Kontrollgruppendesign mit Messwiederholung. Die Intervention beinhaltete eine für alle Teilnehmenden identische Strategieinstruktion und eine gruppenspezifische Trainingsphase. Die Strategieinstruktion umfasste die Erläuterung erfolgsversprechender Verhaltensweisen während der kollaborativen Störungsdiagnose. In der Trainingsphase erprobten die zwei Experimentalgruppen die gelernten Verhaltensweisen an zwei Lösungsbeispielen, die eine Chatkommunikation zu kollaborativen Kfz-Störungsdiagnosefällen darstellten. Die beiden Experimentalgruppen erhielten unterschiedlich stark angeleitete Selbsterklärungsaufgaben, die entweder zur Erklärung spezifischer Aktivitäten in den Lösungsbeispielen (27 Dyaden) oder zu einer wenig spezifischen Erklärung zum Gelingen oder Nichtgelingen der Kommunikation im Lösungsbeispiel aufforderten (24 Dyaden). Nach Bearbeitung erhielten beide Gruppen eine Musterlösung. Die Kontrollgruppe (26 Dyaden) erprobte die Strategie an zwei Kfz-Störungsdiagnosefällen in einer Kfz-Computersimulation (Gschwendtner et al., 2009), ohne Lösungsbeispiele oder Selbsterklärungsaufgaben. In der Kfz-Computersimulation, die auch für Prä- und Posttest verwendet wurde, übernahmen die Dyaden unterschiedliche Rollen (Werkstatt; Servicehotline) und tauschten sich über Textchats aus. Wir codierten ausgetauschte Textchats der Dyaden hinsichtlich des Auftretens relevanter Inhalte, diagnostischer und kollaborativer Aktivitäten. Die diagnostische Genauigkeit bewerteten wir anhand der Dyaden-Antworten auf einer Skala von „0“ (Inkorrekte Diagnose) bis „4“ (Vollständig korrekte Diagnose). Zur Erfassung der kognitiven Belastung setzten wir eine kontextangepasste Selbsteinschätzungsskala ein (Klepsch & Seufert, 2020). Die Analysen umfassten Varianzanalysen bzw. nicht-parametrische Alternativverfahren.
Alle Gruppen tauschten im Posttest signifikant mehr relevante Inhalte in den Dyaden aus als im Prätest (F(1,74) = 21,27, p =<.001, η²= .22). Der Effekt war signifikant größer, wenn Lösungsbeispiele verwendet wurden (F(2,74) = 3,82, p = .026, η²= .09), dabei machte es keinen Unterschied, ob stark oder schwach angeleitete Selbstklärungsaufgaben bearbeitet wurden (p = .732). Die Aktivitäten entwickelten sich in den Gruppen vergleichbar und blieben nah am Ausgangsniveau. Bezüglich der diagnostischen Genauigkeit zeigten sich keine signifikanten Veränderungen (V = 278, p = .190, r = .15) und keine signifikanten Gruppenunterschiede (p = .142). Teilnehmende der Kontrollgruppe berichteten eine signifikant höhere kognitive Belastung als Teilnehmende der Experimentalgruppen (F(2,151) = 4,05, p = .019, η²= .05).
Zusammenfassend zeigt sich, dass Lösungsbeispiele und Selbsterklärungsaufgaben den Lernprozess zum kollaborativen diagnostischen Problemlösen unterstützen können. Insbesondere scheinen sie den korrekten Austausch relevanter Inhalte in den Dyaden zu fördern, was eine besondere Herausforderung für Auszubildende darstellt und erfolgsrelevant zu sein scheint (Radkowitsch et al., eingereicht). Wir vermuten, dass ein gesteigerter Fokus auf relevante Inhalte, langfristige Auswirkungen auf die Aktivitäten und die diagnostische Genauigkeit der Auszubildenden haben kann, hierfür jedoch weitere Übungsmöglichkeiten erforderlich sind.
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