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Sitzungsübersicht
Sitzung
1-12: Belastungserleben und Studienerfolg in einer heterogenen Studierendenschaft: Die Rolle von Studienanforderungen, persönlichen und institutionellen Ressourcen
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
10:30 - 12:10

Ort: S19

Seminarraum, 60 TN

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Präsentationen
Symposium

Belastungserleben und Studienerfolg in einer heterogenen Studierendenschaft: Die Rolle von Studienanforderungen, persönlichen und institutionellen Ressourcen

Chair(s): Julia Zimmermann (FernUniversität in Hagen, Deutschland), Dina Kuhlee (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)

Diskutant*in(nen): Kathrin Jonkmann (FernUniversität in Hagen)

Die Themen Stress bzw. Belastungserleben haben im öffentlichen Diskurs der vergangenen Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen (Hahn et al., 2021). Universitätsstudierende sind zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt (Gusy et al., 2016; Ribeiro et al., 2018) und das junge Erwachsenenalter stellt einen Höhepunkt des Risikos für das Auftreten psychischer Störungen dar (Auerbach et al., 2016). Zugleich ist der erfolgreiche Abschluss eines Studiums von hoher individueller und gesellschaftlicher Bedeutung (Neugebauer, 2019). Vor diesem Hintergrund kommt der Untersuchung der Bedingungsfaktoren des Belastungserlebens von Studierenden und dessen Zusammenhang mit Kriterien des Studienerfolgs große Bedeutung für das Verstehen von Bildungsprozessen und -ergebnissen zu. Zu diesem Zweck wurde das in der arbeitspsychologischen Forschung entwickelte und etablierte Job-Demands-Resources-Modell (Demerouti et al., 2001; Bakker et al., 2023) in den vergangenen Jahren adaptiert, um die Gesundheit und den akademischen Erfolg von Studierenden im Hochschulkontext durch Studienanforderungen, institutionelle und persönliche Ressourcen zu erklären (Gusy et al., 2016; Lesener et al., 2020; Niewöhner et al., 2021). Jedoch stellt die heutige Studierendenschaft keine homogene Gruppe dar, sondern ist von sozialer und kultureller Heterogenität gekennzeichnet (Kroher et al., 2023), die mit Unterschieden in der Wahrnehmung von studienbezogenen Herausforderungen und Stesserleben in Verbindung steht (Sedatzki & Rathmann, 2021; Zimmermann et al., 2021). Seitens der Institutionen prägen studiengangsspezifische Anforderungsprofile das Belastungserleben der Studierenden, dabei konfrontieren beispielsweise die strukturellen Besonderheiten der Lehrer*innenbildung als Querschnittsaufgabe deutscher Universitäten diese Studierendengruppe mit besonderen Herausforderungen (Blömeke, 2009).

Hier setzt das vorgeschlagene interdisziplinäre Symposium an, in dem in drei Beiträgen aus der Perspektive von Soziologie, Wirtschaftspädagogik und Psychologie die Bedingungsfaktoren von studentischer Erschöpfung (Beitrag 1) sowie Studienabbruchintentionen von Lehramtsstudierenden (Beitrag 2) und internationalen Studierenden (Beitrag 3) unter Bezugnahme auf das Job-Demands-Resources Modell (Demerouti et al., 2001; Bakker et al., 2023) untersucht werden. Das gemeinsame Ziel dieser quantitativ-empirischen Forschungsarbeiten ist es, zum besseren Verständnis der Herausforderungen und Ressourcen unterschiedlicher Studierendengruppen an deutschen Hochschulen beizutragen und somit Grundlagen für deren Partizipation an einem erfolgreichen Bildungsprozess zu schaffen.

Der erste Beitrag adressiert aus einer soziologischen Perspektive soziale Ungleichheit in Bezug auf studentische Erschöpfung und untersucht anhand einer für die Studierendenschaft an Hochschulen in Deutschland repräsentativen Stichprobe, ob die Integration von private Anforderungen (Kinderbetreuungspflichten und Arbeitszeiten) und privaten Ressourcen (finanzielle, soziale und psychologische Ressourcen) in den Analyserahmen des Job-Demands-Resources Modells zur Erklärung von Unterschieden in studentischer Erschöpfung zwischen verschiedenen Studierendengruppen beiträgt.

Der zweite Beitrag eruiert wie die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz von Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention bei Lehramtsstudierenden wirken. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Wirkung von Resilienz als individueller Ressource sowie deren Zusammenspiel mit den weiteren Wirkfaktoren des Job-Demands-Resources Modells.

Der dritte Beitrag legt den Fokus auf die Analyse der Bedingungsfaktoren von Belastungserleben und Studienabbruchintentionen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen. Der Beitrag untersucht die Gültigkeit der zentralen Postulate des Job-Demands-Resources Modell für diese Studierendengruppe und weist auf Unterschiede im Unterstützungspotential institutioneller Ressourcen für internationale Studierende im Vergleich zur einheimischen Studierendenschaft hin.

Die Befunde werden abschließend von der benannten Diskutantin im Hinblick auf ihren Beitrag zum theoretischen Verständnis der Bedingungsfaktoren von Belastungserleben und Studienerfolg der heterogenen Studierendenschaft an deutschen Hochschulen sowie mit Blick auf ihre Bedeutung für die Gestaltung und Nutzung von institutionellen und individuellen Ressourcen der Studierenden diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Social inequalities in student exhaustion: The study-demands-resources model revisited

Mareike Rußmann1, Karsten Becker1, Nicolai Netz1, Marie-Christin Ehrhardt2
1German Centre for Higher Education Research and Science Studies (DZHW), 2Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Student exhaustion can cause considerable negative effects, such as dropout (Grützmacher et al., 2018; Marôco et al., 2020; Turhan et al., 2023) and health problems (Grützmacher et al., 2018; Niemeyer, 2020; Tomaszek & Muchacka-Cymerman, 2022). Critically, 42% of all students in Germany considered themselves to be exhausted by their studies in 2021 (Kroher et al., 2023). A first step to mitigate this potential student health crisis is to develop an understanding of the drivers of student exhaustion. To do so, the job demands-resources model (Bakker & Demerouti, 2007; Demerouti et al., 2001), which is well-established in occupational psychology, has been adapted to explain students’ health and performance in the higher education context (Gusy et al., 2016; Lesener et al., 2020).

Importantly, the resulting study demands-resources model has primarily been applied uniformly to the student body as a whole. This is questionable considering the large social stratification literature highlighting that present-day student bodies are not homogenous groups, but rather characterised by substantial social disparities. For instance, recent research highlights that female students feel more exhausted than males (Grützmacher et al., 2018; Kroher et al., 2023) and that students with lower subjective social status report higher stress levels than students with higher subjective social status (Sendatzki & Rathmann, 2022). With this in mind, we propose to theoretically extend the study demands-resources model by integrating ascriptive characteristics as markers of social inequality into the model.

We achieve this extension by drawing on the social stratification literature underscoring that social groups differ systematically regarding the demands they face and the resources they have at their disposal to cope with these demands (Grusky, 2019). This claim is backed by recent studies emphasising the importance of considering not only students’ conditions within their higher education institution but also their private demands and resources (see, e.g., Bean & Metzner, 1985; Müller & Klein, 2023; Rovai, 2003, for the case of student dropout). Consequently, we argue that both private demands (including childcare responsibilities and working hours) and private resources (including financial, social, and psychological assets) should be integrated into the study demands-resources model – and that they may explain the observed social inequalities in student exhaustion.

To test the proposed theoretical model, we use data from “The Student Survey in Germany”, which provides nationally representative information on students enrolled in German higher education institutions in the year 2021 (Beuße et al., 2022). Applying structural equation modelling (SEM), we investigate the role of both private and institutional demands and resources for student exhaustion within and across different student groups. We discuss the implications of our findings for the psychological student exhaustion literature and social stratification research. Moreover, we illustrate the potential of our extended study demands-resources model to produce effective policy recommendations.

 

Studienerfolg von Lehramtsstudierenden: Belastungserleben und Studierendenengagement auf dem Prüfstand

Edgar Hahn, Dina Kuhlee
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Der Beitrag eruiert unter Rückgriff auf das Job Demands-Resources-Modell (Bakker et al., 2023¸ Demerouti et al., 2001) wie die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz von Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention bei Lehramtsstudierenden wirken. Eine Übertragbarkeit des Job Demands-Resources-Modell auf das Studium konnten Gusy et al. (2016), Lesener et al. (2020), Niewöhner et al. (2021) und Kuhlee et al. (im Erscheinen) zeigen. Mit Blick auf den bestehenden Forschungsstand hierzu können die folgenden zwei zentralen Prozesse bestätigt werden. (1) Der gesundheitsbeeinträchtigende Prozess, bei dem die Studienanforderungen positiv auf das Belastungserleben wirken sowie (2) der motivationale Prozess, bei dem die institutionellen Ressourcen positiv auf das Studierendenengagement wirken. Des Weiteren wird angenommen, dass die institutionellen Ressourcen negativ auf das Belastungserleben, und die Studienanforderungen negativ auf das Studierendenengagement wirken. Derzeit zeigt sich jedoch im Kontext des Studiums noch ein uneinheitliches Bild hinsichtlich dieser beiden letzten Annahmen. Neben der Betrachtung institutioneller Ressourcen können zudem personelle Ressourcen (z. B. die Resilienz) in die Überlegungen integriert werden (vgl. Bakker et al., 2023; Kuhlee et al., im Erscheinen; Xanthopoulou et al., 2007). Mit Blick auf die studien- und gesundheitsbezogenen Outcomes (z. B. Studienabbruchintention oder Lebenszufriedenheit) wird letztlich angenommen, dass diese wiederum negativ durch das Belastungserleben und positiv durch das Studierendenengagement beeinflusst werden; sie fungieren demnach als vermittelnde Variablen hinsichtlich der studien- und gesundheitsbezogenen Outcomes.

Anhand einer Teilstichprobe von nt2LA = 456 allgemein- und berufsbildenden Lehramtsstudierenden (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02/2023; Nt3 = 2152) wird mittels Strukturgleichungsmodellen untersucht, inwiefern die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz der Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention wirken. Die Erhebung der beschriebenen Konstrukte erfolgt unter Rückgriff auf bereits bestehende Messinstrumente (vgl. u. a. Fliege et al, 2004; Sarubin et al. 2015; Schaufeli & Bakker, 2003). Mit Blick auf die Ergebnisse lässt sich die positive Wirkung der Studienanforderungen auf das Belastungserleben (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess) bestätigen. Die negative (mindernde) Wirkung der institutionellen Ressourcen auf das Belastungserleben konnte nicht bestätigt werden. Bezugnehmend auf das Engagement der Studierenden konnte der motivationale Prozess (positive Wirkung der institutionellen Ressourcen auf das Engagement der Studierenden) sowie die negative Wirkung der Studienanforderungen auf das Engagement der Studierenden bestätigt werden. Für den untersuchten Einfluss der Resilienz ist zu erkennen, dass die Resilienz negativ auf das Belastungserleben und positiv auf das Engagement wirkt.

Der Beitrag diskutiert die generierten Befunde und ordnet sie vor dem Hintergrund des bestehenden Forschungsstandes ein. Im Weiteren werden diese Befunde aus der postpandemischen Phase (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02 2023; N = 2152, nt3LA = 456) mit Befunden einer vorangegangenen Erhebung unter pandemischen Bedingungen (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02 2021; Nt2 = 983; nt2LA = 510) verglichen und analysiert. Unter Rückgriff auf die Ergebnisse werden schließlich Ableitungen zur Förderung des Studienerfolgs von Lehramtsstudierenden vorgenommen und diskutiert.

 

Studienabbruchintentionen internationaler Studierender in Deutschland: (Wie) wirken Studienanforderungen, institutionelle und individuelle Ressourcen?

Julia Zimmermann, Juan Serrano-Sánchez
FernUniversität in Hagen

Mit einem Anteil von 12% sind internationale Studierende eine bedeutende, jedoch wenig beforschte Gruppe an deutschen Hochschulen (DAAD & DZHW, 2023). Über 50% der internationalen Studierenden studieren in MINT-Fächern und könnten somit dazu beitragen, den in Deutschland bestehenden Fachkräftemangel zu reduzieren (Hoffmeyer-Zlotnik & Grote, 2019). Jedoch brechen viele internationale Studierende ihr Studium ab (Bachelor: 41% versus 28% der deutschen Studierenden, Master: 28% versus 21% der deutschen Studierenden; Heublein et al., 2022). Ein Studienabbruch verursacht nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftliche und ökonomische Kosten (Neugebauer, 2019). Vor diesem Hintergrund kommt der Untersuchung der Bedingungsfaktoren von Studienabbruchintentionen internationaler Studierender in Deutschland eine besondere Bedeutung zu.

Der aktuelle Beitrag untersucht vor dem Hintergrund des Job Demands-Resources-Modell (Bakker & Demerouti, 2007; Bakker et al., 2023) die Bedeutung von Studienanforderungen, institutionellen Ressourcen (Handlungsspielraum, Unterstützung durch Lehrende, Unterstützung durch Mitstudierende), individuellen Ressourcen (Resilienz), Studienengagement und Belastungserleben für die Studienabbruchintention in dieser Studierendengruppe. Entsprechend der zentralen Postulate des Modells (Bakker et al., 2023) wurde ein indirekter positiver Effekt von Studienanforderungen über Belastungserleben auf Studienabbruchintentionen (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess) erwartet. Ebenso erwartet wurden negative Effekte von institutionellen und individuellen Ressourcen auf die Studienabbruchintention, vermittelt über das Studienengagement (motivationaler Prozess) sowie kreuzweise negative Zusammenhängen zwischen Anforderungen und Engagement bzw. Ressourcen und Belastung.

Die Datengrundlage bildete eine Teilstichprobe von n = 673 internationalen Studierenden an mehr als 20 deutschen Hochschulen, die im Rahmen des Projekts LeBeS (Erhebungszeitraum Januar/Februar 2023; Nt3 = 2,152) anhand von Online-Fragebögen in deutscher und englischer Sprache befragt wurden. Analysen mittels latenter Strukturgleichungsmodelle bestätigten, dass höhere Studienanforderungen mit einer gesteigerten Studienabbruchintention, vermittelt über ein erhöhtes Belastungserleben, einherging (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess).

Wenngleich institutionelle und individuelle Ressourcen das Studienengagement erwartungskonform positiv vorhersagten, konnte kein Zusammenhang zwischen Studienengagement und Abbruchintentionen identifiziert werden, die indirekten Effekte von institutionellen und individuellen Ressourcen über Engagement auf die Abbruchintention (motivationaler Prozess) konnte folglich nicht bestätigt werden. Mit Blick auf die kreuzweisen Zusammenhänge zeigte sich erwartungskonform ein negativer Zusammenhang zwischen Studienanforderungen und Engagement sowie zwischen Resilienz als individueller Ressource und Belastungserleben. Entgegen den Erwartungen waren institutionelle Ressourcen jedoch positiv mit dem Belastungserleben internationaler Studierender assoziiert. Ergänzende Analysen auf Ebene der einzelnen Facetten institutioneller Ressourcen zeigten, dass besonders ein hohes Ausmaß an individuellem Handlungsspielraum bei der Studiengestaltung sowie häufige (unterstützenden) Peer-Interaktionen das Belastungserleben der internationalen Studierenden – entgegen der Modellannahmen – verstärkten.

Mögliche Erklärungsansätze für diese Ergebnisse sowie Implikationen der Befunde – sowohl für das theoretische Verständnis der Bedingungsfaktoren von Studienerfolg und Studienabbruch internationaler Studierender als auch für die Gestaltung institutioneller Unterstützungsangebote für diese Studierendengruppe – werden abschließend diskutiert.