Paper Session
Professionalisierung für den gesellschaftswissenschaftlichen Fachunterricht in der „dritten Phase“: Themen und Formate von Lehrkräftefortbildungen in Niedersachsen von 2018 bis 2022
Marcel Grieger, Monika Oberle
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
„Lehrkräfte verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe und entwickeln ihre Kompetenzen weiter“ (KMK, 2022, S. 15), indem sie an Fortbildungen teilnehmen. Schüler*innen zur aktiven Teilhabe an gesellschaftsverändernden Prozessen zu befähigen, ist erklärtes Ziel der politischen Bildung, wobei dem politischen Fachunterricht eine bedeutende Rolle zukommt (Detjen et al., 2012). Hierfür bedarf es professionell aus- und fortgebildeter Lehrkräfte. Der hohe Anteil fachfremd erteilten Unterrichts im Leitfach politischer Bildung (bspw. je nach Schulform zwischen 23 % und 81 % im Fach Politik in der Sekundarstufe I in NRW; MSB, 2022) sowie gesellschaftswissenschaftliche Integrationsfächer, für die es keine adäquate Lehramtsausbildung gibt, unterstreichen die Notwendigkeit fortwährender Qualifikation (Grieger & Oberle, 2020).
Fortbildungsangebote speziell für den Politikunterricht wurden bislang kaum systematisch erforscht. Jenseits von Informationen zum Format (z. B. Dauer, Präsenz/Online) ist die Datenlage zu Fortbildungsthemen generell lückenhaft und schwer vergleichbar (Schoof-Wetzig, 2019). Aus einer Programmanalyse in Baden-Württemberg gingen Didaktik/Methodik, Curriculum, Heterogenität sowie Digitalisierung als häufigste Themen hervor (Cramer, Johannmeyer & Drahmann, 2019). In Hessen waren Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Nach- und Zusatzqualifikationen sowie Medienbildung am meisten vertreten (Benner & Kaufmann, 2020).
Damit Fortbildungen ihre Wirksamkeit entfalten können, müssen sie zunächst angenommen werden. Warum Lehrkräfte an ihnen (nicht) teilnehmen, kann mit verschiedenen Handlungstheorien auf der Mikro-Ebene durch Fortbildungsmotivation, auf der Meso-Ebene durch Themen und Formaten sowie auf der Makro-Ebene durch bildungspolitische Rahmenbedingungen erklärt werden (Boeren, Nicaise & Baert, 2010).
Fragestellung
Der Beitrag geht der Frage nach, welche Themen und Formate Fortbildungsangebote für Lehrkräfte der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer aufweisen und wie es um deren Nachfrage bestellt ist. Erstmalig wird die Fortbildungssituation in der Breite der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer – Sekundarstufe: Geschichte, Geografie, Gesellschaftslehre, Politik/Wirtschaft; Primarstufe: Sachunterricht – in Niedersachsen analysiert. Dazu werden als forschungsleitende Fragestellungen verfolgt:
- Welche Themen wurden in Fortbildungen von Januar 2018 bis September 2022 für Lehrkräfte der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer an Schulen in Niedersachsen angeboten?
- In welchen Formaten wurden die Fortbildungen durchgeführt?
- Wie hoch war die Nachfrage nach den Fortbildungen?
Methode
Für die Analyse wird auf einen Sekundärdatensatz zurückgegriffen, der vom Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) bereitgestellt wurde. Der zunächst knapp 32.000 Einträge umfassende Datensatz wurde auf a) frei wählbare, b) schulexterne c) Fortbildungen d) für Lehrkräfte der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer eingegrenzt (n = 872). Auf Basis der Veranstaltungsprogramme wurden anschließend für die Pilotfächer Politik/Wirtschaft (n = 283) und Sachunterricht (n = 177) mittels deduktiver und induktiver Kategorienbildung die Themen stattgefundener Fortbildungen ermittelt. Außerdem wurden die Formate der Fortbildungen (Dauer, Präsenz/Online) und die Nachfrage (Anmeldungen für ein bestehendes Angebot) berechnet.
Ergebnisse
Die Adressat*innen waren überwiegend Politik- und Geschichtslehrkräfte (jeweils n = 322; 28 %), gefolgt von Sachunterrichtslehrkräften (n = 213; 18 %), Geografielehrkräften (n = 203; 18 %) und Lehrkräften für Gesellschaftslehre (n = 95; 8 %). Bei der inhaltsanalytischen Auswertung für die Pilotfächer wurden 28 Oberthemen identifiziert. Während Themen wie „Curriculum“ (n = 63), „Abitur“ (n = 61) und „Prüfungen“ (n = 64) für Politik/Wirtschaft hoch im Kurs standen, wurden für den Sachunterricht „Naturwissenschaft und Technik“ (n = 114), „Medienbildung“ (n = 53) und „Programmieren“ (n = 34) am häufigsten angeboten. Die Angebotsdichte erreichte während der COVID-19-Pandemie eine Talsohle, allerdings war bereits in den Halbjahren zuvor ein Abwärtstrend erkennbar. Mit durchschnittlich 15 Personen lag die Nachfrage pro Fortbildung im Mittel zwischen Halbjahren mit schwächerer (n = 11) und stärkerer (n=18) Nachfrage. Erwartungskonform stieg während dieser Zeit die Zahl der digitalen Fortbildungen stark an. Fortbildungen dauerten zumeist nicht länger als einen halben Tag, wobei bei den Präsenzveranstaltungen immerhin ein Drittel ganztägig angeboten wurde, während digitale Veranstaltungen tendenziell deutlich kürzer ausfielen. Insgesamt bestätigt dies einen allgemeinen Trend zu kürzeren Fortbildungen (zsf. Lipowsky & Rzejak, 2019). Schlussfolgerungen hinsichtlich Themen und Formate künftiger Fortbildungsangebote werden diskutiert.
Paper Session
Inwiefern beeinflussen Informationen in Ausschreibungstexten von Lehrkräftefortbildungen die Anmeldung? Ergebnisse eines faktoriellen Surveys im Projekt WAhL
Daniela Rzejak, Dumitru Malai, Frank Lipowksy
Universität Kassel, Deutschland
Ausgangslage: Die Lehrkräftefortbildung spielt eine entscheidende Rolle in der (Weiter‑)Entwicklung der beruflichen Kompetenzen von Lehrkräften (Lipowsky & Rzejak, 2019; E. Richter & D. Richter, 2020). Trotzdem nehmen Lehrkräfte z. T. eher selten an formalisierten Fortbildungsangeboten teil (z. B. Hoffmann & D. Richter, 2016). Analysen zeigen zudem, dass die Kapazität von Fortbildungen mitunter nicht ausgeschöpft wird, da mehr Plätze verfügbar sind als Anmeldungen vorliegen (Johannmeyer & Cramer, 2021) oder Veranstaltungen ausfallen (Daschner & Hanisch, 2019). Vor diesem Hintergrund ist die Frage bedeutsam, was Lehrkräfte zur Fortbildungsteilnahme veranlasst. Studien untersuchten in diesem Zusammenhang z. B. die Fortbildungsmotivation (Hauk et al., 2022; D. Richter et al., 2019; Rzejak et al., 2014), berufskontextuelle Faktoren wie Berufserfahrung und Schulform (Hauk et al., 2022; Johannmeyer & Cramer, 2021; Krille, 2020) sowie strukturelle und inhaltliche Fortbildungsmerkmale (Ansyari et al., 2022; Johannmeyer & Cramer, 2021; E. Richter et al., 2020). Allerdings ist wenig erforscht, welche Informationen aus dem Ausschreibungstext, der die Fortbildung ankündigt und bewirbt, für die Entscheidung zur Fortbildungsanmeldung bedeutsam sind.
Fragestellung: Die WAhl-Studie (Was motiviert Lehrpersonen an Fortbildungen teilzunehmen? Ausschreibungstexte von Fortbildungen für Lehrpersonen) greift dieses Desiderat auf und geht der Frage nach, welche Informationen in Ausschreibungstexten für Lehrkräfte relevant sind, wenn es um die Entscheidung geht, sich für eine Fortbildung anzumelden.
Methode: Um diese Frage zu beantworten, wurde ein faktorieller Survey mit Mathematiklehrkräften an weiterführenden Schulen in Hessen und Schleswig-Holstein durchgeführt. Faktorielle Surveys gelten als innovative quantitative Methode, um individuelle Einstellungen objektiv zu erfassen (Beuße et al., 2022). Hierbei werden den Studienteilnehmer:innen mehrere realistische Fälle sogenannte Vignetten vorgelegt, die in verschiedenen Merkmalen systematisch variieren. Im Rahmen der WAhL-Studie erhielt jede Lehrkraft zehn fiktive Ausschreibungstexte für eine Fortbildung zum Thema Bruchrechnung, die sich auf acht Dimensionen unterschieden. Verändert wurde z. B. ob nur das Fortbildungsthema oder konkrete Inhalte angegeben wurden, die Dauer der Fortbildung (0,5 Tage, 1 Tag, 3 Halbtage in 3 Monaten, 6 Halbtage in 6 Monaten) und die Aussicht darauf, Materialien für den Unterricht zu erhalten oder nicht. Am Ende jedes Ausschreibungstextes gaben die Lehrkräfte an, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie sich zur beschriebenen Fortbildung anmelden würden.
Die Stichprobe setzt sich aus 288 Lehrkräften (weiblich: 65 %) zusammen, die im Mittel über 14,2 Jahre (SD = 9,4 Jahre) Berufserfahrung verfügen.
Ergebnisse: Die Ergebnisse multipler Regressionen zeigen, dass bestimmte Informationen in Ausschreibungstexten die Wahrscheinlichkeit der Anmeldung zu Lehrkräftefortbildungen beeinflussen. Die Anmeldewahrscheinlichkeit ist geringer, wenn im Ausschreibungstext nur das allgemeine Fortbildungsthema benannt ist, aber keine konkreteren Hinweise zu den einzelnen Inhalten der Fortbildung gegeben werden (β = -0.12, p < .001). Für die Fortbildungsgestaltung zeigt sich, dass z. B. die Kombination aus Input-, Erarbeitungs- und Diskussionsphasen im Vergleich zur Ankündigung einer ausschließlich selbstständigen Erarbeitung von Inhalten durch die Teilnehmenden einen positiven Einfluss auf die Absicht hat, sich zur Fortbildung anzumelden (β = 0.11; p < .001). Die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme fällt hingegen geringer aus, wenn der Ausschreibungstext keine Informationen enthält, dass Lehrkräfte Materialien für ihre Unterrichtspraxis erhalten, im Vergleich dazu, wenn Materialien in Aussicht gestellt werden (β = -0.08; p < .01). Besonders beeinflusst wird das Anmeldeverhalten durch den zeitlichen Umfang. Für eine halbtägige Fortbildung, die vier Stunden dauert, würden sich die Lehrkräfte eher anmelden als für eine Fortbildung, die sich über einen Zeitraum von sechs Monaten erstreckt und insgesamt sechs Fortbildungshalbtage mit je vier Stunden vorsieht (β = 0.22, p < .001).
Diskussion: Insgesamt liefert diese Studie wertvolle Einblicke in ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit Lehrkräftefortbildungen. Die Ergebnisse tragen dazu bei, das Verständnis darüber zu vertiefen, auf Grundlage welcher Informationen Lehrkräfte Fortbildungen besuchen. Sowohl für die Gestaltung von zukünftigen Lehrkräftefortbildungen könnten diese Erkenntnisse herangezogen werden als auch dafür, effektivere Strategien bei der Bewerbung von Fortbildungsangeboten zu verfolgen.
Paper Session
Höhere Unterrichtsqualität und verbessertes historisches Denken – eine randomisierte Feldstudie zu den Effekten einer Lehrkräftefortbildung im Fach Geschichte
Wolfgang Wagner1, Lisa Hasenbein2, Waltraud Schreiber3, Clemens Hillenbrand4, Ulrich Trautwein1
1Universität Tübingen, Deutschland; 2Deutsches Jugendinstitut, München, Deutschland; 3Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Deutschland; 4Universität Oldenburg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Inzwischen liegen auch für das Fach Geschichte Kompetenzmodelle (z.B. FUER-Kompetenzmodell; Körber et al., 2007), Konzeptionen zur Unterrichtsqualität (siehe z.B. Gautschi, 2015; Mägdefrau & Michler, 2012; Trautwein et al., 2021; Zülsdorf-Kersting & Praetorius, 2017) sowie Testinstrumente zur Erfassung historischer Kompetenzen (HiTCH; Trautwein et al., 2017) vor, die einen Anschluss an die moderne Wirkungsforschung von Unterricht ermöglichen.
Die vorliegende Studie ist eine konsequente Weiterführung dieser Entwicklungslinie: Erstmalig wurde im Bereich der Geschichtsdidaktik eine breit angelegte Lehrkräfte-Fortbildung – die KLUG-Fortbildungsreihe für Geschichtslehrkräfte der Sekundarstufe – zur Unterrichtsqualität im Rahmen einer randomisierten Feldstudie empirisch evaluiert. Das KLUG-Fortbildungsprogramm berücksichtigt Befunde zu effektiven Lehrkräftefortbildungen, deren Berücksichtigung eine Wirksamkeit bis auf die Ebene des Lernens von Schüler:innen ermöglichen sollte (Darling-Hammond et al., 2017; Lipowsky & Rzehak, 2021).
Fragestellung
Eine Lehrkräftefortbildung gilt in letzter Instanz als erfolgreich, wenn sie im Klassenzimmer implementiert wird und für die Schüler:innen zu günstigeren Outcomes führt. Im Rahmen der vorliegenden Effektivitätsstudie wurden die Effekte der KLUG-Lehrkräftefortbildung auf zentrale Outcome-Variablen untersucht, die unmittelbar mit dem Unterricht der teilnehmenden Geschichtslehrkraft zusammenhängen: die von den Schüler:innen wahrgenommene Unterrichtsqualität und der wahrgenommene Enthusiasmus der Lehrkraft. Außerdem wurden mithilfe standardisierter Leistungstests die Effekte der Intervention auf die historische Kompetenz der Schüler:innen erfasst. Im Rahmen einer randomisierten Feldstudie wurden folgende tentative Hypothesen untersucht:
- Führt die Intervention zu einer als günstiger wahrgenommenen Unterrichtsqualität und einem als höher wahrgenommenen Enthusiasmus der Lehrkraft aus Schüler:innensicht?
- Zeigt die Intervention einen positiven Effekt auf die Entwicklung historischer Kompetenzen der Schüler:innen?
Methode
Insgesamt nahmen 121 Lehrkräfte mit 205 Klassen und 896 Schüler:innen an der randomisierten Feldstudie teil. Die Randomisierung erfolgte jeweils auf Schulebene (Interventionsgruppe: n = 53 Schulen; Wartekontrollgruppe: n = 47 Schulen). Das Fortbildungsprogramm im Blended-Learning-Format erstreckte sich über ein Schulhalbjahr mit insgesamt zwei Präsenztagen und sechs synchronen Online-Sitzungen im Abstand von zwei bis fünf Wochen, gerahmt von einer Prä- und Posttestung vor Beginn bzw. nach Ende des Fortbildungsprogramms.
Die historische Kompetenz der Schüler:innen wurden zu beiden Messzeitpunkten mit Aufgaben (84 Items) aus dem HiTCH-Test (Trautwein et al., 2017), teilweise in adaptierter Form, erfasst. Die aus Schüler:innensicht wahrgenommene Unterrichtsqualität wurde zum zweiten Messzeitpunkt bezogen auf die drei Domänen Klassenführung (vier Facetten), konstruktive Unterstützung (acht Facetten) sowie kognitive Aktivierung (zwei Facetten) mithilfe von Items erhoben, die – teilweise adaptiert – weitgehend aus großen Studien wie BIJU (Baumert et al., 1997), PISA (Ramm et al., 2006) oder DESI (Wagner et al., 2009) übernommen wurden (siehe auch Jaekel et al., 2021). Wie Schüler:innen den Enthusiasmus ihrer Lehrkraft wahrnahmen, wurde anhand für das Fach Geschichte adaptierter Items aus Kunter et al. (2008) erfasst.
Die Schätzung der Interventionseffekte erfolgte mithilfe von Strukturgleichungsmodellen mit latenten Variablen als abhängige Variablen (Ausnahme: historische Kompetenz als manifester Score) unter Kontrolle des Prätests (sofern vorhanden) und eines jeweils identischen Sets an Kovariaten (Geschlecht, Alter, Klassenwiederholung, Erstsprache Deutsch, Anzahl Bücher zu Hause, Klassenstufe).
Ergebnisse und Ausblick
Für beide Forschungsfragen zeigten sich teilweise statistisch signifikant positive Interventionseffekte (unadjustiert bei einseitiger Testung):
- Die Fortbildungsteilnahme hatte einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Qualität des Feedbacks (Facette der Unterrichtsqualität in der Domäne Konstruktive Unterstützung; b = 0.31, p = .005), die wahrgenommene Qualität anspruchsvoller Aufgaben (Facette der Unterrichtsqualität in der Domäne Kognitive Aktivierung; b = 0.27, p = .018) sowie auf den wahrgenommenen Enthusiasmus der Lehrkraft (b = 0.21, p = .040).
- Auf Schüler:innenseite zeigte sich ein deutlich ausgeprägter (b = 0.27, p < .001) und statistisch signifikant positiver Effekt der Intervention auf die historische Kompetenz.
Damit stellt die Studie hoffentlich den Auftakt zu intensiver weiterer Forschung dar, um die allgemeine Unterrichtsforschung und geschichtsdidaktische Forschung weiter zu integrieren und eine umfassende empirische Grundlage für die evidenzbasierte Entwicklung von Professionalisierungsmaßnahmen für Lehrkräfte zu schaffen.
Paper Session
Wie können Lehrpersonen auf einen qualitativ hochwertigen, technologiegestützten Unterricht durch Fortbildungen vorbereitet werden?
Tim Fütterer1, Katharina Scheiter2, Andreas Lachner1, Nicolas Hübner1, Kathleen Stürmer1
1Universität Tübingen, Deutschland; 2Universität Potsdam, Deutschland
Theoretischer Hintergrund. Lehrpersonen müssen qualitativ hochwertigen (lernwirksamen) Unterricht organisieren, damit Schüler:innen vom technologiegestützten Unterricht profitieren (Fütterer et al., 2022, 2023a; Petko et al., 2017). Ein qualitativ hochwertiger Unterricht ist beispielsweise dadurch gekennzeichnet, dass Schüler:innen kognitiv aktiviert werden und sich nicht nur passiv sondern konstruktiv und interaktiv mit Lerngegenständen auseinandersetzen (siehe ICAP-Modell: Chi & Wylie, 2014). Lehrpersonen benötigen spezifische Kompetenzen, um Technologien lernwirksam im Unterricht integrieren zu können (Hew & Brush, 2007). Insbesondere TPK wird als wichtige Voraussetzung für einen lernwirksamen technologiegestützten Unterricht angesehen (Ertmer & Ottenbreit-Leftwich, 2010; Harris et al., 2009; Koehler & Mishra, 2009). TPK leitet sich aus den Wissensfacetten technologisches Wissen (TK) und pädagogisch-psychologisches Wissen (PK) ab (Mishra & Koehler, 2006) und bezieht sich auf das bereichsübergreifende Wissen von Lehrpersonen darüber, wie der Einsatz von Technologien das Lernen von Schüler:innen während der Unterrichtsaktivitäten unterstützen kann. Ein vielversprechender Ansatz zur Förderung von TPK und der Fähigkeit zur Umsetzung eines lernwirksamen technologiegestützten Unterrichts sind Fortbildungen (Fütterer et al., 2023b; 2023c; Hillmayr et al., 2020). Allerdings ist bisher—insbesondere bezüglich TPK—wenig darüber bekannt, wie Lehrpersonen in Fortbildungen gefördert werden sollten (Fernández-Batanero et al., 2020). TPK kann zum Beispiel indirekt gefördert werden, indem stärker technologische Aspekte fokussiert werden (integrative Perspektive), oder direkt (transformative Perspektive; Graham, 2011).
Fragestellungen. In unserer Studie untersuchen wir, wie sich TPK zwischen einer indirekte und einer direkten Förderung bei Fortbildungen unterscheiden und welche Rolle TK und PK bei der Förderung von TPK spielen. Drei Forschungsfragen (FF) werden fokussiert:
(FF1) Wie unterscheiden sich eine integrative und eine transformative Fortbildung zur Förderung von technologisch-pädagogischem Wissen und qualitativ hochwertigem technologiegestütztem Unterricht in ihrer Wirksamkeit?
(FF2) Welche Rolle spielt die Behandlungstreue bei der Wirksamkeit dieser Weiterbildungsmaßnahmen?
(FF3) Wie hängen technologisches und pädagogisch-psychologisches Wissen (als Voraussetzungen der Teilnehmer) mit der Effektivität dieser professionellen Entwicklungen zusammen?
Methode. N = 255 Lehrpersonen (M = 43,29 Jahre alt [SD = 9,23] und 74 % weiblich) wurden zu drei Messzeitpunkten vor (Pretest) und nach (Posttest, Follow-Up) dreimonatigen technologiebezogenen Fortbildungen zur Förderung von TPK und der Fertigkeit, einen qualitativ hochwertigen digital gestützten Unterricht anzubieten, befragt und getestet. Die Lehrer:innen wurden dabei zufällig einer von zwei Fortbildungen zugewiesen: 1. integrative Fortbildung (N = 122), 2. transformative Fortbildung (N = 133). Wir nutzten Strukturgleichungs- und Mehrgruppenmodelle, fehlende Werte wurden mit Full-Information Maximum Likelihood behandelt und Kovariaten entsprechend der What Works Clearinghouse Standards für baseline equivalence einbezogen. Abhängige Variablen beim waren das getestete TPK (8 offene Items, 2 Rater = .81, .81 .85; Lachner et al., 2019), das selbsteingeschätzte TPK (5 geschlossene Items, 67 ≤ α ≤ .70, adaptiert nach Schmidt et al., 2009), die durch Lehrpersonen wahrgenommene kognitive Aktivierung (6 geschlossene Items, .83, adaptiert nach Kunter et al., 2017) und die selbstberichtete Nutzung von Technologie entsprechend ICAP (4 geschlossene Items, 70 .81). Unabhängige Variable ist die Gruppenzugehörigkeit (integrative Fortbildung vs. transformative Fortbildung). Zur Beantwortung der 2. Forschungsfrage wurde treatment fidelity, zur Beantwortung der 3. Forschungsfrage das getestete TK (Fütterer et al., 2023d) und PK (Kunter et al., 2017) als Moderatoren verwendet.
Ergebnisse. Deskriptiv zeigte sich eine stärkere Wirksamkeit der transformativen Fortbildung ( = 0.09 bis = 0.23). Treatment fidelity zeigte sich als wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit transformativen Fortbildung bezüglich selbstberichtetem TPK beim Follow-Up () und wahrgenommener kognitive Aktivierung beim Postets . In der transformativen Fortbildung profitieren Lehrpersonen mit mehr TK mehr hinsichtlich wahrgenommener kognitiver Aktivierung beim Postet . In der integrativen Fortbildung profitieren Lehrpersonen mit mehr PK mehr hinsichtlich getestetem TPK beim Follow-Up . Die Ergebnisse zeigen, dass technologiebezogene Fortbildungen nicht für alle Lehrpersonen gleichsam wirken. Limitationen (z.B. attrition rate, power) sowie Implikationen für die Fortbildungspraxis (z.B. Bedeutsamkeit von adaptiven Fortbildungskonzepten) werden diskutiert.
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