Symposium
Fachliche Perspektiven auf Kulturelle Bildungsforschung
Chair(s): Caroline Theurer (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), Nicole Berner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland)
Discussant(s): Katrin Rakoczy (Universität Giessen)
Evidenzbasierte Forschung zur Kulturellen Bildung erfuhr in den vergangenen Jahren zunehmende Aufmerksamkeit (Scheunpflug & Prenzel, 2013; Pürgstaller, Konietzko & Neuber, 2020). In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen war ein vermehrtes Interesse und eine entsprechende Aktivität erkennbar, die sich auch in mehreren Förderlinien widerspiegelte. Wird Kulturelle Bildung spartenübergreifend definiert, wird sie meist als Sammelbegriff für vielfältige Bildungsangebote für Menschen jeder Altersgruppe in verschiedenen Sparten wie Bildende Kunst, Musik, Literatur, Tanz und Theater verstanden (Fuchs, 2009). Ausdrücklich wird von vielen Akteur:innen im Feld auch Sport und Bewegung als kulturell-ästhetische Sparte eingeschlossen (z.B. Pürgstaller et al., 2020). Ästhetische Komponenten Kultureller Bildung bieten ergänzende Lerngelegenheiten, bei denen nicht nur fachliche Aspekte erlernt werden können, sondern gleichermaßen die Persönlichkeitsentwicklung angesprochen wird. So erfordern kulturell-ästhetische Tätigkeiten Durchhaltevermögen und Persistenz in der Ausübung, bieten Offenheit und Mehrperspektivität durch sinnliche Erfahrungen und können so auch zur Identitätsbildung und Stärkung des Selbstkonzepts von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beitragen. Kulturelle Bildung stellt im Kontext allgemeiner Bildung einen festen Bestandteil schulischer wie außerschulischer Bildung dar (vgl. Keuchel, 2013) und wird für die kulturelle Teilhabe der Heranwachsenden sowie für die Förderung von Kreativität als relevant erachtet (vgl. Kultusministerkonferenz, 2013; Liebau, 2008; Winner, Goldstein & Lancrin, 2013), Sogenannte Transfereffekte Kultureller Bildung auf die Persönlichkeit, kognitive Maße oder sogar Lernleistungen (Hamer, 2014; Rittelmeyer, 2010) stellen einen eigenen Forschungsbereich innerhalb Kultureller Bildungsforschung dar und können im schulischen Bereich oder außerschulischen Bereichen verortet werden. Derartige Transfereffekte können weiterhin spartenübergreifend betrachtet werden (z.B. Moga et al., 2000; Winner et al., 2013; Rogh et al., 2017) oder aber fachspezifische Blicke auf Wirkungen Kultureller Bildung werfen (z.B. Berner, Jacobi-Theurer & Rogh, 2019; Hetland & Winner, 2001 Rakoczy et al., 2022). Die hier vorgestellten Beiträge geben aus den drei verschiedenen Sparten Kultureller Bildung Musik, Tanz und Bildende Kunst Einblicke in aktuelle empirische Forschungsprojekte zur Konzeptualisierung und Förderung von Kreativität.
Johannes Hasselhorn fragt danach, wie Kreativität in Musik erkannt, gemessen und diagnostiziert werden kann. Es wird ein theoretisch begründetes Modell kreativer Kompetenz (in Musik) vorgestellt, das auch auf pädagogisches Handeln anwendbar ist, indem Professionswissen zur Förderung kreativer Fähigkeiten ableit-bar wird, sodass Lehrkräfte über potenziell kreativitätsfördernde Aufgaben hinaus ihr Handeln reflektieren können. Perspektivisch dient dieses Modell auch der Instrumentenentwicklung.
Esther Pürgsteller analysiert, welche Relevanz Tanzlehrkräfte der Kreativitätsförderung beimessen und wie die beigemessene Relevanz mit kreativitätsfördernder Unterrichtspraxis korrespondiert. Genutzt werden Daten der Studie „Tanz- und Bewegungstheater – Ein künstlerisch-pädagogisches Projekt zur Kulturellen Bildung in der Ganztagsgrundschule“ (Stern et al., 2017) im Rahmen derer u.a. Videoanalysen eingesetzt wurden, um die methodisch-didaktische Praxis der Tanzlehrkräfte systematisch zu beschreiben.
Nicole Berner und Caroline Theurer widmen sich basierend auf Daten der längsschnittlich angelegten KuBiK5-Studie (Theurer et al., 2023) dem bildnerisch-künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzept als Teil des kreativen Selbstkonzepts von Schüler:innen im Bereich der Bildenden Kunst und untersuchen, inwiefern diese selbstbezogenen Kognitionen vom individuellen Interesse an Bildender Kunst sowie schulischen und außerschulischen Tätigkeiten, wie z.B. dem Besuch von Jugendkunstschulen, abhängig sind.
Das interdisziplinäre Symposium rahmt damit Studien, die sich aus ihrer jeweiligen Fachdisziplin heraus mit pädagogisch-didaktischen Einflüssen auf die Lernentwicklung von Heranwachsenden auseinandersetzen. Damit wird mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Thematiken und methodischen Herangehensweisen auch die Frage adressiert, wie (in den jeweiligen Domänen) gute unterrichtliche Angebote aussehen müssten (Praetorius & Gräsel, 2021; Rakoczy, Wagner & Frick, 2021), damit sie wirksam sein können. Die vorgestellten Studien werden von Katrin Rakoczy zusammenfassend diskutiert.
Presentations of the Symposium
Entwicklung eines Modells zur Erfassung kreativer Kompetenz in Musik
Johannes Hasselhorn Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland
Hintergrund
Kreativität und kreative Entwicklung sind von der UNESCO als Menschenrecht definiert (UNESCO, 2006). Kreativität gilt außerdem als ein „Leitbegriff für musik-pädagogisches Denken und Handeln“ (Stöger, 2018). Der Bildungsbericht 2012 kam zu dem Schluss, dass es in diesem Bereich „an einer outcomeorientierten Forschung“ fehle (Autorengruppe Bildungsbericht, 2012, S. 198), obwohl frühe Vorarbeiten aus dem Bereich der psychologischen Intelligenzforschung vorliegen (z.B. Guilford, 1950). Dieser Umstand ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es nach wie vor einen Mangel an geeigneten Messinstrumenten gibt, die zur Erfassung und Dokumentation von Entwicklungsständen von Kreativität (in Musik) bei Schüler:innen geeignet sind (vgl. Ryan & Brown, 2012).
Ausgehend von Guilford (1950), auf den sich fast alle Kreativitätsmodelle und -theorien beziehen, haben sich vier unterscheidbare „Typen“ von Kreativitätsmodellen herauskristallisiert: produkt-, persönlichkeits-, prozess- und umfeldorientierte Ansätze (vgl. Stöger, 2018). Neuere Ansätze scheinen sich dabei nicht mehr auf einen dieser Ansätze zu fokussieren, sondern folgen in der Regel einer Verknüpfung mehrerer Ansätze (vgl. Lubart et al., 2011). Dabei spielt auch häufig das kognitive Spiel zwischen divergentem und konvergentem Denken eine zentrale Rolle, wie auch im Modell kreativen Denkens in Musik (Webster, 2003). Kreativität zeigt sich dabei in der gleichzeitigen Erfüllung zweier Bedingungen: Zum einen ist Neuheit bzw. Originalität wichtig, die sich in einem Produkt oder in einem Lösungsweg zeigt, zum anderen Angemessenheit bzw. Brauchbarkeit dieses Produkts oder Lösungswegs (Barron, 1955; Groeben, 2014; Stein, 1953).
Aufgrund der großen quantitativen und qualitativen Heterogenität künstlerisch-kultureller Aktivitäten wird in der Literatur in Zusammenhang mit schulischer Bildung eine Unterscheidung zwischen den künstlerischen Fächern empfohlen (Weishaupt & Zimmer, 2013). Das bezieht sich auch auf Kreativität, die nach aktuellem Stand der Forschung zwar auf einer generellen, fachunabhängigen Kreativitätskomponente beruht, sich allerdings bedingt durch fachspezifische Kompetenzen und situationsspezifischen Aufgabenmotivationen in fachspezifisch unter-scheidbaren Ausprägungen manifestiert (z.B. im Modell nach Amabile, 1996).
Fragestellung
Die Messung von Kreativität in Musik stellt eine große Herausforderung dar, was auch eine noch fehlende theoretische Konzeptionalisierung zurückführbar ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie kreative Kompetenz in Musik model-liert und erfasst werden kann. Dieser Fragestellung wird sich im Vortrag gewidmet.
Methode
Die Forschungsfrage wird in dieser Projektphase analytisch-literaturbasiert bear-beitet. Es liegen verschiedene Tests vor (z.B. TTCT [Torrance, 1998], EPoC [Lubart et al, 2011], MMPS [Vold, 1986], MCSM [Wang, 1985], MCTM [Webster, 1984]), die jedoch keine zufriedenstellenden Gütekriterien hinsichtlich Reliabilität und Validität erreichen. Weitere Versuche der Messung musikalischer Kreativität stützen sich auf nicht standardisierte Verfahren mit offenen Aufgabenformaten in einge-grenzten Inhaltsbereichen wie beispielsweise der Komposition (z.B. Hickey, 2001) oder zu spontanen Verhaltensweisen bei nicht angeleiteten Erstbegegnungen mit Musikinstrumenten (z.B. Young, 2003). Diese Verfahren sind kaum ökonomisch einsetzbar und wurden daher nach ihrer Publikation kein zweites Mal eingesetzt.
In Verbindung mit dem auf Weinert (2001) aufbauenden und im überwiegenden Teil der empirischen Bildungsforschung verwendeten Kompetenzansatzes (Klieme et al., 2003), wird nun der eher strukturierende Modellansatz von Amabile (1996) mit dem eher prozessorientierten Ansatz von Webster (2003) zu einem Kompetenzstrukturmodell von Kreativität zu verbunden.
Ergebnisse
Es entsteht ein dreidimensionales Strukturmodell, in dem (A) kreative Prozesse in die Subdimensionen divergente und konvergente Denkprozesse unterteilt sind, (B) domänenspezifische Komponenten in Fachwissen und Expertisegrad und (C) Motivation in Leistungsmotivation und Aufgabenmotivation (vgl. Hasselhorn, 2022). Das so resultierende Modell hat vorbehaltlich seiner empirischen Validierung das Potential, in unterrichtlichen Kontexten evaluativ eingesetzt zu werden und so eine inhaltlich detailliertere Antwort auf Fragen nach gezieltem Förderbedarf einzelner Schüler:innen zu geben. Darüber hinaus bietet das Modell die Möglichkeit den konkreten Inhaltsbereich einfach zu variieren, sodass kreative Kompetenz verschiedener Domänen ökonomisch erfasst und verglichen werden kann.
Ist die Förderung von Kreativität relevant? Der Zusammenhang zwischen der Bedeutung, die Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung beimessen, und ihren methodisch-didaktischen Handlungsweisen
Esther Pürgstaller Universität Potsdam
Theoretischer Hintergrund
Kreativität gilt in der Schule als wichtiges Bildungsziel. Sie kann als Fähigkeit verstanden werden, viele (Produktivität), unterschiedliche (Problemlösungsfähigkeit) und unkonventionelle, neuartige Ideen (Originalität) zu generieren (Pürgstaller, 2020). Die Kreativitätsentwicklung wird von internen und externen Faktoren beeinflusst (Theurer, 2014). Zu letzteren zählen Aktivitäten, die Erfahrungs- und Möglichkeitsräume bieten, in denen (un)bekannte (Bewegungs)Muster entdeckt und durchbrochen werden können (Klinge, 2010). Kreativer Tanz stellt einen derartigen Erfahrungsraum dar. Im Kreativen Tanz liegt der Schwerpunkt auf der Förderung individueller Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten (Chappell, 2007). Da-für kommen methodisch-didaktische Handlungsweisen zum Einsatz, die als besonders förderlich für die Kreativitätsentwicklung gelten, wie (schüler:innenorientierte) Sozialformen, Unterrichtsmethoden (z.B. Improvisation) oder Aufgabenstellungen mit teiloffenen und offenen Freiheitsgraden (vgl. u.a. Cropley, 1992; Berner & Lotz, 2015; Sowden et al., 2015). Insofern bietet Kreativer Tanzunterricht besondere Anknüpfungspunkte für die Kreativitätsförderung. Forschungsergebnisse zei-gen jedoch, dass Tanzlehrkräfte wenig Raum für kreative Erfahrungen lassen (Watson, Nordin-Bates & Chappell, 2012) und selten kreativitätsfördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen in ihrem Unterricht einsetzen (Chappell et al., 2011). Einer der Gründe könnte an ihren persönlichen Werteüberzeugungen und Einstellungen liegen (Aljughaiman & Mowrer-Reynolds, 2005; Theurer, Freytag & Hein, 2018)), z. B. in der widersprüchlichen Bedeutung, die sie Kreativitätsförderung beimessen (Kettler et al., 2018).
Fragestellung
Bisher berücksichtigen nur wenige Studien zu kreativitätsfördernder Unterrichtspraxis die Relevanz, welche Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung . Vor diesem Hintergrund zielt der Beitrag auf die Frage ab, ob die von Tanzlehrkräften zugeschriebene Bedeutung gegenüber Kreativitätsförderung ihre methodisch-didaktische Praxis beeinflusst.
Methode
Das Forschungsvorhaben ist eingebettet in die Studie „Tanz- und Bewegungstheater – Ein künstlerisch-pädagogisches Projekt zur Kulturellen Bildung in der Ganztagsgrundschule“, bei der Indikatoren des Selbstkonzepts, der emotionalen Kompetenz sowie der Kreativität bei Grundschulkindern erhoben wurden (Stern et al., 2017). Den Kern der quasi-experimentellen Längsschnitt-Studie im Kontrollgruppendesign bildet ein dreimonatiges künstlerisch-pädagogisches Tanz- und Bewegungstheater-Angebot, das von Tanzlehrkräften an zehn Mainzer Grundschulen durchgeführt wurde. Für die vorliegende Studie wurden während des Tanzprojektes sechzehn 90-minütige Unterrichtseinheiten von vier erfahrenen Tanzlehrkräften (M = 18.7 Jahre) videographiert. Um Rückschlüsse auf die Unterrichtsgestaltung ziehen zu können, analysierten zwei geschulte Kodierer den Unterricht über ein eigens entwickeltes niedrig-inferentes Kategoriensystem hinsichtlich der methodisch-didaktischen Inszenierung (Lektionsdauer, Sozialform, Unterrichtsmethoden, Freiheitsgrad der Aufgabenstellung, kreativitätsfördernde Aufgabenstellungen) (Pürgstaller, 2020). Zudem wurden Daten aus 131 Fragebögen ausgewertet, welche die Tanzlehrkräfte nach jeder Unterrichtseinheit ausfüllten. Neben Fragen zu ihrem methodisch-didaktischen Ansatz schätzten sie auf einer 4-stufigen Likert-Skala u.a. die Bedeutung der Kreativitätsförderung in der jeweiligen Unterrichtseinheit ein.
Ergebnisse
Die deskriptiven Ergebnisse deuten darauf hin, dass Tanzlehrkräfte der Kreativitätsförderung generell einen hohen Stellenwert einräumen, wobei die Förderung der Kreativitätsfacette Produktivität den höchsten Stellenwert einnimmt. Aus der Analyse der videobasierten Unterrichtsbeobachtung geht jedoch hervor, dass ihre Unterrichtspraxis nur teilweise durch kreativitätsfördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen gekennzeichnet ist. Regressionsanalysen zeigen weiterhin, dass die Bedeutung, die die Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung beimessen, ein statistisch signifikanter Prädiktor für das zeitliche Ausmaß ist, das sie für kreativitäts-fördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen aufwenden.
„Kunst kann ich nicht!“ – Zum Fähigkeitsselbstkonzept und Interesse im Bereich Kunst von Fünftklässlern und wie kulturelle Bildung dazu beitragen kann
Nicole Berner1, Caroline Theurer2 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Hintergrund
Der schulische Kunstunterricht kann einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Teil-habe leisten (Kirchner & Kirschenmann 2015, Weishaupt et al., 2011). Dabei dürfte es entscheidend sein, ob es gelingt, Schüler:innen für Kunst und Kultur zu interessieren und nachhaltige Entwicklungen anzustoßen. Künstlerischen Prozessen wird in Zusammenhang der Entwicklung bildnerischer Fähigkeiten seitens der kunstdidaktischer Theoriebildung einen wichtigen Einfluss auf die Identitätsbildung und Selbstkonzeptentwicklung zugeschrieben (Kirchner 2014). Das Fähigkeits-selbstkonzept ist neben dem sozialen, emotionalen und körperlichen Selbstkonzept ein Teil des globalen Selbstkonzepts (Shavelson et al. 1979) und beeinflusst damit die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen (Feng, Wang & Rost, 2018). Es ist weitgehend hierarchisch gegliedert und differenziert sich im Laufe des Lebens aus. Insbesondere Fähigkeitsselbstkonzepte (auch als akademische Selbstkonzepte bezeichnet) entwickeln sich entlang verschiedener Domänen bzw. bestimmter Teilbereiche innerhalb von Domänen (Möller & Trautwein, 2020). Während die Erfassung von domänenspezifischen Selbstkonzepten in den Bereichen Lesen, Schreiben oder Rechnen mittlerweile bereits im Grundschulalter als etabliert angesehen werden kann (z.B. Hellmich, 2011), ist es noch weitaus unüblicher Fähigkeitsselbstkonzepte in künstlerischen Domänen zu erfassen (Theurer et al., i.V.) und zu anderen Variablen in Beziehung zu setzen. Als Determinanten der Selbstkonzeptgenese werden sowohl individuelle als auch soziale Einflüsse be-schrieben (Möller & Trautwein, 2020). Demnach müssen Individuen zunächst Erfahrungen mit dem jeweiligen Gegenstand machen können um domänenspezifische Selbstkonzepte zu entwickeln. Bislang fehlen fachdidaktische Studien, die klären, inwieweit hier Wechselbeziehungen zwischen dem künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzept und schulischen wie außerschulischen künstlerischen Bildung bestehen.
Fragestellung
Im Vortrag wird die Dimension des künstlerisch-bildnerischen Fähigkeitsselbstkonzept als ein Bereich des kreativ-kulturellen Selbstkonzept (Theurer et al., i.V.) be-leuchtet. Die zentralen Fragestellungen des Vortrags lauten: Wie entwickelt sich das künstlerische Selbstkonzept im Verlauf des fünften Schuljahres? Welche Erfahrungen und Einflüsse im schulischen wie außerschulischen Bereich nehmen Einfluss auf diese Entwicklung?
Methode
Zur Beantwortung der Fragestellungen werden Daten aus dem Projekt KuBiK5 (Kulturelle Bildung und Kreativität im fünften Schuljahr; Theurer, Berner, Wemmer-Rogh & Lipowsky, 2023) genutzt. Zu Beginn des fünften sowie zu Beginn des sechsten Schuljahres wurden über 1000 Kinder u.a. per Fragebogen zu ihren Selbstkonzepten in verschiedenen kreativ-kulturellen Bereichen (z.B. Kunst, Literatur, Tanz, Theater, Musik), ihren kreativ-kulturellen Interessen sowie (potenziell) kulturell bildenden Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Schule befragt.
Als Indikator schulischer künstlerischer Bildung werden Angaben zum Kunstunter-richt sowie zu künstlerischen Schulprojekten genutzt und zu einem Index zusammengefasst. Als Indikator außerschulischer künstlerischer Bildung wird ein Index aus den folgenden Angaben generiert: Besuch einer Kunstschule, Häufigkeit des freizeitlichen Malens oder Zeichnens sowie Häufigkeit von Museumbesuchen. Kontrollierend wird der sozioökonomische Status der Familien über den HISEI nach Ganzeboom, Graaf und Treiman (1992) betrachtet. Deskriptive sowie Zusammenhangsanalysen beantworten die Forschungsfragen.
Ergebnisse
Deskriptive Analysen belegen eine Mittelwertstabilität des künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzepts (T1: M=2.67; SD=0.67, T2: M=2.63; SD=0.67, jeweilige Range: 1-4), wobei Korrelationsanalysen (r=.55; p<.01) intraindividuelle Veränderungen innerhalb des fünften Schuljahres offenbaren. Interkorrelationsmatrizen zeigen schwache bis mittlere Zusammenhänge des Selbstkonzepts mit künstlerischen Aktivitäten (.19 < Kendalls τ < .29). Die künstlerischen Aktivitäten hängen nur zu T1 schwach mit dem HISEI zusammen (.07 < Kendalls τ < .09). Intraklassenkorrelationen belegen, dass kaum Varianz in den Selbstkonzeptunterschieden auf die Klassenzugehörigkeit zurückführbar ist. Lineare Regressionen zeigen weiterhin, dass unter Kontrolle des vorherigen Selbstkonzepts (β=.46, p<.001) sowie des HISEIS (β=.05, p=.17) lediglich die außerschulischen Aktivitäten zu Messzeitpunkt 2 (β=.21, p<.001) Einfluss nehmen auf das künstlerische Selbstkonzept zum zweiten Messzeitpunkt.
Die Ergebnisse beleuchten einen bislang wenig beachteten Diskurs zum Fähigkeitsselbstkonzept im künstlerischen Bereich und schulischer wie außerschulischer künstlerischer Bildung. Vor dem Hintergrund außerschulischer Aktivitäten und de-ren Einfluss auf das künstlerische Fähigkeitsselbstkonzept gilt es den schulischen Kunstunterricht in seiner Wirkmächtigkeit auf kulturelle Teilhabe näher zu beleuchten und die Ergebnisse zu diskutieren.
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