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7-09: Diagnose von Lernendenmerkmalen im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung und Klimabildung
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Symposium
Diagnose von Lernendenmerkmalen im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung und Klimabildung Problemstellung/Ausgangslage Bildung ist ein wesentlicher Faktor, um Menschen auf den Umgang mit dem Klimawandel und seinen Herausforderungen vorzubereiten. Klimabildung soll bei Lernenden ein Bewusstsein für den Klimawandel, dessen Ursachen und Folgen entwickeln, sowie Handlungskompetenzen fördern, die für eine Abschwächung des anthropogen verursachten Klimawandels (Mitigation) bzw. zum Ergreifen von Maßnahmen für eine Verringerung nachteiliger Auswirkungen des Klimawandels (Adaption) benötigt werden (Lohmann et al., 2021; Monroe et al., 2019; Rieß, 2010; UNESCO, 2021). Dies mit dem Ziel, dass Entscheidungen informiert getroffen und Bedürfnisse der heutigen Generation so befriedigt werden, dass die Lebensgrundlagen der nächsten Generation nicht gefährdet werden (Michaelis et al., 2020; UNESCO, 2021). Es liegen inzwischen zahlreiche Kompetenzmodelle zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung für die Schul- und Hochschulbildung vor (bspw. Haan, 2008; Rieckmann, 2018; Wiek, 2016). Der Fokus dieser Modelle liegt jedoch zumeist auf umfassenden überfachlichen Handlungs-, Gestaltungs-, Problemlösungs- oder Schlüsselkompetenzen (Lozano et al., 2017). Die theoretisch angenommenen Dimensionen in diesen Modellen sind oft schwer zu operationalisieren und strukturelle Zusammenhänge sind nur unzureichend definiert. Daher entziehen sich die meisten Ansätze einer empirischen Überprüfung (Michaelis et al., 2020). Um aber die Wirkungen von Bildungsangeboten auf den Lernerfolg, d. h. auf den Erwerb von nachhaltigkeitsspezifischem Wissen, Kompetenzen, motivationale und volitionale Orientierungen, emotionales Erleben, Einstellungen und Verhaltensbereitschaften erfassen und messen zu können, bedarf es valider und reliabler Instrumente zur Erfassung empfohlener Lernendenmerkmale sowie Erkenntnisse darüber, wie diese Lernendenmerkmale miteinander wechselwirken (Rieß et al., 2018). Zielsetzung/Zuschnitt des Symposiums Die Beiträge des Symposiums greifen diese Desiderata auf und befassen sich mit der Diagnose und dem Zusammenspiel von Lernendenmerkmalen im Kontext von Klimabildung und Nachhaltigkeit. Dabei werden zum einen Messinstrumente zur Erfassung von Climate Literacy und von Einstellungen zum Klimawandel sowie von nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen vorgestellt und zum anderen Prädiktoren von Nachhaltigkeitseinstellungen sowie deren Einfluss auf individuelle Entscheidungsprozesse im Nachhaltigkeitskontext untersucht. Der erste Beitrag befasst sich mit der Entwicklung und empirischen Prüfung eines Tests zur Erfassung der Climate Literacy von Schüler*innen am Ende der Sekundarstufe I. Der Fokus des Beitrags liegt dabei auf den kognitiven Facetten des Tests, dessen 164 Items neben naturwissenschaftlich-technischen auch sozial- und geisteswissenschaftliche Fachwissensinhalte abdecken. Der zweite Beitrag widmet sich den Einstellungen von Schüler*innen der 9. Klasse zum Klimawandel. Basierend auf bereits vorhandenen Instrumenten zu Umwelteinstellungen auf Basis selbstberichteten Verhaltens entwickelt die Arbeitsgruppe ein Instrument, das klimarelevante Aspekte integriert und validiert die daraus resultierenden Einstellungsmaße mit traditionellen Einstellungsmaßen zum Klimawandel. Die Genese entsprechender nachhaltigkeitsrelevanten Einstellungen wird in dem dritten Beitrag in den Blick genommen. Die Autoren untersuchen wie die nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen von Schüler*innen mit denen ihrer Eltern zusammenhängen. Hierzu analysieren sie die PISA-2015-Daten von 16 Ländern und prüfen dabei, ob und wie sich Zusammenhänge von elterlichen und kindlichen Nachhaltigkeitseinstellungen in den Ländern unterscheiden und inwieweit diese Unterschiede ggf. durch Prädiktoren auf Schul- oder Schulsystemebene erklärt werden können. Mit dem Ziel, die Entscheidungsfähigkeit von Schüler*innen im Unterricht gezielt zu fördern, nimmt der vierte Beitrag die Diagnose von Entscheidungsprozessen im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung mit dem Fokus auf Ernährung in den Blick und untersucht, wie vorhandenes Wissen und Einstellungen auf individuelle Entscheidungsprozesse wirken. Eine abschließende Diskussion adressiert die Limitationen der Einzelbeiträge und künftige Herausforderungen für die Forschung im Feld. Beiträge des Symposiums Climate Literacy von Jugendlichen – Wissen und Können messbar machen Theoretischer Hintergrund und Fragestellung Für die Bewältigung der Herausforderungen, die der Klimawandel an die Gesellschaft stellt, spielt Klimabildung eine zentrale Rolle (vgl. Otto et al., 2022). Während die Kompetenzen von Schüler*innen in Mathematik, Deutsch oder den Naturwissenschaften regelmäßig überprüft werden, z. B. im Rahmen der PISA-Studien (OECD, 2017), ist jedoch wenig bekannt über Kompetenzen von Jugendlichen im Umgang mit dem Klimawandel. Um den aktuellen Stand der Klimabildung in Deutschland zu überprüfen sowie weitere notwendige Maßnahmen abzuleiten, ist ein Messinstrument notwendig, das reliabel und valide die Climate Literacy von jungen Menschen als Ergebnis von Klimabildung erfassen kann. Für den deutschen Sprachraum existieren bereits Instrumente, die relevante Teilaspekte einer Climate Literacy erfassen, z. B. naturwissenschaftliches Grundlagenwissen über den Klimawandel (Schubatzky et al., 2023) oder Systemkompetenz (Roczen et al., 2021). Für ein regelmäßiges und umfassendes Monitoring schulischer Klimabildungsmaßnahmen ist jedoch ein Messinstrument erforderlich, das der Multidisziplinarität von Klimabildung gerecht wird. In der hier vorgestellten Studie wurde daher ein Test zur Erfassung der Climate Literacy von Schüler*innen am Ende der Sekundarstufe I (Ende Klasse 9) entwickelt. Analog zu Scientific Literacy in PISA verstehen wir unter Climate Literacy sowohl kognitive Facetten als auch Einstellungen und Verhaltensbereitschaften. Im vorliegenden Beitrag soll der Fokus auf den kognitiven Facetten von Climate Literacy liegen, also welches Wissen zum Klimawandel Schüler*innen haben und inwiefern sie dieses Wissen z. B. beim Lösen von Problemen im Zusammenhang mit dem Klimawandel anwenden können. Als Grundlage der Testentwicklung dient ein Kompetenzstrukturmodell (Autoren, eingereicht), das an bestehende Kompetenzmodelle (z. B. OECD, 2017; Sumfleth et al., 2019) anknüpft. Darin werden die vier Kompetenzbereiche (1) Umgang mit Fachwissen, (2) Gewinnung und Beurteilung von Erkenntnissen, (3) Information und Kommunikation und (4) Normative Bewertung unterschieden. Da vermehrt der Einbezug einer politischen Perspektive (z. B. im Kontext von Handlungsmaßnahmen) gefordert wird (Kranz et al., 2022), liegt ein Fokus der abgedeckten Fachwissensinhalte neben naturwissenschaftlichen Aspekten einer Climate Literacy (USGCRP, 2009) auch auf sozial- und geisteswissenschaftlichen Aspekten. Methode Die Testaufgaben (vorwiegend Multiple-Choice) wurden von Fachdidaktiker*innen aus neun Fachbereichen (z. B. Biologie, Geographie, Politik) entwickelt und mithilfe einer think-aloud-Pilotierung (N = 20 Schüler*innen) sowie zwei quantitativen Pilotierungsstudien (N1= 353, N2 = 310) iterativ weiterentwickelt. Das finale Instrument umfasst insgesamt 164 Testitems in 43 Themenblöcken (z. B. „Klimapolitik“, „Brennstoffe“, „Moral und Werte“) und wird im Multi-Matrix-Design mit sieben Testheften (je ca. 70 Items) administriert. Die Schüler*innen bearbeiten den Test in Einzelarbeit am PC; die Bearbeitungszeit beträgt 70 Minuten. Ergebnisse Dem vorgestellten Beitrag liegen Daten aus einer Erhebung mit 810 Neuntklässler*innen (MAlter = 15,6, SDAlter = 0,96) verschiedener weiterführender Schulen in [Bundesland] zugrunde. Die Skalierung der Daten erfolgte mittels der Item-Response-Theory. Der Test erzielte eine hohe Reliabilität mit EAP-Rel = .908 und WLE-Rel = .902. Die Lösungshäufigkeiten der Items streuten zwischen 4 % und 78 % (M = 36 %). Aufgaben aus dem Kompetenzbereich Information und Kommunikation wurden dabei signifikant seltener gelöst (M = 25 %) als Aufgaben aus den anderen Kompetenzbereichen, F(3, 160) = 4,61, p = .004. Diskussion Ziel des im Beitrag vorgestellten Projektes ist die Integration natur- und sozialwissenschaftlicher Aspekte in ein umfassendes Instrument zur Erfassung der Climate Literacy unter Jugendlichen. Erste Erhebungen mit dem Instrument zeigen Bereiche auf, in denen schulische Klimabildung ansetzen könnte, um die Kompetenzen von Jugendlichen im Umgang mit dem Klimawandel zu stärken. Vor allem die Testaufgaben, in denen Informationen aus Diagrammen oder Tabellen entnommen und interpretiert werden müssen, scheinen herausfordernd für die Zielgruppe von Schüler*innen am Ende der Klassenstufe 9 zu sein. In den nächsten Monaten sollen auf Basis des entwickelten Kompetenzmodells sowie der vorliegenden Daten kriterienorientierte Kompetenzstufen (s. Rauch & Hartig, 2020) einer Climate Literacy formuliert werden, um konkrete Rückmeldungen zum Ist-Stand sowie Indikationen zu Fördermaßnahmen ermöglichen. „Man kann das am Anfang vielleicht auch abfragen“ – Messung von Einstellungen Jugendlicher zum Klimawandel Schulische Klimabildung ist ein bedeutsamer Baustein, um den Klimawandel zu begrenzen und in seinen Folgen erfolgreich zu bewältigen (Conninck et al., 2018; Otto et al., 2020). Im zentralen Fokus schulischer Bildungsmaßnahmen steht in der Regel die Wissensvermittlung. Versteht man die Förderung von Climate Literacy als Ziel von Klimabildung, also die Vermittlung einer klimawissenschaftlichen Grundbildung, die Schüler*innen zur erfolgreichen Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen im Zusammenhang mit dem Klimawandel befähigt, umfasst diese neben kognitiven Facetten (z. B. Wissen) auch Einstellungen und Verhaltensbereitschaften (Azevedo & Marques, 2017; Mochizuki & Bryan, 2015). Dabei wird entsprechend des Tripartite-Modells der Einstellungen (Rosenberg et al., 1960) angenommen, dass sich diese in kognitiven, affektiven und behavioralen Reaktionen zeigen. Einstellungen sind insofern von besonderer Relevanz, da Wissen im Kontext des Klimawandels nicht automatisch zum Handeln führt (Braun & Dierkes, 2019; Kollmuss & Agyeman, 2002), weshalb Schule als wichtige Sozialisationsinstanz nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch motivational-affektive Aspekte fördern sollte. Hier kann zunächst danach gefragt werden, welche Rolle die Einstellungen von Schüler*innen zum Klimawandel beim Unterrichten von Klimathemen für Lehrkräfte spielen. In einer Vorstudie wurden deshalb zehn leitfadengestützte Interviews mit Gymnasiallehrkräften (Geografie, Biologie, Gemeinschaftskunde) geführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022) ausgewertet. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Einstellungen von Schüler*innen zum Klimawandel unterrichtsrelevant sind und Lehrkräfte sowohl ihren Unterricht auf diese Einstellungen aufbauen als auch die Einstellungsbildung als Unterrichtsziel fördern wollen. Gleichzeitig wird deutlich, dass Lehrkräfte nur sehr wenig über die tatsächlich vorhandenen Einstellungen ihrer Schüler*innen wissen und über keine systematischen Messmethoden verfügen, um diese zu erfassen. Aus dieser Erkenntnis leitet sich das weitergehende Ziel ab, ein praktikables Messinstrument zu entwickeln, mit dem die Einstellungen von Schüler*innen zum Klimawandel reliabel, valide und unkompliziert gemessen werden können. Dazu wurden zwei bestehende Instrumente adaptiert. Einerseits wird auf einen Fragebogen (GEB-40) von Kaiser et al. (2007) zurückgegriffen, der Umwelteinstellungen von Jugendlichen auf Basis von selbstberichtetem Verhalten im Rahmen des Campbell-Paradigmas (Kaiser et al., 2010) misst. Er wurde mit dem Ziel der Anpassung an die aktuelle Lebenswelt von Jugendlichen und einer stärkeren Integration klimarelevanter Aspekte überarbeitet. Ein weiterer Fragebogen, der als traditionelles Einstellungsmaß bezeichnet werden kann, misst klimarelevante Einstellungen anhand der Stärke der Zustimmung zu Aussagen durch Ratingskalen und dient als Kriterium zur Validierung der Messwerte. Dieser leitet sich ebenfalls aus bestehenden Skalen (Bostrom et al., 2019; Poortinga et al., 2018) ab und erfasst Einstellungen zum Klimawandel im Rahmen des Value-Belief-Norm-Modells nach Stern (2000). Beide Fragebögen wurden in einer Pilotierung (N = 236) überprüft und in überarbeiteter Version von 785 Schüler*innen der 9. Klasse verschiedener Schularten in [Bundesland] beantwortet. Eine Rasch-Skalierung des Fragebogens zur verhaltensbasierten Einstellung erzielte eine zufriedenstellende Reliabilität (EAP-Rel. = 0.831; WLE-Rel. = 0.822), zeigt eine gleichmäßige Verteilung der Itemschwierigkeiten und zufriedenstellende Fit-Indizes (Infit = 0.8 – 1.2; Outfit = 0.8 – 1.4). Die a priori erwarteten Schwierigkeiten der Verhaltensitems decken sich mit den empirisch ermittelten Schwierigkeiten. Zwischen den verhaltensbasierten Einstellungswerten (WLE-Personenschätzern) und den Konstrukten des traditionellen Einstellungsmaßes (z. B. Überzeugungen, Besorgnis, Verantwortungsattribution) ergeben sich Zusammenhänge zwischen r = .22 und r = .51. Zusammen-genommen erklären letztere etwa 36 % der Varianz in der verhaltensbezogenen Einstellung der Jugendlichen. Bezogen auf die Ergebnisse der Vorstudie können zwei Instrumente für Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden, die unterschiedliche Erkenntnisinteressen bedienen: Steht die Evaluation des eigenen Unterrichts zu Klimathemen und seine Wirkung auf die Einstellungen der Schüler*innen im Fokus, eignet sich der Fragebogen zur verhaltensbasierten Einstellung sehr gut, da er zeitsparend einen zusammengefassten Einstellungswert ausgibt und sich somit für Veränderungsmessungen eignet. Ist dagegen zu Beginn einer Unterrichtseinheit von Interesse, welche Einstellungen bei den Schüler*innen vorzufinden sind, um den Unterricht darauf aufzubauen, liefert das traditionelle Einstellungsmaß detailliertere Einsichten in klimarelevante Konstrukte wie Überzeugungen oder Besorgnis. Nachhaltigkeitseinstellungen von Schüler*innen und Eltern im internationalen Vergleich: Bedeutung der nationalen- und Schulebene Theoretischer Hintergrund Globale Herausforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit erfordern sowohl politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene als auch individuelles Handeln. Um individuelle Handlungskompetenzen zu fördern, ist es entscheidend, verschiedene Voraussetzungen für diese Kompetenzen zu verstehen, darunter Einstellungen, Werthaltungen und Wissen sowie deren Wechselwirkungen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten die familiäre Sozialisierung sowie die schulische Bildung als bedeutsam für die Entwicklung dieser Voraussetzungen. Bisherige Studien zur Genese und dem Zusammenspiel nachhaltigkeitsbezogener Einstellungen von Kindern und Jugendlichen betrachten dabei zumeist nur einzelne oder wenige Länder (z. B. Ando et al., 2015). Die OECD-Studie PISA 2015 (OECD, 2017) bietet Daten, um die Zusammenhänge zwischen nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen unter Berücksichtigung des familiären und schulischen Kontexts simultan in verschiedenen Ländern zu analysieren. In einigen der an der PISA-Studie teilnehmenden Länder werden auch Eltern befragt. Diese Elterninformationen werden in der Regel verwendet, um Schüler*innenleistungen vorherzusagen. Aufbauend auf dem Forschungsstand zum Zusammenhang von Schüler*innen- und Elterneinstellungen sowie Prädiktoren von Nachhaltigkeitseinstellungen (Ando et al., 2015; Grønhøj & Thøgersen, 2012, 2017; List et al., 2020) untersuchen wir die Zusammenhänge zwischen den nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen von Schüler*innen und ihren Eltern in einem gemeinsamen Modell. Wir vergleichen dieses Modell in verschiedenen Ländern, um Unterschiede zwischen kulturellen Kontexten und Schulsystemen zu berücksichtigen. Dazu integrieren wir Prädiktoren auf Schulebene sowie auf nationaler Ebene und untersuchen, inwieweit diese die unterschiedlich starken Zusammenhänge zwischen Schüler*innen und ihren Eltern in den verschiedenen Kontexten (Schulen, Schulsysteme) erklären können. Fragestellung Unsere Fragestellungen beziehen sich (1) auf die Zusammenhänge zwischen Schüler*innen und Eltern sowie (2) auf den internationalen Vergleich: 1) Zusammenhänge zwischen Schüler*innen- und Elterneinstellungen a. Hängen die nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen von Schüler*innen mit denen ihrer Eltern zusammen? 2) Internationaler Vergleich a. Lässt sich ein Zusammenhangsmodell in allen Ländern bestätigen? b. Wie unterscheiden sich die Zusammenhänge von elterlichen und kindlichen Umwelteinstellungen in den unterschiedlichen Ländern? c. Gibt es Prädiktoren auf Schulebene oder Schulsystemebene, die die Unterschiedlichkeit in der Stärke der Zusammenhänge erklären können? Methode Unsere Analysen basieren auf den PISA-2015-Daten von 16 Ländern von insgesamt N=22.400 Schüler*innen und ihren Eltern. Als nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen untersuchen wir auf Schüler*innenseite Skalen zu (1) dem Bewusstsein für umweltbezogene Probleme wie Atommüll oder Luftverschmutzung (Umweltbewusstsein), (2) der Einschätzung, inwieweit sich diese Probleme in den nächsten Jahren verbessern oder verschlechtern werden (Umweltoptimismus), und (3) dem Interesse an Naturwissenschaften. Auf Elternseite untersuchen wir (4) Umweltoptimismus und (5) eine Skala zur Besorgnis bezüglich der o.g. Umweltprobleme (Umweltbesorgnis). Alle Analysen wurden mittels Multigruppen-Strukturgleichungsmodellen in der Software Mplus durchgeführt. Um der genesteten Datenstruktur (Personen genestet in Schulen genestet in Ländern) gerecht zu werden, verwenden wir einen Mehrebenenansatz und schätzen Effekte auf Individual-, Schul- und Länderebene. Ergebnisse und Bedeutung Deskriptive Analysen zum Umweltoptimismus zeigen, dass in fast allen Ländern Schüler*innen in Bezug auf die meisten Umweltthemen optimistischer sind als ihre Eltern. Die Stärke dieser Unterschiede variiert zwischen Ländern. Allgemein unterscheiden sich Schüler*innen und Eltern in ihrem Optimismus in Bezug auf "Energieknappheit", "Wasserknappheit" und "Atommüll" stärker als in Bezug auf die übrigen Umweltprobleme. Die Überprüfung der Mehrgruppen Strukturgleichungsmodelle zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen von Schüler*innen und Eltern indizieren eine gute Passung, d.h. es kann davon ausgegangen werden, dass die Struktur dieser nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen in den Ländern vergleichbar ist. Die Modelle zeigen für die meisten Länder signifikante Zusammenhänge zwischen nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen von Schüler*innen und Eltern. Die Stärke der Zusammenhänge unterscheidet sich z.T. deutlich zwischen einzelnen Ländern. Erste Analysen zu Variablen auf Schulsystem- und Schulebene legen nahe, dass diese die Unterschiede nur in geringem Maße erklären können. Nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen wie Umweltbewusstsein und -optimismus gelten als wichtige Voraussetzung für den Erwerb von Handlungskompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung. Mit unserem Beitrag liefern wir Erkenntnisse, die dazu beitragen, das Zusammenspiel dieser nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen besser zu verstehen. Diagnose von Lernendenmerkmalen zur Förderung individueller Entscheidungsprozesse von Schüler*innen im Kontext einer NE Im Hinblick auf eine bewusste (Mit-)Gestaltung des eigenen und des gesellschaftlichen Lebens im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung (NE) ist die Fähigkeit, reflektierte Entscheidungen zu treffen, von Bedeutung (de Haan, 2008; Künzli & Bertschy, 2008; UNEP 2010). Entscheidungen in diesem Kontext sind durch mehrere Kriterien gekennzeichnet, aus denen unterschiedliche, zum Teil konfligierende Handlungsoptionen ergeben können (Cebrian et al., 2020; Sander & Höttecke, 2018). Solche Entscheidungen sind dementsprechend komplex (Böhm et al., 2020) und erfordern, dass Individuen unterschiedliche Handlungsoptionen erkennen und gegeneinander abwägen, sich fundiert entscheiden und ihre Entscheidungsprozesse reflektieren können (Bögeholz et al., 2018; Dittmer et al., 2019). Für die Gestaltung des eigenen Alltags sowie die aktive Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen im Kontext einer NE ist die Fähigkeit, solche Entscheidungen zu treffen, zentral und muss daher gezielt gefördert werden (Ardwiyanti & Prasetyo, 2021; Garrecht et al., 2018; Gresch et al., 2017). Dies erfordert, dass Lehrpersonen in der Lage sind, die Entscheidungsfähigkeit ihrer Schüler*innen im Kontext einer NE zu diagnostizieren und sie gezielt zu fördern. Unter bislang vorliegenden Forschungsarbeiten finden sich Interventionsstudien zur Förderung von Entscheidungskompetenz von Schüler*innen im Rahmen einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Sie konzentrieren sich auf die Förderung einzelner spezifischer Fähigkeiten in Entscheidungsprozessen. Obwohl diese Studien gewisse Erfolge der jeweiligen Intervention verzeichnen, können wichtige Interventionsziele nicht nachweisen (Eggert & Bögeholz, 2010; Gresch et al., 2013; Gresch, 2012; Gresch & Bögeholz, 2013; Nahum et al., 2010). Zudem werden die Werte von Schüler*innen in den Studien kaum berücksichtigt (Lee & Grace, 2010; Ratcliffe & Grace, 2003) und die Rolle des Wissens der Lernenden im Entscheidungsprozess bleibt offen (Gausmann et. al., 2010; Sakschewski et al. 2014). Einige dieser Studien deuten darauf hin, dass Schüler*innen keine Schwierigkeiten haben, Handlungsoptionen zu entwickeln. Sie haben jedoch Schwierigkeiten, NE-Wissen im Entscheidungsprozess angemessen zu berücksichtigen (Gausmann et al., 2010; Ratcliffe, 1997). Darüber hinaus verweisen einige Studien auf die Schwierigkeit der Schüler*innen, Abwägungsprozesse zu vollziehen und mit widersprüchlichen Werten umzugehen (Eggert, 2008; Eggert & Bögeholz, 2010). Mit Blick auf die Förderung von Entscheidungskompetenz im Sinne einer NE geht es im Betrag darum zu verstehen, wie Schüler*innen Entscheidungen treffen, damit Lehrpersonen die diesbezüglichen Merkmale der Lernenden erkennen und ihre Entscheidungsfähigkeit im Unterricht gezielt fördern können: Wie gestalten 11- bis 12-jährige Schüler*innen ihre Entscheidungsprozesse im Kontext einer NE? Welche Typen von Entscheidungsprozessen lassen sich erkennen? Hierzu werden die Daten aus dem qualitativen Forschungsprojekt EKoN-E (Entscheidungsprozesse im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung mit dem Fokus Ernährung) verwendet. Im Projekt wurden die die Schüler*innen nach einem mehrstufigen kriterienorientierten Auswahlverfahren ausgewählt, welches die Zusammenstellung einer variationsmaximierten Stichprobe (Misoch, 2019) gewährleistete. Hierzu wurden die Kriterien Standort, Wissensniveau, Wertorientierung (im Sinne von Schwartz et al., 2012), Geschlecht sowie sozioökonomischer Status der Eltern berücksichtigt. Insgesamt wurden 27 Schüler*innen der sechsten Schulklasse aus fünf Schulen der Deutschschweiz ausgewählt. Zur Datenerhebung wurde die Methode des unstrukturierten Lauten Denkens (Ericsson & Simon, 1993) in Kombination mit einer Phase der Retrospektion (Konrad, 2020; Sandmann, 2014) genutzt. Hierzu wurde jedes Kind mittels eines offenen Impulses in eine Entscheidungssituation zum Thema Fleisch versetzt. Als Auswertungsmethode diente zunächst die inhaltlich strukturierende und anschliessend die inhaltlich zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2020). Zur Konstruktion einer Typologie von Entscheidungsprozessen fand die Methode der empirisch begründeten Typenbildung gemäß Kelle & Kluge (2010) Anwendung. Daraus ergaben sich fünf Typen individueller Entscheidungsprozesse. Die Unterschiede zeigten sich insbesondere im Formulieren und Berücksichtigung mehrerer Handlungsoptionen sowie im Abwägen zwischen konfligierenden Handlungsoptionen. Die Befunde zeigten auch, dass der Einbezug widersprüchlicher Werte Entscheidungen im Sinne einer NE unterstützt. Diese Ergebnisse stellen Merkmale dar, die Lehrpersonen diagnostizieren und verstehen sollten, um die Entscheidungsfähigkeit der Lernenden im Unterricht gezielt zu fördern. |