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Sitzungsübersicht
Sitzung
7-08: Financial Literacy als Voraussetzung für erfolgreiche individuelle Lebensgestaltung und für gesellschaftliche Partizipation
Zeit:
Mittwoch, 20.03.2024:
9:00 - 10:40

Ort: S18

Seminarraum, 70 TN

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Präsentationen
Symposium

Financial Literacy als Voraussetzung für erfolgreiche individuelle Lebensgestaltung und für gesellschaftliche Partizipation

Chair(s): Christin Siegfried (PH Weingarten, Professur für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und ihre Didaktik), Eveline Wuttke (Goethe Universität Frankfurt, Deutschland, Professur für Wirtschaftspädagogik)

Diskutant*in(nen): Nicole Ackermann (Pädagogische Hochschule Zürich)

Hintergrund:

In modernen Volkswirtschaften wird die Fähigkeit von (Wirtschafts-)Bürger:innen, finanzielle Angelegenheiten kompetent zu regeln, immer wichtiger. Financial Literacy (finanzielle Allgemeinbildung) beeinflusst nicht nur das persönliche finanzielle Wohlergehen, sondern hat auch Einfluss auf die gesamte Volkswirtschaft (Klapper, Lusardi & Panos, 2012). Bisherige Studien zeigen jedoch trotz großer Heterogenität in Definition und Messung von Financial Literacy eine deutliche Übereinstimmung: Jugendlichen und jungen Erwachsenen mangelt es an Financial Literacy und sie sind besonders anfällig für ein ungünstiges Finanzverhalten (z. B. Aprea et al., 2016; Lusardi, 2019). Evidenzbasierte Strategien für die Förderung finanzieller Allgemeinbildung sind deshalb dringend notwendig. Ihre Entwicklung erfordert ein ganzheitliches Verständnis dieses vielschichtigen Konstrukts (siehe z. B. die Definition der OECD, 2022) sowie geeignete Messverfahren und Interventionen.

Das geplante Symposium betrachtet daher in vier Beiträgen Einflussfaktoren auf Finanzielles Handeln (Kraitzek et al.), Interventionen zur Förderung von Financial Literacy (Aprea et al. sowie Malik, Fürstenau und Hommel) sowie eine alternative Methode zur Messung von Finanzkompetenz (Wagner, Wuttke und Happ). Damit werden insgesamt betrachtet sowohl Einflussfaktoren, die ggf. für Fördermaßnahmen zu berücksichtigen sind, als auch Förderansätze selbst und eine zielführende Messung des zu fördernden Konstruktes in den Blick genommen.

Gemeinsamkeiten der vier Beiträge:

Die vier Beiträge gehen der gemeinsamen Fragestellung nach, wie Financial Literacy als Voraussetzung für erfolgreiche individuelle Lebensgestaltung und für gesellschaftliche Partizipation definiert, gemessen und gefördert kann. Alle Beiträge fokussieren Jugendliche und junge Erwachsene, die am Anfang einer eigenständigen finanzbezogenen Lebensgestaltung stehen. Gemeinsam ist den Beiträgen ein Verständnis von Financial Literacy, das nicht ausschließlich Finanzwissen, sondern auch Können bzw. Handeln in den Blick nimmt. Methodisch ergänzen sich die vier Beiträge, die Zugänge reichen von Design-Based Research bis hin zu Laborexperimenten. Inhaltlich werden verschiedene Bereiche von Financial Literacy in den Blick genommen.

Kurze Vorstellung der vier Beiträge:

Ausgangspunkt des Beitrags von Kraitzek et al. (Beitrag 1) ist die Erkenntnis, dass finanzielles Verhalten von Jugendlichen nicht nur von ihrer Finanzkompetenz, sondern auch von dem Grad der institutionalisierten oder informellen (Finanz-)Bildung, dem Elternhaus oder dem Einfluss von Peer-Gruppen bestimmt ist. Die Studie untersucht daher Einflussfaktoren der Sozialisation auf das Finanzverhalten von 16-25-jährigen in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass knapp 28% der Varianz im untersuchten finanziellen Verhalten durch Sozialisationsfaktoren und soziodemografische Merkmale erklärt werden können.

Der zweite Beitrag (Aprea et al.) fokussiert Altersvorsorge als zentralen Bereich von Financial Literacy, der in Zeiten des demografischen Wandels eine hohe Bedeutung erlangt. Bislang existieren allerding kaum wissenschaftlich fundierte und zugleich unabhängig von Finanzakteuren entwickelte Lernangebote in diesem Bereich. In der Studie wurde deshalb ein neutrales und evidenzbasiertes Lernangebot für junge Erwachsene entwickelt und evaluiert, welches deren Interesse am Thema wecken und ihr Verständnis für das deutsche Rentensystem fördern soll.

Im dritten Beitrag (Malik et al.) wird analysiert, inwieweit ein lernförderliches User Interface Design Verständnisschwierigkeiten und Fehlentscheidungen entgegenwirken kann, die im Rahmen von informellem Lernen durch Internetrecherchen entstehen können. Im Fokus stehen Informationen zu Baufinanzierung. In der Studie wurde geprüft, ob multimedial aufbereitete Webseiten das Erinnern der Informationen und das Anwenden des Wissens besser unterstützen als Webseiten, die nicht entsprechend aufbereitet sind. Die Befunde zeigen ein insgesamt besseres Abschneiden der Experimentalgruppe sowohl im Erinnern als auch im Anwenden der Inhalte.

Im vierten Beitrag (Wagner et al.) wird die Entwicklung, Evaluation, Überarbeitung und erneute Evaluation eines Situational Judgement Tests (SJT) zur Messung von Financial Literacy präsentiert. Dieser richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene und enthält Situationen, die das Planen und Verwalten alltäglicher Finanzangelegenheiten fokussieren. Die Befunde zeigen, dass die Leistung der 246 berufsbildenden Schüler:innen insgesamt auf einem mittleren Niveau eingeordnet werden kann. Die Testgüte ist bei zwei Faktoren zufriedenstellend, beim dritten Faktor trotz Überarbeitung nicht. Korrelationen mit dem Außenkriterium Kaufverhalten weisen auf valide Testwertinterpretationen hin.

 

Beiträge des Symposiums

 

Finanzielle Sozialisation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Untersuchung des Einflusses von Sozialisationsfaktoren auf das Finanzverhalten

Andreas Kraitzek, Sandra Lang, Manuel Förster
TU München, Professur für Wirtschaftspädagogik

Theoretischer Hintergrund:

Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen kommt der Grundbildung im Bereich der persönlichen Finanzen bzw. der Financial Literacy (FL) ein immer bedeutenderer Stellenwert in der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu (OECD 2020). Als übergeordnetes Ziel gilt es daher, die Financial Literacy junger Menschen zu stärken, damit diese den Übergang ins Erwachse-nenleben finanziell kompetent bewältigen und als mündige Wirtschaftsbürger:innen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Über finanzielles Wissen zu verfügen bedeutet allerdings nicht automatisch, dass dieses Wissen auch in adäquates Finanzverhalten überführt werden kann. Beeinflusst wird das tatsächli-che finanzielle Verhalten von Jugendlichen dabei nicht nur von ihrer grundlegenden Finanzkompetenz, sondern zusätzlich von einer Vielzahl an Faktoren wie bspw. dem Grad der institutionalisierten oder in-formellen (Finanz-)Bildung, dem Elternhaus oder auch dem Einfluss von Peer-Gruppen (Deenanath et al. 2019; Rudeloff 2019; Förster et al. 2019). Die finanzielle Sozialisation einer Person spielt somit beim tat-sächlichen Umgang mit Geld eine bedeutende Rolle (Kaiser 2017). Um die Entwicklung von finanzieller Kompetenz sowie das konkrete Finanzverhalten von jungen Leuten zu verstehen gilt es daher verschiede-ne Sozialisationskontexte zu berücksichtigen. Ein Großteil bisheriger Studien zur finanziellen Sozialisation stammt dabei entweder aus einem internationalen Kontext oder fokussiert primär auf Studierende und Jugendliche höherer Bildungsniveaus. Folglich können Erkenntnisse auf Grund unterschiedlicher Rahmen-bedingungen nur eingeschränkt auf die finanzielle Lebenssituation von Jugendlichen und nicht-akademisch gebildeten jungen Erwachsenen in Deutschland übertragen werden.

Leitende Fragestellung:

Um diese Lücke zu adressieren untersucht die vorliegende Studie daher Einflussfaktoren der Sozialisation auf das Finanzverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 16-25 Jahren in Deutsch-land. Es soll der Frage nachgegangen werden, welche Sozialisations- und Persönlichkeitsfaktoren das Fi-nanzverhalten von jungen Leuten erklären können. Hierunter fallen familiäre-, soziale- und persönliche Einflussfaktoren sowie bspw. auch Einstellungen zum Umgang mit digitalen Finanztechnologien.

Methode:

Die Daten von N=249 Personen im Alter von 16-25 Jahren (M = 20.97, SD = 2.87) wurden durch einen ei-gens konzipierten Fragebogen erhoben und mittels einer sequentiellen Regressionsanalyse sowie Struk-turgleichungsmodellen ausgewertet. Das Finanzverhalten der Personen wurde dabei primär durch likert-skalierte Items zur Selbstauskunft erfasst, die sich an der Studie von Deenanath et al. (2019) orientieren und für die vorliegende Studie angepasst wurden. Inhaltlich wurden die Studienteilnehmer:innen bspw. nach ihrem konkretem Sparverhalten, der pünktlichen Rückzahlung von Schulden oder der Durchführung von Preisvergleichen bei anstehenden Käufen gefragt.

Ergebnisse:

Erste Ergebnisse zeigen, dass knapp 28% der Varianz im finanziellen Verhalten der Jugendlichen durch Sozialisationsfaktoren und soziodemografische Merkmale erklärt werden können. Insbesondere die direk-te finanzielle Erziehung durch die Eltern, die individuelle Finanzbildung, das Einkommen, das Alter sowie die institutionalisierte Finanzbildung zeigen signifikante Zusammenhänge mit dem Finanzverhalten der Jugendlichen. Es ist ersichtlich, dass viele dieser Faktoren, im Vergleich zu Faktoren wie dem Geschlecht, dem Rollenbild der Eltern oder dem Migrationshintergrund, individuell beeinflussbar sind. So können die Eltern, die Schule, das selbstständige Verdienen von Geld oder individuelle Bildungsbemühungen der Jugendlichen signifikant dazu beitragen, deren finanzielles Verhalten zu verbessern. Diese Ergebnisse stüt-zen zum einen die Befunde aus bisherigen Forschungsarbeiten. Zum anderen untermauern sie die Forde-rung nach der Implementierung einer einheitlichen finanziellen Bildungsstrategie für Deutschland. In Zu-kunft könnten zusätzliche Studien die Einflüsse detaillierter untersuchen, indem diese durch Leistungs-tests bzw. dedizierte Kompetenz-Assessments oder durch Längsschnitts-Untersuchungen im Laufe des Sozialisationsprozesses ergänzt werden.

 

Rente verstehen: Design, Erprobung und Evaluation eines evidenzbasierten Lernangebots für junge Erwachsene

Carmela Aprea1, Ronja Baginski2, Merve Suna2
1Universität Mannheim, Lehr¬stuhl für Wirtschafts¬pädagogik – Design und Evaluation instruktionaler Systeme & Mannheim Institu-te for Financial Education (MIFE), 2Universität Mannheim; Lehr¬stuhl für Wirtschafts¬pädagogik – Design und Evaluation instruktionaler Syste-me & Mannheim Institute for Financial Education (MIFE)

Theoretischer Hintergrund. Der demografische Wandel bringt viele Herausforderungen mit sich. Eine da-von ist die nachhaltige Finanzierung der Alterssicherung in Deutschland (OECD, 2021). Dabei ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Eigenverantwortung der Bevölkerung in diesem Sozialversiche-rungsbereich zu konstatieren. Diese Notwendigkeit betrifft insbesondere die jüngeren Generationen, weshalb sie ein fundiertes Verständnis der Funktionsweise des Alterssicherungssystems aufbauen sollten. Zudem ist ein solches Verständnis wichtig, um am politischen Willensbildungsprozess bezüglich Reformen des Rentensystems teilnehmen zu können (Fornero & Lo Prete, 2023). Allerdings existieren bislang kaum wissenschaftlich fundierte und zugleich unabhängig von Finanzakteuren entwickelte Lernangebote in die-sem Bereich. An dieser Stelle setzen die hier vorgestellten Forschungsaktivitäten an, welche im Rahmen des vom BMAS geförderten Forschungsprojekts „Verständnis und Haltungen zur Altersvorsorge in Deutschland (VHAlt)“ stattfanden und die Intention verfolgen, die mittels qualitativer Interviews und einer repräsentativen Befragung identifizierten Missverständnisse zur Altersvorsorge im Sinne eines Trans-fers der Projektergebnisse zu adressieren. Insbesondere zielen sie darauf ab, ein neutrales und evidenzba-siertes Lernangebot für junge Erwachsene bzw. Berufseinsteigende bereitzustellen, welches deren Inte-resse am Thema wecken und ihr Verständnis für das deutsche Rentensystem fördern soll. Zur Erreichung dieser Zielsetzung wurden unter Rekurs auf Ansätze des spielbasierten Lernens (z.B. Schutz & Schwartz, 2022) sowie des multimedialen Lernens (Mayer, 2020) drei am Design-Based Research Ansatz (z.B. Arm-strong et al. 2020) orientierte Forschungszyklen durchlaufen, in denen das Lernangebot entwickelt, er-probt und evaluiert bzw. sukzessive optimiert wurde.

Fragestellung. Zentral ist damit die Forschungsfrage, wie ein Lernangebot zum Thema Altersvorsorge ge-staltet sein sollte, um die Zielgruppe effektiv beim Erwerb des erforderlichen Wissens und Könnens zu unterstützten.

Methode. Im Rahmen eines partizipativen Ansatzes waren an den drei Forschungszyklen sowohl Mitglie-der der Zielgruppe als auch Fachexperten beteiligt. Im ersten Forschungszyklus stand vor allem die inhalt-liche Ausgestaltung des Lernangebots im Vordergrund. Gemeinsam mit Masterstudierenden der Wirt-schaftspädagogik wurde im Rahmen eines universitären Seminars eine erste Fassung des Lernangebots entwickelt, welche vier Fachexperten aus Wissenschaft, Bildung und Rentenpolitik vorgelegt und von diesen im Hinblick auf die Passung für die Zielgruppe und die fachliche Korrektheit beurteilt wurde. Auf Basis dieser Rückmeldungen wurde im nächsten Forschungszyklus eine zweite Version des Lernangebots erstellt und mit einer Gruppe von 20 Bachelorstudierenden umgesetzt, die mittels Fragebögen beurteilen sollten, inwiefern das Lernangebot und dessen Gestaltung ihr Interesse am Lerngegenstand bzw. ihre Motivation, sich mit diesem auseinanderzusetzten, unterstützt. Dabei sollten sie auch angeben, welche Elemente des Lernangebots sie besonders ansprechend bzw. hilfreich für ihr Lernen fanden und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Um weitere Hinweise in Bezug auf die Verständlichkeit des Lernangebots zu erhalten, kamen außerdem geschlossene und offene Testfragen zum Einsatz. Die so gewonnenen Opti-mierungshinweise flossen in den dritten Forschungszyklus ein, in dessen Mittelpunkt die Evaluation der einzelnen Elemente (insb. Texte, Abbildungen, Lernaufgaben) des Lernangebots stand. Hierzu wurde das Lernangebot fünf Berufseinsteigenden aus verschiedenen Berufsgruppen vorgelegt, deren Bearbeitungs-prozesse mittels der Methode des lauten Denkens erfasst wurden. Zusätzlich wurden auch sie nach der wahrgenommenen Lernförderlichkeit gefragt und gebeten, die bereits im zweiten Zyklus eingesetzten Testfragen zu beantworten.

Ergebnisse. Als Ergebnis der Forschungsaktivitäten wurde die Rentenrallye entwickelt, die am Prinzip des Stationenlernens orientiert ist. An bisher sieben Stationen können sich junge Erwachsene selbstorgani-siert Wissen über das Alterssicherungssystem aneignen. Wie die Befunde der oben genannten For-schungszyklen zeigen, unterstützen die einzelnen Stationen den Wissenserwerb und die Motivation durch eine Kombination aus Karikaturen, Erklärvideos, Informationstexten und Quizelementen. Die Rentenrallye liegt in digitalisierter Form vor. Die Forschungsaktivitäten leisten damit einen Beitrag zur Erkenntnisge-winnung im Kontext eines praxisrelevanten, jedoch bislang in der empirischen Bildungsforschung noch nicht hinreichend berücksichtigten Lerngegenstands. Sie bildet die Grundlage für derzeit in Planung be-findliche feldexperimentelle Untersuchungen, die sich u. a. mit der Frage befassen, wie sich das entwi-ckelte Lernangebot wirksam in schulische Curricula oder auch außerschulische Lernkontexte einbetten lässt.

 

Förderung informellen Online-Lernens über Baufinanzierungen durch User Interface Design von Webseiten

Awais Malik1, Bärbel Fürstenau1, Mandy Hommel2
1TU Dresden, 2OTH Amberg Weiden

Hintergrund

Financial Literacy (FL) wird als wesentliche Fähigkeit im 21. Jahrhundert gesehen, die sowohl individuelles als auch gesellschaftliches finanzielles Wohlergehen beeinflussen kann (Lusardi 2015). Verunsicherungen durch Krisen, wie die Coronapandemie oder Rezessionen, aber auch veränderte Sozial- und Finanzsyste-me erfordern mehr als bisher private Vorsorge und eigenverantwortliche finanzielle Entscheidungen. Um sich zu informieren und Entscheidungen zu treffen, konsultieren die Menschen häufig das Internet. Sol-che zielbezogenen Internetrecherchen lassen sich als informelles Lernen einordnen (Baumgartner, 2008). Da jedoch die Informationen im Internet oft umfangreich sind und nicht speziell unter Lerngesichtspunk-ten dargeboten werden, sind Verständnisschwierigkeiten und Fehlentscheidungen möglich. Daher stellt sich die Frage, ob ein lernförderliches User Interface Design (UI) von Webseiten (Abascal-Mena, López-Ornelas & Zepeda 2012) das informelle Online-Lernen unterstützen kann. Eine Möglichkeit des UI-Designs ist die Anwendung der Prinzipien multimedialen Lernens (Malik, Fürstenau & Hommel, 2023). In unserer Studie wurde geprüft, ob die multimediale Aufbereitung von Webseiten informelles Online-Lernen zu Baufinanzierungen besser unterstützt als die ursprünglichen Banken-Webseiten. Aus den Ergebnissen lassen sich Schlüsse darüber ziehen, wie informelles Online-Lernen, speziell FL, gefördert werden kann.

Theoretische Grundlagen

Angelehnt an das Verständnis der OECD (2020) ist finanzielles Wissen ein zentraler Aspekt von FL und Grundlage für fundierte Finanzentscheidungen (S. 6). Weiterhin spielen Einstellungen, Interesse und ma-thematische Fähigkeiten eine Rolle. Inhaltlich bezieht sich FL dabei u.a. auf die Verwaltung der persönli-chen Finanzen in Bezug auf Einnahmen und Ausgaben, Sparen, Kredite und Investitionsentscheidungen (Hilgert, Hogarth & Beverly 2003).

Das UI-Design von Webseiten beeinflusst die direkte Erfahrung des Nutzers mit der Website (Rodrigues, Costa & Oliveira 2017) und damit auch informelles Lernen (Livingstone, 2001). Anzunehmen ist, dass die auf der kognitiven Theorie des multimedialen Lernens (CTML) (Mayer, 2021) basierenden Prinzipien mul-timedialen Lernens geeignet sind, das UI-Design von Webseiten und damit informelles Lernen zu verbes-sern.

Methode

In einer Studie wurde geprüft, ob multimedial aufbereitete Webseiten über Baufinanzierungsdarlehen, d. h. einem komplexen Finanzprodukt mit langfristigen Auswirkungen auf die persönliche Finanzsituation, das Erinnern der Informationen und das Anwenden des Wissens besser unterstützen als Webseiten, die nicht entsprechend aufbereitet sind. Die Datenerhebung erfolgte in einem Laborexperiment mit einem Prä-/Post-Test-Design. Die Stichprobe umfasste 37 Studierende (21 w, 15 m; Alter M = 22, SD = 2,1) eines Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften einer deutschen Universität, die randomisiert auf Expe-rimental (EG) (18 Personen) und Kontrollgruppe (KG) verteilt wurden.

Die Teilnehmer der KG beschäftigten sich mit Informationen über Baufinanzierungsdarlehen auf den Webseiten der HypoVereinsbank (ausgewählt nach Zufallsprinzip aus den 10 größten deutschen Banken nach Bilanzsumme). Die Informationen waren jeweils Teil des Kreditrechners mit Daten zum Kaufpreis, zur Kreditsumme, zur Zinsbindung und zur Tilgung. Die Teilnehmer der EG beschäftigten sich mit ver-gleichbaren, aber nach multimedialen Lernprinzipien umgestalteten Webseiten. Im Prätest bearbeiteten die Teilnehmer Items zu ihrem finanziellen Interesse (angelehnt an Mayer & Moreno 2003; Mayer 1997), ihrem Finanzwissen (Lusardi, 2019) und ihren Rechenfähigkeiten (Banks & Oldfield, 2007). Der Posttest bestand aus je vier Items, die das Erinnern und Anwenden der Informationen erforderten.

Ergebnisse und Diskussion

Im Prätest zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (α < .05) in Bezug auf fi-nanzielles Interesse, Finanzwissen und Rechenfähigkeiten. Hinsichtlich des Posttests zeigt sich insgesamt ein besseres Abschneiden der EG (t-Test, t(35) = 2.31, p = .027, d = 0.76). Die EG zeigt sowohl im Erinnern (t(35) = 2.19, p = .035, d = 0.77) als auch im Anwenden bessere Ergebnisse (t(35) = 2.31, p = 0.027, d = 0.61).

Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass ein UI-Design, das die Prinzipien multimedialen Lernens berücksichtigt, die Entwicklung von FL in informellen Lernprozessen unterstützen kann. Limitierend ist zu berücksichtigen, dass in der Studie mehrere Prinzipien multimedialen Lernens auf die Webseiten ange-wendet wurden. Damit können die Effekte nicht differenziert nach einzelnen Prinzipien analysiert werden.

 

Revision und Analyse eines Situational Judgement Tests zur Messung von Financial Literacy

Elisa Wagner1, Roland Happ1, Eveline Wuttke2
1Universität Leipzig, Professur für berufliche Bildung mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, 2Goethe Universität Frankfurt, Professur für Wirtschaftspädagogik, insbes. empirische Lehr-Lern-Forschung

Theoretischer Hintergrund:

Zahlreiche Studien messen Financial Literacy auf Basis von geschlossenen Aufgabenformaten, die das Wis-sen und Verstehen der persönlichen Finanzen in den Vordergrund rücken (Förster, Happ & Molerov, 2017; Lusardi & Mitchell, 2011; Walstad & Rebeck, 2017). Es ist jedoch unbestritten, dass für finanziell kompetentes Verhalten nicht nur Wissen allein, sondern auch das bewusste Treffen von finanziellen Ent-scheidungen von Bedeutung ist. Mit dem Situational Judgment Test (SJT) zur Messung von Financial Lite-racy (Wuttke & Aprea, 2018) wurde ein Instrument entworfen, das das Treffen von finanziellen Entschei-dungen fokussiert und damit Financial Literacy handlungsnah misst. SJT, die bereits in den 1920er Jahren (McDaniel et al., 2001) in arbeits- und berufsbezogenen Anwendungskontexten verwendet wurden (Muck, 2013, S. 188), fanden bislang bei der Messung von Financial Literacy keine Berücksichtigung. Bei der vorliegenden Testform werden die Proband:innen gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie sich in einer dargestellten Situation für eine bestimmte Handlungsoption entscheiden würden (McDaniel & Nguyen, 2001). Nach einem ersten Einsatz des Tests und mit Blick auf die einschlägige Literatur (McDaniel et al., 2001) zeigte sich ein Überarbeitungsbedarf des Tests. In dem Vortrag wird die Konstruktion und die Revision des SJT beschrieben. Es wird insbesondere auf Aspekte der Validierung auf Basis der AERA Stan-dards (AERA, APA & NCME, 2014) eingegangen.

Fragestellung

Zeigen sich durch die Revision eines Situational Judgement Tests in den Analysen Hinweise, die dafür sprechen, dass die erzielten Testwerte der Proband:innen valide Testwertinterpretationen zulassen?

Methode

Der revidierte SJT richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene. Er enthält Situationen, die das Pla-nen und Verwalten alltäglicher Finanzangelegenheiten fokussieren. Im Zuge der Revision wurden im Rah-men von think-aloud Studien problematische Items identifiziert, reformuliert und neu konstruiert.

Die revidierte Version wurde gegen Ende des zweiten Schulhalbjahres 2022/2023 bei 246 Schüler:innen aus 15 Klassen von drei Schulen aus dem berufsbildenden Bereich in Sachsen eingesetzt. Derzeit laufen noch Erhebungen an weiteren berufsbildenden Schulen in Hessen. Die vollständigen Daten liegen bis zur GEBF 2024 in Potsdam ausgewertet vor und werden dort präsentiert. Der Fokus in dem Vortrag liegt auf der Analyse der Testgüte, was Reliabilität und unterschiedliche Validierungskriterien einschließt. Es wer-den Befunde aus Faktor-, Reliabilitäts- und Korrelationsanalysen berichtet.

Ergebnisse

Die Befunde zeigen, dass die Leistung der berufsbildenden Schüler:innen ingesamt auf einem mittleren Niveau eingeordnet werden kann. Im Mittel haben die Schüler:innen von max. 126 Punkten 87,88 Punkte erreicht. Durch Faktoranalysen können drei Faktoren bestimmt werden, die sich inhaltlich in die folgen-den Dimensionen untergliedern lassen 1) Budget-/Haushaltsplanung 2) Kontrolle der eigenen finanziellen Situation 3) Sensibler Umgang mit Geld. Die Testgüte auf Basis der internen Konsistenz (Cronbachs` alpha) kann für die ersten beiden Dimensionen als zufriedenstellend eingeordnet werden (Faktor 1: .807, Faktor 2: .659). Faktor 3 weicht mit .446 davon ab und zeigt auch nach der Revision der Items keine zufrieden-stellenden Werte.

Das Kaufverhalten (erhoben mit dem Fragebogen von Ray & Najman, 1986) korreliert mit dem Testscore der Proband:innen. Über das Außenkriterium ‚Kaufverhalten‘ im Sinne der Relations to other Variables (AERA et al., 2014) können also Hinweise auf valide Testwertinterpretationen gegeben werden. Es werden mit dem SJT in der Stichprobe keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt. Das stellt ein deut-licher Unterschied zu dem häufig in standardisierten Testungen mit Multiple- und Single-Choice Aufgaben festgestellten geschlechtsspezifischen Unterschieden dar, bei denen Probanden besser als Probandinnen abschneiden (Driva, Lührmann & Winter, 2016; Förster, Happ & Maur, 2018; Klapper & Lusardi, 2020; Hammer & Zureck, 2022; Preston & Wright, 2023). Dieser Aspekt wird mit dem Publikum auf der GEBF diskutiert.

Insgesamt haben nicht alle Überarbeitungen der Revision des SJT die erwarteten Effekte auf Testgüte und Validierung gezeigt. Alles in allem ist aber eine Verbesserung gelungen, sodass der SJT nun in weiteren Assessments eingesetzt wird.