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Sitzungsübersicht
Sitzung
6-18: Klassenführung
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
15:20 - 17:00

Ort: S22

Seminarraum, 50 TN

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Präsentationen
Paper Session

Die mediierende Rolle von sozialen Beziehungen zwischen der wahrgenommenen Klassenführung und der Einstellung von Schüler:innen gegenüber der Schule

Ramona Obermeier1, Juliane Schlesier2, Karin Heinrichs3

1Johannes Kepler Universität Linz, Österreich; 2Universität Vechta, Deutschland; 3Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Österreich

Theoretischer Hintergrund

Der positiven Einstellung der Schüler:innen gegenüber der Schule kommt eine zentrale Rolle für eine gelingende Anpassung an die schulischen Anforderungen zu (Longobardi et al., 2021; Thornberg et al., 2022). Sie ist außerdem eine wesentliche Komponente des schulischen Wohlbefindens (Schürer et al., 2021) und nimmt über die Schullaufbahn hinweg besonders stark ab (Kleinkorres et al., 2023; Obermeier & Gläser-Zikuda, 2022). Für die Entstehung und Aufrechterhaltung des schulischen Wohlbefindens und damit auch der positiven Einstellung gegenüber der Schule ist die Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse nach sozialer Eingebundenheit, Kompetenz- und Autonomieerleben zentral (Deci & Ryan, 2012). Dies untermauern bisherige Studien, welche zeigen, dass sozial besser eingebundene Schüler:innen mehr Wohlbefinden erleben und die Schule eher positiv wahrnehmen (Borgonovi & Pál, 2016; García-Rodríguez et al., 2023; Li, 2021). Qualitativ hochwertiger Unterricht kann ebenfalls zur Befriedigung der drei Grundbedürfnisse beitragen. Dabei lässt sich vor allem die Klassenführung hervorheben, da diese unter anderem die effektive Lernzeitnutzung und das soziale Miteinander fördert (Longobardi et al., 2021). Eine effektive Klassenführung wirkt direkt auf das schulische Wohlbefinden und dessen Dimensionen (Obermeier et al., 2022; Raufelder & Kulakow, 2021). Dies trifft ebenfalls auf die Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung - auf Individual- und Klassenebene (Schürer et al., 2021) - sowie Peer-Beziehungen (Borgonovi & Pál, 2016) zu. Ferner ist belegt, dass effektive Klassenführung das Sozialverhalten der Schüler:innen fördern kann (Longobardi et al., 2021). Dies impliziert eine Mediation des Zusammenhangs zwischen Klassenführung und Einstellung zur Schule über die wahrgenommenen sozialen Beziehungen, die in bisherigen Studien bislang nicht untersucht wurde.

Fragestellung

Im Rahmen der durchgeführten Studie wird daher die folgende Fragestellung adressiert: Mediiert die Qualität der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung und der Peer-Beziehungen (gemessen auf Individual- und Schulebene) den Zusammenhang zwischen schüler:innenperzipierter Klassenführung (auf Individual- und Schulebene) und positiver Einstellung der Schüler:innen zur Schule?

Methode

Für die Klärung der Fragestellung wurden im März-April 2022 N = 453 Neuntklässler:innen (Durchschnittsalter: M = 14.98, SD = 0.67, 36.1 % weiblich, 32.1 % mit Migrationshintergrund) in neun einjährigen Polytechnischen Schulen (PTS) in Oberösterreich online u.a. zu Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung (Bos et al., 2012), Peer-Beziehungen (Saldern & Littig, 1996), Einstellung zur Schule (Hascher, 2004) sowie ihrer Wahrnehmung der Klassenführung (Lenkse et al., 2013) (.71 ≥ α ≤ .85) befragt. Geschlecht, Migrationshintergrund und besuchter Fachbereich wurden kontrolliert. Nach der Gewichtung der Daten anhand von Angaben zu Geschlechterverteilung und Migrationsanteil an PTS in Oberösterreich von Statistik Austria wurde ein Mediationsmodell (RStudio, lavaan) gerechnet, dass sowohl direkte Zusammenhänge zwischen Klassenführung und Einstellung als auch indirekt über die sozialen Beziehungen mediierte Zusammenhänge dieser Variablen berücksichtigt. Aufgrund der genesteten Datenstruktur und hoher ICC1- und ICC2-Werte bei den Schüler:innenangaben zur Klassenführung (ICC1 = .14; ICC2 = .88) und zur Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung (ICC1 = .05; ICC2 = .68) wurden sowohl die Individual- als auch die Schulebene im Modell berücksichtigt.

Ergebnisse

Das Modell, das einen sehr guten Fit aufweist (χ2(19) = 62.45, p < .001; CFI = .97, TLI = .95, RMSEA = .07), deckt auf Individualebene folgende Zusammenhänge auf: Die Klassenführung hängt positiv mit der positiven Einstellung der Schüler:innen zur Schule zusammen (β = .29, p < .001). Es zeigen sich auch positive Zusammenhänge positiver Sozialbeziehungen mit der positiven Einstellung der Schüler:innen zur der Schule (Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung: β = .25, p < .001; Peer-Beziehung: β = .18, p < .001). Der Zusammenhang zwischen Klassenführung und positiver Einstellung wird über individuelle Einschätzung der Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung (β = .07, p < .001) und der Peer-Beziehungen (β = .05, p < .001) mediiert. Der totale Effekt liegt bei (β = .45, p < .001). Auf Schulebene bestehen keine signifikanten Zusammenhänge.

Damit zeigen die Analysen, dass nicht nur effektive Klassenführung allein dazu beiträgt, dass Schüler:innen eine positive Einstellung zur Schule haben, sondern dass positive soziale Beziehungen dies unterstützen können.



Paper Session

Wie fachspezifisch ist die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Classroom Management bei Expertenlehrkräften aus den Fächern Biologie und Mathematik?

Rebekka Stahnke1, Marita Friesen2

1IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Berlin; 2Pädagogische Hochschule Heidelberg

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Professionelle Unterrichtswahrnehmung beschreibt, wie Lehrkräfte Ereignisse im Unterricht wahrnehmen, wissensbasiert interpretieren und Entscheidungen für folgende Handlungen ableiten (Blömeke et al., 2015; Jacobs et al, 2010; Seidel & Stürmer, 2014). Sie gilt als bedeutsamer Aspekt von Lehrkräfteexpertise, der sich auf die fachlichen Leistungen von Schüler:innen auswirkt (Blömeke et al., 2022). Auch hinsichtlich des Klassenmanagements als zentraler Unterrichtsqualitätsdimension zeigen sich wesentliche Expertiseunterschiede bei der professionellen Wahrnehmung: Wenn Expert:innen Unterrichtsereignisse zum Klassenmanagement analysieren, fokussieren sie im Vergleich zu Noviz:innen mehr auf die Bedeutung der Ereignisse für das Lernen der Schüler:innen, berücksichtigen stärker relevante Kontexte, wie z.B. die Unterrichtsphase oder Sozialform und machen mehr Vorschläge für alternative Handlungsstrategien (Stahnke & Blömeke, 2021; Wolff et al., 2017). Während Expertise hinsichtlich der professionellen Wahrnehmung von Klassenmanagement bisher als eher fachunabhängig aufgefasst und untersucht wurde, legt die Unterrichtsqualitätsforschung zunehmend die Relevanz fachspezifischer Unterrichtsaktivitäten und Anforderungen auch für das Klassenmanagement nahe (Praetorius et al., 2020). Hieran anknüpfend untersucht dieser Beitrag explorativ, wie fachspezifisch die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Klassenmanagement bei Expertenlehrkräften aus den Fächern Biologie und Mathematik ist.

Methode

Zur Untersuchung dieser Forschungsfrage wurden neun Biologielehrkräfte und elf Mathematiklehrkräfte untersucht. Alle Lehrkräfte hatten mindestens 5 Jahre Berufserfahrung (Mbio=16.33, SD=11.16; Mmath=19.91, SD=10.92) sowie Erfahrung in der Unterrichtsbeobachtung und in der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte. Die teilnehmenden Expertenlehrkräfte betrachteten zwei Videosequenzen und markierten über Tastendruck für sie relevante Ereignisse zum Klassenmanagement. Anschließend wurden sie aufgefordert zu äußern, was sie über diese Ereignisse denken und was ihnen jeweils aufgefallen ist. Die Think-Aloud-Protokolle wurden transkribiert, in Kodiereinheiten unterteilt und hinsichtlich des Levels (wahrnehmen, interpretieren, entscheiden) und des Inhalts der Äußerungen (Schüler:innen, Lehrkraft, Kontext) mit zufriedenstellender Intercoderreliablität kodiert (Cohens Kappa > .77). Zunächst wurden die Codehäufigkeiten zwischen beiden Gruppen mit Hilfe non-parametrischer Mann-Whitney-U-Tests verglichen. Um mehr darüber zu erfahren, wie Lehrkräfte beider Fächer Klassenmanagementereignisse analysieren, wurden die kodierten Daten als Basis für Epistemische Netzwerkanalysen (ENA) genutzt, welche Zusammenhänge zwischen Codes quantifizieren und entsprechend Netzwerke visualisieren können (Shaffer et al., 2016; Shaffer & Ruis, 2017). Einheit der ENA waren die individuellen Lehrkräfte. Alle zu einem Tastendruck gehörenden Kodiereinheiten wurden als Stanza definiert, wobei die Whole-Conversation-Einstellung genutzt wurde.

Ergebnisse

Der Vergleich der Codehäufigkeiten zeigt tendenzielle Unterschiede zwischen den beiden Fächern: Biologielehrkräfte schlagen mehr Handlungsalternativen vor (U = 24.00, p = .056, d = 0.96) und thematisieren den Kontext von Klassenmanagementereignissen häufiger als Mathematiklehrkräfte (U = 23.50, p = .055, d = 0.99). Die epistemischen Netzwerke erreichen sehr gute Fitwerte (r > .98) und unterscheiden sich signifikant zwischen beiden Gruppen: Die Netzwerke der Biologielehrkräfte zeigen stärkere Verknüpfungen zwischen Aspekten des Kontexts und alternativer Klassenmanagementstrategien, sowie zu Äußerungen über unerwünschtes Schüler:innenverhalten. Bei den Mathematiklehrkräften hingegen zeigen sich stärkere Verknüpfungen zwischen Äußerungen zum konkreten Umgang der beobachteten Lehrkraft mit Störungen und positiven oder negativen Bewertungen dieses Störungsmanagements.

Diskussion

Insgesamt deuten die Ergebnisse der explorativen Studie darauf hin, dass es fachspezifische Charakteristika von Expertise hinsichtlich der Professionellen Wahrnehmung von Klassenmanagement gibt. Die Epistemischen Netzwerkanalysen legen nahe, dass Biologieexpert:innen bei Klassenmanagement stärker auf (alternative) Strategien zur Planung und Strukturierung von Unterricht achten. Solche Strategien können insbesondere bei Schüler:innenexperimenten in Fachräumen bedeutsam sein (Kwok, 2021; Praetorius, 2020). Mathematikexpert:innen hingegen berücksichtigen eher Strategien zum Umgang mit oder der Prävention von akutem unerwünschten Schüler:innenverhalten wie Störungen oder Unaufmerksamkeit. Insbesondere im Mathematikunterricht mit stärker kontrollierbaren Sozialformen und der Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit und das Verständnis der Schüler:innen in kurzen Intervallen zu überprüfen, können solche Strategien besonders relevant sein. Trotz der kleinen Stichprobe legen die Ergebnisse nahe, die bisher angenommene Fachunabhängigkeit der professionellen Unterrichtswahrnehmung von Klassenmanagement zu überdenken. Zukünftige Forschung zu Anforderungen durch typische fachspezifische Aktivitäten oder Sozialformen im Unterricht könnte in diesem Kontext wichtige Hinweise für die Aus- und Fortbildung von Fachlehrkräften generieren.



Paper Session

Entwicklung und Validierung eines Video-Instrumentes zur Erfassung von Noticing von Lehrkräften bei salienten und nicht-salienten Unterrichtsstörungen

Maxie Kilbury, Anja Böhnke, Felicitas Thiel

Freie Universität Berlin, Deutschland

Eine frühzeitige Wahrnehmung von Unterrichtsstörungen ist essentiell für einen guten Unterrichtsfluss und damit für die Erhöhung der aktiven Lernzeit für Schüler*innen. Lehrkräfte können durch eine frühzeitige Wahrnehmung von störungskritischen Ereignissen präventiv agieren oder zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das Ereignis angemessen adressieren. Um frühzeitig solche relevanten Ereignisse wahrzunehmen, bedarf es Noticing -Kompetenzen (König et al., 2022; Scholten et al., 2020; van Es & Sherin, 2002). Die folgende Studie lehnt sich an Barth (2017) Verständnis von Noticing an, das den Prozess des Erkennens relevanter Unterrichtsmerkmale detailliert beschreibt. Noticing findet nach Barth (2017) in zwei Schritten statt. 1. die visuelle Wahrnehmung: Gelenkt wird die visuelle Wahrnehmung von der Aufmerksamkeit Diese wird entweder durch Reize oder Ziele gesteuert (Chun et al., 2011). Die reizinduzierte Aufmerksamkeit wird von Objektmerkmalen gesteuert und ist unabhängig von den eigenen Zielen. Saliente Merkmale haben einen großen Reiz und ziehen dadurch viel reizinduzierte Aufmerksamkeit auf sich. Die zielgesteuerte Aufmerksamkeit beschreibt die aufgrund eigener Ziele gerichtete Aufmerksamkeit und wird gesteuert von Erfahrungen, Wissen und eigenen Motiven. Zur Wahrnehmung nicht-salienter Ereignisse ist daher vor allem die zielgerichtete Aufmerksamkeit von Bedeutung, weil diese einen geringen Reiz ausstrahlen. Daraufhin folgt 2. das „Erkennen“ der wahrgenommenen Ereignisse: Dieser Prozess beschreibt das Filtern und die Verarbeitung der aufgenommenen Informationen. Die Basis hierfür stellt vor allem professionelles Wissen dar, weil es darum geht, Merkmale und Muster von Ereignissen (wieder) zu erkennen.

Expert*innen verfügen über gute Noticing-Kompetenzen (Bastian et al., 2022; D. Berliner, 1988; Grub et al., 2022; Kosel et al., 2023), das bedeutet, sie haben einerseits die Fähigkeit auch zielgerichtet wahrzunehmen und verfügen andererseits über bereits verinnerlichte Muster von störungskritischen Ereignissen aufgrund ihres professionellen Wissens und gemachten Lehrerfahrungen. Für NovizInnen ist Noticing jedoch eine Herausforderung (Barth & Thiel, 2018; D. C. Berliner, 1983; Huang et al., 2020; Stahnke & Blömeke, 2021). Besonders nicht-saliente störungskritische Ereignisse werden von Ihnen häufig übersehen (Schulden et al., 2019).

Um Noticing-Kompetenzen bereits bei Lehramtsstudierenden fördern zu können, haben wir zunächst 15 theoriebasierte Unterrichts-Clips produziert (Ophardt & Thiel, 2013; Thiel, 2016), die typische saliente und nicht-saliente Unterrichtsstörungen zeigen. Des Weiteren entwickelten und implementierten wir in die produzierten Video-Clips spezielle Video-Tools zur Erfassung von Noticing sowie ein automatisches Auswertungsraster. Abschließend haben wir das Video-Instrument anhand einer Stichprobe von ca. 200 Lehramtsstudierenden und zehn Expert*innen validiert.

Im Rahmen der Validierungsstudie erhielten die Lehramtsstudierenden einen theoretischen Input zum Thema Klassenmanagement und dem Umgang mit Unterrichtsstörungen. Anschließend wurden die Video-Clips in einer randomisierten Reihenfolge von den Lehramtsstudierenden und Expert*innen bearbeitet.

Die Validierung erfolgte in zwei Schritten: 1. Inhaltlich wurden die Video-Clips anhand der Qualitätskriterien authenticity, engaging, challenging und relevant (Kilbury et al., 2023; Kim et al., 2006; Piwowar et al., 2017) validiert. 2. Die Erfassung von Noticing wurde mit einem Expert*innen-Noviz*innen-Vergleich anhand der Hypothese überprüft: Expert*innen erkennen mehr störungskritische Ereignisse als Studierende. Die Ergebnisse werden aktuell deskriptiv, mit t-Tests und Korrelations-Analysen untersucht und ausgewertet. Die Ergebnisse werden diskutiert.



 
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