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6-16: Lesen und Schreiben
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Paper Session
Lesestrategien bei leseschwachen Schülerinnen und Schülern wirksam fördern - Einblicke in eine Fördermaßnahme an Haupt- und Werkrealschulen 1Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW); 2Eberhard Karls Universität Tübingen; 3Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache Die Vermittlung von Lesestrategien ist eine von mehreren wirksamen Möglichkeiten das Lesen zu fördern (Edmonds et al., 2009; Mayer & Marks, 2019; Willenberg, 2004). In den vergangenen Jahren wurden einige Interventionen zur Förderung der Lesestrategien umgesetzt (Okkinga et al., 2018; Pearson & Cervetti, 2017) und international vergleichende Studien zeigen, dass Lernende der Sekundarstufe in Deutschland über das höchste Lesestrategiewissen verfügen (Diedrich et al., 2018). Allerdings ist der Anteil leseschwacher Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe mit 20.7% weiterhin sehr hoch (Weis et al., 2018). Möglicherweise werden Lesestrategietrainings häufig als kurzfristige und isolierte Maßnahme angeboten und werden somit nicht nachhaltig in den Schulalltag integriert (Pearson & Cervetti, 2017). Darüber hinaus stellt die Umsetzung einer wissenschaftsbasierten Maßnahme in der Schulpraxis häufig eine Herausforderungen dar (Philipp & Souvignier, 2016). Verschiedene Rahmenbedingungen, beispielsweise Unterstützung durch die Schulleitung, können zu einer erfolgreichen Implementation beitragen (Schrader et al., 2020). Basierend auf dieser Ausgangslage ließ das Kultusministerium Baden-Württemberg vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache ein evidenzbasiertes Training zur Förderung der Basiskompetenzen im Lesen (Leseflüssigkeit, Lesestrategien) und Schreiben (Schreibflüssigkeit, Schreibstrategien) für Fünftklässlerinnen und Fünftklässler an Haupt- und Werkrealschulen in Baden-Württemberg entwickeln. Die Fördermaßnahme wurde im gesamten Schuljahr 2021/22 in 49 Schulen als Pilotprojekt („Die Textprofis“) erprobt. Langfristig soll das Training jedes Schuljahr in der 5. Klassenstufe an allen Haupt- und Werkrealschulen stattfinden. In diesem Beitrag wird der Fokus auf die Förderung der Lesestrategien gelegt. Diese sollte in einem Zeitrahmen von 8 Wochen an 2 bis 4 Tagen die Woche im Umfang von 20 bis 40-minütigen Einheiten umgesetzt werden. Fachberaterinnen und Fachberater führten flankierende Fortbildungen für die Lehrkräfte durch und begleiteten die Schulen in der Umsetzungsphase. Die Evaluation des Lesestrategietrainings wurde vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) mit Unterstützung des MI durchgeführt. Im Fokus des Beitrags steht zum einen die Frage, ob das Lesestrategie-Training wirksam war. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, welche Rahmenbedingungen die wirksame Implementation des Trainings beeinflussen. Zur Beantwortung der Fragen wurden Daten von N = 1063 Schülerinnen und Schülern aus 69 Klassen der 5. Jahrgangsstufe herangezogen (44.98 % weiblich, 73.92% mit Migrationshintergrund), die an dem Prätest- oder Posttest zu den Lesestrategien teilgenommen haben. Die Stichprobe teilt sich wegen des quasi-experimentellen Designs in eine Interventionsgruppe mit 56 Klassen (n = 872) und eine Vergleichsgruppe mit 13 Klassen (n = 191) auf. Zur Erfassung der Lesestrategien wurde ein Test zur Erfassung des Anwendungswissen von Lesestrategien (Knips et al., 2021; angelehnt an Souvignier & Mokhlesgerami, 2006) vor Beginn und nach Abschluss der Förderung eingesetzt. Weiterhin wurden die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte in der Interventionsgruppe u.a. zur Dauer und Häufigkeit des Trainings befragt. Darüber hinaus wurden über die Lehrkräfte beispielsweise Kontextmerkmale zur Schule und dem Kollegium erfasst (z.B. Unterstützung durch die Schulleitung). Um die Wirksamkeit des Lesestrategie-Trainings zu untersuchen, wurden Mehrebenenregressionen mit den Posttestwerten (ICC1 = .23) als abhängige Variable berechnet. Auf Individualebene wurden die am Klassenmittelwert zentrierten Prätestwerte (ICC1 = .17) als Prädiktor aufgenommen, auf der Klassenebene die Gruppenzugehörigkeit sowie die aggregierten Klassenmittelwerte des Prätests. Die Ergebnisse zeigen, dass höhere Werte im Prätest sowie die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe zu besseren Leistungen im Posttest führen. Die Cross-Level-Interaktion fiel nicht signifikant aus. In weiteren Analyseschritten wird wegen der fehlenden Randomisierung eine CACE-Modellierung vorgenommen. Außerdem werden Aspekte der Implementation (z.B. Häufigkeit & Dauer des Trainings sowie Unterstützung durch die Schulleitung) und deren Zusammenlang mit der Leistung in weiteren Modellen untersucht. Die Ergebnisse dieser Analysen sollen in diesem Beitrag vorgestellt werden. Dadurch, dass die Studie nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch Rahmenbedingungen der Implementation untersucht, können die Ergebnisse Aufschluss dazu geben, welche Rahmenbedingungen zur erfolgreichen Umsetzung einer wissenschaftsbasierten Intervention in der Praxis beitragen (vgl. Schrader et al., 2020). Paper Session
Schlechte Rechtschreibung, aber gutes Selbstkonzept? Die Rolle der Konzeption ‚Lesen durch Schreiben‘ und ihrer unterrichtlichen Umsetzung für Rechtschreibleistung und Selbstkonzept im ersten und zweiten Schuljahr 1Universität Bamberg; 2Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit, Kassel; 3Universität Kassel ‚Lesen durch Schreiben‘ ist eine vielfach kritisierte Konzeption für den Schriftspracherwerb (z.B. Krauß, 2014), in der mit einer Anlauttabelle gearbeitet wird, ohne dass zunächst eine Korrektur orthografischer Fehler erfolgt (Reichen, 2003). In der bisher einzigen Metanalyse von Funke (2014) ergaben sich inkonsistente Befunde für die Rechtschreibung. Kuhl (2020) wies hingegen eine deutliche Überlegenheit eines fibelorientierten Ansatzes für die orthografischen Leistungen nach. Nur in wenigen Studien wurden allerdings individuelle Einflussfaktoren auf die Leistungen kontrolliert. Darüber hinaus wurde in bisherigen Studien die Mehrebenenstruktur der Daten nicht berücksichtigt. Zudem wurden Effekte auf affektiv-motivationale Variablen bisher kaum untersucht. Vereinzelte Ergebnisse hierzu deuten an, dass Grundschüler:innen unabhängig von der didaktischen Konzeption für den Schriftspracherwerb hochmotiviert sind (Kuhl, 2020), dass allerdings die Furcht vor Misserfolg in lehrgangsorientierten Konzeptionen eher zunimmt (Friedrich, 2010). Da Konzeptionen im Unterricht sehr unterschiedlich umgesetzt werden, ist bisher auch ungeklärt, welche konkreten Aspekte der Umsetzung einer Konzeption einen Einfluss auf die Entwicklung der Schüler:innen ausüben. Folgende Fragen stehen im Fokus des vorliegenden Beitrags: Welche Effekte hat die Rolle, die das Konzept 'Lesen durch Schreiben' im Unterricht spielt, auf die Rechtschreibleistungen sowie das Schreib-Selbstkonzept am Ende des ersten und zweiten Schuljahres, wenn man relevante Voraussetzungen der Lernenden kontrolliert? Inwiefern bleiben mögliche Effekte der Rolle von 'Lesen durch Schreiben' bestehen, wenn konkrete unterrichtliche Variablen – wie z.B. der Umgang mit Fehlern, die Differenzierung des Unterrichts oder der Grad der Selbstständigkeit, den die Lehrkraft den Schüler:innen gewährt – in die Analysen einbezogen werden? In der Längsschnittstudie PERLE (Lipowsky et al., 2013) wurden die Lehrpersonen der teilnehmenden 31 Klassen (N=507 Kinder) mittels Fragebogen zu Beginn des ersten Schuljahres u.a. gebeten, die Rolle, die 'Lesen durch Schreiben' in ihrem Unterricht spielt, auf einer vierstufigen Skala einzuschätzen sowie weitere Angaben zur Gestaltung ihres schriftsprachlichen Anfangsunterrichts zu machen. Die Rechtschreibleistungen wurden jeweils zum Ende des ersten und zweiten Schuljahres mit dem Test DERET (Stock & Schneider, 2008) erhoben, die Erfolgserwartung und das Selbstkonzept im Schreiben mit einer selbstentwickelten Skala (Greb et al., 2011). Die Vorläuferfertigkeiten wurden mit einer Adaption des LEst 4-7 (Moser, Berweger & Lüchinger-Hutter, 2004) erfasst. Die Mehrebenenanalysen zeigen unter Kontrolle von Geschlecht, schriftsprachlichen Vorläuferfertigkeiten und Erfolgserwartung zu Beginn des ersten Schuljahres signifikant negative Effekte der Rolle von 'Lesen durch Schreiben' auf die Rechtschreibleistung sowohl zum Ende des ersten (β=-.46*; p≤.05) als auch zweiten Schuljahres (β=-.46**; p≤.01). Auch Aspekte der konkreten Umsetzung der Konzeption haben Effekte: Die Rechtschreibleistungen entwickeln sich signifikant besser, wenn Fibeln eingesetzt werden und nicht mit Anlauttabellen gearbeitet wird, wenn Rechtschreibfehler nicht zugelassen werden und der Unterricht weniger stark durch Materialien und Aufgaben differenziert wird. Bis zum Ende des ersten Schuljahres hat die Konzeption noch keinen Effekt auf das Selbstkonzept im Schreiben (β=.18; p≤.643). Ende des zweiten Schuljahres ist aber ein signifikant positiver Effekt auch unter Kontrolle der Leistung sowie des Selbstkonzepts zum Ende des ersten Schuljahres nachweisbar (β=.48*; p≤.05). Zudem ergeben sich positive Effekte auf das Selbstkonzept, wenn die Kinder selbstständig auf selbst gesetzte Ziele hinarbeiten können und wenn eine Differenzierung nach Zeit sowie nach Aufgaben und Materialien realisiert wird. In keinem Zusammenhang zum Selbstkonzept steht hingegen die (Nicht-)Korrektur von Rechtschreibfehlern. Dass es positive Effekte auf das Selbstkonzept trotz negativer Effekte auf die Rechtschreibleistung gibt, scheint vorwiegend daran zu liegen, dass der schriftsprachliche Unterricht bei einer Orientierung an der Reichen-Konzeption offener und differenzierter gestaltet wird, sodass Leistungsvergleiche zwischen Kindern vermutlich weniger salient werden (vgl. Lipowsky et al., 2011). Die Nicht-Korrektur orthografischer Fehler scheint hingegen keine Effekte auf das Selbstkonzept auszuüben, allerdings negativ auf die Leistung zu wirken. Der Beitrag verdeutlicht, dass es für die Untersuchung von Effekten bestimmter Konzeptionen oder Unterrichtsmethoden bedeutsam ist, auch weitere Variablen zu deren konkreter unterrichtlicher Umsetzung zu berücksichtigen. Paper Session
Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten identifizieren und Partizipation frühzeitig stärken – Adaption und Normierung des diagnostischen Verfahrens Dysmate für den deutschsprachigen Raum 1Europa-Universität Flensburg, Deutschland; 2Universität Potsdam, Deutschland 1) Theoretischer Hintergrund Die Aneignung schriftsprachlicher Kompetenzen stellt für Schüler:innen eine bedeutende Erwerbsaufgabe dar und beschreibt eine der wichtigsten akademischen Fertigkeiten (Schründer-Lenzen, 2013). Sie sind lebenslang bedeutsam für gesellschaftliche Partizipation und Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung des Alltags (Antoniou & Souvignier, 2007). Eine sichere Identifikation von Schüler:innen mit einem Risiko für Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten ist daher von entscheidender Bedeutung, um gezielt individuelle Unterstützungsmaßnahmen in die Wege zu leiten (Pfost et al., 2014). Je weiter Schüler:innen in ihrer schulischen Laufbahn voranschreiten, desto stärker werden Kompetenzen im Lesen und Schreiben vorausgesetzt. Insbesondere in der Sekundarstufe werden schriftsprachliche Fähigkeiten häufig nicht mehr systematisch diagnostisch erfasst. Diagnostische Entscheidungen divergieren zwischen Lehrkräften stark und sind häufig durch subjektive Kriterien geleitet (Hennes et al., 2023). Dem PISA 2018-Skalenbuch (2021) ist zu entnehmen, dass sich mehr als ein Drittel aller Lehrkräfte nicht sicher fühlt, „Probleme der Schülerinnen und Schüler beim Leseverständnis [zu] identifizieren“ (Mang et al., 2021, S. 212). Außerdem berichten McElvany et al. (2009) von einer geringen Diagnosekompetenz von Lehrkräften, die sich nicht zwingend durch zunehmende Berufserfahrung verbessert. Ziel des hier vorgestellten Projektes ist die Normierung des international eingesetzten, zweistufigen Testverfahrens Dysmate (Nergård-Nilssen & Friborg, 2021), bestehend aus Screening und Follow-Up, zur Erfassung lese- und schreibbezogener Kompetenzen in der Sekundarstufe I in Deutschland. Das digitale Testverfahren soll zukünftig die niedrigschwellige Identifizierung und daraus hervorgehend die gezielte und passgenaue Förderung von Jugendlichen mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten ermöglichen. Auf dem deutschsprachigen Markt existiert bisher kein äquivalentes Testverfahren, das schriftsprachliche Fähigkeiten für verschiedene Klassenstufen systematisch erfasst und ergänzend Maße der kognitiven Informationsverarbeitung in den Blick nimmt. Das vorgestellte Verfahren ist ein wichtiger Baustein in Richtung Handlungssicherheit und Professionalisierung von Lehrkräften, da es eine objektive Einschätzung der schriftsprachlichen Fähigkeiten ermöglicht und somit eine Grundlage für Unterstützungsmaßnahmen bietet (Möbus & Vierbuchen, 2019). Durch die digitale Durchführung und automatisierte Auswertung können Lehrkräfte schriftsprachliche Kompetenzen ihrer Schüler:innen in Gruppen erfassen und danach diejenigen Schüler:innen vertiefend dem ebenfalls digitalen Follow Up-Test in einer 1:1-Situation unterziehen, die das Screening als risikobehaftet identifiziert hat. Um Lehrkräfte optimal auf die Durchführung und Interpretation des Testverfahrens vorzubereiten, durchlaufen diese einen digitalen Zertifizierungskurs. 2) Fragestellung
3) Methode Die Validität der norwegischen Testversion ist empirisch belegt (Nergård-Nilssen & Friborg, 2021). Um die Validität der deutschen Version zu prüfen, wurden die adaptieren Items der Subskalen zunächst in einer Pilotierungsstudie getestet, um aktuell startend in einer groß angelegten Normierungs- und Validierungsstudie repräsentative Normwerte zu erheben. Um eine möglichst aussagekräftige Stichprobe zu generieren, werden die Erhebungen deutschlandweit in zehn Bundesländern in unterschiedlichen Schulformen in der Sekundarstufe I mit siebten bis zehnten Klassen durchgeführt. Die Auswertungen finden auf Grundlage der Item-Response-Theorie statt. Es wird eine Normierungsstichprobe und eine Validierungsstichprobe erhoben. Die Validierungsstichprobe besteht aus Schüler:innen mit bestätigten Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. 4) Ergebnisse Erste Daten aus der Pilotierung (N= 189) sprechen für eine gute Umsetzbarkeit (bspw. Angemessenheit der Items je Altersstufe, verständliche Instruktionen, hohe Motivation der Schüler:innen) und eine erfolgreiche Adaption des Verfahrens (Cronbachs Alpha: gesamt = .89; 7. Klasse = .86; 8. Klasse = .92; 9. Klasse = .88; 10. Klasse .81). Die Trennschärfen der Items betragen für alle Klassen zwischen .63 und .83, die durchschnittliche Itemschwierigkeit verringert sich von der 7. bis zur 10. Klassenstufe (PKl.7 = .43; PKl.10 = .78). In der 8. Klassenstufe zeigt sich mit PKl.8 = .71 eine geringere Itemschwierigkeit als in der 9. mit PKl.9 = .57. Derzeit findet die Rekrutierung für die Normierungsstudie im Oktober 2023 statt. Im Vortrag sollen das Testverfahren, das Studiendesign sowie Daten der Pilotierungs- und Normierungsstudie vorgestellt werden. Paper Session
Schreiben oder Sprechen? Zur Rolle des Mediums für die Wirksamkeit von Lerntagebüchern 1Universität Freiburg, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Freiburg, Deutschland Theoretischer Hintergrund/Fragestellung Das Schreiben von Lerntagebüchern ist eine etablierte Methode selbstregulierten Lernens, bei der Lernende neue Lerninhalte reflektieren. Studien zeigen, dass Lerntagebücher die Lernprozesse der Lernenden und den Lernerfolg fördern (Nückles et al., 2020). Drei zentrale Wirkmechanismen erklären diese positiven Effekte: 1.) Förderung generativen Lernens: Lerntagebücher regen die Anwendung kognitiver (Organisation, Elaboration) und metakognitiver (Monitoring, Planung) Lernstrategien an (Nückles et al., 2009). 2.) Cognitive-Offloading: Lerntagebücher erfordern, Gedanken in ein Speichermedium zu externalisieren. Dadurch wird das Arbeitsgedächtnis entlastet (Nückles et al., 2020). 3.) Genre-Free-Prinzip: Lerntagebücher können sehr frei gestaltet werden und müssen keiner bestimmten rhetorischen Struktur folgen. Dadurch können Lernende ihre gesamte kognitive Kapazität in das Verstehen des Lernmaterials investieren. Darüber hinaus zeigt Forschung, dass die Wirksamkeit von Lerntagebüchern durch instruktionale Unterstützungsmaßnahmen erhöht werden kann (Nückles et al., 2020). Eine solche Maßnahme besteht zum Beispiel in der Bereitstellung von kognitiven und metakognitiven Prompts, die den Lernenden helfen, die entsprechenden Lernstrategien effektiv anzuwenden. Bisher wurden Lerntagebücher ausschließlich in schriftlicher Form erforscht. Aktuelle Befunde aus dem verwandten Forschungsfeld Lernen durch Erklären weisen jedoch darauf hin, dass auch in der mündlichen Form gewinnbringende Lernprozesse und Lernergebnisse möglich sind (Lachner et al., 2022). In der vorliegenden Studie soll daher die Fragestellung untersucht werden, inwieweit sich die unterschiedlichen medialen Realisierungsformen des Lerntagebuchs in Schrift versus Audio (zusätzlich zur Wirkung von Prompts) auf die Lernprozesse und die Lernergebnisse auswirken. Wir nehmen an, dass das Sprechen zu einer stärkeren Nutzung kognitiver und metakognitiver Lernstrategien und darüber vermittelt zu besseren Lernergebnissen führt als das Schreiben, da das Sprechen aufgrund geringerer Produktions- und Formulierungskosten kognitiv weniger belastend ist (Clark & Brennan, 1991). Nach unserer Annahme werden die lernförderlichen Wirkmechanismen des Lerntagebuchs (Generatives Lernen, Cognitive-Offloading, Genre-Free-Prinzip) im mündlichen Medium im Vergleich zum schriftlichen Medium also noch verstärkt. Methode Zur Untersuchung der Forschungsfrage wurde ein Feldexperiment mit Gymnasiast*innen durchgeführt. N = 163 Teilnehmer*innen (Durchschnittsalter = 17,02 Jahre, SD = 0,63) wurden in einem 2x2-faktoriellen Between-Subjects-Design (plus eine Kontroll-Gruppe) randomisiert einer von fünf Bedingungen zugewiesen. Diese Bedingungen umfassten (1) eine schriftliche Gruppe mit Prompts (n = 35), (2) eine schriftliche Gruppe ohne Prompts (n = 34), (3) eine mündliche Gruppe mit Prompts (n = 32), (4) eine mündliche Gruppe ohne Prompts (n = 30) und (5) eine Re-Study-Gruppe (n = 32). Nach einem Vorwissenstest sahen alle Schüler*innen eine Videovorlesung zur Cognitive Load Theory (30 Minuten). Danach erstellten die Teilnehmer*innen ein erstes Lerntagebuch (Mündlich/Schriftlich; Mit Prompts/Ohne Prompts) (30 Minuten). Anschließend überarbeiteten die Schüler*innen ihre Lerntagebücher mithilfe des Transkripts der Videovorlesung (30 Minuten). Die Re-Study-Gruppe las den transkribierten Text 60 Minuten lang. Schließlich absolvierten alle Teilnehmer*innen einen Tag später einen Post-Test und eine Woche später einen identischen Follow-up-Test mit acht offenen Fragen. Die kognitiven und metakognitiven Lernprozesse wurden anhand eines holistischen Ratingschemas (Nückles et al., 2009) auf fünfstufigen Skalen eingeschätzt. Ergebnisse Hinsichtlich des Lernerfolgs zeigte eine zweifaktorielle ANCOVA (Mathe- und Deutschnoten als Kovariaten), dass die mündliche Bedingung sowohl im Posttest (F(1, 125) = 7.31, p = 0.008, ηp2 = .06) als auch im verzögerten Test (F(1, 108) = 5.71, p = 0.019, ηp2 = .05) der schriftlichen Bedingung überlegen war. Entgegen der theoretischen Annahmen konnte jedoch kein Prompts-Effekt beobachtet werden. Hinsichtlich der Lernprozesse wurden ANCOVAs durchgeführt, um den Einfluss des Mediums auf die kognitiven und metakognitiven Lernprozesse zu prüfen. Die Tests zeigten für alle Lernprozesse signifikante Unterschiede zugunsten der mündlichen gegenüber der schriftlichen Bedingung (alle p < 0,001, ηp2 = .23 - .33). Hinsichtlich des Faktors Prompts konnten mit Ausnahme der Prozessvariable Metakognition wiederum keine Gruppenunterschiede festgestellt werden. Anschließende Mediationsanalysen ergaben, dass fast alle Lernprozessvariablen den Effekt des Mediums auf die Lernergebnisse signifikant mediierten. Theoretische wie praktische Implikationen der Befunde werden bei der Tagung diskutiert. |