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Sitzungsübersicht
Sitzung
6-12: Prozessqualität früher mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung im institutionellen und häuslichem Lernumfeld
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
15:20 - 17:00

Ort: S19

Seminarraum, 60 TN

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Präsentationen
Symposium

Prozessqualität früher mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung im institutionellen und häuslichem Lernumfeld

Chair(s): Julia Barenthien (Universität Hamburg, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Katharina Kluczniok (Freie Universität Berlin)

Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften gelten als zentral für die gesellschaftliche Teilhabe (Falloon et al., 2020; OECD, 2018) und werden deswegen auch in der der Frühpädagogik als relevante Bildungsbereiche für Kinder benannt (KMK, 2004). Bereits lange vor dem Schuleintritt erwerben Kinder grundlegende Kompetenzen in den Domänen Mathematik und Naturwissenschaften und diese Kompetenzen sind ausschlaggebend für den weiteren Kompetenzerwerb der Kinder in der Schule. Voraussetzung für die Entwicklung früher Kompetenzen sind im Sinne des Angebot-Nutzungs-Modells (vgl. Angebot-Nutzungs-Modell nach Roux & Tietze, 2007) frühe Erfahrungen mit Mathematik und Naturwissenschaften (z.B. in Form von informellen Aktivitäten oder strukturierten Bildungsangeboten) in der Institution Kita und dem häuslichen Umfeld. Bisher ist national und international insgesamt wenig über die Qualität und Gestaltung von Interaktionen in Kita und häuslichem Lernumfeld bekannt. Dies trifft insbesondere für die bereichsspezifischen Interaktionen zu. Erste internationale Befunde weisen darauf hin, dass z.B. herausfordernde Fragen zu einem mathematisch oder naturwissenschaftlichen Lerngegenstand sowie geeignete Unterstützungsmaßnahmen durch Fachkräfte oder Erziehungsberechtigte die Kompetenzentwicklung von Kinder positiv beeinflussen können (Eberbach & Crowley, 2017; Gropen et al., 2017; Miller-Goldwater et al., 2023). Auf Grund der Unterschiede in der Ausbildung von Fachkräften sowie der weit verbreiteten Situationsorientierung in deutschen Kitas ist unklar, inwiefern diese Befunde auf Deutschland übertragbar sind und ob Effekte von Facetten der Prozessqualität auf die Leistungsentwicklung von Kindern in deutschen Studien repliziert werden können.

Im Rahmen dieses Symposiums werden daher Ergebnisse zur Prozessqualität und ihren Facetten in den Bildungsbereichen Mathematik und Naturwissenschaften vorgestellt. Dabei werden sowohl Ergebnisse aus dem institutionellen als auch häuslichem Kontext präsentiert. Im ersten Beitrag wird anhand von Videos die generische und naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität bei der Umsetzung von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten mit Kindergartenkindern untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine große Heterogenität in der Qualität der (domänenspezifischen) kognitiven Anregung der Kinder. Der zweite Beitrag untersucht, welchen Effekt Feedback als ein Aspekt der mathematischen Prozessqualität auf die mathematische Leistung von Kindern hat. Erweiternd zu bisherigen Forschungsarbeiten (Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010) zeigt sich, dass prozessbezogenes Feedback einen signifikanten positiven Einfluss auf den mathematischen Leistungszuwachs zwischen Prä- und Posttest der Kinder hat. Der dritte Beitrag gibt anhand von Videos einer Vorlesesituation Einblick in naturwissenschaftliche Lernprozesse im häuslichen Lernumfeld und liefert erste Erkenntnisse darüber, wie Eltern Lernprozesse am Beispiel einer Vorlesesituation umsetzen.

Die drei Beiträge nehmen damit die Prozessqualität in verschiedenen Bildungsbereichen in den für die kindliche Entwicklung bedeutsamen Lernumgebungen (Institution Kita und häusliches Lernumfeld) in den Blick und geben erste Hinweise auf die Effekte von Prozessqualität auf die kindliche Kompetenzen. Die Beiträge werden anschließend von Katharina Kluczinok integrativ diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Prozessqualität von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten in der Kita

Julia Barenthien1, Henning Dominke1, Elisa Oppermann2, Lars Burghardt2, Yvonne Anders2, Mirjam Steffensky1
1Universität Hamburg, 2Universität Bamberg

Theoretischer Hintergrund

Naturwissenschaften sind in vielen Ländern ein wichtiger Bildungsbereich in der Kita (OECD, 2017). Die Entwicklung naturwissenschaftlicher Kompetenz junger Kinder hängt dabei neben individuellen Voraussetzungen stark von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten in Kita ab (vgl. Roux & Tietze, 2007). Als zentral für die Wirkung der Bildungsangebote wird dabei die Prozessqualität angesehen, die sich unter anderem auf die Qualität der Interaktionen zwischen Kind und Fachkraft bezieht. Indikatoren hoher naturwissenschaftsspezifischer Prozessqualität sind beispielsweise das Erfragen von Ideen, Vermutungen und Erklärungen der Kinder hinsichtlich eines naturwissenschaftlichen Lerngegenstands, die Diskussion naturwissenschaftlicher Sachverhalte sowie altersangemessene kognitiv anregende Versuche. Bisher ist nur wenig über die fachspezifische Prozessqualität von naturwissenschaftlicher Bildung bekannt, was u.a. auf den Mangel an geeigneten Ratingsystemen zurückzuführen ist. Die wenigen international vorliegenden Befunde weisen auf eine geringe Prozessqualität durch die Fachkräfte (Areljung, 2018) hin. Inwiefern diese Befunde auf Deutschland übertragbar sind, ist auf Grund von Unterschieden in der Ausbildung von Fachkräften sowie der weit verbreiteten Situationsorientierung in den Kitas unklar.

Fragestellung

Ziel dieses Beitrages ist es daher, zu prüfen, wie die (1) naturwissenschaftsspezifische und (2) generische Prozessqualität bei naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten ausgeprägt sind und (3) wie diese miteinander zusammenhängen.

Methode

Im Rahmen der Studie liegen erste Daten für eine Teilstichprobe von N=49 Fachkräften in Deutschland vor (87.8% weiblich; MAlter=39.29 Jahre; SDAlter=11.25). Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die Fachkräfte bei der Durchführung eines naturwissenschaftlichen Bildungsangebots videographiert. Zur Erfassung der generischen Prozessqualität wurden diese Videos durch zertifizierte Beobachtende mit dem standardisierten Beobachtungsrating CLASS Pre-K (Pianta et al., 2008) hinsichtlich der Prozessqualität auf einer 7er-Skala geratet. Dabei werden die Domänen emotionale Unterstützung, Gruppenführung und instruktionale Unterstützung durch verschiedene Dimensionen erhoben. Die naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität wurde mittels eines selbst entwickelten Beobachtungsratings geratet und erzielte eine gute Reliabilität (α=.81). Auf einer 4er-Skala wurden dabei Aspekte kognitiver Aktivierung wie das Stellen von zum Denken anregender Fragen und Aufgaben mit Fokus auf Denk- und Arbeitsweisen, Anregung des Lernens über Denk- und Arbeitsweisen, inhaltliche Kohärenz, fachliche Richtigkeit, Verwendung von Fachsprache, Verstehenselemente, Integration des Inhalts, Alltagsbezug und Eignung der Materialauswahl geratet.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen im Durchschnitt eine niedrige mittlere Qualität der naturwissenschaftsspezifischen Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind (M=2.08; SD=0.43; Min=1.20, Max=3.00). Dies deckt sich mit den generischen CLASS-Ratings, die auf eine im niedrigen mittleren Qualitätsbereich zu verortende instruktionale Unterstützung (M=3.25; SD=0.93; Min=1.00, Max=5.67), eine hohe emotionale Unterstützung (M=5.79; SD=0.63; Min=4.50, Max=6.75) sowie Gruppenführung (M=5.87; SD=0.70; Min=3.33, Max=7.00) bei den Bildungsangeboten hinweisen. Ergebnisse der Korrelationsanalysen zeigen, dass die Ratings der naturwissenschaftsspezifischen Prozessqualität mit der mit der CLASS Pre-K gerateten instruktionalen Unterstützung signifikant korrelieren (r=.308, p<.05) aber nicht mit der emotionalen Unterstützung (r=.026, p>.05) sowie der Gruppenführung (r=-.013, p>.05).

Diskussion

Die beobachtete naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität ist im Mittel im niedrigeren mittleren Bereich der Skala einzuordnen. Dies deckt sich mit der mit der CLASS beobachteten Qualität der instruktionalen Unterstützung, die durchschnittlich auch im niedrigen mittleren Qualitätsbereich zu verorten ist (Pianta et al., 2008) und damit konsistent mit bisherigen Studienergebnissen ist (Kauertz & Gierl, 2014; Stuck et al., 2016). Der signifikante positive Zusammenhang zwischen dem Rating der naturwissenschaftsspezifischen Prozessqualität und dem CLASS-Rating der instruktionalen Unterstützung weisen darauf hin, dass beide Skalen in denselben Situationen zu ähnlichen Qualitätsratings im Bereich der instruktionalen Unterstützung kommen. Dies kann auch als erster Validitätshinweis für das neu entwickelte Ratingsystems gedeutet werden.

Die große Streuung beider Ratings zur Prozessqualität weisen auf Unterschiede in den (naturwissenschaftsspezifischen) Interaktionen zwischen den Fachkräften bei der Implementation des Bildungsangebots hin, wobei die im niedrigen Qualitätsbereich einzuordnende Minima auf den Bedarf der Qualitätsentwicklung hindeuten können. Die Unterschiede zwischen den Fachkräften lassen sich möglicherweise durch unterschiedliche Lerngelegenheiten zu früher naturwissenschaftlicher Bildung in schulischer Bildung sowie Aus- und Fortbildung (Barenthien et al., 2020) sowie verschiedenen Ausprägungen der Einstellungen erklären.

 

Wirkung verschiedener Feedbackarten auf frühes mathematisches Lernen

Lena Aumann, Hedwig Gasteiger, Rosa Maria Puca
Universität Osnabrück

Die Bedeutung des frühen Mathematiklernens ist unbestritten. Mehrere Studien (z.B. Duncan et al. 2007) bestätigen starke prädiktive Effekte früher mathematischer Fähigkeiten auf spätere schulische Leistungen. Dabei kommen Kinder mit sehr unterschiedlichen mathematischen Fähigkeiten in die Schule. Frühes Mathematiklernen in der Kindertagesstätte findet insbesondere in Spiel- und Alltagssituationen statt (Gasteiger 2010). Ob eine Spiel- oder Alltagssituation auch zu einer Situation mit mathematischem Lernpotential wird, scheint maßgeblich von der Interaktion mit der Fachkraft abzuhängen – davon, ob sie das mathematische Potential der Situation erkennt und aufgreift (van Oers 2010).

Als Teil hochwertiger Fachkraft-Kind-Interaktionen wird u. a. die Qualität des Feedbacks hervorgehoben, welches die Fachkraft dem Kind gibt (Siraj-Blatchford et al. 2002). Dieses Feedback kann Informationen zum Fortschritt, zu Aktivitäten oder zur Arbeit des Kindes enthalten. Zudem kann Feedback konstruktive Hinweise geben, was das Kind als nächstes tun sollte, wenn es Schwierigkeiten hat, erfolgreich voranzukommen (Aumann et al., 2023). Es scheinen jedoch nicht alle Arten von Feedback gleichermaßen lernförderlich zu sein.

Auswirkungen verschiedener Feedbackarten auf kindliches Lernen in verschiedenen Altersstufen wurden vor allem in Experimentalstudien untersucht. Prozessbezogenes („Du hast gut gezählt“/ „Versuch mal zu zählen“) und ergebnisbezogenes („Das ist richtig/falsch“) Feedback wirken potentiell lernförderlich u. a. über Durchhaltevermögen und Selbsteinschätzung. Dahingegen scheint unspezifisches („gut“) sowie personenbezogenes („Du bist gut/schlecht“) Feedback potentiell lernförderliche Eigenschaften wie Selbstwirksamkeitserwartung eher negativ zu beeinflussen (Berner et al. 2022, Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010). Unklar ist jedoch, ob und wie prozess-, personen- und ergebnisbezogenes Feedback, das Fachkräfte in natürlichen Lern- und Spielsituationen geben, frühes mathematisches Lernen beeinflusst. Dies ist die Fragestellung dieses Beitrags.

An der Studie nahmen 48 frühpädagogische Fachkräfte mit jeweils ein bis sechs Kindern (N=140 Kinder, 3-6 Jahre) teil. Für die Analyse des Feedbackverhaltens filmten die Fachkräfte dabei mit jedem ihrer teilnehmenden Kinder jeweils zwei vorgegebene Spielsituationen mit mathematischem Potential (je 10-15 Minuten). Die Fachkräfte sollten die Situationen wie im normalen Alltag der Kindertagesstätte begleiten. Es gab keinen Hinweis dahingehend, dass das Feedback im Interesse der Studie stand. Die mathematischen Leistungen der Kinder wurden als Prä- und Posttest im Abstand von ca. zehn Monaten mit dem MARKO-D (Ricken et al. 2013) erhoben. Die videografierten Feedbackäußerungen der Fachkräfte wurden mithilfe eines Kategoriensystems (Aumann et al. 2023) in vier Oberkategorien kategorisiert: unspezifisches, personenbezogenes, prozessbezogenes und ergebnisbezogenes Feedback. Pro Kategorie wurde für jedes Kind eine Feedbackrate berechnet (Feedbackäußerungen pro Minute). Der Einfluss der Feedbackkategorien auf den kindlichen mathematischen Leistungszuwachs wurde aufgrund der hierarchischen Datenstruktur (mehrere Kinder pro Fachkraft) mithilfe eines Linear Mixed Models berechnet (Jiang und Nguyen 2021).

Deskriptive Datenanalysen zeigen, dass frühpädagogische Fachkräfte in den Spielsituationen eher unspezifisches Feedback geben. Bei den spezifischen Feedbackkategorien überwiegt das prozessbezogene Feedback. Das Linear Mixed Model zeigt einen signifikanten positiven Einfluss des prozessbezogenen Feedbacks auf den mathematischen Leistungszuwachs zwischen Prä- und Posttest. Dieses Ergebnis erweitert empirische Erkenntnisse, nach denen prozessbezogenes Feedback positive Auswirkungen auf potentiell lernwirksame Eigenschaften hat (Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010). Anders als bisherige Studien vermuten lassen, zeigt das personenbezogene Feedback keine negative Wirkung auf den frühen mathematischen Leistungszuwachs. Gegebenenfalls können Vorschulkinder sprachlich noch nicht konsequent zwischen spezifischen Feedbackarten unterscheiden (Nicholls 1978). Henderlong Corpus & Lepper (2007) zeigten beispielsweise, dass personenbezogenes Lob zwar bei Kindern der vierten und fünften Klasse, nicht jedoch bei Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren negativ auf Motivation wirkte. Zudem scheinen nach Kamins & Dweck (1999) alle Lobarten zunächst positive Auswirkungen nach Erfolg zu haben – negative Auswirkungen von personenbezogenem Lob zeigten sich erst nach Misserfolg.

Unsere Erkenntnisse bieten einen Einblick, wie Feedback in mathematischen Interaktionen Unterschiede im frühkindlichen mathematischen Lernen erklären könnte und damit eine erste Grundlage für Weiterbildungen frühpädagogischer Fachkräfte zur kritischen Reflexion ihres Feedbackverhalten.

 

Qualität häuslicher naturwissenschaftlicher Lernprozesse

Henning Dominke1, Elisa Oppermann2, Mirjam Steffensky1
1Universität Hamburg, 2Universität Bamberg

Kinder entwickeln erstes naturwissenschaftliches Wissen bereits im frühkindlichen Alter (Eshach, 2006). Dabei spielen insbesondere domänenspezifische Lernprozesse in der häuslichen Lernumgebung eine wichtige Rolle. Diese Prozesse werden wiederum durch distale Merkmale wie dem sozioökonomischen Status (SES) oder elterlichen Einstellungen (z.B. dem Interesse an Naturwissenschaften) beeinflusst (Junge et al., 2021; Kluczniok et al., 2013). Häusliche naturwissenschaftliche Lernprozesse können während unterschiedlicher Aktivitäten stattfinden, z.B. dem gemeinsamen Lesen eines Buches oder beim Experimentieren (Lin & Schunn, 2016). Neben der Quantität ist dabei insbesondere die Qualität dieser Lernprozesse entscheidend für die frühkindliche naturwissenschaftliche Entwicklung (Crowley et al., 2001; Eberbach & Crowley, 2017). Erste Befunde weisen darauf hin, dass z.B. herausfordernde Fragen oder geeignete Unterstützungsmaßnahmen der Elternteile den naturwissenschaftlichen Wissenserwerb der Kinder positiv beeinflussen (Eberbach & Crowley, 2017; Miller-Goldwater et al., 2023). Fokussieren sich die bisherigen Studien oftmals nur auf einzelne Aspekte und erfassen die Qualität der Lernprozesse durch niedrig-inferente Häufigkeitszählungen (z.B. von offenen Fragen), bleiben weitere Qualitätsaspekte, die für gelingende Lernprozesse von Bedeutung sind, weitestgehend unbeachtet. Insgesamt gibt es wenig Erkenntnisse darüber, wie naturwissenschaftliche Lernprozesse im häuslichen Bereich umgesetzt werden, welche Faktoren die Qualität beeinflussen, und wie sich die Qualität auf die Lernprozesse und das Wissen des Kindes auswirkt.

Ziel des Beitrags ist es, die Qualität häuslicher naturwissenschaftlicher Lernprozesse aus einer globalen und domänenspezifisch differenzierten Perspektive zu erfassen. Unsere Fragestellungen zielen darauf ab, (a) wie die Qualität dieser Lernprozesse ausgeprägt ist, (b) wie die Qualität mit familiären Merkmalen wie dem SES oder elterlichen Einstellungen zu den Naturwissenschaften und (c) mit den Lernprozessen und dem naturwissenschaftlichen Wissen der Kinder zusammenhängt.

In dieser Studie lasen 61 Eltern-Kind-Paare ein Bilderbuch über die Jahreszeiten, als eine typische, alltägliche Aktivität (Mage = 67,81 Monate, 48% Mädchen, 79% Mütter). Sie wurden gebeten, das Buch so zu lesen, wie sie es immer tun. Die Interaktionen wurden videographiert und die dabei stattfindenden Lernprozesse anhand von mehreren Qualitätsmerkmalen hoch-inferent analysiert. Es wurden drei Skalen gebildet, die die motivationale Unterstützung (α = .84), die kognitive Interaktion (α = .93), und – domänenspezifisch – die naturwissenschaftsspezifische Interaktion (α = .71) der Lernprozesse betrachten. Doppelkodierungen ergaben eine hohe Raterübereinstimmung (ICC = .78). In gleicher Weise wurden die während der Interaktion auftretenden Lernprozesse des Kindes in einer Skala (α = .92) sowie in Kinderbefragungen das naturwissenschaftliche Wissen erfasst. In einem Fragebogen wurden außerdem das elterliche naturwissenschaftliche Interesse und Selbstkonzept sowie der familiäre SES (HISEI) ermittelt.

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die motivationale Unterstützung der Elternteile während des Vorlesens qualitativ eher hoch, während kognitive und naturwissenschaftsspezifische Interkationen eher gering ausgeprägt sind. Eine hohe Streuung der Qualitätsratings weist auf große Unterschiede zwischen den Familien hin. Weiterhin hängen die kognitive und naturwissenschaftsspezifische Interaktion mit dem elterlichen Interesse (r > .35) und dem familiären SES (HISEI; r > .27) zusammen. Die Qualitätsratings sind zudem stark mit den Lernprozessen des Kindes verbunden (r > .63): Höhere Qualität der Lernprozesse steht mit höherer Eigeninitiative des Kindes im Zusammenhang, mit höherer Partizipation am Gespräch, und dass das Kind mehr Fragen stellt (vgl. Callanan et al., 2017; Leech et al., 2020). Es konnten außerdem Zusammenhänge zwischen naturwissenschaftsspezifischer Interaktion und dem naturwissenschaftlichen Wissen des Kindes gefunden werden (r = .29), nicht aber für die anderen Skalen, was auf eine domänenspezifische Förderung während häuslicher Lernprozesse hindeutet (vgl. z.B. Eberbach & Crowley, 2017). Unsere Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse darüber, wie Eltern Lernprozesse am Beispiel einer Vorlesesituation umsetzen und ergänzen bisherige Befunde, die nur einzelne Aspekte der Prozessqualität fokussieren (z.B. Eberbach & Crowley, 2017; Miller-Goldwater et al., 2023; Shirefley et al., 2020). Zudem liefern unsere Ergebnisse erste Erkenntnisse darüber, dass die Qualität häuslicher Lernprozesse mit distalen Merkmalen von Eltern und Familie zusammenhängt sowie mit dem naturwissenschaftlichen Wissen von Kindern verbunden ist.