Conference Agenda

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Session Overview
Session
5-18: Schulischer Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen
Time:
Tuesday, 19/Mar/2024:
1:10pm - 2:50pm

Location: S22

Seminarraum, 50 TN

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Presentations
Paper Session

Schulische Demokratiebildung vor dem Hintergrund unterschiedlicher inklusiver Rahmenbedingungen

Cornelia Gresch, Annika Francke, Lena Külker

Humboldt-Unversität zu Berlin, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Demokratiebildung ist ein zentrales Anliegen schulischer Bildung, welches zudem eng mit schulischer Inklusion assoziiert ist. Hintergrund ist eine gemeinsame Wertebasis, wobei insbesondere gleichberechtigte Teilhabe als verbindendes Element der beiden Ansätze gilt (z. B. Gerdes et al., 2015). Weiterhin wird in Artikel 24 Absatz 1 der UN-BRK als Ziel eines inklusiven Bildungssystems die Achtung vor den Menschenrechten formuliert – einem bedeutsamen Merkmal von Demokratie. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Kopplung zwischen schulischer Inklusion und Demokratiebildung annehmen. Die Art und Weise, wie Demokratiebildung im Schulkontext vermittelt wird, wird dabei häufig durch die Dimensionen der Bildung über, durch und für Demokratie beschrieben (z. B. Edelstein, 2015). Eine explizite Untersuchung aller drei Dimensionen wurde bisher nicht vorgenommen. Gleichfalls ist bisher nicht erforscht, ob Demokratiebildung an Schulen mit ausgewiesener inklusiver Schwerpunktsetzung in höherem Maße stattfindet als an anderen Schulen. Inwiefern Demokratiebildung umgesetzt wird, wird dabei häufig über Befragungen der Lehrkräfte oder der Schüler*innen erfasst. Dabei zeigen verschiedene Studien, dass Lehrkräfte pädagogische Praktiken in Schulen häufig etwas positiver bewerten als die Schüler:innen (z. B. den Brok et al., 2006). Dies kann möglicherweise u. a. darauf zurückgeführt werden, dass die Planungsprozesse und Überlegungen der Lehrkräfte von den Schüler:innen zum Großteil nicht wahrgenommen werden.

Fragestellung

Der Beitrag untersucht, wie Schüler:innen und Lehrkräfte Demokratiebildung an ihren Schulen wahrnehmen, inwiefern inklusive Rahmenbedingungen mit den Wahrnehmungen von Demokratiebildung zusammenhängen und ob sich Unterschiede in diesen Zusammenhängen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen abzeichnen.

Methode

Datengrundlage bildet eine bundesweite Längsschnittstudie, die im Rahmen des Projekts „INSIDE – Inklusion in der Sekundarstufe I in Deutschland“ erhoben wurde. Dabei wurden in Klassenstufe 7 Schüler:innen (N = 1,572) und Lehrkräfte (N = 487) gebeten, einzuschätzen, inwiefern an ihrer Schule Demokratiebildung umgesetzt wird. Zudem liegen über die Schulleitungen umfassende Informationen zu den inklusiven Rahmenbedingungen vor. Dabei wurden angelehnt an die Qualitätsskala zur inklusiven Schulentwicklung (QU!S) fünf Ebenen einbezogen: „Kinder/Jugendliche“, „Unterricht“, „Team“, „Schulkonzept“ und „Vernetzung“. Fehlende Werte wurden in Stata mit MICE imputiert (van Buuren et al. 1999; Royston, 2004). Für die Analysen wurden Regressionsanalysen unter Einbeziehung der Mehrebenenstruktur berechnet.

Ergebnisse

Die Auswertungen zeigen, dass Lehrkräfte die Demokratiebildung höher einschätzen als die Schüler:innen, wenngleich grundsätzlich in beiden Gruppen und für alle drei Formen der Demokratiebildung (über, durch und für) eine hohe Zustimmung zur Umsetzung vorliegt. Für die verschiedenen Ebenen inklusiver Rahmenbedingungen bestehen nahezu durchgehend positive Effekte auf alle drei Formen der Demokratiebildung. Nur das inklusive Schulkonzept hängt nicht positiv mit der wahrgenommenen Bildung durch Demokratie zusammen. Eine differenzierte Betrachtung der Zusammenhänge für Schüler:innen und Lehrkräfte zeigt, dass teilweise sowohl Unterschiede in den Effekten als auch zwischen den verschiedenen Formen der Demokratiebildung vorliegen: Beispielsweise spielt die Vernetzung auf Schulebene bei den Lehrkräften kaum eine Rolle mit Blick auf ihre Wahrnehmung von Demokratiebildung. Gleichfalls spielen die verschiedenen inklusiven Rahmenbedingungen nur eine geringe Rolle bei der Wahrnehmung der Schüler:innen von Bildung durch Demokratie. Zudem sind die Effekte von der (inklusiven) Unterrichtsebene und der Teamebene auf die Bildung durch Menschenrechte bei Lehrkräften höher als bei Schüler:innen.

Diskussion

Die Befunde zeigen, dass Schulen, die sich auf den Weg einer vertiefenden Umsetzung von Inklusion gemacht haben, gleichzeitig auch einen Beitrag zu einer verstärkten Demokratiebildung leisten. Und zwar auf allen Ebenen: der Bildung über, durch und für Demokratie. Gleichzeitig weisen die Unterschiede zwischen Schüler:innen und Lehrkräften darauf hin, dass die Lehrkräfte eine höhere Wahrnehmung der Umsetzung von Demokratie in den Schulen haben als die Schüler:innen. Dies könnte auch mit den größeren Handlungsspielräumen der Lehrkräfte zusammenhängen.



Paper Session

Schüler*innen als mündige Bürger*innen des 21. Jahrhunderts – Förderung der Fähigkeit des kritischen Denkens im Fachunterricht

Dominik Schlüter1, Maike Hagena2, Michael Besser1, Dominik Leiss1

1Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland; 2Leibniz Universität Hannover, Deutschland

Theorie. Die Unterstützung der Entwicklung junger Menschen zu mündigen Bürger*innen ist zentraler Bildungsauftrag von Schule (European Commission, 2019). Neben dem Aufbau fachlicher Kompetenzen sollen Schüler*innen hierzu insbesondere auch die Fähigkeit des kritischen Denkens (Lai, 2011) als Bestandteil von „21st-Century-Skills“ (Voogt & Roblin, 2010) erwerben. Kritisches Denken wird dabei als Form der reflektierten Begründung von Handlungen im Lebensalltag verstanden und umfasst insbesondere den Prozess der Entscheidungsfindung (decision making), also des (Aus-)Wählens/Abwägens von „besten“ oder „hinreichend guten“ Handlungsoptionen unter bewusster Berücksichtigung eines (erheblichen) Umfangs an Informationen und/oder Argumenten (Amgoud & Prade, 2009). Aus theoretischer Sicht kommt hier (auch) dem Mathematikunterricht in der Schule eine entscheidende Rolle zu, denn dieser soll Schüler*innen unterstützen, Entscheidungsfindungen zu alltagsbezogenen Problemstellungen unter Rückgriff auf mathematikhaltige Informationen/Argumente (bspw. Daten, Diagramme, usw.) reflektiert zu begründen (Böhm et al., 2020). Es ist jedoch unklar, welche mathematikhaltigen Informationen/Argumente Schüler*innen beim Bearbeiten alltagsbezogener Problemstellungen tatsächlich zur Entscheidungsfindung heranziehen (Status Quo) und wie genau der Aufbau so verstandener Fähigkeiten des kritischen Denkens im Mathematikunterricht erfolgreich unterstützt werden kann (Entwicklung). Ein möglicher Zugang zur Entwicklungsfrage scheint zu sein, mittels fachübergreifender Lernangebote mit sprachlicher und mathematischer Förderung die Fähigkeit der Entscheidungsfindung als Momentum kritischen Denkens aufzubauen (Hagena et al., 2017).

Forschungsfragen. Die Studie greift aufgezeigtes Forschungsdesiderat auf und adressiert zwei Forschungsfragen: (FF1–Status Quo) Ziehen Schüler*innen bei der Bearbeitung alltagsbezogener Problemstellungen zur Entscheidungsfindung mathematikhaltige Informationen/Argumente (erfolgreich) heran? (FF2–Entwicklung) Greifen Schüler*innen vermehrt (erfolgreich) auf mathematikhaltige Informationen/Argumente bei der Entscheidungsfindung zurück, wenn diese an einem fächerübergreifenden Lernangebot mit sprachlicher und mathematischer Förderung teilnehmen?

Methode. Im Rahmen des Forschungsprojekts FASAF (Mercator-Institut; Projektleitung: Neumann, Leiss, Schwippert) haben von November 2014 bis April 2015 insgesamt N=420 Schüler*innen der Jahrgangsstufe 7 an einer sich über 16 Wochen erstreckenden Interventionsstudie zum Aufbau der Fähigkeit der Entscheidungsfindung teilgenommen. Neben einer Wartekontrollgruppe (WKG; n=244) wurden die Schüler*innen entweder einer Experimentalgruppe A (EG-A; integrierte sprachliche/mathematische Förderung; n=85) oder einer Experimentalgruppe B (EG-B; separierte sprachliche/mathematische Förderung; n=91) randomisiert parallelisiert (kontrolliert u. a. für mathematische Leistung) zugeteilt. Inhaltlich fand eine Auseinandersetzung mit alltagsbezogenen Problemstellungen in Form klassischer Entscheidungssituationen (Beispiel: „Lohnt sich der Kauf einer Dauerkarte im Vergleich zum Kauf von Einzelkarten?“) mit explizitem Fokus auf Möglichkeiten des Rückgriffs auf sowohl sprachliche als auch mathematikhaltige Informationen/Argumente statt. Die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung wurde im Pre-Post-Design mittels eines neu entwickelten Testinstruments erfasst (interne Konsistenz = .90). Analysen zu deskriptiven Werten (FF1) als auch zu Veränderungen bzw. Effekten (FF2) erfolgen mittels SPSS27.

Ergebnisse. (FF1) Vor Beginn der Intervention greifen Schüler*innen bei der Entscheidungsfindung in alltagsbezogenen Problemsituationen allein in 40% der Fälle auf mathematikhaltige Informationen/Argumente zurück. Wenn Schüler*innen dies tun, dann ist ein solches Vorgehen jedoch oftmals nicht erfolgreich. (FF2) Ein erheblicher Anteil der Schüler*innen verändert durch die Intervention die Art der Entscheidungsfindung (37% der Schüler*innen nutzen im Posttest mathematikhaltige Informationen/Argumente, obwohl sie dies im Pretest nicht getan haben). Varianzanalysen mit Messwiederholung (Faktor Zeit) und den verschiedenen Bedingungen (Faktor Gruppe) belegen einen Effekt der Zeit (Eta-Quadrat=.25; p<.001), der Gruppe (Eta-Quadrat=.07; p<.05) sowie einen Interaktionseffekt von Zeit und Gruppe (Eta-Quadrat=.19; p<.001) auf den Erfolg solcher Entscheidungsfindungen. Am stärksten wird dieser Erfolg der Entscheidungsfindung durch die Zugehörigkeit zu EG-A beeinflusst, ein Effekt der WKG liegt nicht vor.

Diskussion. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Schüler*innen bei der Entscheidungsfindung zu alltagebezogenen Problemen nur bedingt mathematikhaltige Informationen/Argumente (erfolgreich) berücksichtigen. Eine integrierte sprachliche und mathematische Förderung kann hier eine Entwicklung der Schüler*innen unterstützen. Mit Blick auf das Ziel von Schule, junge Menschen zu mündigen Bürger*innen zu erziehen und in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Fähigkeit des kritischen Denkens im Allgemeinen sowie der reflektierten und bewussten Entscheidungsfindung (decision making) im Speziellen zu fördern, sind diese Ergebnisse für den Aufbau von 21st-Cetury-Skills durch schulischen Fachunterricht zu diskutieren.



Paper Session

Gymnasien zwischen cancel culture und Konformismus? Eine Standortbestimmung

Anna Roßmann, Christine Sälzer

Universität Stuttgart, Deutschland

Theoretischer Hintergrund:

Der Begriff cancel culture beschreibt das Bestreben, soziale Akteure kategorisch auszuschließen, weil diese sich auf eine Weise verhalten, die als moralisch verwerflich empfunden wird. Auch geht es darum, Dinge aus moralischen Gründen aus ihrem Verwendungszusammenhang zu entfernen. Die schulische Relevanz von cancel culture ist ein Forschungsfeld im Entstehen. Erste Annäherungen untersuchen, inwiefern das Canceln Bildungsprozesse negativ tangiert (Appleman, 2022; Gordon, 2022; Obiols-Suari et al., 2022). Besagte Forschung basiert auf einem normativen Wahrheitsbegriff und zielt auf Werturteile.

Fragestellung:

In der Studie, auf der dieser Vortrag gründet, nehmen wir von dem normativen Wahrheitsbegriff und den Werturteilen Abstand und nähern uns von einer anderen Warte. Wir legen den Fokus auf eine empirisch-beschreibende Sicht mit der Frage, inwiefern sich cancel culture im Bildungsbereich – genauer: an deutschen Gymnasien – tatsächlich ereignet: In welchem Ausmaß wird cancel culture wahrgenommen? Sind tatsächliche Begebenheiten die Grundlage, sich mit ihr zu beschäftigen? Oder erwächst dies aus einer alarmierten gesellschaftlichen Debatte (Daub, 2023)? Beziehen sich Vorkommnisse auf Unterrichtsmaterialien oder auf schulangehörige Personen? Beeinflussen eine etwaige cancel culture oder das schlichte Reden über sie das Handeln schulischen Personals? Gibt es Befürchtungen, dass derartige Vorfälle zunehmend auftreten könnten? Zu diesen Fragen liegen bis dato keine wissenschaftlichen Studien vor.

Methode:

Den metatheoretischen Rahmen für unsere Forschungsarbeit bildet die Phänomenologie in der Tradition von Alfred Schütz (Schütz, 1971, 2016). In der Folge treffen wir so wenige theoretische Vorannahmen wie möglich. Ferner muss gewährleistet sein, so nah wie umsetzbar an die sozialen Interaktionen und Sinnzuschreibungen heranzutreten, die eine etwaige cancel culture beschreiben. Dies erreichen wir mittels leitfadengestützter, explorativer Experteninterviews (Helfferich, 2022). Dabei sind die Experten schulische Lehrkräfte an deutschen Gymnasien, die ihre Wahrnehmungen schildern. Das Sampling ist in der Tendenz offen, mit dem Ziel, die Vielfalt des wenig erforschten Gegenstands zu erfassen (Akremi, 2022, S. 408 ff.). Dabei befragen wir in mehreren Tranchen, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist (Glaser & Strauss, 2010). Der Feldzugang erfolgt zum einen über Schulleitungen, zum anderen über das Schneeballprinzip (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2021, S. 82 f.). Die Daten werten wir mit Hilfe der dokumentarischen Methode aus (Nohl, 2012, S. 1 ff.; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2021, S. 348 ff.).

Ergebnisse und ihre Bedeutung:

Die Befragungen lassen bisher auf sehr wenige Fälle einer ausgeprägten cancel culture schließen. Vergleichsweise gehäufter ist ein moralischer Absolutismus, der nicht auf den konkreten Ausschluss von Personen oder Materialien gerichtet ist. Beides scheint sich in der Wahrnehmung der Befragten in den letzten fünf Jahren an vielen, wenngleich nicht an allen interviewten Schulen verstärkt zu haben. Themen sind Rassismus, Diskriminierung in Bezug auf Geschlecht sowie sexuelle Orientierung und, hervorstechend, die Religion. Daneben gibt es unter Schülern ein auffallendes moralisches Laisser-faire und konformistische Tendenzen. Die Lehrkräfte sehen in Vorkommnissen von cancel culture und der genannten Vorstufe einen didaktischen Anlass für Demokratiebildung – zeigen also eher einen konfrontierenden anstelle eines vermeidenden Stiles. Die sich andeutende Typologie wird bis zur GEBF differenziert herausgearbeitet sein.

Die Ergebnisse sind aus mehreren Gründen relevant für Bildungsforschung und Schulpraxis: Ein wesentliches Merkmal von cancel culture ist, dass ihre Akteure den Korridor des Sagbaren verengen (möchten). Das berührt den zentralen demokratischen Wert der Meinungsfreiheit (Frick, 2023; Tappe, 2022) und somit auch den schulischen Bildungsauftrag. Denn: In Deutschland sind Schulen per Gesetz verpflichtet, Schüler im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland, 2023). Über die Rekonstruktion der Frage, inwieweit Lehrkräfte im schulischen Umfeld das Phänomen der cancel culture wahrnehmen, stellen wir eine Theorie auf, die anschlussfähig ist für Demokratieerziehung und weiterführende Forschung.

Die Auswertung ist momentan vorangeschritten. Zur GEBF wird die Studie abgeschlossen sein.



Paper Session

„Wenn die Welt Fieber hat, haben wir auch Fieber!“ – Grundschulkinder diskutieren über den Klimawandel

Sarah Désirée Lange2, Lisa Gutschik1

1Universität Bamberg; 2Technische Universität Chemnitz

Kinder verfügen über vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse der globalisierten Welt. Dabei haben sie individuelle Interessen und Überzeugungen, die zwischen Zukunftsfreude und Resignation oszillieren und ihre Vorstellungen beeinflussen. Diese Vorstellungen zu kennen, ist für die Gestaltung von Unterricht bedeutsam, um dem grundschuldidaktischen Prinzip des Lebensweltbezugs nachzukommen und um Kinder dabei zu unterstützen, ihre Vorstellungen zu validieren, zu überarbeiten und zu erweitern (vgl. Adamina et al., 2018).

Die querschnittliche Verankerung der ‚Bildung für Nachhaltige Entwicklung‘ zählt zu den übergreifenden Erziehungs- und Bildungszielen der Grundschule. Im Sinne der Gestaltungskompetenzen nach Bormann und de Haan (2008) sollen Kinder befähigt werden, die Umwelt aktiv und nachhaltig zu prägen. Dabei sollte bedacht werden, dass Kinder über Wissen über Umweltbelange verfügen und sich mit Klimabewegungen, sowie Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen (BMUV, 2022). Demzufolge muss Grundschulkindern, die Möglichkeiten gegeben werden, sich forschend mit der Welt auseinanderzusetzen und selbsttätig Gestaltungskompetenzen zu erlernen, die z.B. Umbrüche im ökologischen Bereich möglich machen (Stoltenberg, 2008).

Die vorhandenen Studien zeigen, dass Umwelt- und Tierschutz zu Themen gehören, die Kinder interessieren (Melchert, 2014; Lüschen, 2015). Wie sich ihre Sicht zu Nachhaltigkeitsthemen und zum Klimawandel beschreiben lässt, bleibt dabei aber weitgehend unbeleuchtet. Gaubitz (2018) zeigt, dass Kinder ökologische Wertorientierungen aufzeigen und auch in der ‚Göttinger Kinderdemokratie‘-Studie (Blöcker & Redlich, 2021) machen Kinderzeichnungen das Selbstverständnis, mit dem Grundschulkinder sich mit Umwelt- und Klimaproblemen auseinandersetzen deutlich.

Mit der X-Studie (X), wird untersucht, welche Vorstellungen Grundschulkinder zum Klimawandel haben. Hierzu wurden fünfzehn Gruppendiskussionen mit Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren durchgeführt und inhaltsanalytisch mit induktiv-deduktiver Kategorienbildung (Mayring, 2022) ausgewertet. Die Kindergespräche wurden mit zwei Impulsen strukturiert. Der Eingangsimpuls umfasste einen Videoausschnitt, einer ‚Fridays for Future‘-Demonstration, welcher im Verlauf der Diskussion durch visuelle Bildimpulse ergänzt wurde.

Die Ergebnisse zeigen, wie dieses gesellschaftlich und wissenschaftlich präsente Thema – welches von Cross & Congreve (2021) als „super wicked problem“ bezeichnet wird – die Lebenswelt von Grundschulkindern prägt. Die Auswertungen präsentieren breit gefächerte Vorstellungen, welche sich in vier zentrale Bereiche konzentrieren:

(1) Kennzeichen des Klimawandels (z.B. CO2-Ausstoß & Treibhauseffekt; Erderwärmung; Menschliches Handeln als (Teil-)Ursache des Klimawandels: „Und für den Klimawandel können wir Menschen auch sehr viel.“; GD Giraffe, Z. 72-72);

(2) Folgen des Klimawandels (Folgen für Tiere; Folgen für Menschen; Folgen für Natur und Umwelt („Und immer wenn der Klimawandel schlimmer wird regnet es lange Zeit nicht und dann regnet es einmal so stark dass alles vollschwemmt wird“; GD Jaguar, Z.246-248).

(3) Umgang mit Folgen des Klimawandels (verändertes Verhalten bezüglich der Energieversorgung; verändertes Verhalten im Hinblick auf Mobilität; Umgang mit Müll („Und vielleicht in ein paar Jahren, wenn man dann im Meer schwimmen will, dann schwimmt man halt im Müll“; GD Adler, Z. 312-313).

(4) Perspektiven auf die eigene Zukunft und die von nachfolgenden Generationen. (Perspektivlosigkeit und Resignation; Auseinandersetzung mit der Bedrohung durch Krieg („ja, weil es ist ja auch so, wenn man, wir haben halt nur die Erde halt, was er auch gesagt hat, aber wenn wir die jetzt vollkommen verschmutzen, dann haben wir die ja gar nicht mehr. Also dann bringt es ja eigentlich gar nichts mehr, dass wir auf der Erde leben.“; GD Adler, 16-18.).

Die Ergebnisse werden auch forschungsethisch und methodisch reflektiert: Zum einen dahingehend wie Kindervorstellungen anhand des Gruppendiskussionsverfahrens erfasst und analysiert werden können und zum anderen, wie mit dem Grundsatz umgegangen werden kann, dass Kinder als kompetente Gesellschaftsmitglieder anzusehen sind (vgl. Heinzel, 2000).

Die bedeutende Rolle von Nachhaltigkeitsthemen im Lebensbereich von Grundschulkindern, die mit den vorliegenden Ergebnissen untermauert wird, weist auf die Brisanz und Aktualität einer notwendigen grundschulpädagogischen Auseinandersetzung hin (vgl. Luschin-Ebengreuth & Feyta, 2020; Wulfmeyer, 2020).



 
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