Symposium
Exekutive Funktionen und selbstreguliertes Lernen im Vor- und späten Grundschulalter (DFG-Netzwerk SeReNe)
Chair(s): Lena Grüneisen (Universität des Saarlandes), Christina David (Universität des Saarlandes), Sophia Grobe (RPTU Kaiserslautern-Landau), Maria Theobald (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, IDeA (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk))
Discussant(s): Charlotte Dignath (TU Dortmund)
Mit dem Wechsel der Bildungseinrichtung, z.B. vom Kindergarten in die Grundschule oder von der Grund- in die weiterführende Schule, sind Kinder mit gesteigerten Anforderungen an ihr zielgerichtetes Verhalten konfrontiert (Obergriesser & Stoeger, 2016). Um diese Anforderungen meistern zu können, sind die Lernenden auf ihre Fähigkeiten in den exekutiven Funktionen (EF) und im selbstregulierten Lernen (SRL) angewiesen (z.B. Cortés Pascual et al., 2019; Dent & Koenka, 2016). EF werden als domänenunspezifische Prozesse zur zielgerichteten Überwachung und Kontrolle des eigenen Denkens und Handelns definiert (Miyake et al., 2000). SRL ist hingegen spezifisch im Kontext des Lernens von Bedeutung; es umfasst eigengesteuerte Kognitionen, Emotionen und Handlungen zur Erreichung selbstgesetzter Lernziele (Zimmerman, 2000). Beide Konstrukte beinhalten also Prozesse der zielgerichteten Planung und Kontrolle von Kognitionen und Verhalten. Entsprechend lassen sich auch empirische Zusammenhänge zwischen ihnen feststellen (z.B. Davis et al., 2021). Sowohl EF als auch SRL liefern einen Beitrag zur Vorhersage akademischer Ergebnisse über Intelligenz hinaus (z.B. Latzman et al., 2010; Zuffianò et al., 2013).
Es ist folglich wichtig, diese Fähigkeiten in Altersgruppen, die sich in akademischen Übergangsphasen befinden, tiefergehend zu erforschen, um den Aufbau sowie die Entwicklung der Fähigkeiten in diesem Zeitraum besser nachvollziehen zu können. Weiterhin sind Studien zum Zusammenhang zwischen EF und SRL sowie zu ihrer Relation zu anderen für den akademischen Erfolg wichtigen Kompetenzen wünschenswert. Ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge ermöglicht beispielsweise die Ableitung von Interventionskonzepten mit möglichen Transfereffekten, die den Übergang von einer Bildungseinrichtung in die nächste erleichtern. Zusammengefasst adressiert das Symposium zwei übergeordnete Fragestellungen:
(1) Wie lässt sich die Faktorenstruktur von EF und SRL im Vor- und Grundschulalter beschreiben?
(2) Wie hängen EF und SRL bei Vor- und Grundschulkindern zusammen?
Die ersten beiden Beiträge fokussieren dabei die erste oben genannte Fragestellung: Der erste Beitrag thematisiert die faktorielle Struktur von EF sowie den Zusammenhang der EF mit Intelligenz bei Vor- und Grundschulkindern. Die Autorinnen fanden Evidenz für eine einfaktorielle EF-Struktur in beiden untersuchten Kohorten. Außerdem zeigten sich in beiden Stichproben bedeutsame Zusammenhänge zu Intelligenz. Der zweite Beitrag beschäftigt sich mit der faktoriellen Struktur von SRL in den beiden Zielgruppen. Die vorläufigen Ergebnisse der Studie geben erste Hinweise auf eine einfaktorielle SRL-Struktur sowohl im Vorschulalter als auch im späten Grundschulalter. Beiträge drei und vier widmen sich der zweiten oben formulierten Fragestellung: Der dritte Beitrag fokussiert den Zusammenhang zwischen heißen, in motivationalen Situationen wichtigen EF (Zelazo & Carlson, 2012) und SRL im Vorschulalter sowie ihr Zusammenspiel bei der Vorhersage akademischer Kompetenz. Die Autorinnen fanden, dass SRL als Mediator zwischen heißen EF und akademischer Kompetenz agiert. Der vierte Beitrag beinhaltet eine derzeit laufende Studie zum Zusammenhang des Arbeitsgedächtnisses (AG) als EF-Komponente (Miyake et al., 2000) mit der Lernzielsetzung sowie der Zielerreichungsüberwachung als SRL-Prozesse (Zimmerman, 2000) bei Grundschulkindern. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge geht eine höhere AG-Kapazität mit realistischerer Zielsetzung und einer genaueren Zielerreichungsüberwachung einher. Abschließend werden die vier Beiträge integrierend diskutiert.
Zusammenfassend leistet das Symposium einen Beitrag zum besseren Verständnis von EF und SRL als für den Bildungserfolg hochbedeutsame Kompetenzen. Es liefert Hinweise sowohl auf ihre faktorielle Struktur als auch auf ihre Beziehung miteinander sowie mit anderen Fähigkeiten. Dabei werden unterschiedliche Altersgruppen in den Blick genommen, die sich in akademischen Übergangsphasen befinden und deren EF- und SRL-Kompetenzen hierdurch besonders gefordert sind.
Presentations of the Symposium
Die faktorielle Struktur von Exekutiven Funktionen im Vor- und Grundschulalter und Zusammenhänge mit Intelligenz
Sophia Grobe1, Tanja Könen1, Christina David2, Lena Grüneisen2, Laura Dörrenbächer-Ulrich2, Franziska Perels2, Julia Karbach1 1RPTU Kaiserslautern-Landau, 2Universität des Saarlandes
In der psychologischen Forschung sind Exekutive Funktionen (EF) aufgrund ihrer Relevanz für verschiedene Entwicklungsbereiche, etwa akademische Kompetenzen, von ungebrochenem Interesse (Best et al., 2011). Unter EF werden mentale Prozesse zur zielgerichteten Steuerung und Kontrolle von Kognitionen und Verhalten subsumiert (Friedman & Miyake, 2017; Karbach & Unger, 2014). Miyake et al. (2000) postulieren drei distinkte, aber korrelierte EF-Komponenten: Das Arbeitsgedächtnis, die Fähigkeit zur Inhibition und kognitive Flexibilität. Im Kindesalter liegen kontroverse Befunde im Hinblick auf die Struktur von EF vor. Studien mit Vorschulkindern legen überwiegend eine einfaktorielle (z.B. Wiebe et al., 2008), seltener auch eine zweifaktorielle Struktur des Konstrukts nahe (z.B. Usai et al., 2014). Im Grundschulalter liegen Hinweise auf eine ein-, zwei- und dreifaktorielle Struktur von EF vor (z.B. Lee et al., 2012; Lehto et al., 2003; Xu et al., 2013). Überdies konnten altersbedingte Unterschiede im Zusammenhang von EF mit anderen kognitiven Konstrukten, etwa fluider Intelligenz, gefunden werden. Empirische Studien deuten auf eine starke Überlappung im frühen Kindesalter hin (z.B. Nelson et al., 2016), während sich in der späten Kindheit differenzielle Beziehungen zeigen (z.B. Duan et al., 2010).
Vor dem Hintergrund dieser heterogenen Befunde wurde eine vergleichende Analyse der Struktur von EF und Beziehungen des Konstrukts mit fluider Intelligenz in zwei Altersgruppen durchgeführt. 177 Vorschulkinder (MAlter = 5.9 Jahre, SDAlter = 0.39, RangeAlter = 5.0 - 6.75 Jahre, 49.4 % weiblich) und 135 Grundschulkinder (MAlter = 9.9 Jahre, SDAlter = 0.51, RangeAlter = 8.8 – 11.8 Jahre, 48.8 % weiblich) nahmen an der Erhebung teil. Zur Erfassung von EF wurden für jede Komponente zwei behaviorale Aufgaben verwendet (Arbeitsgedächtnis: eine verbale und eine visuell-räumliche Spannenaufgabe; Inhibition: Go/No-Go-Aufgabe und eine AX – Continuous Performance Task; Flexibilität: Wisconsin Card Sorting Tests und der Flexible Item Selection Task). Fluide Intelligenz wurde mit dem Subtest „Muster ergänzen“ aus der K-ABC-II erhoben.
Konfirmatorische Faktorenanalysen zeigten, dass jeweils ein einfaktorielles Modell, in welchem alle sechs Indikatoren der EF-Aufgaben auf einen gemeinsamen Faktor laden, die Variabilität in der Performanz in der Vorschulkohorte (N = 145, χ2(df = 9) = 10.43, p = .32, CFI = .98, RMSEA = .03, SRMR = .04) und auch in der Grundschulkohorte (N = 109, χ2(df = 8) = 8.55, p = .38, CFI = .98, RMSEA = .03, SRMR = .04) am besten repräsentierte. Im multiplen Gruppenvergleich zeigte ein konfirmatorisches Faktorenmodell mit metrischer Messinvarianz (Δχ2(df = 5) = 10.08, p = .07), dass zwischen dem latenten EF-Faktor und fluider Intelligenz äquivalente Beziehungen in den beiden Altersgruppen bestehen (N = 254, χ2(df = 31) = 37.56, p = .19, CFI = .97, RMSEA = .04, SRMR = .06). Die Stärke des Zusammenhangs war hoch in der Altersgruppe der Vorschulkinder (r = .69) und Grundschulkinder (r =. 65).
Der Befund zur Struktur von EF steht in der Vorschulkohorte in Einklang mit zahlreichen Befunden in dieser Altersgruppe (z.B. Wiebe et al., 2008). Der Befund zur Grundschulkohorte deutet darauf hin, dass eine Differenzierung in mehrere EF-Komponenten erst nach dem Grundschulalter erfolgt (z.B. Xu et al., 2013). Konträre Vorbefunde einer mehrfaktoriellen Struktur im Vor- und Grundschulalter sind vor allem vor dem Hintergrund unterschiedlicher methodischer Ansätze zu erklären, welche insbesondere die Auswahl der Messinstrumente und Indikatoren sowie Stichprobencharakteristika betreffen (Bardikoff & Sabbagh, 2017). Die Untersuchung von Stichproben mit großen Altersunterschieden hat in vergangenen Studien möglicherweise dazu geführt, dass sparsamere Faktorenmodelle nicht angenommen wurden (z.B. Lehto et al., 2003). Der Zusammenhang zwischen EF und Intelligenz war stabil über verschiedene Altersgruppen hinweg, was die Bedeutung von EF im Kindesalter aufzeigt.
Analyse der faktoriellen Struktur selbstregulierten Lernens im Vor- und Grundschulalter
Christina David1, Lena Grüneisen1, Sophia Grobe2, Laura Dörrenbächer-Ulrich1, Julia Karbach2, Franziska Perels1 1Universität des Saarlandes, 2RPTU Kaiserslautern-Landau
Selbstreguliertes Lernen (SRL) kann definiert werden als „aktiver, konstruktiver Prozess, bei dem sich die Lernende Ziele für ihr Lernen setzen und dann versuchen, ihre Wahrnehmung, ihre Motivation und ihr Verhalten zu überwachen, zu regulieren und zu kontrollieren“ (Pintrich, 2000, S. 453). In Übereinstimmung mit dieser Definition, sind sich die meisten Autor:innen einig, dass sich SRL aus drei Komponenten (Kognition, Metakognition und Motivation) zusammensetzt (Perels et al., 2020). Obwohl diese allgemeine Annahme besteht, gibt es vor allem im Vor- und Grundschulalter nur wenig empirische Evidenz zur faktoriellen Struktur SRLs.
Vorschulkinder zeigen bereits erste selbstregulative Fähigkeiten (z.B. Bronson, 2000; Neitzel & Connor, 2018). So können sie z.B. in Ansätzen ihr Verhalten planen, ihren Fortschritt bei der Aufgabenbearbeitung beobachten und Strategien zur Problemlösung nutzen. Empirisch gibt es erste Hinweise dafür, dass eine Differenzierung SRLs in die drei Komponenten Kognition, Metakognition und Motivation allerdings noch nicht möglich ist (Dörr & Perels, 2018). Da sich metakognitive Bewusstheit und auch die deklarative Metakognition besonders im Grundschulalter entwickeln (Bronson, 2000; Schneider & Lockl, 2008), wäre im Vorschulalter auch eine zwei-faktorielle Struktur, bestehend aus einer (meta-)kognitiven und einer motivationalen Komponente, nicht auszuschließen ist.
In der Grundschulzeit erlangen die Kinder die Fähigkeit zur bewussten Kontrolle von Aufmerksamkeit, Planung und Strategienutzung (Bronson, 2000). Zudem hängt die Entwicklung von Wissen, Strategienutzung und Sprachfertigkeiten mit der Entwicklung von SRL zusammen (Wigfield et al., 2011). Studien in diesem Kontext geben erste Hinweise darauf, dass eine Konzeptualisierung von SRL als Konstrukt mit mehreren Komponenten und auch Phasen möglich ist (z.B. Benick et al., 2018; Ferreira et al. 2015; Ferreira et al., 2022). Die systematische Überprüfung einer dreifaktoriellen Struktur SRLs mit den Komponenten Kognition, Metakognition und Motivation stellt jedoch noch eine Forschungslücke dar.
Um die empirische Befundlage zu erweitern, ist es das Ziel der Studie, die faktorielle Struktur von SRL im Vor- und Grundschulalter querschnittlich zu untersuchen. Dabei wird im Vorschulalter eine einfaktorielle Struktur erwartet, wohingegen in der Grundschulkohorte eine drei-faktorielle Struktur SRLs mit den Komponenten Kognition, Metakognition und Motivation angenommen wird.
In der derzeit laufenden Studie wird SRL bei Vor- und Grundschulkindern mittels einer adaptierten Version eines SRL-Strategiewissenstests für Studierende (Dörrenbächer-Ulrich et al., 2021) gemessen, bei dem die Nützlichkeit hilfreicher und nicht hilfreicher Strategien für ein bestimmtes Szenario bewertet werden muss. Die Szenarien stellen dabei Problemsituationen dar, deren Lösungsstrategien, laut eines Expertenratings, einer der drei Komponenten (Kognition, Metakognition und Motivation) zugeordnet werden können. In der vorläufigen Stichprobe von n = 153 Vorschulkindern (MAlter = 71.0 M., SDAlter = 4.53 M., 50.98 % weiblich) und n = 97 Grundschulkindern (MAlter = 118.7 M., SDAlter = 5.86 M., 51.55 % weiblich), weisen die auf den Komponenten basierenden Subskalen akzeptabel Reliabilitäten auf (Cronbach’s α = .65 - .78).
Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden in den beiden Kohorten konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt und auf Basis ihrer Modell-Fits verglichen: Sowohl in der Vorschul- als auch in der Grundschulkohorte wird ein Modell mit einem latenten SRL-Faktor und den Werten aller Szenarien als Indikatoren, mit einem Modell mit drei latenten Faktoren (Kognition, Metakognition und Motivation), die durch die Werte der korrespondierenden Szenarien indiziert werden, verglichen. Zudem wird in der Vorschulkohorte die Modellpassung eines Modells mit zwei latenten Faktoren erster Ordnung ((Meta-)Kognition und Motivation), welche durch die Paarvergleichswerte der korrespondierenden Szenarien indiziert werden, mit den beiden bereits genannten Modellen verglichen.
Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf eine einfaktorielle Struktur SRLs im Vorschulalter (χ2 = 39.21, df = 42, p = .594, CFI = 1.00, RMSEA = .00, SRMR = .04) als auch im Grundschulalter (χ2 = 41.77, df = 42, p = .481, CFI = 1.00, RMSEA = .00, SRMR = .06) hin. Mögliche Erklärungsansätze für diese Ergebnisse werden diskutiert.
Zusammenhänge zwischen vorschulischen heißen exekutiven Funktionen, selbstreguliertem Lernen und akademischer Kompetenz
Lena Grüneisen, Laura Dörrenbächer-Ulrich, Franziska Perels Universität des Saarlandes
Während mit dem Begriff exekutive Funktionen (EF) allgemeine Prozesse der zielorientierten Kognitions- und Verhaltenssteuerung beschrieben werden (Karbach & Unger, 2014), bezeichnet das Konstrukt des selbstregulierten Lernens eigengesteuerte Prozesse zur zielgerichteten Gedanken-, Verhaltens- und Motivationsregulierung im Lernkontext (Zimmerman & Schunk, 2011). Bereits aus den Definitionen wird die konzeptuelle Überschneidung der beiden Konstrukte deutlich. Auch empirisch konnten Zusammenhänge zwischen EF und SRL gefunden werden (z.B. Garner, 2009). Da sich in beiden Kompetenzen bedeutsame Entwicklungsschritte im Vorschulalter zeigen (z.B. Bronson, 2000; Carlson et al., 2005), stellt sich die Frage, welche Fähigkeit als Vorläuferkompetenz der anderen angesehen werden kann. Erste theoretische und empirische Arbeiten hierzu (Bailey & Jones, 2019; Davis et al., 2021) legen nahe, dass EF die Entwicklungsgrundlage für SRL darstellen. Da beide Konstrukte bedeutsam zur Vorhersage akademischer Kompetenzen beitragen (z.B. Cortés Pascual et al., 2019; Dent & Koenka, 2016), soll mit der vorliegenden Arbeit einerseits überprüft werden, ob sich die berichteten Vorhersagebefunde zwischen EF, SRL und akademischer Kompetenz replizieren lassen. Andererseits soll untersucht werden, ob SRL den Zusammenhang zwischen EF und akademischer Kompetenz mediiert. Evidenz für die angenommene Mediation konnte in ersten Studien gefunden werden, die mit Grundschulkindern durchgeführt wurden (Neuenschwander et al., 2012; Rutherford et al., 2018). Dabei wurden allerdings kühle EF, die in affektiv neutralen Situationen von Bedeutung sind (Zelazo & Carlson, 2012), als Prädiktoren in die Vorhersagemodelle aufgenommen. Das Lernen in der (Vor-)Schule findet jedoch auch in einem emotional-motivationalen Kontext statt – Kinder erwarten bspw. Lob von Erziehungs- und Lehrkräften für ihre Lernleistung. Deshalb zielt die vorliegende Studie darauf ab, die Gültigkeit des Modells in einer Vorschulkohorte und bei Annahme heißer EF, die in emotional-motivational angereicherten Situationen wichtig sind (Zelazo & Carlson, 2012), als Prädiktoren zu prüfen.
Hierfür wurden n = 77 Vorschulkinder (MAlter = 71.61 Monate, SD = 4.13; 51.9% Mädchen) multimethodal erhoben. Heiße EF wurden dabei über zwei Maße der Geschenkaufgabe (Kochanska et al., 2000) erfasst. Zur Messung von SRL wurde eine Überarbeitung des SRL-Strategiewissenstests von Jacob et al. (2019) sowie ein Elternrating mittels COMPSCALE (Lange et al., 1989) genutzt. Die akademische Kompetenz wurde durch eine Adaptation des Tests Logisch-Mathematisches Denken der IDS-2 (Grob & Hagmann-von Arx, 2018) sowie eine selbst konstruierte Elternrating-Kurzskala zum erwarteten Schulerfolg gemessen. Die beiden Maße für je ein Konstrukt wurden z-standardisiert und dann zusammengefasst, indem der Mittelwert aus beiden z-Werten gebildet wurde. Somit lag für die Datenanalysen ein Wert pro Konstrukt vor.
Die Datenanalysen zeigten eine teilweise Übereinstimmung mit den oben genannten Hypothesen: Die Ergebnisse sprechen für SRL als Prädiktor für akademische Kompetenz sowie für heiße EF als Prädiktoren für SRL, jedoch nicht für heiße EF als Prädiktoren für akademische Kompetenz. Trotz dieses fehlenden direkten Effekts von heißen EF auf akademische Kompetenz fanden wir einen signifikanten indirekten Effekt von heißen EF auf akademische Kompetenz via SRL. SRL kann folglich bei Vorschulkindern als Mediator zwischen heißen EF und akademischer Kompetenz angenommen werden. Die Tatsache, dass ein indirekter Effekt gefunden wurde, legt nahe, dass es auch einen direkten Effekt von heißen EF auf akademische Kompetenz gibt, der jedoch unterpowert getestet wurde (Rucker et al., 2011). Dies könnte möglichweise durch Deckeneffekte bedingt sein, die sowohl für die beiden Maße heißer exekutiver Funktionen als auch für das Elternrating zum erwarteten Schulerfolg gefunden wurden. Künftige Forschung zu den Zusammenhängen zwischen heißen EF, SRL und akademischer Kompetenz sollte daher Maße für heiße EF und akademische Kompetenz einbeziehen, die ausreichend Varianz erzeugen und somit auch die Aufdeckung direkter Zusammenhänge ermöglichen.
Die Rolle des Arbeitsgedächtnisses für die Überwachung der Zielerreichung und das Setzen realistischer Ziele beim Lernen
Maria Theobald DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, IDeA (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk)
Eine wichtige Fähigkeit beim selbstregulierten Lernen ist das Setzen von Zielen und die regelmäßige Überprüfung ihrer Erreichung (Zimmerman, 2000). Eine akkurate Einschätzung, ob ein Ziel erreicht oder verfehlt wurde, ist von entscheidender Bedeutung, da es den Lernenden ermöglicht, sich realistische Ziele zu setzen. Wenn ein Ziel beispielsweise nicht erreicht wurde, kann es anschließend so angepasst werden, dass es dem eigenen Leistungsniveau entspricht (Theobald et al., 2021). Besonders bei jüngeren Kindern kommt es jedoch häufig zu einer Überschätzung der eigenen Leistungen (z. B. Finn & Metcalfe, 2014). Hierdurch kann eine unzutreffende Einschätzung der Zielerreichung und eine unrealistische Zielsetzung entstehen.
Eine akkurate Selbsteinschätzung erfordert einen Abgleich zwischen dem Ziel und der tatsächlichen Leistung. Diese Fähigkeit kann von individuellen Unterschieden in der Arbeitsgedächtniskapazität abhängen (Roebers, 2017). Die Arbeitsgedächtniskapazität beschreibt die Fähigkeit, Informationen im Kopf zu behalten und zu verarbeiten (Diamond, 2013). Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass eine hohe Arbeitsgedächtniskapazität mit allgemein besseren metakognitiven Fähigkeiten einhergeht (z. B. Bryce et al., 2015), wurde der Zusammenhang zwischen Arbeitsgedächtniskapazität und der akkuraten Einschätzung der Zielerreichung noch nicht untersucht. Es ist zudem unklar, ob Kinder mit höherer Arbeitsgedächtniskapazität eher in der Lage sind, sich realistischere Ziele zu setzen, also Ziele, die ihrem eigenen Leistungsniveau entsprechen. Ausgehend von der bisherigen Forschung werden daher folgende Hypothesen geprüft:
H1: Eine höhere Arbeitsgedächtniskapazität sagt eine akkuratere Einschätzung der Zielerreichung vorher.
H2: Eine höhere Arbeitsgedächtniskapazität sagt eine realistischere Zielsetzung vorher.
Zudem wird im Rahmen der experimentellen Studie eine explorative Hypothese geprüft. Diese umfasst die Frage, ob Feedback zur eigenen Leistung (vs. kein Feedback), insbesondere Kindern mit niedrigen Arbeitsgedächtniskapazitäten zu einer akkurateren Selbsteinschätzung und realistischeren Zielsetzung verhilft.
Die präregistrierten Hypothesen werden im Rahmen einer laufenden Studie mit Grundschulkindern getestet (aktuell: N = 80, Alter: M = 10.31 Jahre, SD = .88). Bis zur Konferenz wird die vorgesehene Stichprobengröße von 112 Kindern erreicht. Die Studie besteht aus 6 Blöcken, die alle gleich aufgebaut sind. Vor jedem Block setzen sich die Kinder ein Ziel, wie viele Multiple-Choice-Quizfragen sie korrekt lösen möchten (max. 15 Fragen pro Block aus den Bereichen Deutsch, Mathematik und Allgemeinwissen). Anschließend beantworten die Kinder die Multiple-Choice-Quizfragen in einem Zeitraum von 2 Minuten. Sie schätzen nach jedem Block, wie viele Fragen sie richtig beantwortet haben. Anschließend bekommen sie abhängig von den Experimentbedingungen Feedback oder kein Feedback zu ihrer Leistung. Die Akkuratheit der Einschätzung wird durch die Differenz zwischen der Selbsteinschätzung und der tatsächlichen Leistung operationalisiert (geringere Differenzen implizieren eine akkuratere Selbsteinschätzung). Eine realistische Zielsetzung wird durch die Differenz zwischen Ziel und tatsächlicher Leistung operationalisiert (betragsmäßig kleinere Abweichungen implizieren eine realistischere Zielsetzung). Nach der Haupttestung bearbeiten die Kinder eine numerische Arbeitsgedächtnisaufgabe (vgl. Dirk & Schmiedek, 2016) zur Erfassung der Arbeitsgedächtniskapazität.
Die Daten wurden mehrebenenanalytisch ausgewertet. Kinder mit höherer Arbeitsgedächtniskapazität schätzen ihre Zielerreichung akkurater ein (geringere Differenz zwischen selbst eingeschätzter und tatsächlicher Leistung, ß = .22, 95%CI[.03, .41], p = .030). Kinder mit höherer Arbeitsgedächtniskapazität sind zudem besser darin, sich Ziele zu setzen, die sie auch erreichen können (geringere Differenz zwischen Ziel und tatsächlicher Leistung, ß = .25, 95%CI[.05, .46], p = .018). Bezüglich der explorativen Forschungsfrage zeigt sich ein Trend in die erwartete Richtung. Kinder mit geringerer Arbeitsgedächtniskapazität scheinen in Bezug auf die Einschätzung der Zielerreichung (ß = -.16, 95%CI[-.34, .01], p = .068) sowie das Setzen realistischer Ziele (ß = -.14, 95%CI[-.34, .06], p = .175) stärker von Feedback zu profitieren. Die Analysen werden bis zur Konferenz mit der vollständigen Stichprobe wiederholt.
Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die präregistrierten Hypothesen. Die Ergebnisse der Studie können dazu genutzt werden, Kinder mit niedrigerer Arbeitsgedächtniskapazität gezielt in ihrer Selbsteinschätzung zu unterstützen, um ihre Fähigkeit zur Selbstregulation zu fördern (möglicherweise indem ihnen Feedback zur eigenen Leistung gegeben wird).
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