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Session Overview
Session
5-09: Prozessqualität im naturwissenschaftlichen Unterricht der Grundschule: Effekte von Diagnose- und Unterstützungsstrategien auf Konzeptlernen, Interesse und selbstbezogene Kognitionen
Time:
Tuesday, 19/Mar/2024:
1:10pm - 2:50pm

Location: S17

Seminarraum, 70 TN

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Presentations
Symposium

Prozessqualität im naturwissenschaftlichen Unterricht der Grundschule: Effekte von Diagnose- und Unterstützungsstrategien auf Konzeptlernen, Interesse und selbstbezogene Kognitionen

Chair(s): Henrik Saalbach (Universität Leipzig, Deutschland), Kim Lange-Schubert (Universität Leipzig, Deutschland)

Discussant(s): Peter Edelsbrunner (ETH Zürich)

Die Interaktion von Lehrer:innen und Schüler:innen im Unterricht gilt als wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung des Konzeptverständnisses, der Motivation sowie des Selbstkonzeptes von Schüler:innen (Wubbels & Brekelmans, 2005; Hollo & Wheby, 2017). Im Sinne eines ko-konstruktiven Unterrichts sind Schüler:innen aktiv am Verständnisaufbau beteiligt und konstruieren Verständnis immer auch im Austausch und mit Hilfestellungen von Lehrer:innen (vgl. Fthenakis, 2009; Wygotski, 1987). Diese Hilfestellungen können zum Beispiel in Form von Scaffolding stattfinden, indem die Lehrperson ein Lerngerüst bereitstellt, das die Konzeptentwicklung der Lernenden ermöglicht (vgl. Wood et al., 1976). Gleichzeitig soll das Unterrichtsangebot möglichst so gestaltet werden, dass neben dem Lernfortschritt und dem Konzeptaufbau auch selbstbezogene Kognitionen, wie Selbstkonzept und empfundene Kompetenz sowie Interesse, gefördert werden können (vgl. bspw. Reusser & Pauli, 2010). Wie Lehrer:innen ihren Unterricht gestalten, hängt demnach maßgeblich mit der kognitiven und motivationalen Entwicklung von Schüler:innen zusammen (vgl. Decristan et al., 2020, 2023; Gardner, 2019; Schnitzler et al., 2021; van der Veen & van Oers, 2017). Dabei kann insbesondere der Einsatz von adaptiven Unterstützungsstrategien zur Steigerung der Prozessqualität führen (vgl. bspw. van de Pol et al., 2010). Zu diesen Strategien gehören sowohl Formen der Aktivierung, wie das Einfordern von Erklärungen, die Anregung zur Hypothesenbildung, die Vorwissensaktivierung, als auch Formen der Strukturierung, wie Sequenzierung, das Wiederholen, Zusammenfassen und Herausstellen von Schüler:innenäußerungen (vgl. Kleickmann et al., 2010). Um die Passung zwischen Unterstützungsstrategie und Lernstand der Schüler:innen sicherzustellen, sind Diagnosestrategien unerlässlich (vgl. Bell & Cowie, 2001; Black & Wiliam, 1998; Brühwiler & Vogt, 2020).

In diesem Symposium untersuchen wir die Prozessqualität in naturwissenschaftlichen Lehr-Lern-Kontexten der Grundschule. Das gemeinsame Ziel der Studien ist es, einen tieferen Einblick in Bildungsprozesse zu gewinnen. Die Beiträge fokussieren dabei sowohl auf Diagnosestrategien als auch auf Unterstützungsstrategien und stellen dar, welchen Effekt diese Strategien auf die konzeptuelle sowie motivationale Entwicklung von Schüler:innen haben. Während sich empirische Untersuchungen zu Interaktionsqualität bisher häufig auf Kleingruppen oder tutorielle Situationen beschränken, beleuchten die Beiträge in diesem Symposium den Klassenunterricht und tragen dadurch zu einer Erweiterung des Forschungsstandes bei. Zur Erfassung der Strategien wurden Video- und Transkriptanalysen von naturwissenschaftlichem Unterricht eingesetzt.

Der erste Beitrag fokussiert die Entwicklung selbstbezogener Kognition und Interesse. Die Studie geht der Frage nach wie Unterstützungsstrategien, im Sinne des Scaffoldings und Revoicings, auf die empfundene Kompetenz, die Selbstwirksamkeit, das Fähigkeitsselbstkonzept und das Interesse wirken. Hierfür wurden Fragebögen und Videoaufnahmen analysiert. Der zweite Beitrag beschäftigt sich ebenso mit dem Einsatz von Unterstützungsstrategien, die mittels Videokodierung erfasst wurden. Diese Studie beleuchtet die kognitive Entwicklung von Schüler:innen und geht der Frage nach, wie Unterstützungsstrategien den Konzeptwandel von Schüler:innen unterstützen kann. Dabei werden differentielle Effekte dieser Unterstützungsstrategien bei unterschiedlichen Lernausgangslagen der Schüler:innen aufgezeigt. Der dritte Beitrag zeigt die Bedeutung von adaptiver Gesprächsführung und deren Einzelindikatoren für das Lernen von Schüler:innen auf. Die Grundlage hierfür bilden die Analyse von Transkripten und Leistungstests.

Die Implikationen der Ergebnisse aller Beiträge für die pädagogische Praxis werden vorgestellt und diskutiert.

 

Presentations of the Symposium

 

Der Einfluss verbaler Unterstützungsstrategien auf den Konzeptwandel von Schüler:innen – eine latente Profiltransitionsanalyse

Annika Herrmann, Anika Bürgermeister, Cornelia Schulze, Kim Lange-Schubert, Henrik Saalbach
Universität Leipzig

Die Gestaltung des Unterrichtsgesprächs durch die Lehrperson beeinflusst Unterrichtsbeteiligung und Lernerfolg von Schüler:innen (Bürgermeister et al., 2019; Decristan et al., 2020, 2023; Gardner, 2019; Schnitzler et al., 2021; van der Veen & van Oers, 2017). Besonders der ko-konstruktive Diskurs, der sich durch Nutzung von Scaffolding- und Revoicing-Techniken auszeichnet, zeigte sich dabei als effektiv (e.g., Hardy et al., 2006; Herrmann et al., 2021; Ing et al., 2015; O’Connor et al., 2017; O’Connor & Michaels, 1993; Pauli, 2010; van de Pol et al., 2010).

Weniger Studien beschäftigten sich bislang jedoch mit den Auswirkungen des ko-konstruktiven Unterrichtsgesprächs auf selbstbezogene Kognitionen (wie Selbstwirksamkeit, Fähigkeitsselbstkonzept, empfundene Kompetenz) und Interesse der Schüler:innen. Die bisherigen Forschungsergebnisse dazu zeigen ein gemischtes Bild: Einige Studien finden einen positiven Zusammenhang zwischen einzelnen Scaffolding-Techniken (z.B. Kognitive Aktivierung oder Challenge) und selbstbezogenen Kognitionen sowie dem Interesse von Schüler:innen (Böheim et al., 2021; Jin et al., 2021; Kiemer et al., 2015; Pehmer et al., 2015; Schiepe-Tiska et al., 2016). Andere Studien fanden diesen Zusammenhang jedoch nicht (Henschel et al., 2019; Milles & Jansen, 2021). Allerdings beruhen diese Studien meist auf einer Einschätzung der Unterrichtsgesprächsführung durch (jugendliche) Schüler:innen. Aussagekräftiger erscheint jedoch die direkte Observation der Unterrichtsgespräche mittels Videographie, um die tatsächliche Umsetzung von Scaffolding- und Revoicing-Techniken zu beobachten und zu quantifizieren. Zudem ist es wichtig, die Auswirkungen von Unterrichtsgesprächen auch auf jüngere Altersgruppen zu prüfen, nicht zuletzt, weil selbstbezogene Kognitionen und Interesse substantiellen Einfluss auf das Lernverhalten von Schüler:innen haben (e.g., Eccles & Wigfield, 2020) und als Langzeitprädiktor für die Motivation und Lernerfolg gesehen werden können (Schunk & DiBenedetto, 2021; Schwarzer & Jerusalem, 2002).

Daher fragen wir in der vorliegenden Studie, inwieweit die (objektiv erfasste) Gestaltung des Unterrichtsgespräch die Entwicklung selbstbezogener Kognitionen und Interesse von Schüler:innen in der Grundschule beeinflusst. Dazu haben wir videografierten Unterricht aus der Studie PLUS (e.g., Tröbst et al., 2016) re-analysiert. In dieser Studie wurden vor und nach dem Unterricht selbstbezogene Kognitionen und Interesse von 995 Schüler:innen aus 51 Klassen der Primarstufe erfragt. Die Fragebögen erfassten das Fähigkeitsselbstkonzept, die Selbstwirksamkeit und empfundene Kompetenz sowie das Interesse der Schüler:innen in sechs 4-Punkt Likert-Skalen (Blumberg, 2008; Kauertz et al., 2011). Für die Analyse des Unterrichtsgesprächs haben wir 90 Minuten einer Unterrichtseinheit zum Thema Aggregatzustände des Wassers, welches neu für die Kinder war, kodiert. Das Kodierschema erfasste die Scaffolding-Techniken Clarify, Focus, Activate und Challenge (Studhalter et al., 2021; see also Kleickmann et al., 2010; Mannel et al., 2016) sowie Revoicing-Techniken, bei denen die Lehrperson selbst Äußerungen von Schüler:innen zusammenfasste und elaborierte (Teacher Revoicing) oder diese Aufgabe anderer Schüler:innen übertrug (Student Revoicing, cf. O’Connor et al., 2017; O’Connor & Michaels, 1993).

Die deskriptiven Daten zeigen, dass selbstbezogene Kognitionen sowohl im Prä- als auch im Posttest im mittleren bis hohen Bereich rangieren (alle Ms > 2.6, alle SDs < 0.9). Scaffolding wurde sehr selten eingesetzt, dabei wurden am meisten Challenge-Techniken genutzt (M = .06, SD = .05; Clarify: M = .02, SD = .02; Focus: M = .02, SD = .02; Activate: M = .04, SD = .04; No Scaffolding: M = .61, SD = .12). Am häufigsten wurde Teacher Revoicing angewandt (M = .24, SD = .08), Student Revoicing wurde hingegen selten angeregt (M = .01, SD = .02). In vorläufigen Analysen mit Multilevel-Modellen zeigten sich negative Einflüsse der Scaffolding-Techniken Activate und Challenge auf das Fähigkeitsselbstkonzept und die Selbstwirksamkeit der Schüler:innen, nicht jedoch auf deren Interesse. Wir diskutieren diese Ergebnisse vor dem Hintergrund ähnlicher Ergebnisse in Bezug auf den Lernerfolg (Studhalter et al., 2021) und den kontrastierenden bisherigen Forschungsergebnissen. Maßnahmen, die der kognitiven Aktivierung von Präkonzepten und der Auseinandersetzung mit diesen dienen, scheinen Schüler:innen zunächst zu verunsichern, sind jedoch langfristig für einen Konzeptwandel unerlässlich.

 

Der Einfluss des Unterrichtsgesprächs auf selbstbezogene Kognitionen und Interesse von Schüler:innen

Cornelia Schulze, Annika Herrmann, Kim Lange-Schubert, Henrik Saalbach
Universität Leipzig

Der Aufbau belastbarer Konzepte gehört zu den Zielen des naturwissenschaftlichen Unterrichts (vgl. bspw. Posner et al., 1982). In ihrem Alltag sammeln Schüler:innen Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen Phänomenen und konstruieren Erklärungen für diese. Diese weichen jedoch häufig von wissenschaftlichen Konzepten ab und werden als alternative Vorstellungen bezeichnet (vgl. Driver et al., 1994). Im naturwissenschaftlichen Unterricht wird eine Konzeptveränderung hin zu einem fachlich korrekten Konzept angestrebt (vgl. ebd.). Der Einsatz von strukturierenden und aktivierenden Unterstützungsstrategien kann das Konzeptverständnis unterstützen (vgl. Hardy et al., 2006; Leuchter & Saalbach, 2014). Jedoch gibt es auch Studien, die keinen oder einen negativen Effekt einzelner Unterstützungsstrategien auf die Lernleistung zeigten (vgl. Studhalter et al., 2021). Mit Blick auf die Conceptual-Change-Theorie lässt sich annehmen, dass Unterstützung je nach Lernausgangslage differentiell wirkt und diese in empirische Untersuchungen einbezogen werden sollte (vgl. Carey, 2000). So konnte bereits gezeigt werden, dass sich Schüler:innen unterschiedlichen Konzeptprofilen zuordnen lassen und unterschiedlichen Pfaden bei der Konzeptveränderung folgen (vgl. Schneider & Hardy, 2013). Allerdings fehlt es bislang an Studien, die untersuchen, wie sich Unterstützungsstrategien der Lehrperson auf diese Konzeptveränderung auswirken.

Fragestellungen

1. Welche Konzeptprofile zeigen Schüler:innen zum Thema Aggregatzustände und ihre Übergänge?

2. Wie verändern sich die Konzeptprofile durch Unterricht?

3. Wie wirkt sich der Einsatz von Unterstützungsstrategien auf die Konzeptveränderung aus?

Methode

Um die aufgestellten Fragestellungen zu beantworten, wurde die DFG-Studie PLUS re-analysiert (vgl. Tröbst et al., 2016). Mit 1162 Schüler:innen aus 53 vierten Klassen wurde vor und nach einer Unterrichtssequenz ein Leistungstest durchgeführt, bei dem den Schüler:innen naturwissenschaftliche Phänomene sowie dazugehörige Erklärungen präsentiert wurden. Die Erklärungen umfassten sowohl typische alternative Vorstellungen zu Aggregatzuständen und ihren Übergängen als auch wissenschaftlich anerkannte Konzepte. Für jede der Antwortmöglichkeiten sollten die Schüler:innen entscheiden, ob sie diese als richtig oder falsch einstufen. Die Unterstützungsstrategien der Lehrpersonen wurden mittels Videokodierung erfasst. Das angewandte Kodiersystem erfasst sowohl strukturierende, fokussierende, aktivierende und problematisierende Scaffoldingmaßnahmen, als auch Revoicing und Student Revoicing (vgl. Ing et al., 2015; Kleickmann et al., 2010; Mannel et al., 2016; Studhalter et al., 2021).

Statistische Analysen

Die Leistungstests wurden mittels latenter Profilanalyse in Mplus 8.5 untersucht (Muthén & Muthén, 1998-2012). Die Profilanzahl wurde durch den Vergleich von Fitindizes (AIC, BIC) ermittelt. Danach wurde eine latente Profiltransitionsanalyse durchgeführt. Erneut wurden die Fitindizes verglichen. Die Mittelwerte zu Zeitpunkt 1 (vor dem Unterricht) und Zeitpunkt 2 (nach dem Unterricht) wurden zur Gewährleistung der besseren Vergleichbarkeit konstant gehalten. Im dritten Schritt wurde die Unterstützungsstrategien als Kovariate in die Analyse einbezogen. Richtung und Signifikanz der Zusammenhänge von Transitionswahrscheinlichkeit und Unterstützungsstrategie wurden mittels odds ratio unter Einbezug des Konfidenzintervalls ermittelt.

Ergebnisse und Diskussion

Bei der Analyse wurden drei Konzeptprofile identifiziert:

- Konzeptprofil 1: Überwiegend alternatives Konzept

- Konzeptprofil 2: Überwiegend Koexistenz von alternativem und wissenschaftlichem Konzept

- Konzeptprofil 3: Überwiegend wissenschaftliches Konzept

Zu Zeitpunkt 1 befand sich ein Großteil der Schüler:innen in den Konzeptprofilen 1 (511 Schüler:innen) und 2 (517 Schüler:innen). Etwa die Hälfte von ihnen verbleibt in diesem Konzeptprofil, während rund ein Drittel in das Konzeptprofil 3 wechselt. Von den 134 Schüler:innen die sich zu Zeitpunkt 1 in Konzeptprofil 3 befanden, verblieben 93% in diesem. 7% von ihnen wechselten in die Konzeptprofile 1 und 2. Der Einbezug der Unterstützungsstrategien zeigt differentielle Effekte auf die Transitionswahrscheinlichkeit. Die Transitionswahrscheinlichkeit von Konzeptprofil 1 zu Konzeptprofil 2 steigt beim Einsatz problematisierender Strategien. Die Transitionswahrscheinlichkeit von Konzeptprofil 1 zu Konzeptprofil 3 wird positiv durch aktivierende und strukturierende Strategien sowie Revoicing beeinflusst, verringert sich jedoch bei fokussierenden Strategien. Beim Wechsel von Konzeptprofil 2 in Konzeptprofil 3 zeigen sich aktivierende Strategien und Revoicing als förderlich.

Die Ergebnisse zeigen, dass Unterstützungsstrategien nicht für alle Schüler:innen gleichermaßen förderlich sind und erlauben die Schlussfolgerung, dass Lehrpersonen den Lernstand ihrer Schüler:innen fortlaufend diagnostizieren sollten, um Unterstützungsstrategien adaptiv einzusetzen.

 

Adaptive Gesprächsführung im Klassenkontext: Effekte auf das konzeptuelle Verständnis im Sachunterricht

Nicola Meschede1, Ilonca Hardy2, Susanne Mannel3
1Universität Münster, 2Goethe-Universität Frankfurt, 3ehemals Goethe-Universität Frankfurt

Adaptivität ist ein zentrales Ziel von Unterricht (Parsons et al., 2018). Sie bezieht sich auf die Passung von lehrkräftegesteuerten Unterrichtsaktivitäten zu den individuellen Voraussetzungen der Lernenden. Dabei wurde beispielsweise von Corno (2008) eine Unterscheidung der Aktivitäten auf Makro- und auf Mikroebene vorgenommen. Während die Makroebene eine übergeordnete Anpassung des Curriculums, beispielsweise durch Differenzierungsmaßnahmen, umfasst, steht auf der Mikroebene die prozessbezogene Anpassung im Rahmen der Lehrkraft-Schüler:innen-Interaktion im Fokus. Die Mikroebene wird auch mit dem Begriff des Scaffolding beschrieben, bei dem die Passung bzw. Kontingenz der Interaktionen für die individuellen Lernbedarfe auf einem abgestimmten Zusammenspiel aus diagnostischen Strategien und Unterstützungsmaßnahmen basiert (van de Pol et al., 2011). Studien zeigen, dass sich die Umsetzung eines adaptiven Unterrichts auf der Mikroebene positiv auf das Lernen von Schüler:innen auswirkt (z.B. van de Pol et al., 2015). Allerdings beziehen sich bisherige Befunde insbesondere auf Kleingruppen bzw. tutorielle Situationen und Effekte der einzelnen Indikatoren einer adaptiven Interaktion für das Lernen wurden bislang nicht untersucht.

Ziel und Fragestellungen

Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Studie auf die Erfassung mikroadaptiver Prozesse im Klassendiskurs zur Beantwortung folgender Fragestellungen:

1. Inwiefern lässt sich durch die adaptive Gesprächsführung im Klassenkontext das Konzeptwissen von Grundschulkindern zum Inhaltsgebiet Schwimmen und Sinken in zwei Posttests vorhersagen?

2. Welchen Beitrag leisten die Einzelindikatoren der Diagnostischen Strategien, der Instruktionalen Unterstützung und des Schüler:innenverständnisses?

Methode

Die Datengrundlage der Studie bilden Unterrichtstranskripte von N=17 Lehrkräften mit ihren dritten Klassen (N=341 Schüler:innen), die eine Unterrichtsreihe mit zwei Einheiten zum Thema Schwimmen und Sinken im Sachunterricht umsetzten (Decristan et al., 2015). Dabei wurde jeweils die dritte Stunde aus der ersten Einheit videografiert und transkribiert.

Das Analyseinstrument wurde auf Grundlage bisheriger Ansätze zur Erfassung adaptiver Mikroprozesse entwickelt und auf den Klassenkontext übertragen. Es umfasst die drei zentralen Einzelindikatoren der diagnostischen Strategien, der instruktionalen Unterstützung und des Schüler:innenverständisses (Ruiz-Primo & Furtak, 2007; van de Pol et al., 2011). Zudem wurden Kodierregeln für die Kombination der drei Indikatoren definiert, um einen Globalindex für Adaptivität zu bestimmen (vgl. Hermkes et al.,2018; van de Pol et al.,2012). Zur Berücksichtigung der fachlichen Lernprozesse wurden die Analyseeinheiten an zentralen Schritten des naturwissenschaftlichen Arbeitens ausgerichtet (vgl. Furtak et al.; 2010). Die Anwendung des Instruments erfolgte durch zwei unabhängige Rater mit einer sehr guten Übereinstimmung (κmin = 0.74; κmax = 0.86).

Das Konzeptwissen der Lernenden zum Schwimmen und Sinken wurde durch einen standardisierten Leistungstest erfasst (EAP/PV-Reliabilität=.52 [Prätest] / .70 [Posttest 1 nach Einheit 1] /.76 [Posttest 2 nach Einheit 2]). Als Kontrollvariablen auf Individualebene wurden naturwissenschaftliche Kompetenz (Martin et al., 2008; EAP/PV-Reliabilität=.70), kognitive Fähigkeit (CFT 20-R, Weiß, 2006; α=.72) sowie Sprachfähigkeit (Eigenentwicklung, α=.72) erhoben.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Mehrebenenregressionen mit den Indikatoren für adaptive Gesprächsführung auf Klassenebene unter Kontrolle der Variablen auf Individualebene mit Mplus 7 (Muthén & Muthén, 1998-2012) gerechnet.

Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse (Hardy et al., 2022) zeigen positive Effekte der adaptiven Gesprächsführung (Globalindex) auf das konzeptuelle Verständnis der Lernenden in Posttest 2 (β=.44, p≤.05, R²=.19), nicht jedoch in Posttest 1 (β=.50, p>.05, R²=.25). Dieses weist auf die Bedeutung von Adaptivität insbesondere für die langfristige Konzeptentwicklung hin. In Ergänzung dazu wird derzeit die ebenfalls in der Studie erfasste Bedeutung der Unterrichtsqualitätsdimensionen der kognitiven Aktivierung und konstruktiven Unterstützung geprüft und im Vortrag berichtet.

Die Einzelindikatoren erwiesen sich ebenfalls nur in Posttest 2 als prädiktiv für das Lernen der Schüler:innen (Diagn. Strategien: β=.70, p≤.001, R²=.49, Instrukt. Unterstützung: β=.40, p≤.05, R²=.16; Schülerverst.: β=.42, p≤.05, R²=.17). Hierbei hatte insbesondere die Verwendung diagnostischer Strategien die deskriptiv größte Vorhersagekraft, was die zentrale Bedeutung der Analyse der Lernstände und Denkweisen von Lernenden unterstreicht. Die Befunde zeigen jedoch, dass die Lehrkräfte insgesamt ein niedriges Niveau an adaptiver Gesprächsführung aufwiesen.



 
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