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Session Overview
Session
5-06: Motivation im Hochschulkontext: Interindividuelle und situationsspezifische Variabilität von Erwartungen und subjektiven Werten und deren Zusammenhängen mit Studienerfolgsindikatoren
Time:
Tuesday, 19/Mar/2024:
1:10pm - 2:50pm

Location: H08

Hörsaal, 91 TN

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Presentations
Symposium

Motivation im Hochschulkontext: Interindividuelle und situationsspezifische Variabilität von Erwartungen und subjektiven Werten und deren Zusammenhängen mit Studienerfolgsindikatoren

Chair(s): Theresa Schnettler (Universität Mannheim), Daria Benden (Universität Bonn, Deutschland)

Discussant(s): Benjamin Nagengast (Universität Tübingen)

Leistungsbezogene Motivationen spielen eine bedeutsame Rolle für Entscheidungsprozesse und Erfolg im Studium (Schneider & Preckel, 2017). So prägt die Motivation nicht nur das momentane Lernverhalten von Studierenden, sondern beeinflusst auch längerfristige akademische Entscheidungen, wie die Studienfachwahl oder die Entscheidung zum Studienabbruch (z.B. Fleischer et al., 2019; Gaspard et al., 2019). Daher sollte sowohl im Sinne der Partizipation an Bildung als auch im Sinne der Steigerung des Studienerfolgs (Neugebauer et al., 2021) die Motivation der Studierenden im Hochschulkontext eingehender betrachtet werden.

Etablierte Theorien der Leistungsmotivation wie die Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles et al., 1983) beschreiben die Entstehung und Entwicklung der Motivation von Lernenden dabei als komplexe Prozesse. Gemäß der Erwartungs-Wert-Theorie entsteht Motivation auf Basis von subjektiven Erfolgserwartungen („Kann ich das?“) und subjektiven Wertüberzeugungen („Will ich das?“). Diese interagieren dabei allerdings nicht nur miteinander, sondern werden zusätzlich durch persönliche und situationsspezifische Faktoren wie beispielsweise durch die spezifischen Inhalte in einer Lernsituation oder den sozialen und akademischen Kontext geprägt (Eccles, 2022). Die Relevanz der Hinzunahme dieser intraindividuellen wie situativen Aspekte zeigt sich in jüngsten theoretischen Entwicklungen. Mit der Umbenennung der Theorie in situative Erwartungs-Wert-Theorie (SEVT, Eccles & Wigfield, 2020) betonen Eccles und Wigfield die Notwendigkeit der Untersuchung von Fragestellungen, die Aussagen darüber erlauben, wie persönliche und situative Merkmale intra- und interindividuelle motivationale Unterschiede und Entwicklungsverläufe prägen und wie sich diese im Zusammenspiel auf den Studienerfolg sowie akademische Entscheidungen auswirken. Allerdings gibt es bisher vergleichsweise wenige Studien, die diese situative Perspektive auf die Motivation von Lernenden in spezifischen Lernkontexten berücksichtigen (z.B. Dietrich et al., 2017). Zudem gibt es im Vergleich zum Schulkontext weniger Forschung im Hochschulkontext, sodass unklar bleibt, inwiefern bisherige Befunde bezüglich der Bedeutsamkeit sowie postulierte Prozesse von Erwartungen und Werten für Bildungsentscheidungen und akademische Leistungen über verschiedene Kontexte generalisierbar sind.

Das vorliegende Symposium beschäftigt sich daher mit inter- und intraindividuellen Unterschieden in Erwartungs- und Wertüberzeugungen von Lernenden im Hochschulkontext und fokussiert dabei auf (1) Interaktionsprozesse zwischen persönlichen und situations- bzw. kontextspezifischen Faktoren bei der Genese von Erfolgserwartungen und subjektiven Werten (Beiträge 1&2) sowie (2) der Rolle von Erfolgserwartungen und subjektiven Werten sowie deren Interaktion in der Vorhersage von Studienerfolgsindikatoren und Studienabbruchtendenzen (Beiträge 3&4).

Die vier Beiträge erweitern und ergänzen bisherige Forschungsergebnisse auf Basis der SEVT im Hochschulkontext, indem sie unterschiedliche Forschungsdesigns nutzen und dabei sowohl situations- und kontextspezifische als auch globale und fachspezifische Erwartungs- und Wertüberzeugungen von Studierenden betrachten. In Beitrag 1 werden die situations- und kontextspezifische Variabilität des Fähigkeitsselbstkonzepts (als Proxy der Erwartungskomponente) und der subjektiven Werte in einer Testsituation im Studium sowie interindividuelle und situationsspezifische Faktoren untersucht, die zu dieser Variabilität beitragen. Beitrag 2 stellt mit intensiven Längsschnittdaten, die mittels Experience-Sampling erhoben wurden, neue Methoden vor, die zur Untersuchung der Entwicklung von Stabilität und Variabilität von Erwartungs- und Wertüberzeugungen genutzt werden können, insbesondere in der für Studienerfolg besonders kritischen Phase des ersten Studienjahres, in der Motivationsveränderungen wahrscheinlich sind. Beitrag 3 beschäftigt sich mit der Relevanz von Interaktionseffekten zwischen Erfolgserwartungen und subjektiven Werten in der Vorhersage von Studienabbruchintentionen. Dabei wird insbesondere die Relevanz des Kontextes im Vergleich der Ergebnisse mit bisherigen Studien zu Erwartungs-mal-Wert-Interaktionen im schulischen Kontext herausgearbeitet. Zuletzt untersucht Beitrag 4 im Sinne individueller Werthierarchien interindividuelle Unterschiede in der Bedeutsamkeit verschiedener Erwartungs- und Wertkomponenten in der Vorhersage von Studienerfolgskriterien sowie Studienabbruchsintentionen.

Das Symposium wird wie folgt gestaltet: Die Chairs werden zunächst das Thema des Symposiums und die präsentierenden Autor*innen vorstellen. Die Vortragenden haben dann jeweils etwa 17 Minuten Zeit für die Vorstellung ihrer Beiträge, gefolgt von 2 Minuten für Verständnisfragen. Im Anschluss wird unser Diskutant mit Expertise im Bereich der Motivationsforschung die einzelnen Beiträge diskutieren (ca. 15 Minuten). In den übrigen 10 Minuten wird es die Gelegenheit zu einer offenen Diskussion geben.

 

Presentations of the Symposium

 

Die Bedeutung der Situation in der Erwartungs-Wert-Theorie: Kreuzklassifizierte Analysen zur testspezifischen Motivation von Studierenden in MINT-Fächern

Daria Benden, Fani Lauermann
Universität Bonn

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Der erwartete Erfolg und subjektive Werte in Bereichen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sind gemäß der situativen Erwartungs-Wert-Theorie (SEVT, Eccles & Wigfield, 2020) bedeutsame Prädiktoren für akademische Leistungen und Entscheidungsprozesse von Studierenden, beispielsweise bezüglich des investierten Aufwands in spezifische Lerninhalte oder der Wahl eines MINT-Studiengangs im Allgemeinen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass fachspezifische Erwartungen und Werte über vergleichsweise kürzere Zeiträume, wie etwa ein Semester, sowie über verschiedene Lernsituationen und Themen hinweg stark variieren können (z.B. Dietrich et al., 2017). Ein Absinken dieser motivationalen Überzeugungen, insbesondere in anspruchsvollen Veranstaltungen zu Studienbeginn, kann dabei ein Warnzeichen für spätere Leistungsprobleme und Studienabbruchstendenzen darstellen (z.B. Benden & Lauermann, 2022).

Warum sind manche Studierende anfälliger für solche Motivationsverluste, insbesondere in MINT-Veranstaltungen? Einzelne Studien deuten auf situationsspezifische Faktoren wie beispielsweise Leistungsfeedback als zentrale Einflussfaktoren hin (Benden & Lauermann, 2022). Allerdings gibt es bisher kaum Studien, die die Bedeutung situationsspezifischer Merkmale sowie mögliche Interaktionseffekte zwischen situationsspezifischen und persönlichen Merkmalen der Studierenden für diese motivationale Variabilität untersucht haben (Eccles, 2022). Dieser Beitrag untersucht daher die Rolle von situationsspezifischen (z.B. Aufgabenschwierigkeit) und persönlichen (z.B. Geschlecht, Schulleistungen) Merkmalen sowie deren Interaktion in der Vorhersage von situationsspezifischen Erwartungs- und Wertüberzeugungen von Studierenden in einer Testsituation im Studium.

Methode

Die Stichprobe umfasste 3.213 MINT-Studierende, die im Rahmen von Einführungsveranstaltungen einen landesweiten Mathematiktest zu den inhaltlichen Voraussetzungen für MINT-Studienfächer bearbeiteten. Ein Multi-Matrix-Design mit 22 Booklets, die per Zufall verteilt wurden, wurde genutzt (45-60 Min. Testzeit). Studierende bearbeiteten Schnittmengen der 11 Inhaltsbereiche des Tests (z.B. Differentialrechnung, Trigonometrie). Die Booklets enthielten vier Abschnitte, wobei jeder Abschnitt Aufgaben aus einem Inhaltsbereich enthielt. Nach jedem Abschnitt beantworteten die Studierenden Fragen zu ihren Fähigkeitsselbstkonzepten (Erwartungskomponente in SEVT) und zu subjektiven Werten (Wertkomponente in SEVT) bezüglich der Mathematikaufgaben des bearbeiteten Abschnitts.

Zur Berücksichtigung der genesteten Datenstruktur der motivationalen Überzeugungen für jeden Testabschnitt (L1) innerhalb der Studierenden (L2a) und der Inhaltsbereiche des Tests (L2b), wurden die Daten mittels kreuzklassifizierter Modelle analysiert. Zunächst wurden die Varianzanteile der motivationalen Überzeugungen auf den verschiedenen Ebenen geschätzt. Die prädiktiven Effekte von persönlichen Merkmalen (Geschlecht, letzte Mathematiknote und der Besuch eines Mathematikleistungskurses), situationsspezifischen Merkmalen (Testleistung, Aufgabenschwierigkeit, bearbeitete Testinhalte im zugewiesenen Booklet) und ihren Interaktionen wurden anschließend getestet.

Ergebnisse

Die Analysen unterstreichen die Bedeutung von situationsspezifischen Faktoren sowie Interaktionseffekten zwischen situationsspezifischen und persönlichen Merkmalen bei der Entstehung situationsspezifischer Erwartungs- und Wertüberzeugungen der Lernenden (Eccles, 2022). Ein Großteil der Variabilität der motivationalen Überzeugungen ist dabei auf Unterschiede zwischen den Studierenden zurückzuführen (57%-61%), während die Unterschiede zwischen den Inhaltsbereichen des Tests geringer ausfielen (3%-9%).

Männliche Studierende und Studierende mit besseren schulischen Mathematikleistungen und Mathematikleistungskurs hatten signifikant höhere situationsspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte und subjektive Werte (R²=3%-42% auf Lernendenebene). Diese Unterschiede blieben bestehen, wenn die situationsspezifische Testleistung kontrolliert wurde (ΔR²=2%-10%). Folglich ging die Qualität früherer Lernerfahrungen und Mathematikleistungen mit höherer Motivation der Studierenden einher, unabhängig von ihrer tatsächlichen Testleistung. Weibliche Studierende hatten zudem selbst unter Kontrolle schulischer Mathematikleistungen und Testleistung ein geringeres Selbstkonzept. Unabhängig von ihrer objektiven Testleistung sind weibliche Studierende und Studierende mit negativen Vorerfahrungen in Mathematik folglich vergleichsweise anfälliger für Motivationsverluste in neuen akademischen Kontexten.

Auf der Inhaltsebene erwies sich die Aufgabenschwierigkeit als bedeutsamer Prädiktor der testspezifischen Motivation der Studierenden (R²=17%-67% auf Inhaltsebene). Zudem zeigten sich signifikante Interaktionseffekte zwischen der Aufgabenschwierigkeit und persönlichen Merkmalen der Studierenden: Der negative Effekt der Aufgabenschwierigkeit auf die testspezifische Motivation der Studierenden war signifikant größer für Studierende, die Mathematik als Grundkurs belegt und somit weniger Lerngelegenheiten mit den getesteten Inhalten in der Schule hatten.

Gezielte Motivationsfördermaßnahmen für weibliche Studierende und Studierende mit weniger Lerngelegenheiten sind – möglicherweise bereits vor Studienbeginn – notwendig, da diese Studierenden ihr situationsspezifisches Selbstkonzept und ihre subjektiven Werte unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung eher negativ interpretieren.

 

Die Dynamik der Studienmotivation: Individuelle Veränderungen und Stabilisierungsprozesse der Motivation im Semesterverlauf

Miriam F. Jähne1, Jessica Baars2, Julia Moeller2, Julia Dietrich1
1Universität Jena, 2Universität Leipzig

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Die Veränderung akademischer Motivation im Hochschulstudium ist zentral für den Lernerfolg von Hochschulstudierenden. Obwohl die situative Erwartungs-Wert-Theorie (SEVT) nach Eccles und Wigfield (2020) Aussagen über Motivation in konkreten Lernsituationen trifft, untersuchen wenige Studien die Situationsebene (Gaspard et al., 2015). Um diese Forschungslücke zu adressieren, fokussiert das auf Dynamischen Systemtheorien basierende DYNAMICS-Modell (Moeller et al., 2022) die kurzfristige Entwicklung von einer Lernsituation zur nächsten auf Ebene motivationaler State-Prozesse und deren Zusammenhänge mit langfristig stabileren motivationalen Dispositionen.

State-Prozesse beschreiben einerseits relativ stabile Muster wiederkehrender Erlebenszustände (z.B. häufige Langeweile in der Vorlesung) oder Kontingenzen (z.B. häufige Langeweile infolge geringen Werterlebens). State-Prozesse können sich andererseits hinsichtlich ihrer Häufigkeit oder rekursiven Zusammenhänge verändern. Beispielsweise kann Interesse in einer Lernsituation zu stärkerer Anstrengung führen, dadurch einen Lernerfolg auslösen, woraufhin verstärktes Interesse in der nächsten Lernveranstaltung folgt. Das stabiler werdende Interesse wäre Ausdruck eines emergenten Prozesses (Hidi & Renniger, 2006).

Operational werden emergente Prozesse als Prozesse definiert, deren Parameter sich über die Zeit verändern. Die vorliegende Studie untersucht bei Studierenden im ersten Studienjahr, inwieweit motivationale State-Prozesse im Semesterverlauf zunehmend stabiler werden (Forschungsfrage 1). In diesem Kontext untersuchen wir zudem, welche statistischen Methoden bzw. Parameter für die Beschreibung zunehmender Stabilität am besten geeignet sind (Forschungsfrage 2). Dazu werden verschiedene statistische Maße für Stabilität identifiziert und verglichen, welche Stabilitätskennwerte welche Schlussfolgerungen hinsichtlich der angenommenen Zunahme von Stabilität zulassen.

Methode

Mittels Experience-Sampling-Methode wurden Daten von N=7 Studierenden im 2. Fachsemester ihres Psychologiestudiums (n=6 Bachelor, n=1 Master, 100% weiblich, M_Alter=20) erhoben. Die Studierenden wurden über den Verlauf eines Semesters hinweg (~11 Wochen, 45-282 MZP/Person) via Smartphone-App in ihren wöchentlich stattfindenden Lehrveranstaltungen zu ihren motivationalen States befragt. Aufseiten der positiven Aufgabenwerte wurden intrinsischer Wert der aktuellen Aufgabe bzw. des aktuellen Lerninhalts („Das, was gerade besprochen wurde, habe ich gern gemacht“, 1=überhaupt nicht gern bis 5=sehr gern), dessen Wichtigkeit und Nützlichkeit, und aufseiten der negativen Kostenwerte die aktuellen Anstrengungskosten eingeschätzt (adaptiert nach Dietrich et al., 2017). Die Erwartungskomponente wurde über eine aktuelle Kompetenzeinschätzung operationalisiert („Ich fühle mich gerade… 1=stark inkompetent bis 5=sehr kompetent“).

Auf Basis von Zeitreihenanalysen über Einzelpersonen und drei Variabilitätsmaßen (Dejonckheere et al., 2019) überprüfen wir folgende Annahmen: (1) Zunehmende Stabilität drückt sich darin aus, dass die Variabilität motivationaler States kleiner wird. Die Varianz in den Zeitreihen sollte sich damit über die Zeit verringern. (2) Zunehmende Stabilität drückt sich darin aus, dass Vorhersagestärke von einem Messzeitpunkt zum nächsten (Parameter: Autokorrelation) über die Zeit größer wird. (3) Zunehmende Stabilität drückt sich darin aus, dass die Fluktuationen von einem zum nächsten Messzeitpunkt über die Zeit kleiner werden (Parameter: Mean-Square-Successive-Difference, MSSD). Wir prüfen diese Annahmen mittels rollierender, also sich über eine Zeitreihe verändernder, Parameter.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse liegen auf Basis von Kernel-Change-Point-Detection-Analysen für (1) die Annahme sinkender Variabilität vor (R-Paket „kcpRS“, Cabrieto et al., 2022). Die Ergebnisse zeigen sinkende Varianzen für jeweils 3 von 7 Personen für den Nützlichkeitswert und für die momentane Erwartung. Für den intrinsischen und den Wichtigkeitswert fand sich jeweils nur bei einer Person eine sinkende Varianz. Bei den momentanen Anstrengungskosten fand sich entgegen unserer Annahme bei einer Person sogar eine steigende Varianz.

Weitere Ergebnisse werden es aufgrund der Länge der erfassten Zeitreihen erlauben, die Dynamiken und Entwicklungsprozesse von alltäglichen Erwartungs-Wert-Erlebnissen stärker in die Tiefe zu verstehen als es in bisherigen Feldstudien möglich war. Zukünftige Studien werden mit größeren Stichproben hierauf aufbauen können, um über Einzelfälle hinaus Schlussfolgerungen zu generieren.

Grundsätzlich kann das Modellieren motivationaler Verläufe und Mikroprozesse nach Studienstart dazu beitragen zu identifizieren, wie sich motivationale Dispositionen wie Selbstkonzept oder Interesse verfestigen. Es könnte auch dazu dienen zu ermitteln, welche Studierenden beispielsweise einen Risikoverlauf für Studienabbrüche nehmen, um zur richtigen Zeit passende Unterstützungsangebote geben zu können.

 

Erwartungs-Wert-Interaktionen im Hochschulkontext: Können hohe Wertüberzeugungen geringe Erfolgserwartungen kompensieren?

Jonas Breetzke, Carla Bohndick
Universität Hamburg

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Erfolgserwartungen und Wertüberzeugungen sind wichtige Prädiktoren für ein erfolgreiches Studium und gute akademische Leistungen (Eccles & Wigfield, 2020; Schnettler et al., 2020). In den vergangenen Jahren legten Studien aus dem Schulkontext zudem nahe, dass auch Erwartungs-Wert-Interaktionen einen Einfluss auf Leistung und Verhalten von Schülerinnen und Schülern haben können (Meyer et al., 2019; Nagengast et al., 2011; Trautwein et al., 2012). Da sich Erwartungen und Werte aber gerade in der Übergangsphase zwischen Schule und Universität erheblich verändern können (Benden & Lauermann, 2022; Fredricks & Eccles, 2002; Lee et al., 2022), benötigt es Forschung, die Erwartungs-Wert-Interaktionen im Hochschulkontext untersucht. Damit könnten kontextspezifische Unterschiede in Erwartungs-Wert-Interaktionen identifiziert werden, was letztendlich dabei helfen soll Leistung und Verhalten von Studierenden besser zu verstehen. Differenziertere Informationen zu interindividuellen Unterschieden könnten beispielsweise dazu beitragen, vom Abbruch gefährdete Studierendengruppen zu erkennen und dadurch Ansatzpunkte für gezieltere Hilfestellungen eröffnen. Mit Bezug darauf untersucht diese Studie den Zusammenhang von Erwartungen, Werten sowie Erwartungs-Wert-Interaktionen und Studienabbruchsabsichten im Hochschulkontext.

Methode

Daten von N = 1140 Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften wurden dazu mit Hilfe latent moderierter Strukturgleichungsmodelle (LMS) und dreidimensionalen Response Surface Plots analysiert. Das Durchschnittsalter der Studierenden lag bei 23.50 (SD = 5.05) Jahren und 68.86 % der Studierenden identifizierten sich als weiblich. Wertüberzeugungen wurden dabei multidimensional durch den intrinsischen Wert, die berufliche Nützlichkeit, die Wichtigkeit guter Leistungen, der emotionalen Kosten, Anstrengungskosten und Opportunitätskosten mit jeweils drei Items pro Konstrukt erhoben (Schnettler et al., 2020). Die Studienabbruchsabsicht wurde dabei als Absicht das Studium abzubrechen oder das Studienfach zu wechseln anhand von vier Items erhoben (Dresel & Grassinger, 2013). Als Kontrollvariablen wurden Alter, Geschlecht, First-Generation Status und der bisherige Notendurchschnitt im Studium verwendet.

Ergebnisse

Unsere Ergebnisse zeigen neben den Haupteffekten signifikante Interaktionen zwischen Erwartungen und dem intrinsischen Wert (positiv, β = .135), der beruflichen Nützlichkeit (positiv, β = .168), der emotionalen Kosten (negativ, β = .201), der Anstrengungskosten (negativ, β = .251) und Opportunitätskosten (negativ, β = .151) in der Vorhersage von Studienabbruchabsichten. Die dazugehörigen Response-Surface-Plots deuten auf eine kompensatorische Interaktion zwischen Erwartungen und Werten hin (im Zusammenhang zur Abbruchsabsicht). Hohe Wertüberzeugungen und niedrige Kosten konnten eine niedrige Erfolgserwartungen bis zu einem gewissen Grad kompensieren. Ebenso konnten hohe Erwartungen die negativen Auswirkungen von niedrigen Wertüberzeugungen und hohen Kosten abfedern. Waren jedoch sowohl die Erwartungen als auch die Wertüberzeugungen niedrig (oder die Kosten hoch), zeigten Studierenden besonders hohe Studienabbruchabsichten.

Alles in allem zeigt sich, dass Erwartungs-Wert-Interaktionen auch im Hochschulkontext von Relevanz sind und deshalb in zukünftigen Studien Berücksichtigung finden sollten. Unsere Ergebnisse legen zudem nahe, dass Hochschuleinrichtungen zusätzliche Aufmerksamkeit auf Studierende legen sollten, die nur einen geringen Wert in ihrem Studium sehen und gleichzeitig nicht erwarten, es erfolgreich abzuschließen. Diese Gruppe von Studierenden zeigt Abbruchsabsichten, die weit über die individuellen Effekte geringer Erwartungen und Werte hinausgehen und durch die Interaktion beider motivationaler Komponenten stärker sind, als in vorangegangenen Studien angenommen. Bemerkenswert ist außerdem, dass in bisherigen Studien aus dem Schulkontext meist Interaktionseffekte mit entgegengesetzter Wirkrichtung gefunden wurden (Guo et al., 2016; Meyer et al., 2019; Nagengast et al., 2011; Trautwein et al., 2012): Dort deuten Ergebnisse auf synergistische Interaktionen hin. Demnach reichen hohe Wertüberzeugungen nicht aus, um niedrige Erwartungen auszugleichen und resultieren in geringeren Leistungen (und umgekehrt). Im Gegensatz dazu sind Leistungen besonders hoch, wenn sowohl Erwartungen als auch Werte hoch sind. Insgesamt finden sich in beiden Bildungskontexten signifikante Erwartungs-Wert-Interaktionen, der Zusammenhang zu verschiedenen Erfolgsfaktoren scheint aber nicht zwingend verallgemeinerbar. Ein möglicher Grund dafür könnte beispielsweise sein, dass Wertevorstellungen im Hochschulkontext stärker ausgebildet und deutlich proximaler sind, da erste berufsbezogenen Entscheidungen (z.B. Fach, Berufsorientierung) bereits getroffen wurden.

 

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Relevanz individueller Bedeutsamkeit und Erfülltheit verschiedener studienbezogener Erwartungen und Wertüberzeugungen für Studienerfolg

Belinda Merkle, Theresa Schnettler, Oliver Dickhäuser, Stefan Janke
Universität Mannheim

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Die Sicherstellung und Steigerung des Studienerfolgs im Sinne hoher Studienzufriedenheit und niedrigen Abbruchquoten (van der Zanden et al., 2019) stellt ein gesellschaftlich wichtiges Thema dar (Neugebauer et al., 2021). Ein wesentlicher Genesefaktor für Studienerfolg ist optimale Studienmotivation (Schneider & Preckel, 2017). Studienmotivation aufgefasst als studienbezogene Handlungsmotivation entsteht gemäß der situativen Erwartungs-Wert-Theorie (SEVT; Eccles & Wigfield, 2020) im Zusammenspiel aus subjektiven Erfolgserwartungen (“Wird es mir gelingen im Studium erfolgreich zu sein?“) und subjektivem Wert des Studiums („Wofür studiere ich?“). Der subjektive Wert wird dabei in positive (z.B. intrinsischer Wert, Nützlichkeit) und negative (Kosten) Komponenten unterschieden. Gemäß der SEVT können diese Komponenten kontextspezifisch weiter ausdifferenziert werden und sich in ihrer Bedeutsamkeit zwischen Personen unterscheiden (vgl. Gaspard et al., 2015; hierarchy of STVs, Wigfield et al., 2021).

So wird im Kontext der Studienwahl zwischen intrinsischer, extrinsisch-materialistischer, extrinsisch-sozialer, bewältigungsorientierter und sozial-induzierter Studien(wahl)motivation unterschieden (Janke et al., 2023). Die intrinsische Motivation und bewältigungsorientierte Motivation leiten sich direkt aus der SEVT ab, aus dem intrinsischen Wert und den Kosten. Die Nützlichkeit der SEVT wird in Nützlichkeit hinsichtlich des gesellschaftlichen Ansehens (extrinsisch-materialistisch) und hinsichtlich der Vereinbarkeit des Studienfachs mit Zeit mit sozialen Kontakten (extrinsisch-sozial) unterschieden. Die sozial-induzierte Studien(wahl)motivation stellt eine Erweiterung der SEVT dar und beschreibt die Konformität des Studienfachs mit den Vorstellungen anderer nahestehender Personen (Janke et al., 2023).

Bislang gibt es zahlreiche empirische Studien, die auf interindividueller Ebene positive Zusammenhänge zwischen Erwartung und positiven Wertkomponenten mit Studienerfolg belegen (bspw. Robinson et al., 2019). Allerdings lässt die bisherige Forschung die Annahme außer Acht, dass Unterschiede in der Erfülltheit dieser motivationalen Komponenten, sowie deren persönliche Bedeutsamkeit für verschiedene Personen miteinander interagieren und motiviertes Handeln erklären können (Wigfield et al., 2021). Dies lässt sich aus der Person-Umwelt-Passung-Theorie ableiten, wonach eine Übereinstimmung zwischen den Merkmalen einer Person und den Merkmalen der Umgebung zu mehr Erfolg führt (z.B. Edwards & Shipp, 2007; Le et al., 2014). Übertragen auf den Studienkontext mündet dies in die Vorhersage, dass der Einfluss der Erfülltheit bestimmter Werte und Erwartungen im Studium (Umwelt) für den individuellen Studienerfolg davon abhängen sollte, ob das Individuum diesen Aspekten auch persönliche Bedeutsamkeit zuschreibt (Person).

Zusammenfassend nehmen wir basierend auf der SEVT an, dass die Erfüllung verschiedener Komponenten der Motivation (intrinsisch, extrinsisch-materialistisch, extrinsisch-sozial, bewältigungsorientiert, sozial-induziert) zu höherem Studienerfolg (höhere Studienzufriedenheit, höhere Studienwahlsicherheit, geringere Studienabbruchintention) führt. In Kombination mit der Theorie der Person-Umwelt-Passung erwarten wir weiterhin, dass dieser Zusammenhang mit zunehmender persönlicher Bedeutsamkeit der jeweiligen Komponente der Studienmotivation stärker wird.

Methode

Diese Hypothesen wurden mit Hilfe einer Befragungsstudie getestet, an welcher 457 Psychologiestudierende (M_Alter=22.0, 83.2% weiblich, 1.7% divers) teilnahmen. Dabei beantworteten sie zunächst Fragen sowohl zur persönlichen Bedeutsamkeit als auch zur wahrgenommenen Erfülltheit verschiedener Komponenten von Studienmotivation (intrinsisch, extrinsisch-materialistisch, extrinsisch-sozial, sozial-induziert, bewältigungsorientiert). Anschließend wurde ihre Studienzufriedenheit, -sicherheit und -abbruchintention erfasst.

Zur Analyse der Daten wurde eine multiple multivariate moderierte Regression gerechnet, in welcher im ersten Schritt die Erfülltheit der fünf Komponenten der Studienmotivation eingefügt wurden, im zweiten Schritt die persönliche Bedeutsamkeit der Komponenten und im letzten Schritt die fünf Interaktionsterme zwischen jeweils der Erfülltheit und Bedeutsamkeit jeder motivationalen Komponente.

Ergebnisse

Die multivariaten Ergebnisse zeigten, dass eine höhere Erfülltheit an intrinsischer Studienmotivation und an sozial-induzierter Studienmotivation mit größerem Studienerfolg einhergingen. Für intrinsische und bewältigungsorientierte Studienmotivation verstärkten sich die Zusammenhänge zwischen deren Erfülltheit und Studienerfolgsindikatoren, je höher die persönliche Bedeutsamkeit dieser Komponente der Studienmotivation von den Studierenden eingeschätzt wurde.

Die Ergebnisse dieser Studie geben erste Hinweise darauf, dass die Zusammenhänge der Erfülltheit verschiedener motivationaler Komponenten mit Studienerfolg nicht personenübergreifend einheitlich wirken, sondern von deren persönlicher Bedeutsamkeit abhängig sind (Eccles, 2022). Dieses Wissen ist zentral, um beispielsweise motivationsförderliche Maßnahmen zielgerichtet passend für spezifische Personen anzuwenden. Limitationen und zukünftige Forschungsperspektiven werden diskutiert.



 
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