Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
5-04: Qualifizierung von Lehrkräften und Schulleitungen an Schulen in herausfordernden Lagen: Bedarfe und Angebote
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
13:10 - 14:50

Ort: H02

Hörsaal, 150 TN

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen
Symposium

Qualifizierung von Lehrkräften und Schulleitungen an Schulen in herausfordernden Lagen: Bedarfe und Angebote

Chair(s): Karen Aldrup (IPN - Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Deutschland), Patrick Hawlitschek (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin)

Diskutant*in(nen): Kai Maaz (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation)

Die sozio-kulturelle Herkunft von Schüler:innen ist eng verbunden mit dem Erwerb sprachlicher und mathematischer Kompetenzen, vollzogenen Bildungsübergängen und erworbenen Abschlüssen (Maaz & Dumont, 2019; Maaz, Neumann & Baumert, 2014). Die sozialen Disparitäten haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren sogar noch verstärkt (Stanat et al., 2022): Grundschulkinder aus Familien mit einem geringeren sozialen Status sowie Schüler:innen mit Migrationshintergrund verzeichnen stärkere Kompetenzrückgänge als Schüler:innen aus sozial privilegierteren Familien und ohne Zuwanderungshintergrund (Henschel et al., 2022; Sachse et al., 2022). Dies stellt sowohl das Bildungssystem als auch die Bildungsforschung vor besondere Herausforderungen, um Lehrkräfte an Schulen in herausfordernden Lagen gezielt zu unterstützen. Daher beleuchten die vier Beiträge dieses Symposiums die Frage, wie Schulen in herausfordernden Lagen einerseits durch Schul- und Unterrichtsentwicklung und andererseits durch die Professionalisierung der Lehrkräfte, Schulleitungen sowie des weiteren pädagogischen Personals dabei unterstützt werden können, die Bildungschancen ihrer Schüler:innen zu stärken. Dazu werden Daten aus dem Verbundprojekt „Schule macht stark“ (SchuMaS) genutzt, welches deutschlandweit mit rund 200 Schulen in herausfordernden Lagen zusammenarbeitet und ihnen verschiedene forschungsbasierte Fortbildungsformate sowie den Austausch in sog. Schulleitungsnetzwerktreffen anbietet.

Bei der Entwicklung von geeigneten Unterstützungsangeboten stellt die Erfassung der individuellen Bedarfe von Lehrkräften und Schulleitungen ein wichtiges Element dar. Nur so können passgenaue Inhalte gestaltet werden, die von der Zielgruppe als relevant erachtet und langfristig in der Schulpraxis verankert werden (van Ackeren et al., 2021). Daher wird zunächst ein Beitrag vorgestellt, der die Qualifizierungsbedarfe von Lehrkräften an Schulen im „Schule macht stark“-Verbund untersucht. Es wurde erfasst, welche subjektiven Fortbildungsbedarfe Lehrkräfte an diesen Schulen in herausfordernden Lagen für sich selbst wahrnehmen und in welchen Kompetenzbereichen sie sich besonders sicher fühlen. Dabei analysieren sie auch schulformbezogene Unterschiede in der Wahrnehmung von Lehrkräften an Grundschulen und weiterführenden Schulen. Die nachfolgenden zwei Beiträge evaluieren Maßnahmen, die Schulen in herausfordernden Lagen befähigen sollen, Qualifizierungs- und Handlungsbedarfe eigenständig zu identifizieren. Zum einen wurde mit Teilnehmenden von Schulleitungsnetzwerktreffen eine zweiteilige Qualifizierungsmaßnahme zur datengestützten Qualitätsentwicklung ihrer Schulen durchgeführt und mittels eines quasi-experimentellen Prä-Post-Kontrollgruppendesigns evaluiert. Zum anderen wurde den Schulen aus dem SchuMaS-Verbund angeboten, Evidenzteams an ihren Schulen zu etablieren, um gemeinsam die datengestützte Qualitätsentwicklung voranzutreiben. Die Nutzung und Qualität dieses Angebots untersuchten sie mithilfe von Längsschnittdaten. Um einen umfassenden Einblick in die Unterstützungsangebote für Schulen in herausfordernden Lagen zu bieten und neben den fachübergreifenden Angeboten auf schulischer Ebene auch fachbezogene Angebote für individuelle Lehrkräfte vorzustellen, wird abschließend auf das Konzept und erste Evaluationsergebnisse von Modulen zur Unterrichtsentwicklung von Deutschlehrkräften eingegangen. Zudem wird analysiert, wie unterschiedliche Formate (synchron vs. asynchron) sich auf das Nutzungsverhalten auswirken.

Insgesamt können die Beiträge des Symposiums somit nicht nur Erkenntnisse darüber liefern, welche Inhalte Qualifizierungsangebote an Schulen in herausfordernden Lagen adressieren sollten, sondern auch, welche Angebotsformate dabei vielversprechend erscheinen. Die Gesamtschau aller Beiträge zieht erste Schlüsse für die Konzeption und Evaluation von passgenauen Qualifizierungsangeboten an Schulen in herausfordernden Lagen.

 

Beiträge des Symposiums

 

Subjektive Fortbildungsbedarfe von Lehrkräften an Schulen in herausfordernden Lagen: ein Schulartvergleich

Hermannn Dzingel1, Patrick Hawlitschek2, Kira Weber3, Uta Klusmann4, Dirk Richter1
1Universität Potsdam, 2Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin, 3Universität Hamburg, 4IPN - Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Die jüngsten Ergebnisse von nationalen Schulleistungsuntersuchungen in der Primarstufe (z. B. IQB-Bildungstrend; Stanat et al (2021) und IGLU 2021; McElveny et al. (2023)) berichten zunehmende Lernschwierigkeiten deutscher Grundschulkinder, besonders bei denen aus sozial benachteiligten Familien. Diese Befunde konnten für die sprachlichen Fächer in der Sekundarstufe I durch den IQB-Bildungstrend 2022 sogar bestätigt werden (Stanat et al., 2023). An Schulen in herausfordernden Lagen, also mit einem hohen Anteil an Schüler:innen aus sozial benachteiligten Familien, befinden sich überzufällig viele Schüler:innen mit ungünstigen Lernvoraussetzungen (z. B. motivationale Probleme, Hoglund et al., 2015) und mit einer schlechteren physischen und psychischen Gesundheit sowie sozial-emotionalen Problemen (für einen Überblick siehe Bradley & Corwyn, 2002). Die Qualität der schulischen Lernumwelt und Unterstützung scheint bei diesen Schüler:innen von besonderer Bedeutung zu sein.

Um Lehrkräfte bei der Bewältigung dieser beruflichen Anforderungen zu unterstützen, ist die Professionalisierung durch regelmäßige Fortbildungen essenziell. Allerdings zeigen Studien, dass nicht alle Lehrkräfte regelmäßig Fortbildungen besuchen (Kuschel et al., 2020), was unter anderem an einer fehlenden Passung zwischen den Inhalten der angebotenen Fortbildungen und den individuellen Bedarfen der Lehrkräfte liegen könnte. Vor dem Hintergrund der besonderen Anforderungen von Lehrkräften an Schulen in herausfordernder Lage untersucht der Beitrag Unterschiede in subjektiven Fortbildungsbedarfen zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen in herausfordernden Lagen. Subjektive Fortbildungsbedarfe verstehen wir als Themenbereiche, in denen sich Lehrkräfte selbst weiterbilden möchten. Darüber hinaus ist aber unklar, inwieweit themenspezifische Einschätzungen einen globalen Fortbildungsbedarf repräsentieren und wie interindividuellen Unterschiede in diesen Bedarfen erklärt werden können.

Fragestellungen

1) Unterscheiden sich Lehrkräfte an Grundschulen und weiterführenden Schulen in herausfordernden Lagen in ihrem globalem und themenspezifischen Fortbildungsbedarf?

2) Inwieweit lassen sich globale und themenspezifische Fortbildungsbedarfe unter Kontrolle der Schulform von individuellen (emotionale Erschöpfung, Kompetenzeinschätzung) und schulischen Merkmalen (Kooperationstätigkeit) erklären?

Methode

Wir analysieren Befragungsdaten von 2,624 Lehrkräften (80% weiblich, 2.6% divers oder fehlend) aus 119 Grundschulen und 68 weiterführenden Schulen in herausfordernden Lagen. Die Befragten gaben ihren subjektiven Fortbildungsbedarf (0 = kein Bedarf bis 6 = großer Bedarf) und ihre Kompetenzeinschätzung (0 = nicht sicher bis 6 = sehr sicher) für ausgewählte Themenbereiche an (10 Items), die wir jeweils faktoranalytisch zu den vier Kompetenzbereichen zusammenfassten (.70 ≥ α ≥ .87). Zudem wurde die emotionale Erschöpfung (α = .85; Enzmann & Kleiber, 1989), die kollegiale Kooperation (α = 78; Hartmann et al., 2021) sowie sozio-demografische Variablen erfasst. Die Daten wurden mittels latenter Strukturgleichungsmodelle in R mit dem Paket lavaan (Roeseel, 2012) und clusterrobusten Standardfehlern ausgewertet. Dafür spezifizierten wir für jeden Kompetenzbereich zuerst ein Modell, in das nur die Schulformvariable einging (0 = weiterführend, 1 = Grundschule). Im zweiten Modell kontrollierten wir für die Berufserfahrung, das Geschlecht, Kompetenzeinschätzung und fügten die emotionale Erschöpfung und kollegiale Kooperation als Prädiktoren hinzu.

Ergebnisse

Die Befunde zeigen, dass Unterschiede in Fortbildungsbedarfen zwischen Grundschullehrkräften und Lehrkräften an weiterführenden Schulen statistisch signifikant, aber durchweg gering ausfallen (|.07| ≤ β ≤ |.23|). Lehrkräfte an Grundschulen zeigen im Vergleich zu Lehrkräften der Sekundarstufe einen höheren Fortbildungsbedarf in den Bereichen „Lernförderung“, „digitaler Medieneinsatz“ und „Umgang mit Belastungen“, während ihr Bedarf im Bereich „Interaktionsqualität“ niedriger ausfällt. Für den Einsatz digitaler Medien zeigen sich die größten Schulformunterschiede. Insgesamt bleiben die Schulformunterschiede in den betrachteten Kompetenzbereichen auch unter Kontrolle der übrigen Variablen stabil.

Diskussion

Unsere Befunde unterstreichen die Bedeutung von zielgruppenspezifischen Fortbildungsangeboten für die Entwicklung von Unterstützungsstrukturen und legen einen themenspezifischen Zugang nahe. Wir diskutieren die Befunde hinsichtlich möglicher Konsequenzen für die Planung und Gestaltung von passgenauen Fortbildungsangeboten.

 

Wirksamkeit einer netzwerkbasierten Intervention für Schulleitungsmitglieder zur datengestützten Qualitätsentwicklung an Schulen in herausfordernden Lagen

Patrick Hawlitschek1, Ulrike Rangel2, Karina Karst3
1Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2IBBW – Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg, 3Universität Mannheim

Theoretischer Hintergrund

Die datengestützte Qualitätsentwicklung wird als wichtiger Teil des professionellen Handelns von Schulleitungsmitgliedern betrachtet – insbesondere an Schulen in herausfordernden Lagen (Muijs et al., 2004) – und umfasst den systematischen Einbezug von schulischen Datenquellen (z.B. Ergebnisse aus VERA-3/8, externer Evaluation, Schüler:innenfeedback) in die Entscheidungsfindung auf Schulebene. Diese systematische Auseinandersetzung aus Rezeption, Reflexion, Aktion und Evaluation wird anhand theoretischer Rahmenmodelle (z.B. Helmke & Hosenfeld, 2005) als Datennutzungszyklus beschrieben und stellt einen äußerst voraussetzungsvollen Teil des professionellen Handelns von Schulleitungsmitgliedern dar. Zugleich kommt der (erweiterten) Schulleitung eine besondere Rolle für die Etablierung einer produktiven Datennutzungskultur im Kollegium zu (Ikemoto & Marsh, 2007) und sollte daher für die Datennutzung motiviert sein. Angesichts des hohen Potenzials einer datengestützten Qualitätsentwicklung ist es umso wichtiger, dass Schulleitungsmitglieder wirksame Angebote zur Professionalisierung erhalten. Aus internationalen Studien gibt es Evidenz dafür, dass insbesondere Schulen bzw. Klassen mit einem hohen Anteil an Schüler:innen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status von einer solcher Qualifizierungsmaßnahme profitieren (Van Geel et al., 2016; Keuning et al., 2017). Jedoch gibt es im deutschsprachigen Raum keine evidenzbasierten Ansätze zur Förderung einer datengestützten Qualitätsentwicklung (Klein & Tulowitzki, 2020). Bisherige Fortbildungsangebote richten sich vornehmlich an (angehende) Lehrkräfte (Vogel et al., 2016; Wurster et al., 2023) oder sind allgemein auf Schulleitungshandeln (Imboden, 2017) und nicht explizit auf die Herausforderungen datengestützter Qualitätsentwicklung (z.B. Motivierung des Kollegiums zur Nutzung von Daten) oder Bedarfe von Schulen in herausfordernden Lagen fokussiert.

Fragestellungen

Um diese Forschungslücken zu schließen, untersucht dieser Beitrag die Wirksamkeit einer forschungsbasiert entwickelten, zweiteiligen Qualifizierungsmaßnahme (jeweils ca. 6 Stunden im Abstand von 2 Monaten) für das datengestützte Schulleitungshandeln, die Datennutzungskultur sowie motivationale Überzeugungen (Interesse, Enthusiasmus) im Rahmen schulischer Netzwerkarbeit von „SchuMaS“. Zudem wird untersucht, inwieweit Schulleitungsmitglieder mit niedrigen und hohen Ausgangswerten differenziell von der Intervention profitieren. Neben fachlichem Input zur datengestützten Qualitätsentwicklung boten die beiden Termine Austausch- und Arbeitsphasen zur anschließenden Erprobung an der eigenen Schule. Inhaltliche Schwerpunkte stellten die Rolle der Schulleitung in diesem Prozess, der Datennutzungszyklus, förderliche Gelingensbedingungen, die Motivierung des Kollegiums für datengestütztes Arbeiten und die Etablierung von Evidenzteams in Anlehnung an Schildkamp (2016) sowie das baden-württembergische Schuldatenblatt dar.

Methode

Zur Überprüfung der Wirksamkeit analysieren wir Befragungsdaten der Experimentalgruppe (NEG = 32; Projektschulen aus SchuMaS) und einer Kontrollgruppe (NKG = 32) in einem Prä-Post-Kontrollgruppendesign. Die Rekrutierung dieser Kontrollgruppe fand als statistische Auswahl von „Schulzwillingen“ (propensity score matching) statt, die anhand relevanter Merkmale (aggregierte VERA-3/8-Ergebnisse, Anteil an Schüler:innen mit Migrationshintergrund, Schulform, u.v.m.) durchgeführt wurde. Der Prätest fand im Sommer 2022 vor der Qualifizierung und der Posttest danach im Frühjahr 2023 statt. Die befragten Schulleitungsmitglieder (39% weiblich, M = 7 Jahre (SD = 6.39) Berufserfahrung als Schulleitung) machten Angaben zu ihrem datengestützten Schulleitungshandeln (7 Items; αt1/t2 = .89/.86), zur Datennutzungskultur an den Schulen (7 Items; αt1/t2 = .83/.80) und zu motivationalen Überzeugungen gegenüber datengestützter Qualitätsentwicklung (Interesse: 3 Items; αt1/t2 = .84/.63, Enthusiasmus: 4 Items; αt1/t2 = .89/.73). Von den 64 Schulleitungsmitgliedern liegen für 37 (57.80%) Daten zu beiden Messzeitpunkten (Prä-/Posttest) vor, die mit dem R-Paket mice (van Buuren & Groothuis-Oudshoorn, 2011) multipel imputiert wurden (m = 30, Iterationen = 10).

Ergebnisse

Zur Beantwortung unserer Forschungsfragen spezifizierten wir mit dem R-Paket lme4 (Bates et al., 2014) linear mixed effects models mit random intercepts, um die genestete Datenstruktur angemessen zu beachten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Intervention signifikant zum datengestützten Schulleitungshandeln (B = .38) wie auch zum Enthusiasmus im Umgang mit Daten (B = .33) beiträgt. Zudem liefern die Analysen Hinweise, dass vor allem Schulleitungsmitglieder mit geringen Ausgangswerten in allen untersuchten Variablen besonders von der Qualifizierung profitieren. Wir diskutieren die Befunde hinsichtlich möglicher Gelingensbedingungen für die Planung und Gestaltung einer netzwerkbasierten Unterstützung von Schulleitungsmitgliedern zur datengestützten Qualitätsentwicklung an Schulen in herausfordernden Lagen.

 

Datengestützte Qualitätsentwicklung an Schulen in herausfordernden Lagen: Welche Schulen etablieren Evidenzteams?

Karina Karst1, Marko Neumannn2, Patrick Hawlitschek3, Alexandra Marx2
1Universität Mannheim, 2DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, 3Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin

Theoretischer Hintergrund

Erfolgreiche Schulen in herausfordernden Lagen sehen eine datengestützte Qualitätssicherung und -entwicklung als einen wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit und beziehen mehrperspektivische Datenbestände gezielt in ihre Entwicklungsarbeit ein (Racherbäumer et al. 2013, Reynolds 2001). Daten werden dabei als alle systematisch erfassten und aufbereiteten Informationen aus Prozessen definiert, die für die Schul- und Unterrichtsqualität relevant sein können. Durch die Nutzung von internen und externen Daten stellen Schulen Soll- und Ist-Zustände einander gegenüber, überprüfen fortlaufend die Wirksamkeit initiierter Maßnahmen und erhöhen so ihre Schulentwicklungskapazität (Holtappels et al., 2021). Eine solche an Daten orientierte pädagogische Praxis kann sich positiv auf die Unterrichtsqualität und die Kompetenzentwicklung von Schüler*innen auswirken und damit einen Beitrag zur Reduzierung von Bildungsungleichheiten leisten (z.B. Klein & Bremm, 2019; Visscher, 2021). Der Prozess einer datengestützten Schul- und Unterrichtsentwicklung ist jedoch keinesfalls voraussetzungsfrei: Wichtig ist eine hohe Professionalität schulischer Akteure sowie eine positiv ausgeprägte Datennutzungskultur in den Schulen (Keuning et al., 2017). Entsprechend wurden international Konzepte entwickelt, damit schulische Akteure darin unterstützt werden, kollaborativ Daten effektiv nutzen zu können (data teams; Schildkamp et al., 2018). Es handelt sich hierbei um einen iterativen und zyklischen Entwicklungskreislauf, bei dem Mitglieder der schulischen data teams durch eine:n externe:n Coach unterstützt werden und so systematisch Kenntnisse zum datengestützten Handeln erwerben. Zwar gibt es bislang Studien dazu, unter welchen Bedingungen solche Teams gut funktionieren (Schildkamp et al., 2019), die Frage danach, welche Faktoren an Schulen in herausfordernden Lagen die grundsätzliche Etablierung solcher Teams begünstigen, ist jedoch im nationalen Bildungswesen bislang unklar.

Im Beitrag wird der Ansatz zur datengestützten Qualitätsentwicklung im Projekt Schule macht stark (SchuMaS) dargestellt, der die Etablierung sog. „Evidenzteams“ vorsieht, die im Sinne von data teams die datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung an den 195 teilnehmenden Projektschulen voranbringen sollen. Die Grundlage bildeten schulübergreifende Netzwerktreffen (April/ Mai 2022) in dessen Rahmen die Teilnehmer*innen zu Zielen, Aufbau und Arbeitsweisen von Evidenzteams geschult wurden und anschließend darin unterstützt wurden, Evidenzteams an ihren Schulen zu etablieren.

Forschungsfragen

1. An wie vielen der Projektschulen wurden Evidenzteams etabliert?

2. Wie wird die Qualität der Zusammenarbeit innerhalb der Evidenzteams von den Schulleitungen wahrgenommen?

3. Inwieweit hängen schulische Merkmale (Kooperationshäufigkeit, Nutzung von schulischen Datenquellen, Innovationsbereitschaft) mit der Etablierung von Evidenzteams an Schulen in herausfordernden Lagen zusammen?

Methode

Datengrundlage bildet einerseits die SchuMaS-Ausgangserhebung (Herbst/Winter 2021; SchuMaS-Forschungsverbund 2022), an der 195 Schulleitungen (63% weiblich, zwischen 0 und 34 Berufsjahre als Schulleitung tätig) teilgenommen haben. Dieser Datensatz liefert Informationen zur Ausgangslage an den Schulen im SchuMaS-Forschungsverbund, die prädiktiv für die Etablierung von Evidenzteams sein kann. Ausgehend von empirischen Befunden zur Etablierung von Evidenzteams stehen im Fokus: Kooperationshäufigkeit von Lehrkräften (Hartmann et al., 2021; α = .71), Nutzungshäufigkeit von Daten für schulische Entscheidungen (adaptiert nach Demski, 2017; α = .81) und daraus abgeleitete schulische Maßnahmen (adaptiert nach Wurster et al., 2016; α = .84) sowie die Innovationsbereitschaft im Kollegium (Quellenberg, 2009; α = .82). Diese Ausgangsbedingungen werden mit Daten der SchuMaS-Zwischenerhebung (Sommer/Herbst 2023) längsschnittlich verknüpft, bei der die Schulleitungen (N = 128) befragt worden sind, ob es feste Teams (Evidenzteams) zur kooperativen Nutzung von Daten gibt und wie die Zusammenarbeit innerhalb dieser Teams wahrgenommen wird (α = .84; Eigenentwicklung).

Ergebnisse

Erste deskriptive Analysen zeigen, dass 45 Schulen von 128 befragten Schulleitungen solche Evidenzteams eingeführt haben, davon 19 Schulen im Zuge von SchuMaS. Zudem bewerten die Schulleitungen die Qualität der Zusammenarbeit von Evidenzteams auf einer Skala von 1 (Gar nicht) bis 4 (Voll und ganz) als hoch (M=3.10; SD=0.56). Da die längsschnittliche Verknüpfung der Daten noch nicht vollständig aufbereitet ist, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Ergebnisse berichten, inwieweit schulische Merkmale mit der Etablierung von Evidenzteams zusammenhängen. Diese werden bis zum Zeitpunkt der GEBF 2024 aber vorliegen.

 

Gelingensbedingungen erfolgreicher Qualifizierungsmodule für Lehrkräfte im Fach Deutsch im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“

Simone Jambor-Fahlen, Rebekka Wanka, Till Woerfel
Universität zu Köln

Theoretischer Hintergrund

Im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark – SchuMaS“ zielt das Qualifizierungsangebot im Cluster Unterrichtsentwicklung für das Fach Deutsch darauf ab, Lehrkräfte und Multiplikator:innen darin zu unterstützen, bestmögliche Bildungschancen für sozial benachteiligte Schüler:innen zu ermöglichen. Empirisch hat sich die Förderung der basalen Kompetenzen in den Bereichen der Lese- und Schreibflüssigkeit und der Anwendung geeigneter Strategien im Lesen und Schreiben als besonders wirksam erwiesen (Philipp & Schilcher 2012, Philipp 2012, Sturm 2017). Das Cluster bietet den an SchuMaS beteiligten Schulen in Qualifizierungsmodulen material- und skriptgestützte Maßnahmen zur Förderung dieser basalen Kompetenzen an. Die in den Modulen vorgestellten Förderkonzepte werden im Rahmen von Prozessen der Schul- und Unterrichtsentwicklung gemeinsam mit weiteren Lehrkräften in den Schulen implementiert. Die Implementation der Förderkonzepte erfolgt entlang einer Wirkungskette (Becker-Mrotzek & Roth 2022): Von wissenschaftlicher Seite aus werden die Multiplikator:innen qualifiziert, die in der Folge die Lehrkräfte schulen. Die Module werden in einem Blended-Learning-Konzept (Christensen et al. 2013) umgesetzt, das synchrone virtuelle Treffen und asynchrone Selbstlernphasen umfasst. Das Konzept folgt dabei evidenzbasierten Prinzipien gelingender Lehrkräftefortbildungen (Lipowsky & Rzejak 2012).

Forschungsfragen

Der vorliegende Beitrag skizziert das o. g. Qualifikationskonzept und zeigt auf, wie fachwissenschaftliche und fachdidaktische Inhalte vermittelt und gemeinsam mit den Teilnehmenden ko-konstruktiv weiterentwickelt werden. Das Ziel ist die Förderung basaler (schrift-)sprachlicher Kompetenzen gemäß der Annahme, dass auch Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte sich positiv auf die Lernerfolge ihrer Schüler:innen auswirken können (Yoon et al. 2007). Neben der übergreifenden Forschungsfrage nach den Gelingensbedingungen erfolgreicher Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte, sollen folgende untergeordnete Forschungsfragen in Anlehnung an die Kriterien der Wirksamkeit von Lehrerfortbildungsmaßnahmen nach Rzejak und Lipowsky (2012) im Beitrag beantwortet werden:

• Wie beurteilen Lehrkräfte die Rahmenbedingungen der Qualifizierungsangebote?

• Wie beurteilen Lehrkräfte die fachdidaktischen Inhalte der Qualifizierungsangebote?

• Wie beurteilen Lehrkräfte die Möglichkeit, die fachdidaktischen Inhalte in ihrem Unterricht umzusetzen?

• In welchem Umfang haben die Teilnehmenden die asynchronen Selbstlerneinheiten bearbeitet?

• In welchem Umfang wurden die asynchronen Aufgaben zur Reflexion der Lerninhalte genutzt?

• Haben sich die Lesefähigkeiten der Schülerinnen und Schüler durch den Einsatz des Leseflüssigkeitstraining verbessert?

Methode

Der Kompetenzzuwachs durch das Training zur Förderung der Leseflüssigkeit wurde in dritten und vierten Jahrgangsstufen in einer quasi-experimentellen Studie im Prä-/Post-Design mit einer Interventions- (N = 291) sowie einer Kontrollgruppe (N = 140) untersucht. Die Kontrollgruppe bestand aus Parallelklassen, die zur gleichen Zeit ohne ein vergleichbares Training, d.h. mit den in der Schule üblichen Methoden des Deutschunterrichts beschult wurden. Zudem wurden nach der Durchführung der Qualifikationsmaßnahmen alle teilnehmenden Lehrkräfte (N = 291) zu ihrer Einstellung gegenüber der Maßnahme, der Umsetzung in ihrem Unterricht und zur Nutzung der asynchronen Selbstlerninhalte mittels eines Online-Fragebogens befragt.

Ergebnisse

Erste deskriptive Ergebnisse zeigen, dass die teilnehmenden Lehrkräfte auf einer endpunktbenannten vierstufigen Likert-Skala (1 = stimme überhaupt nicht zu; 4 = stimme voll und ganz zu) die strukturellen Rahmenbedingungen (z.B. Modul 1; N=37; M=3.59) und die fachdidaktischen Inhalte (z.B. Modul 1; N = 37; M = 2.88) mehrheitlich als eher positiv bewerten. Auch die Umsetzbarkeit in der Praxis sowie die Nützlichkeit der Fortbildung wurden eher positiv (z.B. Modul 1; N=37; M=2.68) bewertet. Erste Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass asynchrone Selbstlerninhalte zu einem großen Teil (28.5 %) nicht bearbeitet wurden und damit relevante Inhalte für die Qualifikation fehlen. Zudem wurde deutlich, dass zwischen verschiedenen Durchläufen (erste und zweite Kohorte) der Qualifikation – bei gleichen Bedingungen – Unterschiede in der Bewertung erfolgten. Hier ist zu diskutieren, wie sich unterschiedliche Merkmale der Teilnehmenden (wie bspw. ihre Erwartungen, Ziele und/oder ihre Haltung gegenüber dem Projekt etc.) auf die Bewertung auswirken. Ergebnisse zur Kompetenzentwicklung der Schüler:innen werden zum Zeitpunkt der Tagung vorliegen und im Rahmen des Beitrags berichtet. Anhand der Ergebnisse ist zu diskutieren, wie Qualifikationsmaßnahmen im Bereich der Lehrkräftefortbildung erfolgreich umgesetzt werden können.