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5-01: PISA 2022: Vertiefende Analysen für Erklärungsansätze der aktuellen PISA-Ergebnisse in Deutschland
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Eingeladenes Symposium
PISA 2022: Vertiefende Analysen für Erklärungsansätze der aktuellen PISA-Ergebnisse in Deutschland Im Rahmen der PISA-Studie wird untersucht, wie gut 15-jährige Schüler*innen gegen Ende ihrer Pflichtschulzeit alltagsnahe Aufgaben in Mathematik, im Lesen und in den Naturwissenschaften lösen können. Die Befunde der aktuellen PISA-Studie 2022 zeigen auf, dass für die Schüler*innen in Deutschland in allen drei Bereichen – Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen – Leistungseinbußen im Vergleich zu 2018 zu verzeichnen sind, die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch ausfallen. Während die mittleren Kompetenzen der Jugendlichen in Deutschland 2018 in allen drei Bereichen noch über dem jeweiligen OECD-Durchschnitt lagen, ist dies in PISA 2022 nur noch für die naturwissenschaftliche Kompetenz der Fall. In Mathematik und im Lesen unterscheiden sich die Kompetenzen nicht mehr signifikant vom OECD-Durchschnitt. Die Gruppe der leistungsschwachen Schüler*innen, ist in Deutschland im Vergleich zu 2018 zudem in allen drei Bereichen gewachsen. Leistungsschwache Jugendliche werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne zusätzliche Förderung weder den Anforderungen weiterführender Schulen noch denen der beruflichen Ausbildung gewachsen sein. Ihr Anteil fällt an nicht gymnasialen Schulen, u.a. Haupt- oder Realschulen, deutlich höher aus als an Gymnasien. Diese Entwicklung kann durch mehreren Faktoren beeinflusst sein. Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Schulschließungen (vgl. Betthäuser, et al, 2023) und der damit verbundene Distanzunterricht (Lewalter, et al., 2023) negative Effekte hatten, als auch Merkmale der Schüler*innen (Diedrich, et al., 2023) sowie Merkmale des Unterrichts (Schiepe- Tiska, et al., 2023) mit den gefundenen Kompetenzniveaus in Zusammenhang stehen. Im Rahmen des Symposiums wird der gemeinsamen Forschungsfrage nachgegangen, inwiefern Merkmale der Schüler*innen als auch schulische Rahmenbedingungen und Merkmale des Unterrichts mit der Leistung der Schüler*innen in den verschiedenen Domänen in Zusammenhang stehen. Müller et al., untersuchen mittels latenter Profilanalysen den Zusammenhang von Merkmalskombinationen der Schüler*innen und deren Kompetenzen in den drei Domänen der PISA-Studie (Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften). Dabei stellen sie die gefundenen Profile und Zusammenhänge anhand der Daten der PISA-Studien aus 2018 und 2022 einander gegenüber. Kastorff untersucht in ihrem Beitrag den Zusammenhang zwischen schulischen und individuellen Gelingensbedingungen, wie beispielsweise die Ausstattung der Schulen mit materiellen und personellen ICT Ressourcen für den Lernerfolg in den Naturwissenschaften. Dabei wird zum einen ein Vergleich von Schüler*innen an Gymnasien sowie an nicht gymnasialen Schularten durchgeführt und zum anderen die Gruppe der leistungsschwachen Schüler*innen in den Blick genommen. Todtenhöfer et al., stellen demgegenüber den Unterricht im Fach Mathematik und seinen Bezug zu Bildungsstandards und mehrdimensionalen Bildungszielen in den Fokus ihrer Analysen. Sie gehen der Frage nach, inwieweit Prüfungsaufgaben, die den Unterrichtsstoff eines bestimmten Unterrichtszeitraums repräsentativ abbilden, Teilkompetenzen entsprechend der Bildungsstandards adressieren. Als Ergänzung wird der konstruierte Lebensweltbezug als ein mögliches motivationales Potenzial kompetenzorientierten Unterrichts hinzugezogen. Anschließend wird untersucht, wie Unterricht, der dieser inhaltlichen Ausrichtung folgt, mit den mehrdimensionalen Bildungszielen in PISA 2022 (Mathematikkompetenz, Freude und Interesse sowie instrumentelle Motivation) zusammenhängt. Diedrich et al, kombinieren verschiede Schüler*innenmerkmalesowie des Geschlechts und des sozioökonomischen beruflichen Status der Eltern in zusammenfassenden Regressionsanalysen. Als Kriterium wird die mathematische Kompetenz der Schüler*innen herangezogen. Die Analysen werden für alle Erhebungsrunden durchgeführt, in denen Mathematik Hauptdomäne war (2003, 2012 und 2022), sodass eine Entwicklung des Einflusses verschiedener Erklärungsfaktoren betrachtet werden kann. Beiträge des Symposiums Krisenrelevante Merkmalsprofile von Schüler*innen vor und nach der Pandemie Theoretischer Hintergrund und Fragestellungen Die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden in einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen (u.a. Betthäuser et al., 2023) untersucht. Die PISA 2022 Studie liefert ergänzend Hinweise auf die Rahmenbedingungen und Gestaltung des Distanzunterrichts in Deutschland und auf internationaler Ebene (Lewalter et al., 2023). Hierbei spielt auch der Einsatz digitaler Medien eine wichtige Rolle. Eine zentrale Frage ist, welche Merkmale von Schüler*innen mit einer erfolgreichen Bewältigung dieser Situation assoziiert sind und in diesen herausfordernden Lernumgebungen Vorteile bringen. Dieser Themenstellung geht der Beitrag anhand von Daten zu zwei Messzeitpunkten vor und nach der Pandemie nach. Resilienz (Rutter, 2006), die Fähigkeit zur Selbstregulation (Blume et al., 2021) sowie das Zugehörigkeitsgefühl zur Schule (Holzer et al., 2021) zählen zu Eigenschaften, die in Krisenzeiten einen besseren Umgang mit den einhergehenden Herausforderungen im Schulkontext nahelegen. Allgemein wird auch ein positives Fähigkeitsselbstkonzept als lernförderlich angesehen (Karlen et al., 2021). Mit Blick auf den Distanzunterricht ist der kompetente Umgang mit digitalen Medien vermutlich besonders relevant. Die genannten Merkmale treten nicht isoliert in Schüler*innen auf, sondern in verschiedenen Merkmalskombinationen, die in unterschiedlicher Weise mit Leistung zusammenhängen. Mit Blick auf die Situation vor und nach der Pandemie und die Ausprägung der Merkmale bei Schüler*innen in Deutschland stellen sich demnach die folgenden Forschungsfragen: 1. Welche Merkmalsprofile zeigen sich bei Schüler*innen in Deutschland vor und nach der Pandemie? 2. Gibt es Unterschiede zwischen Schüler*innen verschiedener Merkmalsprofile hinsichtlich der Kompetenz in den drei PISA-Domänen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften? Methode Die Fragestellungen werden anhand einer latenten Profilanalyse der Daten der PISA-Studie 2018 und PISA 2022 beantwortet. Die berücksichtigten Merkmale werden durch etablierte Skalen der PISA-Studie gemessen (Mang, et al., 2023), deren Ausprägungen die Werte 1 bis 4 annehmen können. Bei allen Werten handelt es sich um die Selbsteinschätzung der Jugendlichen. Alle Analysen werden in R (Version 4.2.2) durchgeführt. Es werden anhand der z-standardisierten Variablen ICT-Kompetenz, Resilienz, Selbstregulation, und Zugehörigkeitsgefühl zur Schule Merkmalsprofile erstellt und auf signifikante Unterschiede hin überprüft. Abschließend werden die Schüler*innen abhängig von ihrer Profilzugehörigkeit hinsichtlich ihrer Kompetenz in den drei PISA-Domänen (Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften) beschrieben. Ergebnisse Die Schüler*innen (PISA 2018: N = 5451; PISA 2022: N = 6116) können auf Basis der verwendeten Merkmale bei PISA 2018 drei Profilen zugeordnet werden, die als „Mainstream“, „Vulnerable“ und „Außenseiter*innen“ bezeichnet werden. Mainstream zeichnet sich durch leicht überdurchschnittliche Werte in Selbstregulation, ICT-Kompetenz, Zugehörigkeitsgefühl und Resilienz aus. Die Vulnerablen und Außenseiter*innen weisen leicht unterdurchschnittliche Werte bei Selbstregulation, ICT-Kompetenz und Resilienz auf. Auch das Zugehörigkeitsgefühl zur Schule ist bei beiden Profilen unterdurchschnittlich, wobei die Außenseiter*innen für dieses Merkmal sehr viel niedrigere Werte aufweisen (M = - 2.4). Im Jahr 2018 schneiden die Außenseiter*innen und Vulnerablen in allen drei Domänen schlechter ab als der Durchschnitt. Die Kompetenzen des Mainstreams liegen in allen drei Bereichen über dem Durchschnitt. Bei PISA 2022 zeigen sich ebenfalls drei Profile die jedoch anders charakterisiert werden können, als jene in 2018: die „Allrounder*innen“, „Geeks“ und „Nonliner*innen“. Für die „Nonliner*innen“ liegen die Werte für ICT-Kompetenz im Mittel 1.35 SD unter dem Durchschnitt und diese Schüler*innen zeigen in allen drei Domänen unterdurchschnittliche Kompetenzen. Die „Allrounder*innen“ haben die höchsten Werte in Selbstregulation, ICT-Kompetenz und Zugehörigkeitsgefühl und erzielen in allen drei Domänen die höchsten Kompetenzwerte. Die Kompetenzen der „Geeks“ mit niedrigen Werten beim Zugehörigkeitsgefühl und zugleich überdurchschnittlichen Werten bei der ICT- Kompetenz liegen in allen drei Domänen im Durchschnitt. Bezüglich der Resilienz unterscheiden sich die Profile kaum. Im Vergleich zu den Ergebnissen für 2018 zeigt sich, dass die ICT-Kompetenz in größerem Maße mit dem Erreichen höherer Mathematikkompetenz assoziiert werden kann. Ein zusätzlich hohes Zugehörigkeitsgefühl zur Schule sowie hohe selbstregulative Fähigkeiten scheinen darüber hinaus zentral bei der Erreichung überdurchschnittlicher Kompetenzwerte. Post-Pandemic & lessons learned: schulische und individuelle Gelingensbedingungen des Lernerfolgs in den Naturwissenschaften - Evidenz aus PISA 2022 Theoretischer Hintergrund und Fragestellungen Naturwissenschaftliche Kompetenz ist von zentraler Bedeutung für Schüler*innen, damit sie in Bereichen wie dem Gesundheits- und Umweltschutz nicht nur aktiv handeln können, sondern auch die Folgen des eigenen Handelns einschätzen können (Sailer et al., 2021). Die naturwissenschaftliche Kompetenz ist zudem entscheidend für eine erfolgreiche Teilhabe an einer naturwissenschaftlich-technisch geprägten Gesellschaft (z. B., Schiepe-Tiska et al., 2019). Die aktuellen Ergebnisse der PISA Studie in 2022 zeigen jedoch, dass die Schüler*innen in Deutschland signifikant schlechter in den Naturwissenschaften abschnitten, als dies in PISA 2018 der Fall war (Kastorff et al., 2023). Schüler*innen an Gymnasien schneiden noch relativ gut in den Naturwissenschaften ab, während ein Drittel der Schüler*innen an nicht gymnasialen Schularten nicht die Kompetenzstufe II erreicht, die als kritische Hürde zur erfolgreichen Teilhabe an der naturwissenschaftlichen-technischen Gesellschaft gesehen wird. Folglich weisen die Befunde der aktuellen PISA-Studie auf, dass besonders bei Schüler*innen an nicht gymnasialen Schularten ein vermehrter Förderbedarf besteht und somit die Breitenförderung im Sinne einer naturwissenschaftlichen Kompetenz für alle nicht gelingt. Diese Befunde sind in Teilen auch mit der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Auswirkungen auf das Bildungswesen zu erklären (Betthäuser et al., 2023). Aufgrund der gravierenden aktuellen PISA Ergebnisse stellt sich die Frage, inwiefern sowohl schulische Gelingensbedingungen während der Corona-Pandemie, wie beispielsweise die Ausstattung der Schulen mit materiellen und personellen ICT Ressourcen als auch Maßnahmen zur Erhaltung des Unterrichtsgeschehens sowie individuelle Gelingensbedingungen auf Ebene der Schüler*innen, wie beispielsweise der sozioökonomische Status, in Deutschland während der Corona-Pandemie von Bedeutung waren. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden daher die Fragestellungen untersucht, welche schulischen und individuellen Gelingensbedingungen für den Lernerfolg in den Naturwissenschaften ausgemacht werden können. Dabei wird auch auf einen Vergleich von Schüler*innen an Gymnasien sowie an nicht gymnasialen Schularten eingegangen. Methode An der PISA-Studie nahmen N = 6116 sowie N = 260 Schulleitungen in Deutschland teil. Von den teilnehmenden Schüler*innen besuchten N = 2273 Gymnasien und N = 3590 nicht gymnasiale Schularten. Als Datengrundlage des vorliegenden Beitrages diente zum einen der PISA Kompetenztest zur Messung der naturwissenschaftlichen Kompetenz von Fünfzehnjährigen. Zum anderen wurden die Antworten der Schüler*innen sowie der Schulleitungen basierend auf Fragebogendaten für die Analysen herangezogen, um sowohl individuelle als auch schulische Gelingensbedingungen in die Analysen einzubeziehen. Aufgrund der genesteten Datenstruktur wurden die Angaben der Schüler*innen und Schulleitungen mittels Mehrebenenanalysen in R analysiert. Ergebnisse und Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass bei Schüler*innen an nicht gymnasialen Schularten (ß = 6.78, SE = 2.78, p <.005) als auch an Gymnasien (ß = 11.58, SE = 3.91, p <.000 ) schulische Gelingensbedingungen wie beispielsweise Aktivitäten zur Erhaltung des Unterrichtsgeschehens während der Corona-Pandemie einen signifikant positiven Effekt auf die Naturwissenschaftliche Kompetenz aufweisen. Gleichzeitig zeigt sich, dass Probleme beim Selbstlernen der Schüler*innen, mit einer niedrigeren naturwissenschaftlichen Kompetenz bei Schüler*innen lediglich an Gymnasien assoziiert sind (ß = -15.82, SE= 3.26, p < .000). Zudem weist lediglich an nicht gymnasialen Schularten die Qualität der Ausstattung mit materiellen und personellen ICT-Ressourcen einen positiven Effekt auf die naturwissenschaftliche Kompetenz auf (ß = 9.67, SE = 4.85, p <.000). Insgesamt veranschaulichen die Ergebnisse die Relevanz schulischer Rahmenbedingungen für die naturwissenschaftliche Kompetenz auch während der Ausnahmesituation der Corona-Pandemie. Betrachtet man die Schüler*innen unterhalb Kompetenzstufe II gesondert, so konnten keine signifikanten Gelingensbedingungen auf Schulebene identifiziert werden. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt unter Berücksichtigung der schulischen und individuellen Faktoren, die in potenziellen zukünftigen Ausnahmesituationen entscheidend sein könnten, um den Erfolg im naturwissenschaftlichen Lernen aufrechtzuerhalten. Zwischen Prüfungsaufgaben und Leistung: Kompetenzorientierter Mathematikunterricht und mehrdimensionale Bildungsziele in PISA 2022 Theoretischer Hintergrund PISA 2022 hat gezeigt, dass die Schüler*innen in Deutschland im Vergleich zu vorherigen PISA-Erhebungsrunden eine geringere Mathematikkompetenz aufweisen (Diedrich et al., 2023). Eine zentrale Stellschraube, die Mathematikkompetenz zu verbessern, ist der Mathematikunterricht (Schiepe-Tiska et al., 2023). Bereits im Jahr 2002 wurden die nationalen Bildungsstandards entwickelt, um zu definieren, welche Kompetenzen Schüler*innen am Ende eines bestimmten Bildungsabschnittes erworben haben sollen (KMK, 2002). Die Bildungsstandards können zusätzlich um die Perspektive motivationaler Lernergebnisse erweitert werden (Schiepe-Tiska et al., 2021), die aufgrund der Umstellung zu kompetenzorientierten Lehrplänen mehr in den Fokus gerückt sind (KMK, 2010). Ziel eines kompetenzorientierten Unterrichts sollte folglich sein, sowohl die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards (hier zusammengefasst in die Kategorien Fachkenntnisse, Fachmethoden, Kommunikation, Reflexion) als auch motivationale Aspekte (hier dargestellt durch den konstruierten Lebensweltbezug) in der Unterrichtsgestaltung abzudecken. Diese Unterrichtsgestaltung besteht im Mathematikunterricht zum Großteil aus Unterrichts- und Prüfungsaufgaben, deren Lösungen von Schüler*innen erarbeitet werden (Reiss & Hammer, 2021). Eine Analyse der Prüfungsaufgaben ermöglicht einen konkreten Einblick in das Unterrichtsangebot, da sie den Unterrichtsstoff eines bestimmten Unterrichtszeitraums repräsentativ abbilden sollen und besonderes Potenzial haben, das Erreichen mehrdimensionaler Bildungsziele zu fördern. Fragestellung Darauf basierend befassen sich folgenden Analysen zunächst mit der Frage, inwieweit die untersuchten Prüfungsaufgaben Teilkompetenzen entsprechend der Bildungsstandards adressieren. Als Ergänzung wird der konstruierte Lebensweltbezug als ein mögliches motivationales Potenzial kompetenzorientierten Unterrichts hinzugezogen. Anschließend wird untersucht, wie ein Unterricht, der dieser inhaltlichen Ausrichtung folgt, mit den mehrdimensionalen Bildungszielen in PISA 2022 (Mathematikkompetenz, Freude und Interesse sowie instrumentelle Motivation) zusammenhängt. Methode Die Daten basieren auf N = 891 Prüfungsanalyseeinheiten von 43 Lehrkräften, deren Klassen im Rahmen von PISA 2022 erfasst worden sind. Für die Analyse der Prüfungsaufgaben wurden im Rahmen von PISA-Ceco eingesetzte Klassenarbeiten aus dem Schuljahr 2021/2022 eingesammelt. Die Aufgaben wurden unter anderem in Bezug auf die Dimensionen „Orientierung an den Kompetenzbereichen der Bildungsstandards“ (Fachkenntnisse, Fachmethoden, Kommunikation, Reflexion) sowie in Bezug auf den konstruierten Lebensweltbezug als ein motivationsfördernder Faktor analysiert (ausführliches Kategorienschema: Heinle et al., 2023). Alle Kategorien wurden anhand dichotomer Antwortkategorien doppelt kodiert. Bei abweichenden Kodierungen einigten sich die Rater*innen auf einen Code. Diese Prüfungsaufgaben wurden mit dem klassenbasierten Datensatz der Schüler*innen aus PISA 2022 (rund N = 600) verbunden, um eine Verbindung der Schülerleistungen (Mathematikkompetenz, Freude und Interesse sowie Motivation) mit den genannten Unterrichtsmerkmalen (Fachkenntnisse, Fachmethoden, Kommunikation, Reflexion sowie der konstruierte Lebensweltbezug) herzustellen. Ergebnisse Bezogen auf die Orientierung der Prüfungsaufgaben an den Bildungsstandards zeigt sich, dass die Kategorien Fachkenntnisse (99.9%) und Fachmethoden (89.9%) in nahezu allen Prüfungsaufgaben vorkommen und daher grundsätzlich Bestandteil der Prüfungsaufgaben aller Lehrkräfte sind. In gewisser Hinsicht erfüllen die Prüfungsaufgaben aller Lehrkräfte Teilkompetenzen der Bildungsstandards. Das Kommunizieren (10.3%) wird hingegen nur in etwa einem Zehntel der Aufgaben verlangt und der Kompetenzbereich Reflexion (0.3%) ist so gut wie kein Bestandteil der Prüfungsaufgaben. Es wird erwartet, dass sich Unterschiede in der mathematischen Kompetenz und Motivation der Schüler*innen aus PISA 2022 zeigen, wenn zu den gegebenen Fachkenntnissen und Fachmethoden zusätzlich Kommunikation als kreativer Umgang mit Mathematik hinzukommt. 30.2 % der Lehrkräfte fordern ausschließlich die Kompetenzbereiche Fachkenntnisse und Fachmethoden, entsprechend 69.8 % der Lehrkräfte zusätzlich den Kompetenzbereich Kommunikation 90.7 % der Lehrkräfte gestalten ihre Prüfungsaufgabe grundsätzlich mithilfe eines konstruierten Lebensweltbezugs. Ein genauerer Blick in die Ergebnisse zeigt allerdings, dass sich der konstruierte Lebensweltbezug insgesamt in nur einem Viertel der Aufgaben (26.4 %) wiederfindet und somit von den Lehrkräften nicht konstant eingesetzt wird. In einem abschließenden Schritt wird überprüft, ob das zusätzliche Fordern von Kommunikation zu einer höheren mathematischen Kompetenz oder zu einer höheren Motivation führt. Anschließend wird untersucht, ob der konstruierte Lebensweltbezug als motivationales Potenzial der Aufgaben einen Einfluss auf die Mathematikkompetenz, die Freude und das Interesse sowie die Motivation der Schüler*innen in PISA 2022 hat. Entwicklung der mathematischen Kompetenz in PISA und ihre Prädiktoren Theoretischer Hintergrund Die mathematische Kompetenz Fünfzehnjähriger liegt in PISA 2022 in Deutschland (M = 475 Punkte) nicht mehr signifikant über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (M = 472 Punkte). Diese durchschnittliche Kompetenz liegt auch unter jener in PISA 2003 (M = 503 Punkte) und 2012 (M = 514 Punkte), als Mathematik zuletzt jeweils Hauptdomäne war. Zur Einordnung der Kompetenzen wird in PISA stets das Geschlecht sowie der sozioökonomische berufliche Status der Eltern erhoben. Für die Hauptdomäne werden zudem in PISA auch die domänenspezifischen Emotionen, Motivationen und Einstellungen erfragt. In PISA 2022, wie auch in 2003 und 2012, zeigten Jungen höhere mathematische Kompetenzen als Mädchen (Diedrich, Reinhold, Heinze, & Reiss, 2023) und der Zusammenhang des sozioökonomischen beruflichen Status der Eltern mit der Kompetenz der Jugendlichen hat sich seit 2012 nicht verändert (Mang et al., 2023). Im Bereich der mathematikbezogenen Merkmale der Schüler*innen waren von PISA 2003 bis 2012 nur geringe und zwischen 2012 und 2022 signifikante Veränderungen zu verzeichnen: die mathematikbezogene Ängstlichkeit nahm seit 2012 signifikant zu, während Freude und Interesse an Mathematik, mathematikbezogene instrumentelle Motivation sowie Selbstwirksamkeitserwartung hinsichtlich innermathematischer und einfacher Anwendungsaufgaben signifikant abnahmen (Diedrich, Patzl, Seßler, & Reinhold, 2023). Der vorliegende Beitrag kombiniert diese einzelnen Merkmale in gemeinsamen Regressionsanalysen. Fragestellung Wie viel Varianz an der mathematischen Kompetenz Fünfzehnjähriger kann durch folgende Faktoren aufgeklärt werden? 1. die mathematikbezogene Ängstlichkeit, Freude und Interesse an Mathematik, mathematikbezogene instrumentelle Motivation sowie Selbstwirksamkeitserwartung? 2. das Geschlecht? 3. den sozioökonomischen beruflichen Status der Eltern? Methode Zur Beantwortung der Fragestellungen wird die mathematische Kompetenz in drei Regressionsmodellen vorhergesagt durch 1) die mathematikbezogenen Emotionen, Motivationen und Einstellungen, 2) ergänzt um das Geschlecht sowie 3) ergänzt um den sozioökonomischen beruflichen Status der Eltern. Diese Modelle werden getrennt für die Erhebungsrunden 2003, 2012 und 2022 gerechnet, in denen Mathematik jeweils die Hauptdomäne war. Das Kriterium wurde auf Basis der Plausible Values geschätzt. Die Merkmale des ersten Modells wurden im Schüler*innenfragebogen erhoben. Um die Vergleichbarkeit trotz leicht veränderter Zusammensetzung des Fragebogens zu gewährleisten wurden die vier Merkmale reskaliert (Lewalter et al., 2023; Abschnitt 12.7). Beim Geschlecht wurde die Angabe aus der Schüler*innenlistung verwendet und der sozioökonomische berufliche Status (HISEI) wurde dem Elternfragebogen entnommen. Alle Analysen wurden mittels des IDB Analyzer 5.0 (IEA, 2023) durchgeführt. Ergebnisse In allen Modellen klärt die mathematikbezogene Ängstlichkeit sowie die Selbstwirksamkeitserwartung einen signifikanten Anteil an der Varianz der mathematischen Kompetenz auf. Für die Ängstlichkeit variiert dieser Anteil von β = -.13 (2022) bis β = -.22 (2012). Die Selbstwirksamkeitserwartung variiert zwischen β = .50 (2012) und β = .42 (2022). Die Selbstwirksamkeitserwartung ist ein stärkerer Prädiktor als der sozioökonomische berufliche Status der Eltern (β = .28 (2003); β = .27 (2012 und 2022)). Das Geschlecht klärt nur in 2012 einen signifikanten aber marginalen Anteil an der Varianz in der mathematischen Kompetenz (β = -.05) auf. Freude und Interesse an Mathematik sowie mathematikbezogene instrumentelle Motivation sind nur in PISA 2003 signifikante Prädiktoren der mathematischen Kompetenz Fünfzehnjähriger. Insgesamt werden durch die Merkmale in den drei Modelle in allen Jahren substantielle Anteil an der mathematischen Kompetenz vorhergesagt (R² = .37 (2003); R² = .39 (2012); R² = .33 (2022)). Diese Befunde stehen im Einklang mit bisherigen Meta-Analysen zum Zusammenhang der Ängstlichkeit (Ma, 1999) sowie der Selbstwirksamkeitserwartung (Reinhold, et al, under review) mit der Leistung in Mathematik. Insbesonder die Bedeutung der Selbstwirksamkeitserwartung („Mit Hilfe eines Zugfahrplanes ausrechnen, wie lange man von einem Ort zum anderen brauchen würde“) wird im Beitrag kritisch diskutiert. |