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Sitzungsübersicht
Sitzung
4-19: Lehrkräftebildung
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
10:30 - 12:10

Ort: S23

Seminarraum, 50 TN

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Präsentationen
Paper Session

Lehrer*in für nur ein Unterrichtsfach? Einstellungen von Lehramtsstudierenden zum Ein-Fach-Lehramt für die Sekundarstufe

Annelie Schulze, Miriam Vock

Universität Potsdam, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Angesichts des massiven Lehrkräftemangels wird derzeit über mögliche Veränderungen des Lehramtsstudiums diskutiert, u.a. auch die Option, Lehrkräfte mit nur einem Fach einzustellen (z. B. KMK, 2023). Die Lehrkräfteausbildung im deutschsprachigen Raum sieht in aller Regel ein Studium von zwei Unterrichtsfächern für die Sekundarstufe vor, international dominiert jedoch das Modell der Ein-Fach-Lehrkraft (Vock, 2021). In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, wie Lehramtsstudierende die Variante eines Ein-Fach-Lehramts einschätzen.

Wenn im Lehramtsstudium die Wahlmöglichkeit bestünde, lediglich ein Fach für die Sekundarstufe zu studieren und damit die volle Lehramtsqualifikation zu erreichen, könnte die Studienzeit verkürzt werden, so dass Abschlüsse schneller erreicht werden. Alternativ könnte das Studium so ausgestaltet werden, dass die Studiendauer zwar gleichbleibt, aber mehr Zeit für fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte frei würde (Böttcher, 2020). Zudem ist das Erfordernis, zwei Fächer zu studieren, für einen Teil der Studierenden möglicherweise eine (zu) hohe Belastung. Ein beträchtlicher Anteil der Lehramtsstudierenden weist gesundheitliche Risikomuster auf, die mit negativer psychischer Beanspruchung in Verbindung gebracht werden (32%, Rothland, 2013; 46%, Schaarschmidt & Kieschke, 2007). Durch das Ein-Fach-Studium ließen sich Belastungen reduzieren, ohne inhaltliche Standards zu senken. Damit würde sich möglicherweise die Abbrecherquote im Lehramtsstudium verringern (10-16%, z.B. Heublein et al., 2022), die u. a. auf als zu hoch empfundene Anforderungen zurückgeführt wird (Zimmermann et al., 2018). Ein Ein-Fach-Studium könnte darüber hinaus Personen ansprechen, die spezifisches Interesse an einem Fach haben, und neue Qualifizierungswege für Studierende eines fachwissenschaftlichen Studiums eröffnen. Ferner ließe sich der Quer- bzw. Seiteneinstieg sowie die Integration internationaler Lehrkräfte erleichtern (Böttcher, 2020; Vock, 2021) und zumindest in MINT-Fächern könnte ein Ein-Fach-Lehramtsstudium den Lehrkräftemangel mildern (Klemm, 2022).

Fragestellungen

Welche Perspektive haben Lehramtsstudierende auf die (hypothetische) Option eines Ein-Fach-Studiums? Wie bewerten sie mögliche Folgen eines Ein-Fach-Studiums für ihr Studium und die spätere Ausübung des Berufs? Unterscheiden sich die Einschätzungen von Bachelor- und Masterstudierenden?

Methode

Die Datengrundlage bilden N = 273 Studierende im Sekundarschullehramt von vier Universitäten. Gut die Hälfte der Lehramtsstudierenden befand sich zum Befragungszeitpunkt im Sommer 2023 im Bachelorstudium (52%), der Rest im Masterstudium (48%). Der Online-Fragebogen enthielt Fragen zu Demographie, Fächern, Präferenzen und zur Einschätzung eines Ein-Fach-Studiums mit dessen möglichen beruflichen Folgen. Zudem gaben die Studierenden an, wie sie die durch ein Ein-Fach-Studium freiwerdende Studienzeit am ehesten nutzen würden. Ihre Wahl sollten sie ebenso offen begründen.

Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mithilfe deskriptiver Analysen. Unterschiede in den Einschätzungen zwischen Studierenden im Bachelor- und Masterstudium wurden hinsichtlich der Signifikanz mit χ2-Tests geprüft. Zur Analyse der offenen Frage wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) angewandt.

Erste Ergebnisse

Der Großteil der Lehramtsstudierenden (87%) hätte das Studium auch dann gewählt, wenn es nur ein Unterrichtsfach beinhalten würde. Zudem empfand mehr als ein Viertel (28%) diese Alternative als die bessere Option. Während die überwiegende Mehrheit in Betracht zog, später an der Schule nur ein Unterrichtsfach zu unterrichten (59%), war die Zustimmung zu weiteren, daraus möglichen Folgen zurückhaltender. So schlossen 77% aller Lehramtsstudierenden das Unterrichten an verschiedenen Schulen (eher) aus. Insgesamt lagen tendenziell höhere Zustimmungswerte unter den Bachelorstudierenden im Vergleich zu den Masterstudierenden vor. Die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Die durch das Ein-Fach-Studium freigewordene Zeit würde etwa ein Drittel der Studierenden dazu nutzen, schneller in den Beruf einzusteigen (Bachelorstudierende: 34%; Masterstudierende: 39%). Begründet wurde dies vorrangig mit dem Wunsch nach finanzieller Absicherung und Praxiserfahrungen. Weitere Lehramtsstudierende erklärten dies mit fehlender Studienzufriedenheit (bspw. „Das Studium dauert so schon viel zu lange.“). Ferner würden 20% der Lehramtsstudierenden die Zeit für eine stärkere Vertiefung eines Faches verwenden. Begründet wurde dies etwa mit mangelndem Interesse am zweiten Fach oder der Überforderung mit zwei Fächern (bspw. „Ich habe das zweite Fach nur gewählt, weil ich musste.“).



Paper Session

Besser Lehren und Lernen mit Tandemlehre? Kooperative, interdisziplinäre und kollaborative Seminare in der Lehrerbildung im Fokus.

Sibylle Schneider

Universität Augsburg, Deutschland

In Anbetracht der gewachsenen Heterogenität und Pluralität im Unterricht von heute, vor allem aber auch im Hinblick auf die Lernvoraussetzungen und damit verbundenen Bedürfnisse der Schüler*innen, die höhere Flexibilität im Unterrichten, die daraus gestiegenen (fach-)didaktischen Anforderungen und dafür notwendigen neuen Formen des Lehrens und Lernens macht es aus konstruktivistischer Perspektive unausweichlich, bereits in der universitären Ausbildung der Lehrkräfte von morgen diese Zusammenhänge in der Hochschuldidaktik strukturell zu etablieren, um so Lehramtsstudierenden besser zu qualifizieren und auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten.

Vor diesem Hintergrund werden im Projekt koko „kompetent kooperieren“ an der Universität Augsburg kooperative, interdisziplinäre Seminare mit Tandemlehre und kollaborativen Lernarrangements unter Studierenden (u.a. Zusammenarbeit in der Gruppe, im Team oder Tandem, Hadwin et al., 2011) in der Lehrerbildung an Universitäten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Lernmotivationsregulationsstrategien (Boekaerts, 1997) und Motivationsziele, epistemologischen Überzeugungen (Zinn, 2013), Einstellungen zu Kollaboration, verschiedener Kompetenzorientierungen sowie personaler, lernrelevanter, soziodemographischer und studienbezogener Merkmale, einschließlich des Fachinteresses der Lehramtsstudierenden (Moderatoren) untersucht.

Auch aus Sicht der Lehrerprofessionsforschung sind diese hochschuldidaktischen Lehr- und Lernmethoden aufschlussreich, da Schulen in ihrer traditionellen Struktur eher als kooperationshemmend wahrgenommen werden (Rothland, 2016; Altrichter & Eder, 2004). Im Zuge des Trends zum fächerübergreifenden Unterrichten und nicht zuletzt inklusions- und integrationsbedingt wird sich der Lehrberuf jedoch weg vom klassischen Einzelkämpfer hin zur Zusammenarbeit in (multiprofessionellen) Teams (Bertels, 2018) entwickeln.

Im Projekt koko wurden bislang solche Seminare in zwei Teilstudien, davon Teilstudie I mit Schwerpunkt in der Religionsfachdidaktik und -pädagogik hinsichtlich der Förderung religionssensibler und interkultureller Dialog- und Kooperationskompetenzen als Ziel und Teilstudie II mit Erweiterung auf alle Fachdidaktiken und die Förderung allgemeiner professioneller Kompetenzen von Lehrkräften (Baumert & Kunter, 2006), jeweils mit einer quantitativen und qualitativen Forschungslinie im Zeitraum vor der Corona-Pandemie bayernweit, d.h. unter Beteiligung (fast) aller Universitäten in Bayern, evaluiert (Mixed-Methods-Design: Quasiexperimentelle Interventionsstudie mit Prä- und Postmessung sowie Experimental- und Kontrollgruppen mit Tandemlehre, kollaborativen Arbeitsformen und Interdisziplinarität als Experimentalbedingungen sowie eine qualitative Interviewstudie). Im Rahmen des Vortrags werden ausgewählte quantitative und qualitative Befunde aus Teilstudie II vorgestellt, worin 23 Seminare aus verschiedenen an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen an sechs Universitäten in Bayern beforscht und evaluiert wurden. Die zentrale Fragestellung dabei lautete: Inwieweit können die fokussierten hochschuldidaktischen Konzepte Fähigkeiten, Überzeugungen und Einstellungen von Lehramtsstudierenden fördern, die als professionelle Kompetenzen in ihrer späteren Berufspraxis als Lehrerinnen und Lehrer nützlich und relevant sind bzw. darauf vorbereiten.



Paper Session

Kann Sketchnoting kreatives Lernen im Lehramtsstudium fördern? - Eine explorative Mixed-Method-Studie

Laura Ohmes

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Deutschland

Kreativität ist von zentraler Bedeutung für Ideenfindung, Innovation und Wohlbefinden und wird als eine der „21st century skills“ definiert (Vincent-Lancrin et al., 2019, S. 51). Folglich sollten Lehramtsstudierende in ihrer Ausbildung kreative Lernmethoden kennen lernen, die sie für die Weiterentwicklung eigener kreativer Fähigkeiten sowie für die Förderung von Kreativität im Schulunterricht verwenden können. Sketchnoting ist eine Visualisierungsmethode, die dahingehend potentiell nützlich sein könnte. Sie bietet Freiräume, komplexe Informationen mit Hilfe von Skizzen, visuellen Metaphern und diagrammhaften Strukturen aus Boxen und Pfeilen zu veranschaulichen sowie persönlich bedeutsame Erkenntnisse festzuhalten (Rohde, 2013). Das Potenzial von Sketchnoting wird insbesondere in einem besseren Verständnis von komplexen Inhalten wie wissenschaftlichen Texten gesehen (Dimeo, 2016) sowie in der Förderung von Kreativität in Lernsituationen (z. B. Perry et al., 2018). Gemäß eines Modells von Treffinger (1980; Treffinger et al., 1983) sind Indikatoren für kreatives Lernen, z.B. divergente Funktionen (z.B. Ideenreichtum, Originalität, Neugier) sowie komplexe Denk- und Gefühlsprozesse (z.B. Analyse, Synthese, Transformation von Informationen).

Forschungsfragen

Da es aktuell an empirische Untersuchung mangelt, die untersuchen ob und wie Sketchnoting kreatives Lernen im Lehramtsstudium fördern kann, werden im Rahmen dieses Promotionsprojektes u.a. die folgenden Fragen untersucht:

F1: Welche divergenten Funktionen und komplexen Denk- und Gefühlsprozesse kreativen Lernens werden im Sketchnotingprozess deutlich, wenn Lehramtsstudierende eine Sketchnote zu einem wissenschaftlichen Text erstellen?

F2: Welche Auswirkungen hat Sketchnoting auf das Lernergebnis?

Methode

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden Stimulated-Recall-Interviews (SRIs) mit 10 Lehramtsstudierenden (MAlter= 24,5 Jahre; 80 % weiblich) durchgeführt, die Sketchnoting in universitären Lehrveranstaltungen oder Workshops anwenden lernten. In den SRIs wurden die Lehramtsstudierenden gebeten anhand eines Videos, das sie beim Erstellen einer Sketchnote zu einem wissenschaftlichen Text über eine Lerntheorie zeigt, zu beschreiben wie sie beim Sketchnoting vorgegangen sind und wie sie Sketchnoting wahrgenommen haben. Die Interviews wurden mit einer qualitativen Inhaltsanalyse explorativ analysiert (κ = 0.75 und 0.69). Darauf aufbauend wurde eine Interventionsstudie (Pretest, Posttest, Follow up) mit N = 239 Lehramtsstudierenden (MAlter = 21,80 Jahre; 69.7 % weiblich) in Lehrveranstaltungen durchgeführt, in denen die Teilnehmenden Sketchnoting sowie eine weitere Visualisierungsmethode (Diagramme aus Boxen und Pfeilen ohne Bilder) beim Lernen mit wissenschaftlichen Texten anwendeten oder wie gewöhnlich Notizen erstellten (Kontrollgruppe). Daten wurden mit einem Fragebogen zu Kreativem Lernen erhoben (F1), der aufbauend auf den Ergebnissen der Interviewstudie, elaborierten Fragebögen (z.B. RIBS: Runco et al., 2001) und theoretischen Konzepten (z.B. Cropley, 2006) entwickelt wurde (α = 0.62 - 0.85). Die Auswirkungen von Sketchnoting auf das Lernergebnis (F2) wurde anhand von [1] der Anzahl selbständig entwickelter Ideen (Beispiele, Analogien, Schlussfolgerungen) sowie [2] einem Free Recall-Test (in Anlehnung an Scheiter et al., 2017) untersucht.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Interviewstudie weisen darauf hin, dass Sketchnoting kreatives Lernen im Lehramtsstudium anregen und fördern kann (F1): Die Lehramtsstudierenden analysierten und synthetisierten den Text in einem zirkulären Leseprozess, um Ideen für die Transformation der komplexen verbalen Textinformationen in grafische Strukturen, Skizzen und originelle Bilder zu entwickeln, was u.a. durch Neugier, ästhetischen Sinn und Intuition geprägt war. Erste Ergebnisse der Interventionsstudie stützen die Befunde und zeigten, dass Sketchnotig Prozesse wie kreative Ideenfindung signifikant stärker förderte als das Erstellen von Diagrammen (p = <.001) und schriftlichen Notizen (p = <.001). Hinsichtlich der zweiten Forschungsfrage (FS2) zeigte sich, dass Lehramtsstudierende die Gestaltung von Sketchnotes als hilfreich wahrnahmen, um den wissenschaftlichen Text besser zu verstehen und zu erinnern. Die ersten Ergebnisse der Interventionsstudie ergaben diesbezüglich, dass die Sketchnotes signifikant mehr selbständig entwickelte Ideen in Form von Beispielen, Analogien und Schlussfolgerungen beinhalteten als Diagramme (p = <.001) und schriftliche Notizen (p = <.001). Interessanterweise zeigten die Ergebnisse des Free-Recall-Tests, dass sich die Studierenden die Sketchnotes jedoch nicht signifikant besser an die Textinhalte erinnerten, als Studierende die Diagramme oder schriftlichen Notizen erstellt haben.



Paper Session

Prädiktoren und Effekte der Scham von Grundschullehramtsstudierenden im Fach Mathematik aus Perspektive der Kontroll-Wert-Theorie

Lars Meyer-Jenßen1, Robin Göller2, Michael Besser3, Katja Eilerts1

1Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Universität Klagenfurt, Österreich; 3Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Emotionen stellen neben professionellem Wissen eine Disposition professioneller Kompetenz von Lehrkräften dar (Blömeke et al., 2015). Studien zeigen, dass sie Effekte auf die Instruktion einer Lehrkraft und damit auf die Leistungen von Schüler*innen sowie deren Emotionen haben (Frenzel et al., 2021). Dabei stehen die Emotionen, die eine Lehrkraft beim Unterrichten erlebt, in engem Zusammenhang zu den Emotionen, die sie während des Studiums erlebt hat (Eren, 2014). Diese bedingen bereits während des Lehramtsstudiums die Kompetenz- und Identitätsentwicklung (Lutovac, 2020). Scham wird hierbei als eine wesentliche Emotion für Grundschullehramtsstudierende im Fach Mathematik diskutiert (Panagi, 2013).

Scham kann als eine aktivierende und negative Emotion konzeptualisiert werden (Pekrun et al., 2023), die eng mit dem Selbst verbunden ist (Turner & Schallert, 2001). Grundschullehramtsstudierende berichten intensive Schamerfahrungen während der Schulzeit, speziell in Mathematik (Jenßen et al., 2022), was vermutlich auf Fachspezifika wie eine hohe richtig-falsch-Orientierung zurückzuführen ist (Goldin, 2014). Neben diesen Vorerfahrungen wird vor allem dem Fähigkeitsselbstkonzept eine zentrale Rolle für die Entstehung von Scham bei Grundschullehramtsstudierenden beigemessen (Jenßen, 2021). Das geringe Fähigkeitsselbstkonzept kann vor dem Hintergrund der Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun, 2006) als eine als gering wahrgenommene Kontrolle der Studierenden in Lern- und Leistungssituationen verstanden werden. Jedoch wurden bisher weder Effekte von Wertüberzeugungen auf Scham noch angenommene negative Effekte der Scham auf das professionelle Wissen der Grundschullehramtsstudierenden in Mathematik untersucht. Entsprechend gängiger Konzeptionen kann der Wert von Mathematik sich auf die Domäne, die Leistung oder auf den Wert, den das soziale Umfeld Mathematik zuschreibt, beziehen (Gaspard et al., 2015). Das professionelle Wissen in Mathematik kann in fachmathematisches Wissen und mathematikdidaktisches Wissen ausdifferenziert werden (Shulman, 1986).

Fragestellung

Folgende Forschungsfragen wurden untersucht:

Inwieweit bedingen Fähigkeitsselbstkonzept und Wertüberzeugungen das Schamerleben von Grundschullehramtsstudierenden im Fach Mathematik?

In welchem Ausmaß zeigt das Schamerleben Effekte auf fachmathematisches und mathematikdidaktisches Wissen bei Mathematik-Grundschullehramtsstudierenden?

Methode

Insgesamt wurden bei n = 687 Grundschullehramtsstudierenden zweier Universitäten mittels standardisierter Fragebögen das Fähigkeitsselbstkonzept (Roesken et al., 2011), Wertüberzeugungen (Gaspard et al., 2015)sowie Scham in Mathematik (Jenßen et al., 2023a) erhoben. Die Wissensfacetten wurden mithilfe standardisierter Tests erfasst (Besser et al., 2020; Jenßen et al., 2023b). Zu allen Skalen liegen umfassende Validierungen vor. Die Reliabilität lag mindestens bei McDonalds Omega = .77 (Fähigkeitsselbstkonzept).

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein latentes Strukturgleichungsmodell spezifiziert, wobei Fähigkeitsselbstkonzept und Wertüberzeugungen als Prädiktoren und die Wissensfacetten als abhängige Variablen der Scham modelliert wurden. Alle möglichen direkten und indirekten Effekte wurden analysiert. Als Kontrollvariablen wurden die letzte Schulnote in Mathematik, Alter und Geschlecht einbezogen (Orth et al., 2010).

Ergebnisse und ihre Bedeutung

Das Strukturgleichungsmodell zeigte eine gute Passung auf die Daten (Chi2(149)=333.739, p<.001, RMSEA=.04[.03/.05], CFI=.97, SRMR=.03). Scham wurde nur durch das Fähigkeitsselbstkonzept (-.77, p<.001) und den sozialen Wert (.14, p<.001) signifikant vorhergesagt. Die anderen Wertüberzeugungen zeigten keine signifikanten Effekte. Scham wiederum hatte einen signifikanten negativen Effekt auf das mathematikdidaktische Wissen (-.20, p<.001), nicht jedoch auf das fachmathematische. Neben erwartungskonformen positiven Zusammenhängen zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und den verschiedenen Wertüberzeugungen zeigte sich ein ebenfalls erwartungskonformer positiver Zusammenhang zwischen dem fachmathematischen Wissen und dem mathematikdidaktischen Wissen. Unter den Kontrollvariablen zeigte die letzte Schulnote in Mathematik eine Vielzahl von Effekten auf das fachmathematische Wissen, die Wertüberzeugungen und das Fähigkeitsselbstkonzept. Vermittelt über letzteres zeigte sich auch ein bedeutsamer indirekter Effekt auf die Scham in Mathematik (.42, p<.001). Effekte von Alter und Geschlecht lagen nur marginal vor.

Insgesamt hebt die nomologische Einordnung der Ergebnisse die zentrale Bedeutung des Fähigkeitsselbstkonzepts, des sozialen Werts sowie des Vorwissens aus der Schulzeit (Note) für das Schamerleben in Mathematik bei Grundschullehramtsstudierenden hervor. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass Scham nicht mit geringerem fachmathemathematischem Wissen einhergehen muss, aber möglicherweise den Erwerb mathematikdidaktischen Wissens negativ bedingen kann.