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4-18: Digitale Kompetenzen II
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Präsentationen | ||
Paper Session
Digitalkompetenzen von Grundschulkindern. Was wissen und können Grundschulkinder im Bereich Datenschutz? Universität Würzburg, Deutschland HINTERGRUND Um in einer zunehmend digital vernetzten Welt verantwortungsvoll und selbstbestimmt handeln zu können, sind Digitalkompetenzen zentral. Auch für die Grundschule hat dies Konsequenzen. Beispielsweise wird gefordert, dass eine „Kultur der Digitalität“ (Irion & Knoblauch, 2021, S. 123) etabliert werden müsste, damit Kinder den Anforderungen einer vernetzen Welt adäquat begegnen können (Grundschulverband [GV], 2015; Thumel, Kammerl & Irion, 2020). Um Kinder auf die sich stetig wandelnde Umwelt vorzubereiten, sollten ihre Digitalkompetenzen kontinuierlich erfasst werden. Dies erscheint umso dringlicher, da erst darauf aufbauend adäquate Fördermöglichkeiten initiiert und medienbezogene Bildungsprozesse angeregt werden können. Digitalkompetenzen sind bislang allerdings weder erschöpfend konzeptualisiert noch empirisch geprüft. Vorliegende Konzeptualisierungen digital-bezogener Kenntnisse, Fähigkeiten und Überzeugungen beziehen sich zudem nicht explizit auf Kinder in der Grundschule, sondern fokussieren stark auf Jugendliche (Cwielong & Bergner, 2020; Gesellschaft für Informatik e.V. [GI], 2016; Kultusministerkonferenz (KMK), 2016, 2021; Vuorikari, Kluzer & Punie, 2022). Vorliegende bildungspolitische Rahmenvorgaben beinhalten zwar teilweise Konzeptualisierungen für das Grundschulalter und Kompetenzerwartungen für Teilbereiche (Medienberatung NRW, 2020), allerdings handelt es sich hier eher um normative Setzungen, die nicht empirisch hergeleitet oder überprüft sind. Vorschläge zur Erfassung der Kompetenzen oder ihrer Teilbereiche werden nicht gemacht. Angelehnt an den Schweizer Lehrplan entwickelten Hermida, Hielscher und Petko (2017) den frei zugänglichen Medienprofis-Test an. Dieser erfasst – auch für das Grundschulalter – in einem spielerischen Rahmen zwar wichtige Teilbereiche von Digitalkompetenzen (beispielsweise Digitalisierung und Computerisierung oder Informationsfreiheit und Glaubwürdigkeit), ein Abgleich mit deutschen bildungspolitischen Rahmenvorgaben offenbart allerdings Leerstellen, wie beispielsweise die dezidierte Erfassung von Kompetenzen im Bereich Datenschutz und Sicherheit im Netz. FRAGESTELLUNG Hier setzt das Projekt Digit.El (Digital Competencies in Elementary School Age) an: Sukzessive sollen in einem mehrschrittigen, multimethodischen Vorgehen die im Medienkompetenzrahmen (Medienberatung NRW, 2020) vorgeschlagenen Teilbereiche von Digitalkompetenzen im Grundschulbereich theoretisch konzeptualisiert sowie operationalisiert und gemessen werden. Damit wird mittelfristig auch das Ziel verfolgt, angemessene Fördermöglichkeiten initiieren zu können. Aktuell wird sich im Projekt Digit.El u.a. dem Bereich Datenschutz gewidmet. Die im Vortrag bearbeiteten Fragestellungen lauten: Was wissen Kinder am Ende der Grundschulzeit über Datenschutz und Sicherheit im Netz? Wie kompetent agieren sie, wenn sie sich im Netz bewegen? METHODE Zur Beantwortung der Fragestellung wurden in einer ersten Projektphase Leitfadeninterviews mit 32 Grundschulkindern der Klassenstufe 3 und 4 durchgeführt. Basierend auf theoretischen sowie empirischen Vorüberlegungen wurde eine fiktive Plattform zur vermeintlichen Anmeldung bei einem Messengerdienst auf SoSci-Survey aufgebaut. Die Kinder wurden gebeten sich dort anzumelden, wobei ihr konkretes Verhalten in der Anmeldesituation die Grundlage für das nachfolgende Interview darstellte. Die audiographierten und transkribierten Interviews wurden inhaltlich strukturierend (Kuckartz, 2018) ausgewertet mit einem deduktiv-induktiv entwickelten Kategoriensystem. Sowohl in der Erhebung als auch in der Auswertung der Daten wurde unterschieden zwischen Wissens- und Verhaltensebene (Weinert, 2001), um sich Kompetenzen stärker anzunähern. ERGEBNISSE Erste Ergebnisse dieser qualitativen Pilotierungsphase des Erhebungsinstrument beleuchten Diskrepanzen zwischen der Wissens- und Verhaltensebene. Insgesamt lassen sich durch die Äußerungen der Kinder solide Wissensbestände in einigen Bereichen erkennen, die jedoch nicht durchgängig auch auf der Verhaltensebene erkennbar sind (Theurer, Jocham & Pohlmann-Rother, angenommen). Beispielsweise wissen Kinder mehr über Passwortsicherheit oder die Sicherheit ihres eigenen Benutzernamens als ihr Verhalten in der Anmeldung erkennen ließ. Weiter wussten viele Kinder um die Problematik öffentlicher Profile und verhielten sich in der Anmeldesituation entsprechend. Obwohl den Kindern ein fremdes Gerät ausgehändigt wurde, entschied sich die Mehrheit der Kinder für eine Speicherung ihrer Anmeldedaten. Erst durch das spätere Interview wurde den Kindern die Probematik dieser Entscheidung bewusst. Aktuell fließen die Ergebnisse der Pilotstudie in die Entwicklung eines Testinstruments ein, das quantitative Daten zum Themenbereich generieren wird. Erste Ergebnisse hierzu können auf der Tagung berichtet werden. Paper Session
Inhalte im Internet bewerten. Entwicklung und empirische Evaluation eines Messinstruments für Grundschulkinder Universität Würzburg, Deutschland Theoretischer Hintergrund Grundschulkinder leben in einer digitalen Welt, in der die gesteigerte Verfügbarkeit von Informationen zu Herausforderungen führt. Insoweit gewinnt ein kritischer Umgang mit Inhalten an Bedeutung (Çetta et al., 2020). WhatsApp, Google und YouTube zählen zu den häufigsten Anwendungen, die von Grundschulkindern genutzt werden (Feierabend et al., 2023). Folglich werden sie mit unterschiedlichen Inhalten konfrontiert, deren Bewertung Strategien voraussetzt. Beeinflusst wird dieser Bewertungsprozess durch Faktoren wie Vorwissen, Geschlecht, Bildungsniveau oder Lesekompetenz (Purington-Drake et al., 2022). Untersuchungen belegen, dass SuS die Glaubwürdigkeit von Onlineinhalten weder evaluieren (Kiili, 2018) noch Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können (Hasebrink, 2019). Der Förderung von Informationsbewertungskompetenzen kommt daher bereits in der Grundschule ein wichtiger Stellenwert zu. Voraussetzung für die Gestaltung und Evaluation von Fördermöglichkeiten ist allerdings ein Messinstrument zur Erfassung verschiedener Kompetenzfacetten in diesem Bereich. Die systematische Entwicklung eines solchen Modells, das relevante Teilkompetenzen und Inhaltsbereiche berücksichtigt und zwischen diesen differenziert, steht allerdings noch aus. An dieser Stelle setzt das vorliegende Dissertationsprojekt an, in dem ein standardisiertes Messinstrument zum Konstrukt der „Informationsbewertung“ mehrschrittig modelliert, konstruiert und validiert wird. Das Projekt ist in die Studie Digit.El eingebettet, welche die Erfassung von Digitalkompetenzen von Grundschulkindern zum Ziel hat. Methodisches Vorgehen Messmodell Die Modellierung des Konstrukts der Informationsbewertung basiert zunächst auf einer Analyse bestehender Konzeptionalisierungen und empirischer Erkenntnisse. Ergänzend wurden alle Lehrpläne systematisch auf relevante (normative) Teilkompetenzen und Inhaltsbereiche untersucht. Explorative Expert:innen-Interviews aus dem Online-Kinderbereich dienten als weitere Indikatoren (Brückner, 2020). Ergebnis ist ein selbstentwickeltes Messmodell, welches in die Inhaltsfelder Werbung, Wissensvermittlung, Unterhaltung, Täuschung sowie Persönlichkeitseingriff unterteilt ist und die Teilkompetenzen Identifizieren, Wirklichkeitsnähe, Glaubwürdigkeit und Methoden der Beeinflussung umfasst. Messinstrument Auf Basis des Messmodells wurde ein digitaler Leistungstest mit gebundenen Mehrfachwahlaufgaben entwickelt. Zur Steigerung der Inhaltsvalidität wurde das Instrument aus multimodalen Testaufgaben von den beliebtesten Plattformen der Altersgruppe konzipiert (WhatsApp/YouTube/TikTok; Reppert-Bismarck, 2019). Qualitative Verständlichkeitsanalysen der 20 Testaufgaben erfolgten in Kleingruppendiskussionen mit Personen aus dem universitären und schulischen Bereich sowie mit fünf Kindern, begleitet durch die Methode des lauten Denkens (Brandt, Moosbrugger, 2020). Pilotierung Eine erste Überprüfung des Messinstruments erfolgte mit 81 Schüler:innen (56,8% weiblich) der 3./4. Jahrgangsstufe (M=10,4, SD=0,64). 57 Kinder erhielten die elterliche Erlaubnis, Angaben zum sozioökonomischen Status zu machen (HISEI=47,44, SD=16,42). 51,9% sprechen zuhause vorwiegend eine andere Sprache. Ziel der Pilotierung war eine erste deskriptive Itemanalyse, wobei explorativ die Aufgabenschwierigkeit, -varianz und -trennschärfe ermittelt wurden. Die Berechnung eines Gesamtscore setzt Itemhomogenität voraus, wobei hohe Trennschärfeindizes ein erster Hinweis sein können (Kelava, Moosbrugger, 2020). Ergebnisse der Pilotierung Die Analyse ergab, dass 15 von 20 Testaufgaben eine Aufgabenschwierigkeit von 45≤Pi≤ 78 haben. Fünf Items wiesen eine höhere Schwierigkeit (25≤Pi≤39) auf. Dies betraf Items, die Phishing, Clickbait, Umgang mit fremden Daten und Bots thematisierten. Die Berechnung der korrelativen Zusammenhänge zeigte ein inkonsistentes Bild für die jeweiligen Aufgaben, woraus sich auch z.T. geringe Trennschärfeindizes (rit.<.3) ergaben. Aufgrund der geringen Stichprobengröße konnte nicht abschließend überprüft werden, ob eine ein- oder mehrdimensionale Struktur der Daten vorlag (Hauptkomponentenanalyse/Varimax-Rotation), weshalb die Trennschärfen nicht weiter interpretiert wurden (Kelava, Moosbrugger, 2020). Diskussion Wenig überraschend erscheint, dass Schüler:innen Testaufgaben im Bereich Täuschung und Persönlichkeitseingriff nicht korrekt lösen konnten, da Phänomene wie Phishing/Bots selbst für Erwachsene herausfordernd sind (Wineburg et al. 2019). Es lässt sich diskutieren, ob diese Inhalte grundsätzlich für den Grundschulbereich ungeeignet sind, wenngleich diese eine lebensweltliche Relevanz aufweisen. Als Ergebnis der Pilotierung wurde deshalb die Aufgabenschwierigkeit der fünf schwierigsten Items angepasst, ohne die Kerninhalte zu ändern. Da genaue Angaben zur Eindimensionalität nur mithilfe von „testtheoretisch begründeten Modellierungen“ möglich sind, werden Modelle der IRT zur Datenanalyse der Hauptstudie herangezogen (Kelava, Moosbrugger, 2020). Die Datenerhebung der Hauptstudie läuft von Juli-November (n=600) und zielt auf präzisere Erkenntnisse zur Item- und Testqualität. Erste Ergebnisse werden auf der Tagung vorgestellt. Paper Session
Effekte eines Lernangebotes zu Computational Thinking in der Sekundarstufe I auf die Fähigkeit zum komplexen Problemlösen 1PH Burgenland; 2PH Freiburg; 3LMU München International werden zunehmend Lernangebote in der Schule implementiert, die sich am Konzept des Computational Thinking orientieren (z.B. Shi, 2018; Kwon & Schroderus, 2017). Zentrales Anliegen ist es dabei, den Schüler:innen zu vermitteln, wie sich Algorithmen für die Lösung von Problemen nutzen lassen (z.B. Li et al., 2020; Eickelmann et al., 2019). Dazu werden Schüler:innen typischerweise kognitiv herausfordernde Problemstellungen vorgegeben, für die sie Lösungen suchen sollen (Lodi & Martini, 2021). Dabei sollen sie lernen, schwierige und komplexe Probleme in kleinere, handhabbare Bestandteile zu zerlegen, Muster und Beziehungen zu identifizieren sowie Algorithmen zu erstellen und für die Problemlösung anzuwenden. Mit diesem Ansatz verbindet sich die Erwartung, dass die Schüler:innen in ihren kognitiven Fähigkeiten gefördert werden (Scherer, Siddiq, & Sanchez-Scherer, 2021). Diese Annahme ließ sich in einer Vielzahl von Studien bestätigen. So konnten Scherer, Siddiq und Viveros (2018) in ihrer Metaanalyse auf der Basis von 105 Studien positive Effekte eines an Computational Thinking orientierten Programmierunterrichts auf kognitive Grundfähigkeiten, mathematische Fähigkeiten, metakognitive Kompetenzen und das kreative Denken nachweisen. Bisher nicht untersucht wurde, ob sich auch positive Effekte auf die Fähigkeit zum komplexen Problemlösen zeigen. Das ist überraschend, da die Vorgabe anspruchsvoller Probleme, die sich im Sinne von Dörner (1998) durch Polytelie, Vernetztheit, Intransparenz und Eigendynamik auszeichnen, zentral für die Vermittlung von Computational Thinking ist. Der vorliegende Beitrag geht daher der Frage nach, ob und inwiefern sich ein nach dem Konzept des Computational Thinking gestaltetes Lernangebot auf die Entwicklung der Fähigkeit, komplexe Probleme zu bearbeiten, auswirkt. Zur Untersuchung dieser Fragestellung wurde im Schuljahr 2018/19 in der siebenten Schulstufe aller 38 Mittelschulen im Burgenland (Österreich) eine längsschnittliche quasi-experimentelle Studie im Prä-Post-Kontrollgruppendesign mit drei Messzeitpunkten (Beginn, Mitte und Ende des Schuljahres) durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe von Online-Fragebögen. Die Bruttostichprobe umfasste 1.676 Schüler:innen. Davon nahmen 1.383 (85,5 Prozent) mit Zustimmung der Eltern an der Studie teil. 404 Schüler:innen der Versuchsgruppe besuchten das auf dem Ansatz des Computational Thinking basierende Wahlpflichtfach “Coding & Robotik” (Leitgeb, 2018), in dem mit Robotersystemen anspruchsvolle Probleme bearbeitet wurden. Die Schüler:innen der Kontrollgruppe (n=979) besuchten alternative Wahlpflichtfächer ohne konzeptuellen Bezug zu Computational Thinking (Leitgeb, Rollett & Zimmermann, 2023). Für die Wahlpflichtfächer sind drei Unterrichtsstunden pro Schulwoche vorgesehen. Versuchs- und Kontrollgruppe waren soziokulturell ähnlich zusammengesetzt, in der Versuchsgruppe war der Mädchenanteil aber geringer (33% vs. 51%). Zur Messung der Fähigkeit zum komplexen Problemlösen wurden allen Schüler:innen zu jedem Messzeitpunkt drei bis vier Aufgaben vom DYNAMIS-Typ (Funke, 1992) vorgegeben, mit jeweils zwei bis drei Input- und zwei bis drei Outputvariablen. Abhängige Variablen waren das nach zwei Explorationsdurchgängen (nach je fünf Eingriffen) ermittelte Systemwissen (Güte der Kausaldiagramme, GdK; Funke 1992), die Systematizität der Eingriffe (Vollmeyer, Burns & Holyoak, 1996) und die anschließend in einem Durchgang erreichte Steuerungsleistung (Problemlösegüte, PLG; Funke, 1992). Zur statistischen Auswertung wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung verwendet und die Interaktion Gruppe x Zeit mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von α < .05 geprüft. Zu Beginn des Schuljahres zeigten sich zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede bezüglich der untersuchten abhängigen Variablen. Über die drei Messzeitpunkte hinweg entwickelten sich die Schüler:innen der Versuchsgruppe signifikant besser in Bezug auf das Systemwissen (F1,91;2640,03 = 41.9**, partielles η2=.029), die Systematizität (F1,40;2671,68 = 12.3**, partielles η2 = .009) und die Steuerungsleistung (F1,91;2626,85 = 13.2**, partielles η2=.010). Mit den in diesem Beitrag berichteten Befunden ist es damit nach unserer Kenntnis zum ersten Mal gelungen, empirisch nachzuweisen, dass ein am Konzept des Computational Thinking orientiertes Lernangebot die Fähigkeit zum komplexen Problemlösen fördern kann. Der Ansatz des Computational Thinking hat sich in dieser Hinsicht bewährt. Dies kann als ein weiterer Hinweis darauf gedeutet werden, dass sich die Implementation entsprechender Lernangebote mit Blick auf die kognitive Entwicklung der teilnehmenden Schüler:innen lohnt. |