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Sitzungsübersicht
Sitzung
4-10: Zusammenarbeit von Regellehrkräften und sonderpädagogischen Lehrkräften im inklusiven Unterricht: Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Zeit:
Dienstag, 19.03.2024:
10:30 - 12:10

Ort: S26

Seminarraum, 70 TN

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Präsentationen
Symposium

Zusammenarbeit von Regellehrkräften und sonderpädagogischen Lehrkräften im inklusiven Unterricht: Welche Faktoren spielen eine Rolle?

Chair(s): Susanne Schnepel (Universität Münster, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Birgit Lütje-Klose (Universität Bielefeld)

Der Zusammenarbeit von Regellehrkraft (RLK) und sonderpädagogischer Lehrkraft (SLK) wird eine große Bedeutung bei der Umsetzung inklusiven Unterrichts zugeschrieben (Urban & Lütje-Klose, 2014). Diese Zusammenarbeit kann hinsichtlich verschiedener Faktoren betrachtet und analysiert werden: der Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit, den Herausforderungen, der Intensität und der Formen der Zusammenarbeit im Unterricht oder der Rahmenbedingungen (Gebhard et al., 2014; Grosche et al., 2020; Pool Maag & Moser Opitz, 2014; Scruggs et al., 2007).

Eine besondere Bedeutung für gelingenden inklusiven Unterricht wird oft der Intensität der Kooperation zugeschrieben (Grosche et al., 2020; Lütje-Klose & Urban, 2014). Grosche et al. (2020) unterscheiden in ihrem Modell die drei Zusammenarbeitsformen Austausch, arbeitsteilige Kooperation und kokonstruktive Kooperation, von denen die Kokonstruktion als die intensivste Form gilt. Eine intensive Form der Kooperation wird z.B. darin gesehen, dass die Lehrkräfte innerhalb des Unterrichts so zusammenarbeiten, dass keine räumliche Separation der Schüler*innen stattfindet und gemeinsame Lernsituation realisiert werden (Grosche et al., 2020).

Allerdings zeigen Studien, dass sich die Zusammenarbeit häufig auf die weniger anspruchsvollen Formen Austausch und Arbeitsteilung beschränkt (Kalinowski et al., 2022; Rogge et al., 2021). Bisher ist nur wenig darüber bekannt, welche individuellen Lehrkraftmerkmale (z.B. Geschlecht, Überzeugungen, Selbstwirksamkeit) und welche Rahmenbedingungen (z.B. zeitliche Ressourcen, Anzahl Lernende mit Förderbedarf, Schulkultur) die Intensität der Zusammenarbeit beeinflussen (Kalinowski et al., 2022; Rogge et al., 2021).

Trotz intensiver Forschung zur Kooperation von Lehrkräften im inklusiven Unterricht zeigen sich nach wie vor Forschungsdesiderate. Erstens wurde noch wenig untersucht, wie verschiedene individuelle Lehrkraftvariablen sowie Rahmenbedingungen und eine kokonstruktive Zusammenarbeit zusammenhängen. Zweitens fehlen Untersuchungen zu Unterscheidungsmerkmalen der Kooperation sowie deren Abhängigkeit von verschiedenen Variablen. Nach Jones und Brownell (2014) ist die Berücksichtigung beider Lehrkräfte eines Teams wichtig, da sich in der Untersuchung der Zusammenarbeit im inklusiven Unterricht die Herausforderung der „nested instruction“ stellt. Nested instruction steht für die komplexe Situation, in der Lehrkräfte gemeinsam in einer Klasse unterrichten und als Team nicht nur den Unterricht, sondern sich auch gegenseitig beeinflussen.

Das Symposium soll einen Beitrag zur Untersuchung solch komplexer Zusammenarbeitssituationen leisten, indem verschiedene forschungsmethodische Zugänge gewählt werden.

Die ersten beiden Beiträge beziehen sich auf das Modell der kokonstruktiven Kooperation (Grosche et al., 2020). Im ersten Beitrag wird mit Mehrebenenregressionsanalysen untersucht, welche Lehrkraftmerkmale und schulische Rahmenbedingungen einen Einfluss auf kokonstruktive Handlungen der RLK und SLK im inklusiven Unterricht haben.

Im zweiten Beitrag wird die Zusammenarbeit von RLK und SLK mittels Clusteranalysen untersucht. Es werden Profile von Lehrkräften sowie von Teams aus RLK und SLK unter Berücksichtigung von Variablen zur Kooperationszufriedenheit und Kooperationsintensität sowie weitere Variablen auf Individual- und Teamebene erstellt und verglichen.

Im dritten Beitrag wird anhand der Analyse von Interviews mit Teams von RLK und SLK untersucht, welche Überzeugungen die RLK und SLK bezüglich des Umgangs mit Leistungsheterogenität haben und wie sich dies auf die Kooperationsintensität hinsichtlich der Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen auswirkt.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Kooperation von Lehrkräften im inklusiven Unterricht ein sehr komplexer Untersuchungsgegenstand ist und unterschiedliche methodische Zugänge notwendig sind.

 

Beiträge des Symposiums

 

Welche schulischen Rahmenbedingungen und individuellen Lehrkraftmerkmale unterstützen die kokonstruktive Kooperation von Regellehrkräften und sonderpädagogischen Lehrkräften in inklusiven Schulen der Sekundarstufe I?

Jacquelin Kluge1, Alina Quante2, Janine Schledjewski1, Susanne Schnepel3, Michael Grosche1
1Bergische Universität Wuppertal, 2Universität Regensburg, 3Universität Münster

Theoretischer Hintergrund

Der kokonstruktiven Kooperation als anspruchsvollste Kooperationsform werden positive Effekte für eine inklusive Schul- und Unterrichtsentwicklung zugesprochen (Grosche et al., 2020; Lütje-Klose & Urban, 2014). Studien zur Kooperation belegen allerdings immer wieder, dass sich die Zusammenarbeit von Lehrkräften häufig auf die weniger anspruchsvolleren Formen, den Austausch und die Arbeitsteilung, beschränkt (Kalinowski et al., 2022; Rogge et al., 2021). Das gilt insbesondere für Schulen der Sekundarstufe I (Drossel & Willems, 2014; Richter & Pant, 2016; Zhang & Zheng, 2020). Es ist davon auszugehen, dass (intensive) Kooperationsprozesse eine Vielzahl von Voraussetzungen erfordern. Hierzu zählen bspw. gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen der Lehrkräfte oder Zeitfenster für die Kooperation sowie ein kooperationsförderliches Schulleitungshandeln (Grosche et al., 2020; Lütje-Klose & Urban, 2014). Bisher ist jedoch nur wenig darüber bekannt, welche individuellen Lehrkraftmerkmale und schulischen Rahmenbedingungen die Umsetzung von intensiver Kooperation unterstützen (Kalinowski et al., 2022; Rogge et al., 2021). Diesem Forschungsdesiderat widmet sich der vorliegende Beitrag. Als theoretische Hintergrund dient das Modell der kokonstruktiven Kooperation (Grosche et al., 2020).

Fragestellung

Welche intra- und interpersonalen Lehrkraftmerkmale sowie schulstrukturellen- und -kulturellen Rahmenbedingungen hängen mit den kokonstruktiven Handlungen von Lehrkräften in inklusiven Schulen der Sekundarstufe I zusammen?

Methode

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden Daten aus dem Forschungsprojekts „Inklusion in und nach der Sekundarstufe I in Deutschland“ (INSIDE, Schmitt et al., 2020) herangezogen. Die Stichprobe umfasst 1204 Lehrkräfte der 6. Jahrgangsstufe, darunter 963 Regellehrkräfte und 241 sonderpädagogische Lehrkräfte, und 156 Schulleitungen aus 234 Schulen der Sekundarstufe I.

Die kokonstruktive Kooperation wurde mit einem Kurzfragebogen in Anlehnung an die Kokonstruktionstheorie (Grosche et al., 2020) erfasst. Die Skala kokonstruktive Handlungen stellt die abhängige Variable dar. Die Skala Arbeitsatmosphäre wurde als interpersonales Merkmal in die Analysen einbezogen. Als intrapersonale Merkmale wurden neben den demografischen Angaben Geschlecht, Disziplin und Berufsjahre, das Gefühl, (a) insgesamt auf den gemeinem Unterricht und (b) auf das gemeinsame Unterrichten (Team-Teaching) vorbereitet zu sein, die Einstellung zu schulischer Inklusion (PREIS-K; Bruns et al., 2023) und die Selbstwirksamkeit in Anlehnung an Bosse und Spörer (2014) in die Analysen einbezogen. Die schulischen Rahmenbedingungen wurden von den Schulleitungen berichtet. Sie umfassen als schulstrukturelle Merkmale die Umsetzungsdauer von Inklusion, die Anzahl der Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf sowie die Anzahl an Schüler*innen insgesamt. Zu den untersuchten schulkulturellen Merkmalen gehören die Schulkultur, die Kooperationskultur (in Anlehnung an Steinert et al., 2006) und das direkte sowie indirekte Schulleitungshandeln (in Anlehnung an Drossel & Eickelmann, 2013).

Alle Analysen wurden in R (R Core Team, 2020) durchgeführt. Die Intraklassenkorrelationen der Lehrkraftvariablen lagen zwischen .059 und .231, was eine mehrebenenanalytische Betrachtung begründete. Davon ausgehend wurden Mehrebenenregressionsanalysen berechnet. Die vier Dimensionen intra- und interpersonale Lehrkraftmerkmale sowie schulstrukturelle und -kulturelle Merkmale wurden schrittweise in das Regressionsmodell aufgenommen.

Fehlende Werte wurden zuvor in einem Mehrebenenmodell imputiert. Bei den berichteten Ergebnissen handelt es sich um die nach Rubin (1987) gepoolten Ergebnisse.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Mehrebenenregressionsanalyse zeigen, dass eine höhere Selbstwirksamkeit (B = 0.23, p < .001), ein stärkeres Gefühl auf das gemeinsame Unterrichten vorbereitet zu sein (B = 0.12, p < .001), sowie eine positivere Arbeitsatmosphäre (B = 0.65, p < .001) mit ausgeprägteren kokonstruktiven Handlungen einhergehen. Zudem nehmen Regellehrkräfte die Kokonstruktion positiver wahr als sonderpädagogische Lehrkräfte (B = -0.24, p < .001). Auf Schulebene begünstigen eine positive Schulkultur (B = 0.20, p = .003) und ein organisatorisch-strukturell unterstützendes Schulleitungshandeln (B = 0.10, p = .005) die kokonstruktiven Handlungen. Alle anderen untersuchten Lehrkraft- und Schulmerkmale erweisen sich als nicht bedeutsam. Das Modell erklärt 44.4% der Varianz in den kokonstruktiven Handlungen.

Aufbauend auf den Ergebnissen und vor dem Hintergrund des theoretischen Modells der kokonstruktiven Kooperation werden Ansatzpunkte zur Unterstützung von kokonstruktiver Kooperation diskutiert und Limitationen der Studie aufgezeigt.

 

Zusammenarbeit von Regellehrkräften und sonderpädagogischen Lehrkräften: Profile auf Individual- und Teamebene

Janina Kraft1, Simon Luger1, Susanne Schnepel2, Maria Wehren Müller1, Elisabeth Moser Opitz1
1Universität Zürich, 2Universität Münster

Theoretischer Hintergrund

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Regellehrkraft (RLK) und sonderpädagogischer Lehrkraft (SLK) wird als zentrale Gelingensbedingung für die Umsetzung von Inklusion gesehen (Scruggs et al., 2007; Urban & Lütje-Klose, 2014). Grosche et al. (2020) unterscheiden die Formen Kokonstruktion, Arbeitsteilung und Informationsaustausch, wobei eine intensive Kooperation, bei der die beiden Lehrkräfte gemeinsam Verantwortung für alle Kinder übernehmen (Grosche et al., 2020) und bei der möglichst wenig räumliche Separation der Schüler*innen stattfindet (Nes et al., 2018), als besonders gewinnbringend betrachtet wird. Welche Faktoren eine kokonstruktive Zusammenarbeit sowie die Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen begünstigen, wurde noch wenig untersucht. Gemäß Avramidis et al. (2000) ist die Einstellung zur Inklusion hinsichtlich der Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen zentral. Zudem wird angenommen, dass gemeinsame Lernsituationen eher umgesetzt werden, wenn RLK und SLK mit der Kooperation im Team zufrieden sind (Gebhard et al., 2014). Pool Maag und Moser Opitz (2014) vermuten, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Förderstunden der SLK) eine zentrale Rolle spielen: Je weniger Förderstunden zur Verfügung stehen, desto häufiger wird separativ gefördert.

Im Beitrag interessiert, ob sich hinsichtlich der Variablen Kooperationsintensität, Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen, Einstellung zur Inklusion, Kooperationszufriedenheit und Ressourcen Profile von Lehrkräften auf Individual- und Teamebene eruieren lassen.

Fragestellung

1. Welche Profile von Lehrkräften lassen sich auf der Individualebene bezüglich der Einstellung zur Inklusion sowie der Kooperationszufriedenheit identifizieren?

2. Welche Profile von Unterrichtteams (RLK und SLK) lassen sich bezüglich der Kooperationsintensität, der Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen und der Anzahl Förderlektionen identifizieren?

Methode

Die Stichprobe umfasst N = 79 Unterrichtsteams (N = 173 Lehrkräfte, RLK: n = 102, SLK: n = 71) aus inklusiven Klassen (2. - 4. Jahrgang).

Instrumente

Mit den Lehrkräften wurden zwei Mal nach einem Unterrichtsbesuch Einzelinterviews zur Kooperationsintensität und zur Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen geführt und die Aussagen wurden eingeschätzt.

Kooperationsintensität: Einzelinterview (z.B. Wie teilt ihr euch die Verantwortung für die Förderung von xy auf?). Einschätzung auf Teamebene in welcher Intensität die gemeinsame Unterrichtsplanung und -reflexion erfolgt (1 = Informationsaustauch, 2 = arbeitsteilige Kooperation, 3 = kokonstruktive Kooperation; Übereinstimmung g = .77).

Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen: Einzelinterview (z.B. Heute habt ihr die Klasse aufgeteilt und deine Kollegin ging in den Gruppenraum. Arbeitet ihr häufig in dieser Form zusammen? Einschätzung auf Teamebene, wie häufig gemeinsame Lernsituationen umgesetzt werden (1 = sehr separativ bis 4 = sehr inklusiv; Übereinstimmung g =.91).

Einstellung zur Inklusion: Fragebogen Attitudes towards the inclusion of students with SEN (AIS) (Sharma & Jacobs, 2016, 8 Items, αRLK = .83, αSLK = .63)

Kooperationszufriedenheit: Fragebogen zur Arbeit im Team (FAT) (Gebhard et al., 2014, 10 Items, αRLK = .84, αSLK = .83f)

Anzahl Förderlektionen: Fragebogen

Analyse: zwei Clusteranalysen nach Ward, Kriterien und Prüfung der Clusteranalyse nach Bacher et al. (2010), Kontingenzanalysen.

Variablen Ebene Individuum: Einstellung zur Inklusion, Kooperationszufriedenheit

Variablen Ebene Team: Umsetzung gemeinsamer Lernsituationen, Kooperationsintensität, Anzahl Förderlektionen

Ergebnisse

Ebene Individuum: Die Clusteranalyse ergab drei Gruppen von Lehrkräften: Inklusionsbefürwortend-sehr zufrieden; inklusionsambivalent-sehr zufrieden; und eher inklusionskritisch-moderat zufrieden.

Ebene Team: Es konnten vier Cluster identifiziert werden:

Cluster 1: eher wenig gemeinsame Lernsituationen, arbeitsteilige Kooperation, moderate Ressourcen

Cluster 2: gemeinsame Lernsituationen/Separation ausgeglichen, arbeitsteilige Kooperation, viel Ressourcen

Cluster 3: eher viel gemeinsame Lernsituationen, arbeitsteilige Kooperation, moderate Ressourcen

Cluster 4: eher viel gemeinsame Lernsituationen, kokonstruktive Kooperation, moderate Ressourcen.

Auf Individualebene ist interessant, dass Lehrkräfte trotz unterschiedlicher Einstellung zur Inklusion mit der Zusammenarbeit zufrieden sein können.

Auf Teamebene fällt auf, dass die arbeitsteilige Kooperation in drei Clustern vorkommt und zu dominieren scheint, dass diese jedoch mit einer unterschiedlichen Umsetzung von gemeinsamen Lernsituationen einhergeht.

Mögliche Gründe für diese Ergebnisse werden im Symposium diskutiert.

 

Die Überzeugungen von Lehrkräfteteams beim Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Mathematikunterricht

Susanne Schnepel1, Manuela Foster2
1Universität Münster, 2Universität Zürich

Theoretischer Hintergrund

Studien haben gezeigt, dass sich die Überzeugungen von Lehrkräften auf die Unterrichtsgestaltung auswirken bzw. dass sich die Überzeugungen in der Unterrichtsgestaltung manifestieren (Gheyssens et al., 2020; Jordan, 2018; Prediger & Buró, 2021; Reusser & Pauli, 2014).

Zur Untersuchung dieser Überzeugungen stellen sich im inklusiven Unterricht, in dem eine Regellehrkraft (RLK) und eine sonderpädagogische Lehrkraft (SLK) gemeinsam unterrichten, besondere Herausforderungen. Die Unterrichtsgestaltung wird von den Überzeugungen beider Lehrkräfte beeinflusst. Dadurch entstehen immer wieder neue Dynamiken, sodass sich kaum bestimmen lässt, welchen Einfluss die einzelne Lehrkraft auf den Unterricht und das Lernen der Schüler*innen hat (Lindacher, 2021). Diese komplexe Situation wird auch als nested instruction bezeichnet (Jones & Brownell, 2014).

Welche Überzeugungen der einzelnen Teammitglieder für die gemeinsame Gestaltung inklusiven Unterrichts und die Kooperationsintensität (Grosche et al., 2020) von Bedeutung sind, wurde bislang noch nicht untersucht. Dies erfolgt in dieser Studie am Beispiel der herausfordernden Thematik des Umgangs mit Leistungsheterogenität, die im inklusiven Unterricht besonders bedeutsam ist (Hahn, 2020).

Fragestellungen

1. Welche Überzeugungen zeigen sich in Teams von RLK und SLK, wenn sie berichten, wie sie mit der Leistungsheterogenität in ihrer Klasse umgehen?

2. Wie unterscheiden sich die Überzeugungen der Lehrkräfte innerhalb der einzelnen Teams und zeigt sich ein Zusammenhang mit der gemeinsamen Unterrichtsgestaltung und der Kooperationsintensität?

Methode

Die Forschungsfrage erfordert einen Zugang, der es ermöglicht, die Überzeugungen beider Lehrkräfte im Kontext ihrer Unterrichtsgestaltung sowie die entstehende Dynamik zu erfassen. Gewählt wurde deshalb eine Kombination von Unterrichtsbeobachtung und anschließender Befragung.

Teams bestehend aus einer RLK und einer SLK, die in einer inklusiven Klasse (Jahrgangstufe 2-4) unterrichteten, wurden im Anschluss an die Beobachtung einer Mathematikstunden, in der die Lehrkräfte gemeinsam unterrichteten, zwei Mal (November/Dezember und Februar/März) mittels Leitfrageninterview zu ihrem Umgang mit Leistungsheterogenität befragt. Insgesamt wurden Interviews mit 79 Teams geführt. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die Interviews von fünf Teams (n = 10), die eine 3./4. Klasse unterrichten, mit einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring & Fenzl, 2019) analysiert. Ausgewählt wurden Teams, deren Interviews hohe Erzählanteile aufwiesen und die sich hinsichtlich der Beschreibung ihres Unterrichts unterschieden (z.B. in den Sozialformen oder in der Differenzierung mit Hilfe von Plänen, Arbeitsblättern oder Schulbuchaufgaben). Um die Überzeugungen der Lehrkräfte herauszuarbeiten, wurde induktiv ein Kategoriensystem erarbeitet, indem alle Äußerungen zum Thema Leistungsheterogenität von zwei Forschenden in Sinneinheiten gegliedert, paraphrasiert und anschließend interpretiert wurden. Die Kategorien wurden thematisch geordnet, kommunikativ validiert und an vier Interviews, die nicht in die Analysen einbezogen wurden, überprüft.

Ergebnisse

Die Analysen ergaben Überzeugungen zu fünf Themen: 1) Verantwortungsübernahme für die Lernenden, (2) Differenzierungsmaßnahmen, (3) Förderabsichten, (4) Rollenverständnis der Lehrkräfte und (5) Umgang mit Herausforderungen.

Wie angenommen wurde, hängt die Unterrichtsgestaltung von den Überzeugungen beider Lehrkräfte ab. In nur zwei Teams stimmten die Überzeugungen von RLK und SLK überein, was aber nicht heißt, dass die Lehrkräfte auch gemeinsam unterrichten und intensiv kooperieren.

Als besonders bedeutsam für einen gemeinsamen Unterricht, in dem RLK und SLK intensiv kooperieren und alle Lernenden gemeinsam unterrichten, erwiesen sich Überzeugungen hinsichtlich der Verantwortungsübernahme. Wenn sich die RLK für den Regelunterricht und die SLK für die besondere Förderung zuständig fühlte, führt das nicht nur zu einem getrennten Unterricht mit niedriger Kooperationsintensität, sondern auch dazu, dass die Kompetenzen der SLK nicht in den Unterricht eingebracht wurden. Diese Orientierung an den Professionen (RLK/SLK) spiegelte sich in den Überzeugungen von vier Teams wider. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass es wichtig ist, die „nested instruction“ zu berücksichtigen, wenn vertiefte Erkenntnisse zum inklusiven Unterricht gewonnen werden sollen.

Forschungsmethodisch stellt sich dabei die Frage, inwieweit das induktiv erstellte Kategoriensystem genutzt werden kann, um Daten einer großen Stichprobe zu analysieren und die Perspektiven von gemeinsam unterrichtenden Lehrkräften herauszuarbeiten.