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3-19: (Scheinbares) Wissen von Lehrkräften
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Paper Session
Erfahrene Lehrer:innen wissen mehr – Entwicklung des pädagogischen-psychologischen Wissens über 15 Jahre Universität Freiburg, Deutschland Theoretischer Hintergrund Das pädagogische-psychologische Wissen (PPK) ist das professionsspezifische Wissen über die effektive Gestaltung von Lehr-Lernsituation (Voss et al., 2011). Empirische Studien weisen auf die Bedeutung des PPK für den beruflichen Erfolg von Lehrer:innen hin: Die Schüler:innen profitieren durch eine bessere Qualität des Unterrichts von Lehrer:innen mit höherem PPK (z. B. König et al., 2021) und die Lehrer:innen selbst berichten ein höheres berufliches Wohlbefinden (Gindele & Voss, 2017). Im Rahmen der wenigen Studien zur Entwicklung des PPK, zeigte sich, dass das PPK nach dem Ende des Vorbereitungsdienstes bis in die frühe Berufseinstiegsphase im Mittel ansteigt (Blömeke et al., 2015). Unklar ist jedoch, wie das PPK sich langfristig in der beruflichen Phase entwickelt und welche persönlichen Voraussetzungen eine positive Entwicklung begünstigen. Fragestellung Die Ziele der vorliegenden Studie sind daher (1) die Beschreibung der langfristigen Entwicklung des PPK sowie (2) die Untersuchung von Prädiktoren dieser Entwicklung. Wir erwarten (1) einen Anstieg des PPK vom Vorbereitungsdienst bis in die berufliche Praxis sowie (2) einen stärkeren Anstieg für Lehrer:innen, die sich als selbstwirksam erleben. Explorativ werden zudem die Zusammenhänge der Veränderung mit Geschlecht und Abiturdurchschnittsnote analysiert. Methode Die Stichprobe bestand aus (angehenden) Mathematiklehrer:innen, die an Sekundarschulen in Deutschland unterrichteten. Das PPK der Lehrer:innen wurde zu insgesamt drei Messzeitpunkten über 15 Jahre vom Vorbereitungsdienst bis in die langjährige berufliche Praxis hinein erhoben: zwei Mal während des Vorbereitungsdienstes, in der Anfangsphase (T1: 2007/2008, nT1 = 746) und zum Ende des Vorbereitungsdienstes (T2: 2008/2009, nT2 = 568) sowie ein weiteres Mal nach ca. 15 Jahren (T3: 2022, nT3 = 142). Erfasst wurde das PPK über eine Kurzversion eines validierten 39-Item-Tests (Voss et al., 2011, 2014). Der Test bestand aus insgesamt 12 Items (offene Fragen und videobasierte Items). Der Test wies in Anbetracht der geringen Anzahl der Test-Items und der Breite des inhaltlichen Konstrukts eine akzeptable Reliabilität auf (ωT1 = .72, ωT2 = .59, ωT3 = .68). Zur Erklärung von Unterschieden in der Veränderung des PPK wurden die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Schmitz & Schwarzer, 2000; 10 Items, ω = .79), das Geschlecht und die Abiturdurchschnittsnote der Lehrer:innen abgefragt. Vorläufige Ergebnisse (1) Die Veränderung des PPK über die Zeit wurde mit einem gemischten linearen Modell (linear mixed model) berechnet. Im Mittel stieg das PPK statistisch signifikant an, sowohl von T1 zu T2 mit einem großen Effekt (β = .67, p < .001) als auch von T2 zu T3 mit einem mittleren Effekt (β = .61, p < .001). Zudem fanden sich substanzielle interindividuelle Unterschiede in den Veränderungen, weshalb wir die Prädiktoren in das Modell zur Erklärung der Unterschiede aufnahmen. (2) Es zeigten sich als Haupteffekte, dass das PPK bei Frauen höher war als bei Männern (β = .11, p = .003). Zudem war eine bessere Abiturdurchschnittsnote (β = .09, p = .013) positiv mit dem PPK assoziiert. Für keine der Prädiktorvariablen zeigten sich signifikante Interaktionseffekte auf die Entwicklung des PPK. Diskussion Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Erkenntnisgewinn, da es bislang keine Längsschnittstudien gab, die das PPK anhand von validierten Kompetenztests über einen langen Zeitraum hinweg untersucht haben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es vielen Lehrer:innen gelingt, die Lerngelegenheiten im Vorbereitungsdienst und in der beruflichen Phase für den Wissenserwerb zu nutzen: Wir fanden einen deutlichen Anstieg im Vorbereitungsdienst und auch in der beruflichen Phase. Jedoch fanden sich neben den mittleren Anstiegen auch substanzielle interindividuelle Unterschiede in den Veränderungen, die sich nur unzureichend durch die untersuchten Merkmale erklären ließen. Daher sollten in weiteren Analysen auch die Einflüsse von Kontextbedingungen an den Schulen und von weiteren persönlichen Merkmalen auf die Veränderung des PPK untersucht werden. Diese Analysen werden bis zur GEBF vorliegen. Paper Session
Essener Tests zur Erfassung des standardorientierten bildungswissenschaftlichen Wissens (ESBW-Test) – Evaluation der Subskalenerweiterung „Inklusion und Digitalisierung“ (ESBW-ID) Universität Duisburg-Essen, Deutschland Theoretischer Hintergrund Die Kultusministerkonferenz (KMK) gibt seit 2004 Standards für die Kompetenzen vor, die in der Lehramtsausbildung erreicht werden sollen (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland [KMK], 2004-2022). Müser et al. (2022) entwickelten mit dem Essener Test zur Erfassung des standardorientierten bildungswissenschaftlichen Wissens (ESBW) ein Testverfahren, um den Erwerb der in den KMK-Standards festgelegten theoretischen Kompetenzen in den vier Kompetenzbereichen Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren zu überprüfen. Hierbei wurde gezeigt, dass der entwickelte Test klassische Testgütekriterien erfüllt und das bildungswissenschaftliche Wissen sowohl als einheitliches Konstrukt als auch in Form der vier Kompetenzbereiche als einzelne Dimensionen abbilden kann. Fragestellung Die KMK-Standards wurden 2015 bzw. 2019 um Anforderungen zur Inklusion und Digitalisierung erweitert, die in der ersten Version des ESBW-Tests noch nicht abgedeckt waren. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Erweiterung des Tests um Items zur Inklusion und Digitalisierung und berichtet erste Ergebnisse zur Evaluation der neuen Items. Ein Schwerpunkt wurde bei der Evaluation auf die Abgrenzung des abgefragten bildungswissenschaftlichen Wissens von Alltagswissen gelegt, indem die Testleistung von Studierenden unterschiedlichen Studienfortschritts (Studienanfänger ≤6 Fachsemester n = 195; Studienfortgeschrittene >6 Fachsemester n = 122) mit Lehrkräften (n = 64) einerseits und bildungswissenschaftlichen Laien (n = 183) andererseits verglichen wurde. Methode Die neuen Items wurden auf Basis der auf die vier Kompetenzbereichen der KMK-Standards aufgeteilten Anforderungen zu den Themen Inklusion und Digitalisierung in Kooperation mit Fachexperten generiert. Für die Evaluation der neuen Items wurden Daten von Lehrkräften und fortgeschrittenen Studierenden herangezogen, um ausreichende Kenntnisse für eine robuste Evaluation annehmen zu können. Die Güte des erweiterten Testinstruments wurde mit sowohl klassischen Reliabilitätskriterien als auch mithilfe von IRT-Modellen geprüft. Im Rahmen der IRT-Skalierungen wurde zudem auch die Dimensionalität des erweiterten Tests geprüft. Da der Test sowohl Single- als auch Multiple-Choice-Items beinhaltet, wurden Partial-Credit-Modelle (PCM) geschätzt. Weiterhin wurden ANOVA-basierte Gruppenvergleiche zwischen den Laien, Studierenden und Lehrkräften angestellt, um die Spezifität des abgefragten Wissens für die Bildungswissenschaften im Vergleich zu Alltagswissen zu prüfen. Hierbei wurden sowohl die Gesamtleistung als auch die Leistungen in den einzelnen Kompetenzbereichen sowie spezifisch in den neuen Themenbereichen Inklusion und Digitalisierung zwischen den Gruppen verglichen. Ergebnisse Unter Einschluss aller neu entwickelten Items war Cronbachs Alpha für die Gesamtskala (α = .82) und die Subskalen gut bis akzeptabel (zwischen .63 in der Subskala Erziehen und .42 in der Subskala Beurteilen). DieLösungshäufigkeiten lagen größtenteils im gewünschten Bereich zwischen 5% und 95%. Sowohl das eindimensionale (EAP-Reliabilität = .84) als auch das vierdimensionale PCM (EAP-Reliabilitäten zwischen .70 und .77) passten gut auf die Daten. Alle Items wiesen einen akzeptablen Itemfit im einparametrischen Modell auf (Infit zwischen 0.86 und 1.29; Bond & Fox, 2007). Bei einigen Items (neuen wie alten) zeigte sich substanzielles DIF zwischen den Gruppen, das noch tiefergehend untersucht und sowohl bei der finalen Itemauswahl für den erweiterten Test als auch bei der finalen Schätzung der Personenfähigkeiten berücksichtigt werden wird. Hinsichtlich der Testleistungen zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen sowohl in der Gesamtleistung (F(2,362) = 11.58, p < .001) als auch in einzelnen Subskalen (F(2,362) zwischen 3.11 und 15.47, p zwischen .027 und <.001). Bei durch Post-hoc-Tests belegten deskriptiven Vergleichen fiel markant auf, dass in den meisten (Sub-)Skalen auf der einen Seite Laien und Studienanfänger ähnliche Leistungen zeigten, welche signifikant schlecher waren als die (ebenfalls auf vergleichbarem Niveau liegenden) Leistungen der Studienfortgeschrittenen und Lehrkräfte auf der anderen Seite. Insgesamt wiesen die meisten Items zur Inklusion und Digitalisierung gute Kennwerte auf, sodass die finale Itemauswahl aus sowohl statistischen als auch inhaltlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden kann. Der Gruppenvergleich zeigte zudem, dass der ESBW-Test tatsächlich vor allem im Studium erworbenes bildungswissenschaftliches Wissen misst und nicht bloßes Alltagswissen. Paper Session
Psychologische Fehlvorstellungen, Bildungsmythen und epistemische Überzeugungen von Studierenden TU Dortmund, Deutschland Fehlinformationen über psychologische Themen sowie bildungspsychologische Mythen sind in der Bevölkerung, so auch unter Studierenden, weit verbreitet (z.B. Deibl & Zumbach, 2023; Menz et al., 2021). Entsprechende Fehlvorstellungen können insbesondere bei Lehramtsstudierenden ungünstige Auswirkungen auf das unterrichtliche Handeln haben (Asberger et al., 2021; König et al., 2012). Daher ist es relevant, die Entstehung psychologischer Mythen sowie Bildungsmythen besser zu verstehen. Forschung zu Determinanten entsprechender Fehlvorstellungen kommen allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen (vgl. Deibl & Zumbach, 2023). Darüber hinaus existieren Vorurteile gegenüber der Psychologie als Wissenschaft, was sich beispielsweise in unzutreffenden epistemischen Überzeugungen (subjektive Vorstellungen über die Natur des Wissens und den Prozessen des Wissenserwerbs) widerspiegelt (Hofer, 2001; Peter et al., 2016). Bisherige Studien konnten bereits substantielle Zusammenhänge zwischen epistemischen Überzeugungen und dem Vorhandensein von Bildungsmythen aufzeigen (Berweger et al., 2023). Ziel der vorliegenden Studie ist es zum einen, Lehramtsstudierende unterschiedlicher Fächer und Studierende ohne (bildungs-)psychologische Inhalte in ihren psychologischen Fehlvorstellungen, Bildungsmythen und epistemischen Überzeugungen zu vergleichen. Vermutet wurde eine geringere Ausprägung in den zuvor beschriebenen Konstrukten für Studierende des Unterrichtsfachs Psychologie verglichen mit anderen (Lehramts-)Studierenden. Des Weiteren sollten angehende Lehrkräfte geringere Werte aufweisen als Studierende ohne (bildungs-)psychologische Inhalte im Studium. Darüber hinaus werden ausgewählte Determinanten psychologischer Fehlkonzeptionen und Bildungsmythen untersucht (soziodemographische Variablen, Persönlichkeitsvariablen, epistemische Überzeugungen, Studienfortschritt, Abiturdurchschnittsnote). Dazu wurden insgesamt N = 391 Bachelorstudierende befragt (n = 103 Lehramtsstudierende mit Unterrichtsfach Psychologie; n = 187 Lehramtsstudierende anderer Fächer; n = 101 Studierende ohne psychologische Inhalte; 73% weiblich; durchschnittliches Alter M = 21.54, SD = 4.06). Vorgegebenen wurden bereits etablierte Skalen zur Erfassung der Bildungsmythen (QUEBEC; Asberger et al., 2020) sowie der epistemischen Überzeugungen (EBI-AM; Peter et al., 2016). Ein Instrument zur Erfassung der psychologischen Fehlkonzeptionen wurde aus dem Englischen übersetzt (Hughes et al., 2013). Die Skalen ließen sich anhand konfirmatorischer Faktorenanalysen überwiegend replizieren, die internen Konsistenzen lagen im zufriedenstellenden Bereich. Analysen zur Messinvarianz wiesen auf zumindest metrische Invarianz zwischen den Gruppen hin. In den durchgeführten multi- und univariaten Kovarianzanalysen (Kovariaten: Alter, Geschlecht, Semesteranzahl, Persönlichkeit) mit anschließenden Post-hoc-Vergleichen wiesen Studierende ohne psychologische Studieninhalte signifikant mehr psychologische Fehlvorstellungen auf als Studierende des Unterrichtsfachs Psychologie (d = 0.65) und als andere Lehramtsstudierende (d = 0.55). Bezüglich der erfassten Bildungsmythen wurden keine statistisch signifikanten Gruppenunterschiede gefunden. Studierende ohne psychologische Studieninhalte hatten eine statistisch signifikant ungünstigere epistemische Überzeugung zur Psychologie als Wissenschaft als Lehramtsstudierende (d = 0.43) und als angehende Psychologielehrkräfte (d = 0.39). Insgesamt stimmten sämtliche Studierende sowohl den psychologischen Fehlannahmen als auch den jeweiligen Bildungsmythen eher zu. Neben Persönlichkeitseigenschaften (Extraversion, Gewissenhaftigkeit) erwiesen sich die epistemischen Überzeugungen als positive signifikante Prädiktoren zur Vorhersage der Anzahl an psychologischen Fehlkonzeptionen. Ein niedrigerer sozioökonomischer Status und eine schlechtere Abiturdurchschnittsnote gingen mit einer höheren Anzahl an psychologischen Fehlkonzeptionen einher. Des Weiteren war ein geringeres Alter mit einer höheren Anzahl an Fehlkonzeptionen assoziiert. Bezüglich des Bildungsmythos Klassenwiederholung waren vor allem ausgewählte Persönlichkeitseigenschaften sowie die epistemischen Überzeugungen positive signifikante Prädiktoren; der sozioökonomische Status erwies sich wiederum als negativer Prädiktor. Die restlichen Bildungsmythen ließen sich durch die erfassten Prädiktoren jedoch nicht statistisch signifikant vorhersagen. Während sich unsere Hypothesen bzgl. der Ausprägung der psychologischen Fehlannahmen bestätigten und vor allem die angehenden Psychologielehrkräfte die geringste Anzahl an psychologischen Fehlkonzeptionen aufwiesen, wurden bezüglich der Bildungsmythen keine signifikanten Gruppenunterschiede gefunden. Die hohe Zustimmung der Lehramtsstudierenden unabhängig vom Fach zu den jeweiligen Bildungsmythen sind ein Hinweis auf die Notwendigkeit, entsprechende Mythen in der universitären Lehrkraftausbildung konkret anzusprechen und zu revidieren, so dass durch psychologische und bildungsbezogene Fehlannahmen (z.B. zur Klassengröße oder Klassenwiederholung) keine Nachteile für Schülerinnen und Schüler oder gesellschaftliche Kosten verursacht werden (König et al., 2012). Paper Session
Confirmation Bias als Barriere evidenzinformierter Schulpraxis? Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Deutschland Im Rahmen der sogenannten evidenzinformierten Schulpraxis werden Lehrpersonen dazu angehalten, wissenschaftliche Evidenz in ihre professionellen Überzeugungen und in ihr professionelles Handlungswissen zu integrieren. Ziel dabei ist es die Schul- und Unterrichtsqualität sowie Schüler:innenleistungen zu steigern (z.B. Bauer et al., 2015; Brown et al., 2022). Allerdings identifizieren diverse Studien zahlreiche Barrieren, die Lehrpersonen davon abhalten evidenzinformierte Handlungen zu realisieren. Diese umfassen unter anderem limitierte Ressourcen wie Zeitmangel oder fehlende methodische Kompetenzen (z.B. van Schaik et al., 2018). Auch kognitive Verzerrungen wie der prominente Confirmation Bias (CB) werden als Barrieren diskutiert. CB beschreibt das Phänomen, dass Informationen, die konsistent zu eigenen Überzeugungen sind bevorzugt, weniger kritisch hinterfragt oder eher erinnert werden als Informationen, die inkonsistent zu diesen sind (z.B. Oswald & Grosjean, 2004). Auch wenn umfangreiche Grundlagenforschung zu CB in verschiedenen Kontexten vorliegt, wurde dieser im Kontext evidenzinformierter Schulpraxis weniger systematisch analysiert. Es existieren zwar erste Hinweise, dass CB bei der Bewertung bildungswissenschaftlicher Studien (Masnick & Zimmermann, 2009) und dem Vertrauen in bildungswissenschaftliche Aussagen (Schmidt et al., 2022) zum Tragen kommt. Offen bleibt allerdings, inwieweit CB der Idee evidenzinformierter Schulpraxis–Überzeugungen und Handlungswissen von Lehrpersonen mittels wissenschaftlicher Evidenz zu informieren (auch als Belief-/Knowledge-Updating bezeichnet)–tatsächlich entgegensteht. Die vorliegende experimentelle Studie setzt an dieser Forschungslücke an und untersucht, inwieweit die Konsistenz zwischen Überzeugungen und wissenschaftlicher Evidenz 1) die Bewertung von Studienergebnissen, das Belief-Updating in 2) Richtung und 3) Sicherheit sowie 4) das Updating der Handlungstendenz bei Lehramtsstudierenden beeinflusst. Hierfür wurden N = 83 Lehramtsstudierende (65% weiblich; MSemester = 2.3) in einem Between-Person Design mit dem Thema „Gendergerechte Sprache in der Schule“ und der Frage, „ob die Verwendung des generischen Maskulinums bei Lehrpersonen zu einer überproportionalen Assoziation mit männlichen Schülern führt“, konfrontiert. Die Studierenden beantworteten zunächst verschiedene Fragen: Sie sollten 1) anhand einer 7-stufigen Likertskala angeben, inwieweit sie sich in ihrem zukünftigen Unterricht bemühen werden, Bezeichnungen zu verwenden, die über die rein männliche Form hinausgehen (indem sie z.B. die weibliche und männliche Form oder geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwenden; Handlungstendenz), 2) aus einem dichotomen Item ihre Überzeugung zu diesem Thema auswählen und 3) anhand einer 5-stufigen Likertskala ausdrücken, wie sicher sie sich in dieser Überzeugung sind. Anschließend erhielten die Teilnehmenden einen Kurzbericht einer experimentellen Studie, in dem die Ergebnisse so manipuliert wurden, dass diese zufällig entweder konsistent oder inkonsistent zur angegebenen Überzeugung waren (Between-Person Faktor; Operationalisierung von Belief-Konsistenz). Die Studierenden wurden dann befragt, wie überzeugend sie das Studienergebnis fanden (Antwortmöglichkeiten mittels 5-stufiger Likertskala), bevor ihre Handlungstendenz, Überzeugungsrichtung und -sicherheit erneut erhoben wurden, um die entsprechenden Updatings zu analysieren. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden bayesianische verallgemeinerte Mehrebenenmodelle (Kruschke, 2015) mithilfe der propabilistischen Programmiersprache Stan geschätzt. Diese bieten hypothesenkonform starke Evidenz dafür, dass Lehramtsstudierende überzeugungskonsistente Studienergebnisse deutlich überzeugender einschätzen als überzeugungsinkonsistente (d = .92, 95% Highest Density Posterior Intervals [HDPI] = [ .53, 1.32]). Es zeigt sich keine starke Evidenz für eine Änderung der Überzeugungsrichtung (OR = 6.2, 95%HDPI = [0.99, 1.18]) und schwache Evidenz für eine substanzielle Änderung der Überzeugungssicherheit (d = 0.62, 95%HDPI = [0.19, 1.05]). Für eine Änderung der Handlungstendenz lag für diejenigen, die überzeugungsinkonsistente Forschungsergebnisse erhielten, keine starke Evidenz vor (d = .22; 95%HDPI = [0.16, .614]). Während die befragten Lehramtsstudierende im Sinne eines CB überzeugungsinkonsistente Forschungsergebnisse stark abwerten, passen sie ihre Überzeugungssicherheit an die präsentierte Evidenz an. Weder für eine Anpassung ihrer Überzeugungen und Handlungstendenzen noch für deren Ausbleiben liegt starke Evidenz vor– die Ergebnisse sind eher als inkonklusiv zu interpretieren. Eine Replikation mittels Bayesian Updating ist daher geplant. Zusätzlich sind die Ergebnisse aufgrund einer fehlenden thematischen Variation in ihrer externen Validität eingeschränkt. Dennoch bieten sie interessante Anhaltspunkte mit Blick auf die Frage, inwieweit CB der Idee evidenzinformierter Schulpraxis entgegensteht, welche im Vortrag diskutiert werden. |