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Sitzungsübersicht
Sitzung
3-16: Sozio-emotionaler Lernkontext
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
15:20 - 17:00

Ort: S15

Seminarraum, 50 TN

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Präsentationen
Paper Session

Effekte der Klassengemeinschaft auf die Entwicklung von Lernzielorientierung und Passungswahrnehmung beim Übergang in die Sekundarstufe I

Lukas Ramseier, Markus P. Neuenschwander

Pädagogische Hochschule FHNW, Schweiz

Theoretischer Hintergrund

Lernzielorientierung beschreibt die wahrgenommene Wichtigkeit, im Unterricht Neues zu lernen und Kompetenzen zu erweitern (Spinath, 2011). Sie ist eine Voraussetzung für schulische Leistungen und adaptive Lernstrategien und stellt daher eine wichtige motivationale Überzeugung dar (Linnebrink-Garcia, Tyson & Patall, 2008). Verschiedene Studien zeigen allerdings, dass die Lernzielorientierung beim Übertritt von der Primarstufe in die Sekundarstufe I abnimmt (Lazarides & Raufelder, 2017). Gemäss der Stage-Environment-Fit-Theorie (Eccles et al., 1993) liegt dies daran, dass die Lernumwelt nach dem Übertritt weniger den Bedürfnissen der Schüler:innen entspricht. Darunter leidet die wahrgenommene Person-Umwelt-Passung (im Folgenden: Passungswahrnehmung), die mit motivationalen Überzeugungen wie Lernzielorientierungen einhergeht. Sowohl die Passungswahrnehmung als auch die Lernzielorientierung von Schüler:innen sinken diesen Annahmen zufolge beim Übertritt in die Sekundarstufe I parallel ab. Es kann allerdings vermutet werden, dass das Kultivieren eines positiven Klassenklimas, das von einem starken Gemeinschaftssinn geprägt ist, in der Primarstufe zu einer positiven Haltung der Schüler:innen gegenüber der Schule führt, was die Entwicklung von Lernzielorientierung und Passungswahrnehmung begünstigt (Raufelder et al., 2016; Ryan, 1995). Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob a) die Entwicklung der Lernzielorientierung während des Übertritts in die Sekundarstufe I signifikant mit der Entwicklung der Passungswahrnehmung zusammenhängt und ob b) die wahrgenommene Klassengemeinschaft in der Primarstufe diese beiden Entwicklungen vorhersagt.

Bisherige Studien haben bereits Zusammenhänge zwischen der Passungswahrnehmung und motivationalen Überzeugungen festgestellt (z.B. Zimmer-Gembeck et al., 2006), im vorliegenden Beitrag wird jedoch erstmals empirisch überprüft, ob die Entwicklungsverläufe der beiden Konzepte zusammenhängen und wie diese Entwicklungsverläufe vorhergesagt werden können.

Methode

Die verwendeten Stichproben stammen aus den ersten drei Erhebungswellen des Schweizer Forschungsprojekts [Name der Studie]. Zur Überprüfung der Fragestellung wurden alle Schüler:innen ausgewählt, die zwischen dem 6. und 7. Schuljahr in die Sekundarstufe I übertraten. Die Stichprobe besteht aus N = 909 Schüler:innen (51.5% w; 48.8% m; Durchschnittsalter t1 = 10.7, SD = 0.61) der 5. (t1), 6 (t2) bzw. 7 (t3) Klasse aus zwei Schweizer Kantonen. Die Konstrukte wurden durch Fragebogen mit etablierten Instrumenten gemessen (Lernzielorientierung: drei Items nach Midgley et al., 2000, α = .62; Passungswahrnehmung: fünf Items nach Neuenschwander & Frank, 2009; α = .80; Klassengemeinschaft: vier Items nach Eder, 1997; α = .65).

Zur Überprüfung der Fragestellung wurde ein latentes Wachstumskurvenmodell (latent growth curve model, LGCM) in Mplus berechnet und der Verlauf der Lernzielorientierung sowie der Passungswahrnehmung über die drei Messzeitpunkte hinweg modelliert. Die wahrgenommene Klassengemeinschaft zum ersten Messzeitpunkt wurde als Prädiktor für die beiden Slopes in das Modell aufgenommen. Sowohl für Lernzielorientierung als auch Passungswahrnehmung wurden metrische sowie skalare Messinvarianz über die drei Messzeitpunkte hinweg nachgewiesen.

Ergebnisse

Das finale Modell wies zufriedenstellende Fit-Werte auf (χ2(330) = 630.867; p < .001; CFI = .93; RMSEA = .03; SRMR = .05). Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Lernzielorientierung als auch die Passungswahrnehmung über die drei Messzeitpunkte hinweg signifikant abnahmen. Die beiden Slopes korrelierten signifikant miteinander

Die Klassengemeinschaft zum ersten Messzeitpunkt zeigte signifikante Effekte auf die Slopes der Lernzielorientierung bzw. der Passungswahrnehmung. Eine ausgeprägte Klassengemeinschaft zum ersten Messzeitpunkt führt somit zu einem geringeren Rückgang der beiden Konstrukte über die weiteren Messzeitpunkte.

Bedeutung

Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die Lernzielorientierung beim Übertritt in die Sekundarstufe I abnimmt. Der signifikante Zusammenhang zwischen den negativen Entwicklungen der Lernzielorientierung und der Passungswahrnehmung zeigt, dass der Rückgang der Zielorientierung mit einem gleichzeitigen Rückgang der Passungswahrnehmung zusammenhängt, was Annahmen der Stage-Environment-Fit-Theorie bestätigt.

Weiterhin zeigt sich, dass sich die wahrgenommene Klassengemeinschaft in der Primarstufe nachhaltig auf die Veränderung der Passungswahrnehmung sowie der Lernzielorientierung auswirkt. Lehrpersonen können durch das Schaffen eines von Gemeinschaftssinn geprägten Klassenklimas in der Primarstufe dazu beitragen, dass der Übertritt in die Sekundarstufe I von einem weniger starken Rückgang der Passungswahrnehmung sowie der Lernzielorientierung begleitet wird.



Paper Session

Die Bedeutung des Lernkontextes für motivationale, emotionale und Verhaltensprozesse von Schüler*innen an Schulen in sozialräumlich deprivierter Lage

Sina Ludwig1, Julia Holzer2, Luisa Grützmacher1, Barbara Schober2, Manfred Prenzel1, Marko Lüftenegger1,2

1Zentrum für Lehrer*innenbildung, Universität Wien, Österreich; 2Fakultät für Psychologie, Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung, Universität Wien, Österreich

Theoretischer Hintergrund und Forschungsfrage:

Bildungsgerechtigkeit ist immer noch eine große Herausforderung im österreichischen Bildungssystem (Bruneforth et al., 2012; Lassnigg, 2015). Die Mehrgliedrigkeit des Bildungssystems bietet den Schüler*innen aufgrund der schulformspezifischen curricularen Vorgaben, Instruktionskulturen und Lehrer*innenausbildung unterschiedliche Lern- und Entwicklungsmilieus, die sich auf die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*innen auswirkt (Baumert et al., 2006, S. 98f.). Aus diesem Grund ist es in Schulen in sozial deprivierter Lage besonders wichtig einen anregenden Lernkontext zu schaffen.

Basierend auf der Self-Determination Theory kann angenommen werden, dass intrinsische Lernmotivation und Wohlbefinden in einem förderlichen Lernkontext entstehen und wiederum Prädiktoren des Lernverhaltens von Schüler*innen sind (Chiu, 2022; Ryan & Deci, 2000; Vansteenkiste et al., 2010). Anregende Kontextfaktoren sollen demnach zu einem beharrlicheren, aufmerksameren und intrinsisch motivierten Lernen beitragen.

Das Ziel dieser Studie ist es, ein tieferes Verständnis für die Lernprozesse von Mittelschüler*innen an Schulen in sozialräumlich deprivierter Lage in Österreich zu erlangen und die Forschungsfrage zu beantworten, wie der von Schüler*innen wahrgenommene Lernkontext (d.h. Beziehungen zu Lehrpersonen und Klassenkamerad*innen sowie störungsfreier Unterricht) mit motivational-emotionalen Prozessen und ihrem Lernverhalten zusammenhängt. Hierfür wird basierend auf Annahmen der Self-Determination Theory erwartet, dass der Lernkontext (d.h. ein störungsfreier Unterricht, die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung und die Klassengemeinschaft) Beharrlichkeit und kognitive Aktivierung beim Lernen vorhersagt (direkte Effekte), mediiert über intrinsische Lernmotivation und positive Emotionen (indirekte Effekte).

Methode:

Die Stichprobe umfasst 5900 Schüler*innen von 45 österreichischen Mittelschulen in sozialräumlich deprivierter Lage. Die Daten wurden zwischen Februar und April 2022 mittels eines Online-Fragebogens mit geschlossenem Antwortformat erhoben.

In diesem wurden folgende Messinstrumente eingesetzt: (1) Störungsfreier Unterricht wurde mit drei Items gemessen (Fauth, 2021), (2) Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung sowie Klassengemeinschaft wurden mit jeweils drei Items erhoben (LFSK 4-8; Eder & Mayr, 2000), (3) intrinsische Lernmotivation wurde mit drei Items gemessen (MoMa 1.0; Gaspard et al., 2019), (4) positive Emotionen und Beharrlichkeit beim Lernen wurden jeweils mit drei Items erfasst (EPOCH-G-S-Skala; Bürger et al., 2023) und (5) kognitive Aktivierung wurde mit fünf für den Studienkontext erstellten Items gemessen. Bei allen Skalen handelt es sich um fünfstufige Likertskalen mit ausreichenden bis guten inneren Konsistenzen (ω = .64 bis .93).

Im methodischen Vorgehen wurde zunächst die Faktorenstruktur des Mediationsmodells mittels einer CFA überprüft. Anschließend wurden latente Pfadanalysen, bei der die hierarchische Datenstruktur der Schulklassen durch Cluster-robuste Standardfehler berücksichtigt wurde, mit Mplus berechnet.

Ergebnisse:

Es zeigten sich direkte Effekte des wahrgenommenen Lernkontextes auf das Lernverhalten der Schüler*innen. Konkret wurden signifikante direkte Effekte (1) der Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung und (2) der Klassengemeinschaft auf kognitive Aktivierung und Beharrlichkeit, sowie (3) des störungsfreien Unterrichts auf die kognitive Aktivierung gefunden.

Indirekte Effekte des wahrgenommenen Lernkontextes auf das Lernverhalten der Schüler*innen, vermittelt über die motivational-emotionalen Mediatoren, zeigten sich ebenfalls. Signifikante indirekte Effekte (1) der Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung, (2) der Klassengemeinschaft und (3) des störungsfreien Unterrichts auf die kognitive Aktivierung und die Beharrlichkeit, mediiert durch die intrinsische Motivation und positiven Emotionen, konnten identifiziert werden.
Die Ergebnisse sind im Einklang mit den Hypothesen. Faktoren wie gute Beziehungen zu Lehrpersonen und Klassenkamerad*innen und ein störungsfreier Unterricht können Wohlbefinden und motivationsfördernd sein und in weiterer Folge zu einem beharrlicheren und kognitiv angeregteren Lernen bei Schüler*innen beitragen. Lehrpersonen sollten sich folglich darum bemühen, für die Schüler*innen eine Lernumgebung zu schaffen, die von positiven Beziehungen geprägt und möglichst frei von Störungen ist. Die Studienergebnisse zeigen, dass an österreichischen Schulstandorten mit hohem Anteil an benachteiligten Schüler*innen ein anregender Lernkontext für die Lernprozesse der Kinder besonders wichtig ist.



Paper Session

Think-Pair-Share: Einfluss von Kooperation auf die mündliche Beteiligung (schüchterner) Schülerinnen und Schüler

Susanne Jurkowski1, Lukas Mundelsee1,2

1Universität Erfurt, Deutschland; 2Universität Heidelberg, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Die mündliche Beteiligung im Unterricht erfüllt wichtige Funktionen für das Lernen und ist mit höheren Lernfortschritten assoziiert (für einen Überblick siehe Rocca, 2010). Allerdings sind die Chancen von Schülerinnen und Schülern (SuS), sich am Unterricht zu beteiligen, nicht gleich. Beispielsweise warten Lehrkräfte im Mittel gerade einmal 2,5 Sekunden, bis sie die ersten SuS aufrufen (Heinze & Erhard, 2006). Damit bleibt den SuS wenig Zeit, um ihre Gedanken zu sortieren und schließlich zu entscheiden, ob sie sich melden. Dies scheint besonders problematisch für schüchterne SuS zu sein, die vielleicht gute Ideen haben, aber zögern, sich zu beteiligen.

„Think-Pair-Share“ (TPS) ist eine Lehrmethode aus dem kooperativen Lernen. Dabei denken die Schüler zunächst allein über eine Frage nach (Think-Phase), besprechen sie dann mit einem Lernpartner (Pair-Phase) und melden sich schließlich, um ihre Ideen mit der ganzen Klasse zu teilen (Share-Phase). Damit bietet TPS den SuS die Möglichkeit, ihre Ideen zu überprüfen, zu vertiefen und ihr Vertrauen in die eigene Antwort zu stärken. Deshalb wird von TPS behauptet, dass es die Beteiligung aller, insbesondere aber der schüchternen SuS erhöhen könnte (Coplan & Rudasill, 2016). In einer experimentellen Feldstudie überprüften wir die Forschungsfragen, (a) ob TPS die Meldehäufigkeit von (schüchternen) SuS im Vergleich zu zwei anderen Unterrichtsmethoden erhöht und (b) welche Gründe es für das (Nicht-)Melden gibt.

Methode

Die Stichprobe bestand aus 393 SuS (MAlter = 14.36, SDAlter = 0.60). Schüchternheit wurde mittels Fragebogen erfasst. Anschließend wurden die SuS von der Lehrkraft gefragt, wie bestimmte Faktoren (z.B. Naturkatastrophen) mit dem weltweiten Hunger in Verbindung stehen. Unter Verwendung eines kontrollierten Crossover-Designs durchliefen die SuS schließlich drei Bedingungen: (1) Kontrollbedingung ohne Think- oder Pair-Phase (S-Bedingung), (2) Bedingung mit 1-minütiger Think-Phase (TS-Bedingung) sowie (3) vollständige TPS-Bedingung mit zusätzlicher 2-minütiger Pair-Phase. Zu Beginn jeder Share-Phase wiederholte die Lehrkraft die Frage und wartete 10 Sekunden auf Meldungen. Anschließend wurden die SuS gebeten, einen kurzen Fragebogen zu ihrer Meldung, ihren Motiven für das (Nicht-)Melden und ihrer Zustandsangst auszufüllen. Meldungen und Motive dienten in den Analysen als abhängige Variablen, die Zustandsangst als Mediator, während die experimentelle Bedingung, Schüchternheit und deren Interaktion als unabhängige Variablen fungierten. Mit den eingesammelten Notizen der SuS sowie Beobachtungen konnten wir die Gültigkeit des selbstberichteten Meldens bestätigen.

Ergebnisse

In den Multilevel-Hauptanalysen zeigten die Kontraste einen signifikanten Unterschied in den Meldungen der TPS- gegenüber der S-Bedingung und keine signifikanten Unterschiede für die anderen Kontraste. Dieses Muster blieb stabil, wenn Schüchternheit in das Modell mit aufgenommen wurde, die Interaktionseffekte mit Schüchternheit wurden jedoch nicht signifikant. Analysen der Motive für das (Nicht-)Melden zeigten, dass schüchterne SuS das Nichtmelden häufiger mit Unsicherheit und der Unlust, im Mittelpunkt stehen zu wollen, begründeten. Eine Multilevel-Mediationsanalyse ergab einen signifikanten indirekten Effekt für TPS, wenn die Bedingung mit TS verglichen wurde, und einen marginalen indirekten Effekt, wenn TPS mit S verglichen wurde, was darauf hindeutet, dass der positive Effekt von TPS auf die Meldungen durch ein geringeres Maß an Zustandsangst vermittelt wird.

Diskussion

Die Studie zeigt, dass TPS im Vergleich zum traditionellen Unterrichtsansatz, bei dem die Lehrkraft eine Frage stellt und darauf wartet, dass sich die SuS melden und ihre Antwort sagen (S-Bedingung), die Meldehäufigkeit erhöhen kann. Wir fanden diese positive Beziehung nur für TPS und nicht für TS, was nahelegt, dass der Gedankenaustausch mit einem Partner das Vertrauen in die eigenen Antworten und die Bereitschaft, diese mit der Klasse zu teilen, fördern kann. Die Mediationsanalysen deuten darauf hin, dass teilweise auf eine niedrigere Zustandsangst in der TPS-Bedingung zurückgeführt werden kann. Schüchternere SuS scheinen zwar nicht im besonderen Maße, jedoch ähnlich stark von TPS zu profitieren wie weniger schüchterne SuS. Für schüchterne SuS war die soziale Bewertung das Hauptmotiv, warum sie sich nicht meldeten.



Paper Session

Die Bedeutung von Supervision für emotionales Erleben und langfristige Karriereintention von Nachwuchswissenschaftler:innen

Ronja Steinhauser1, Oliver Dickhäuser1, Raven Rinas2, Martin Daumiller2, Markus Dresel2, Stefan Janke1

1Universität Mannheim, Deutschland; 2Universität Augsburg, Deutschland

Hochschulen sind nicht nur für Studierende, sondern auch für Nachwuchswissenschaftler:innen ein wichtiger Bildungs- und Qualifikationskontext. Während Bildungsprozesse und ‑entscheidungen in dieser Gruppe noch weit weniger beforscht sind, weisen Studien darauf hin, dass viele Nachwuchswissenschaftler:innen im Verlauf ihrer Tätigkeit das Interesse an einer langfristigen wissenschaftlichen Karriere verlieren. Dieser Rückgang der wissenschaftlichen Karriereintention steht nicht nur im Zusammenhang mit Stellenknappheit, sondern auch mit Faktoren wie hohem Stressempfinden im Arbeitskontext (Dorenkamp & Weiß, 2018; Roach & Sauermann, 2017). Um den Verlust von wissenschaftlichem Talent zu minimieren, ist es von Bedeutung, die Wirkmechanismen hinter diesem Phänomen besser zu verstehen.

Ein wichtiger kontextueller Einflussfaktor dürfte hierbei die Supervision von Nachwuchswissenschaftler:innen sein (De Clercq et al., 2019; Scaffidi & Berman, 2011). Entsprechend der Selbstbestimmungstheorie zeichnet sich eine wohlbefindensförderliche Supervision insbesondere dadurch aus, dass die psychologischen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit unterstützt werden (Van der Linden et al., 2018). Dabei wird angenommen, dass Autonomieunterstützung (z. B. Einbeziehen in wichtige Entscheidungen), Strukturierung (Förderung von Kompetenzerleben; z. B. Erwartungen deutlich machen) und soziale Unterstützung (z. B. Wertschätzung unabhängig von Leistung) diese Grundbedürfnisse unterstützen und dadurch Wohlbefinden fördern (Larson et al., 2019; Wollast et al., 2023).

Bisherige Forschung im Promotionskontext legt insbesondere nahe, dass bedürfnisförderliches Supervisionsverhalten positiv mit Persistenz der Promovierenden assoziiert ist (Van der Linden et al., 2018), wobei dieser Zusammenhang vermutlich zumindest anteilig durch emotionales Erleben vermittelt wird (Wollast et al., 2023). Dabei wurde bisher allerdings Persistenz ausschließlich aus der Perspektive des Promotionsabbruchs und nicht im Sinne einer langfristigen wissenschaftlichen Karriereintention betrachtet. Darüber hinaus gibt es bisher keine Befunde zur differenziellen Bedeutsamkeit verschiedener diskreter Emotionen wie Freude, Ärger oder Angst.

Um diese Forschungslücke zu schließen, führten wir eine Online-Umfrage mit 292 Nachwuchswissenschaftler:innen (69.5% Doktorand:innen, 30.5% Postdoktorand:innen, 53% weiblich, MAlter = 32.0) durch, in der diese unter anderem zur Autonomieunterstützung, Strukturierung und sozialen Unterstützung ihrer Supervisor:innen (Van der Linden et al., 2018), den erlebten Emotionen Freude, Angst und Ärger während ihrer Forschungsarbeit und ihrer langfristigen wissenschaftlichen Karriereintention Auskunft gaben. Zur Beantwortung der Forschungsfrage berechneten wir ein Pfadmodell unter Verwendung einer Maximum-Likelihood-Schätzung mit robusten Standardfehlern.

Für Autonomieunterstützung und Strukturierung zeigten sich positive Assoziationen mit Freude. Darüber hinaus zeigten sich nur für Autonomieunterstützung negative Assoziationen mit Ärger und Angst. Für soziale Unterstützung zeigten sich keine bedeutsamen Zusammenhänge. Freude fungierte darüber hinaus als Mediator für den Zusammenhang zwischen Strukturierung und der Absicht, langfristig in der Wissenschaft zu arbeiten. Auch wenn Angst nicht als Mediator fungierte, zeigte sich als Nebenbefund ein positiver Zusammenhang mit der Absicht, langfristig in der Wissenschaft zu arbeiten. Explorative Analysen weisen auf differenzielle Zusammenhangsmuster für Nachwuchswissenschaftler:innen unterschiedlicher Karrierestufen hin, beispielsweise in der Form, dass Autonomiegewährung eine größere Rolle für Postdoktorand:innen als für Doktorand:innen spielt.

Die Befunde der Studie stellen die Bedeutung von Supervisor:innen für Wohlbefinden und Karrieregestaltung von Nachwuchswissenschaftler:innen heraus. Insbesondere Autonomieunterstützung und Strukturierung scheinen zu einem positiveren emotionalen Erleben von Nachwuchswissenschaftler:innen zu führen. Die erlebte Freude bei der Arbeit scheint wiederum eine langfristige Karriere in der Wissenschaft attraktiver zu machen. Wie auch in anderen Studien zeigten sich keine Zusammenhänge zwischen sozialer Unterstützung der Supervisor:innen, Emotionen und langfristigen Karriereplänen. Dies deutet darauf hin, dass die soziale Unterstützung in den Hintergrund rückt, wenn Autonomieunterstützung und Strukturierung gegeben sind. Die Ergebnisse unterstreichen, dass bei der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler:innen auch kontextuelle Faktoren, wie Supervision, verstärkt in den Blick genommen werden sollten. Dabei scheint nicht nur die Art der Unterstützung bedeutend zu sein, sondern auch, inwiefern diese auf den aktuellen Betreuungsabschnitt der Nachwuchswissenschaftler:innen und die damit einhergehenden Bedürfnisse abgestimmt ist. Fortbildungsmaßnahmen zu autonomiegewährender und strukturierender Supervision könnten Supervisor:innen dabei unterstützen, qualitativ hochwertige Betreuung zu bieten, die wiederum Wohlbefinden und Persistenz bei jungen Wissenschaftler:innen fördert.