Symposium
Lehrkrafteinstellungen zu LGBTIQ Schüler:innen
Chair(s): Christoph Niepel (Universität Luxemburg, Luxemburg), Andreas Gegenfurtner (Universität Augsburg)
Discussant(s): Hannah Kleen (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation)
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere (verbreitetes englischsprachiges Akronym: LGBTIQ) Schüler:innen erleben aufgrund ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität nach wie vor Marginalisierung und Diskriminierung in der Schule (Gegenfurtner & Gebhardt, 2017). Forschungsergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte eine wesentliche Rolle bei der Prävention und Unterbindung von (subtilen oder offenen) Formen homo- und transphobem Verhaltens spielen können (Klocke et al., 2019). Dabei scheinen die individuellen Einstellungen einer Lehrkraft gegenüber LGBTIQ Schüler:innen von zentraler Bedeutung zu sein (Hall & Rodgers, 2019; Glock & Kleen, 2020; Gegenfurtner et al., 2023). Lehrkräfte mit positiven Einstellungen gegenüber LGBTIQ Schüler:innen neigen eher dazu, sich verschiedenen Formen der Diskriminierung von LGBTIQ Schüler:innen entgegenzustellen; so können sie maßgeblich helfen, Schule zu einem sicheren Ort des Lernens und der Persönlichkeitsentfaltung für LGBTIQ Schüler:innen zu gestalten (Page, 2017; Zotti et al., 2019).
Unser Symposium vereint drei Beiträge, die Lehrkrafteinstellungen zu LGBTIQ Schüler:innen untersuchen. Im ersten Beitrag wurden angehende Lehrkräfte im luxemburgischen Bildungskontext befragt und deren Einstellungen zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Schüler:innen untersucht. Dabei fokussiert der Beitrag auf der Frage, welche Rolle soziale Kontakte der angehenden Lehrkräfte mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen spielen und welchen Einfluss deren politische Orientierung, Religiosität sowie deren Vorstellungen von Geschlechterrollen haben.
Der zweite Beitrag nutzt ein Multi-Method-Design, um implizite und explizite Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber lesbischen und schwulen Schüler:innen zu untersuchen. Dabei wurde analysiert, inwiefern implizite (gemessen mittels eines impliziten Assoziationstests) und explizite Einstellungen zusammenhängen und ob Vorurteile, soziale Kontakte, die eigene sexuelle Orientierung, Geschlecht, politische Haltung und Religiosität implizite Einstellungen statistisch vorhersagen. Weiterhin wurde untersucht, ob sich während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare als Indikator für automatische Assoziationen unterscheiden.
Der dritte Beitrag vereint zwei Studien, in denen jeweils Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte im deutschen Bildungskontext befragt wurden. Der Beitrag geht dabei der Frage nach, welche Faktoren Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte darin unterstützen, gegen Diskriminierung queerer Schüler:innen vorzugehen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu berücksichtigen.
Dieses Symposium umfasst drei Beiträge, die sich mit den Einstellungen von Lehrkräften gegenüber LGBTIQ Schüler:innen beschäftigen und geht den Fragen nach, wie positiv deren Einstellungen insgesamt sind und welche Faktoren einen Einfluss auf diese Einstellungen haben. Dabei nutzen die Beiträge komplementäre Forschungsansätze und sind in verschiedenen Bildungssystemen verortet. Auf diese Weise trägt das Symposium dazu bei, wichtige neue Erkenntnisse in einem wenig beforschten Feld zu gewinnen, verbunden mit dem Anspruch, die Forschung auf diesem Gebiet insgesamt voranzutreiben.
Presentations of the Symposium
Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Schüler:innen: Eine prä-registrierte Fragebogenstudie mit luxemburgischen Lehramtsstudierenden
Axel Grund, Dario Galano, Valentin Emslander Universität Luxemburg
Theoretischer Hintergrund:
Lesbische, schwule und bisexuelle (englisch: lesbian, gay, and bisexual, im Folgenden daher LGB) Schüler:innen sind in verschiedenen Kontexten mit Viktimisierung konfrontiert, auch im Bildungskontext. Inwieweit Lehrer:innen hier eine wichtige Ressource darstellen können, scheint mit ihren Einstellungen gegenüber sexuellen Minderheiten zusammenzuhängen. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass Lehrer:innen mit ungünstigen Einstellungen seltener eingreifen, wenn sie mit homophoben Verhaltensweisen in der Schule konfrontiert werden (Zotti et al., 2019). Dementsprechend ist es wichtig, mehr über die Einstellungen von Lehrer:innen und deren Korrelate herauszufinden, da dies Ansatzpunkte für sensibilisierende Interventionen in der Lehrerbildung liefern kann, die die Situation von LGB Schüler:innen im schulischen Umfeld weiter verbessern könnten.
Fragestellung:
In enger Anlehnung an eine Studie von Gegenfurtner et al. (2021) mit deutschen Lehramtsstudierenden gingen wir u.a. der Frage nach, welche Rolle vorheriger sozialer Kontakt mit LGB Personen sowie die eigene politische Orientierung und Religiosität für Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen spielen. Dabei berücksichtigten wir methodische Mängel, die von Gegenfurtner et al. (2021) identifiziert wurden, nahmen Hypergendering-Tendenzen (d. h. die Tendenz, traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen zu befolgen) als möglichen weiteren Prädiktor in den Blick und platzierten die Untersuchung in den luxemburgischen Bildungskontext.
Methode:
Details zu Forschungsfragen und -hypothesen sowie zum Studiendesign können der Prä-Registrierung zur Studie entnommen werden (https://osf.io/24ajg). In unsere Analysen gingen die Antworten von 138 angehenden Lehrer:innen ein, die im Wintersemester 2022 an der Universität Luxemburg in einem der Lehramtsstudiengänge eingeschrieben waren (52.2% waren zwischen 21 und 23 Jahre alt) und eine Einladung zur Teilnahme an einer Onlinebefragung über SoScisurvey zugestimmt hatten. Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen wurden jeweils sowohl als Einzelitem per „Gefühlsthermometer“ (Gegenfurtner et al., 2021) als auch umfassender erfragt (z.B. “Attitudes Toward Lesbians and Gay Men Scale, Revised 5-Item Version”, Herek & McLemore, 2011) . Außerdem wurden Hypergendering, frühere soziale Kontakte mit LGB Personen (innerhalb von Familien- und Freundesnetzwerken), Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religiosität und Rechtskonservatismus per Selbstbericht erfasst.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch die angehenden luxemburgischen Lehrer:innen überwiegend positive Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen aufweisen. Dennoch konnten wir anhand von Korrelations- und multiplen Regressionsanalysen die Häufigkeit der Kontakte mit LGB Personen in Familien- oder Freundeskreisen, Hypergendering-Tendenzen sowie die eigene sexuelle Orientierung und Religiosität als zuverlässige Prädiktoren für die Einstellung gegenüber LGB Schüler:innen identifizieren. Alter, Geschlecht und Rechtskonservatismus sagten die Einstellungen der angehenden Lehrer:innen nicht zuverlässig vorher.
Diskussion:
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die zukünftigen luxemburgischen Lehrer:inner dieselben (positiven) expliziten Einstellungen gegenüber Schüler:innen mit einer der drei untersuchten sexuellen Orientierungen aufweisen, also kaum zwischen den verschiedenen sexuellen Minderheiten unterscheiden. Weiterhin deuten unsere Befunde auf eine Bestätigung der Theorie des Intergruppenkontakts (z.B. Pettigrew & Tropp, 2006) hin und identifizieren Hypergendering-Tendenzen als weitere mögliche Ausgangsbedingung für Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen. Dabei deutete sich an, dass die Erfassung von Einstellungen per umfassender Skala der Erfassung per Gefühlsthermometer überlegen ist. Zukünftige Forschung sollte dennoch darüber hinaus auch verstärkt implizite Einstellungsmaße nutzen, um den Einfluss der sozialen Erwünschtheit zu reduzieren. Für die Lehrerbildung deuten unsere Befunde an, dass es sinnvoll sein könnte, Kontakt zwischen angehenden Lehrer:innen und der LGBTQIA+-Gemeinschaft zu fördern sowie Maßnahmen in die Ausbildung einzubinden, die helfen Geschlechtsstereotype zu hinterfragen.
Implizite und explizite Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber homosexuellen Schüler*innen
Aldin Alijagic, Andreas Gegenfurtner Universität Augsburg
Theoretischer Hintergrund
In der Ausübung von gutem Unterricht sind positive Einstellungen von Lehrkräften von hoher Bedeutung. Im Moment sind Einstellungen zu homosexuellen Schüler*innen jedoch noch wenig untersucht (Gegenfurtner et al., 2023; Hall & Rodgers, 2019; Klocke, in press). Auf Basis der Einstellungstheorie (Eagly & Chaiken, 2007), der Intergruppenkontakttheorie (Pettigrew & Tropp, 2006) und der Selbstkategorisierungstheorie (Turner et al., 1987) untersucht die vorliegende Arbeit in einem Multi-Method-Design das Ausmaß und die Prädiktoren impliziter und expliziter Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber homosexuellen Schüler*innen.
Fragestellung
Drei Fragestellungen wurden adressiert. Konkret wurde untersucht, inwiefern implizite und explizite Einstellungen korrelieren (Forschungsfrage 1), ob Vorurteile, sozialer Kontakt, eigene sexuelle Orientierung, Geschlecht, politische Haltung und Religiosität implizite Einstellung prädizieren (Forschungsfrage 2) und ob sich Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests als Indikator für automatische Assoziationen unterscheiden (Forschungsfrage 3).
Methode
Teilnehmende waren 78 Lehramtsstudierende (52 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 21.3 Jahren (SDAlter = 3.8). Von den Teilnehmenden stuften sich 53 als heterosexuell und 24 als nicht-heterosexuell ein. Eine Person gab keine Auskunft und wurde daher von den weiteren Analysen exkludiert.
Implizite Einstellungen gegenüber homo- und heterosexuellen Schüler*innen wurden mit einem impliziten Assoziationstest gemessen (Greenwald et al., 1998). Für die Zielkategorie „sexuelle Orientierung“ wurden fünf Begriffe mit je einer homosexuell (z.B. lesbisch) beziehungsweise heterosexuell (z.B. heterosexuell) bezeichnenden Orientierung verwendet. Für die Attributkategorie wurden angenehme (z.B. moralisch) bzw. unangenehme (z.B. böse) Adjektive gewählt. Explizite Einstellungen gegenüber homosexuellen und heterosexuellen Schüler*innen wurden mit je einem modifizierten 101-punktskalierten Gefühlsthermometer erhoben (Norton & Herek, 2013), das von 0 bis 100 skaliert war. Vorurteile (α = .92) wurden mit adaptierten Items von Hachfeld et al. (2012) auf einer 7-stufigen Likert-Skala erhoben. Politische Orientierung wurde mit einem dichotomen Item erhoben und die Antworten wurden als 0 = “Links der Mitte“ und 1 = „Rechts der Mitte“ kodiert (Gegenfurtner et al., 2023). Subjektive Religiosität wurde mit der Frage „Wie religiös sind Sie?“ mit den Ausprägungen 1 = „sehr unreligiös“ bis 7 = „sehr religiös“ erhoben (Gegenfurtner et al., 2023). Sozialer Kontakt wurde mit drei siebenstufigen Likert-Items zur Häufigkeit des Kontakts zu homosexuellen Personen in der Familie, im Freundeskreis und im weiteren Bekanntenkreis gemessen (Gegenfurtner et al., 2023).
Die Augenbewegungen der Teilnehmenden wurden während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests mit einem Tobii Eye Tracker aufgezeichnet und als Fixationsdauer und Pupillendurchmesser während der Betrachtung konsistent und nicht-konsistent wahrgenommener Textstimuli analysiert.
Ergebnisse
Die erste Forschungsfrage fokussierte den Zusammenhang zwischen impliziten und expliziten Einstellungsmessungen. Die Korrelationen der impliziten und expliziten Einstellungen waren weder für homosexuelle Schüler*innen, ρ = .02, p = .85 noch für heterosexuelle Schüler*innen statistisch signifikant, ρ = -.12, p = .30.
Die zweite Forschungsfrage fokussierte die Prädiktoren der impliziten Einstellungen. Das gesamte Modell ist statistisch signifikant, F (8, 56) = 2.34, p < .05, allerdings war keine der Prädiktorvariablen signifikant, möglicherweise aufgrund der geringen Stichprobengröße.
Die dritte Fragestellung adressierte Unterschiede in Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare im impliziten Assoziationstest. Die Ergebnisse zeigen einen statistisch signifikanten Unterschied bei der Variable Pupillendurchmesser, F (1, 56) = 5.28, p = .03, η2 = .086, mit einer größeren Pupillendilation beim Lesen inkonsistenter Paare.
Diskussion
Eine geringe Korrelation impliziter und expliziter Einstellungen deckt sich mit Befunden zu anderen Heterogenitätsdimensionen (Kleen, 2021; Pit-ten Cate & Glock, 2019). Die Studie trägt zum noch geringen Forschungsstand über Lehrkrafteinstellungen zu nicht-heterosexueller Orientierung bei (Gegenfurtner et al., 2023; Hall & Rodgers, 2019; Klocke, in press). Limitationen der Studie liegen in der geringen Stichprobengröße und in der Fokussierung auf Homosexualität—Analysen zu den Einstellungen gegenüber bisexuellen oder trans’ Schüler*innen würden die Ergebnisse weiter vertiefen. Interessant wäre zudem der Vergleich der Lehramtsstudierenden mit erfahrenen Lehrkräften.
Oft beschimpft, aber selten sichtbar: Was bewegt pädagogische Fachkräfte an Schulen dazu, sich für queere Jugendliche einzusetzen?
Ulrich Klocke1, Ska Salden2, Meike Watzlawik2 1Humboldt-Universität zu Berlin, 2Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin
Queere Jugendliche, hier verstanden als Jugendliche, die Geschlechternormen nicht erfüllen, haben ein deutlich höheres Suizidrisiko, auch weil sie in der Schule oft Ablehnung erwarten oder erleben. Pädagogische Fachkräfte (PF), insbesondere Lehrkräfte haben daher ihnen gegenüber eine besondere Verantwortung. Doch was bewegt PF dazu, gegen Diskriminierung queerer Personen vorzugehen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (SGV) zu berücksichtigen? Angelehnt an die die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991) haben wir vor allem spezifische verhaltensrelevante Überzeugungen und Bewertungen als mögliche Einflussfaktoren untersucht: PF sollten sich demnach umso mehr für queere Jugendliche einsetzen, je mehr sie dadurch Konsequenzen erwarten, die sie positiv bewerten (z.B. Akzeptanzsteigerung), je weniger sie negativ bewertete Konsequenzen erwarten (z.B. Konflikte), je überzeugter sie sind, dass andere Personen (z.B. Schüler*innen) ihr Verhalten wertschätzen und je mehr verhaltenserleichternde Bedingungen (z.B. Verfügbarkeit passender Lehrmaterialien) sie wahrnehmen. Zudem haben wir Faktoren berücksichtigt, die in existierender, oftmals qualitativer Forschung oder in eigenen Vorstudien (s.u.) identifiziert wurden, beispielsweise die Überzeugung, dass queere Jugendliche durch ihr Auftreten Diskriminierung provozieren (Preston, 2016) oder die Existenz von Unisextoiletten an der Schule.
Für Studie 1 haben wir mit Hilfe von Verbänden, Kultusministerien und Schulleitungen deutschlandweit online Lehrkräfte befragt (Klocke, Latz & Scharmacher, 2019). Analysiert werden konnten 1,102 Lehrkräfte aller Jahrgangsstufen, die hinsichtlich Geschlecht und Alter repräsentativ für Lehrkräfte in Deutschland waren. Kriteriumsvariablen waren die Thematisierung von SGV gegenüber den Schüler*innen und die Intervention gegen Diskriminierung queerer Personen. Prädiktoren waren spezifische Überzeugungen und Bewertungen, vor allem aus der Theorie geplanten Verhaltens und situative Variablen (Teilnahme an Fortbildungen, Schulleitbild, unterrichtete Fächer und Jahrgänge und Kontakt zu queeren Personen).
Für Studie 2 haben wir eine nach Bezirk und Schulart geschichtete Zufallsstichprobe von 43 Schulen (Rücklaufquote 42%) aus allen Berliner Schulen gezogen, in denen ein Online-Fragebogen an sämtliche PF weitergeleitet wurde (Klocke, Salden & Watzlawik, 2020). Analysiert wurden Antworten von 534 PF (Rücklaufquote 20%), darunter 82% Lehrkräfte. Hinsichtlich Geschlecht war die Stichprobe repräsentativ für Berliner Lehrkräfte, unter 40-Jährige waren allerdings überrepräsentiert. Kriteriums- und Prädiktorvariablen aus Studie 1 wurden anhand qualitativer Vorstudien (vier Fokusgruppen mit 30 Expert*innen und elf problemzentrierte Interviews mit PF) ergänzt.
Die deskriptiven Ergebnisse zeigen, dass queere, insbesondere trans* und inter* Personen an Schulen nach wie vor wenig sichtbar sind: Nur eine Minderheit der PF wusste von offen lebenden queeren Schüler*innen. Die meisten PF identifizierten die aktuellen Definitionen von Trans- und Intergeschlechtlichkeit nicht korrekt und wussten nicht, dass die Mehrheit queerer Personen bis zum Alter von 15 Jahren ihr inneres Coming Out haben. Fast alle PF hatten erlebt, dass queer-bezogene Begriffe (z.B. „Schwuchtel“) von Schüler*innen als Schimpfwörter verwendet wurden. Etwa die Hälfte gab an, daraufhin jedes Mal ihre Missbilligung deutlich gemacht zu haben. Allerdings verwendete nur eine Minderheit Materialien oder erwähnte Beispiele, in denen auch queere Personen vorkommen. Wünschten Schüler*innen mit Vornamen oder Pronomen angesprochen zu werden, die nicht dem Geschlecht in ihrer Geburtsurkunde entsprachen, gaben acht von zehn PF an, diese zu verwenden.
Die regressionsanalytischen Ergebnisse (Studie 1) bzw. Mehrebenenanalysen (Studie 2) zeigen, dass PF sich vor allem für queere Schüler*innen einsetzen, wenn sie an entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen haben und (daher) annehmen, dass sie bei Diskriminierung kompetent intervenieren können und mit ihrem Verhalten etwas bewirken können. Auch der Zugang zu passenden Lehrmaterialien, das Unterrichten von Biologie, gesellschaftswissenschaftlichen Fächern oder Sprachen, persönlicher Kontakt zu queeren Personen und die Annahme, dass die eigene Schule ein queer-inklusives Antidiskriminierungsleitbild hat, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, sich zu engagieren. Keine Effekte zeigten sich u.a. für die Wahrnehmung von Diskriminierung sowie das Wissen um erhöhte Suizidalität und Alter des inneren Coming-outs queerer Jugendlicher. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass queer-inklusive Rahmenbedingungen und die Steigerung der Selbstwirksamkeit von PF wirkungsvoller sind als die Sensibilisierung für die schwierige Situation queerer Jugendlicher.
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